TE OGH 1986/4/9 3Ob512/86

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Veröffentlicht am 09.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried V***, Kellner, 9433 St. Andrä, Bleike 73, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dieter L***, Gastwirt, 7000 Eisenstadt, Am Bahndamm 14, vertreten durch Dr. Walter Langer, Dr. Peter Hajek, Rechtsanwälte in Eisenstadt, wegen S 255.000,- s.A. und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1985, GZ R 257/85-55, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 4. April 1985, GZ C 1354/84-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 11.726,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 978,75 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hielt sich am 23.4.1979 als Gast im Gasthausbetrieb des Beklagten in Krumpendorf auf. Als er die Toilette aufsuchen wollte, kam er zum Sturz und erlitt schwere Verletzungen. Eer begehrte mit einer am 7.4.1982 beim Landesgericht Eisenstadt eingebrachten Klage, welche in der Folge an das Erstgericht überwiesen wurde, den Ersatz des von ihm erlittenen Schadens in Höhe von zusammen S 255.000,- und die Feststellung der Haftung für künftige Schäden mit der Begründung, den Beklagten treffe am Unfall ein Verschulden, weil der Sturz auf einer nassen und verschmutzten Stiege erfolgt sei, die nicht den Vorschriften der Kärntner Bauordnung entsprochen habe.

Der Beklagte wendete unter Hinweis darauf, daß die Klage beim zuständigen Gericht erst am 2.7.1982 eingelangt sei, Verjährung ein, bestritt ein Verschulden und unter Hinweis auf die Alkoholisierung des Klägers auch den Ursachenzusammenhang und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach infolge Auftrages des Obersten Gerichtshofes aus, daß der Wert des Gesamtstreitgegenstandes (Leistungsbegehren zuzüglich Feststellungsbegehren) S 300.000,- übersteige.

Die beiden Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Der Kläger war ziemlich alkoholisiert, als er sich gegen 22 Uhr zur Toilette begeben wollte. Er trug nur Lederpantoffeln. Zur Toilette gelangt man vom Gastlokal aus über einen Vorplatz und dann über eine in das Kellergeschoß führende Stiege. Der Kläger kam schon auf dem Vorplatz zum Stiegenabgang, etwa 30 bis 40 cm vor der ersten Stufe zum Sturz und stürzte dann über die Treppe. Vorplatz und Stiege waren mit einem einwandfreien Bodenbelag versehen. Sie waren weder feucht noch verschmutzt. Die Ursache des Sturzes dürfte in der Alkoholisierung des Klägers und in dem wenig Halt gebenden Schuhzeug des Klägers liegen.

Die Breite der zur Toilette führenden Stiege beträgt nur 1,14 m nicht 1,20 m, wie dies gemäß § 119 der Kärntner Bauordnung vorgeschrieben wäre. Die Stiege war entgegen § 104 Kärntner Bauordnung nur auf der Innenseite nicht aber auf beiden Seiten mit einem Handlauf versehen. Auf der Außenseite wird die Stiege durch verputztes Mauerwerk begrenzt.

Nach dem Unfall trat der Kläger an den Beklagten, mit dem er gut bekannt ist, heran, dieser möge eine Schadensmeldung an seine Haftpflichtversicherungsanstalt verfassen, in der Fettreste als Schadensursache angegeben würden. Der Beklagte unterschrieb eine Blankoschadensmeldung, in der dann auch dies als Schadensursache angegeben wurde.

Die Vorinstanzen gelangten auf Grund dieses Sachverhaltes zum Ergebnis, daß den Beklagten kein Verschulden am Unfall des Klägers treffe. Der nicht ganz der Bestimmungen der Kärntner Bauordnung entsprechende Zustand der Stiege, habe zur Entstehung des Unfalles nicht beigetragen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern oder es aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

In der Rechtsrüge stützt sich der Kläger nur mehr auf die Mißachtung einiger Bestimmungen der Kärntner Bauordnung und vertritt die Auffassung, wegen dieser Schutzgesetzverletzungen komme es zu einer Umkehr der Beweislast. Der Beklagte habe einen Beweis über die fehlende Kausalität der zu schmalen Stiege und des fehlenden Handlaufes gar nicht angetreten, sodaß davon ausgegangen werden müsse, daß dem Beklagten der Entlastungsbeweis nicht gelungen sei.

Diesen Ausführungen ist indes folgendes entgegenzuhalten:

Alles was dem Beklagten an rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten zur Last liegt, sind gewisse Verletzungen von Vorschriften der Kärntner Bauordnung, die zu den sogenannten Schutzgesetzen im Sinne des § 1311 ABGB zählen (SZ 13/48, SZ 34/39, ZVR 1969/204 u.a.), im Zusammenhang mit der Beschaffenheit einer Stiege, welche vom Vorplatz des Gastlokals zu den Toiletten im Keller führt.

Gleichgültig ob man von einer bloßen Haftung nach § 1311 ABGB ausgeht oder den Schadenersatzanspruch des Klägers auf die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht stützt, immer ist Voraussetzung für eine gänzliche oder teilweise Berechtigung des Klagsanspruches, daß der vom Beklagten zu vertretende Zustand der Stiege ursächlich oder wenigstens mitursächlich für den Sturz und damit die Verletzungen des Klägers ist.

An diesem Kausalzusammenhang fehlt es jedoch auf Grund der von den Vorinstanzen getroffenen Tatsachenfeststellungen. Der Kläger kam nicht auf der Stiege zum Sturz, sondern vor dem Betreten der Stiege. Die Beschaffenheit der Stiege konnte daher für den Sturz des Klägers keine sogenannte "conditio sine qua non", also keine notwendige Bedingung für den schädigenden Erfolg sein. Zwar hat der Oberste Gerichtshof für Schutzgesetzverletzungen wiederholt ausgesprochen, daß der Geschädigte keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhanges erbringen müsse (ZVR 1972/7 u.a.), sondern daß der sogenannte Beweis des ersten Anscheines genügt (EvBl 1977/246 u.a.). Nicht einmal der schwächste Anscheinbeweis ist jedoch im vorliegenden Fall erbracht, weil der Sturz, wie festgestellt, gar nicht auf der im gewissen Sinne mangelhaften Stiege erfolgt ist.

Daß der Beklagte nicht einmal den Beweis angetreten habe, es komme eine andere Ursache als die Stiege in Betracht, kann nicht gesagt werden, denn der Beklagte hat immerhin nicht nur allgemein die Behauptungen des Klägers bestritten, sondern auch ausdrücklich auf die Alkoholisierung und andere unbekannte Ursachen hingewiesen (Vorbringen in der Tagsatzung vom 14.2.1985, S 169 des Aktes). In diesem Sinn hat der Beklagte übrigens auch den Beweis erbracht, daß der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich rechtmäßig verhalten hätte, nämlich wenn der Zustand der Stiege den Kärntner Bauvorschriften entsprochen hätte, weil der Kläger ja ebenso zum Sturz gekommen wäre, wenn die Stiege ein wenig anders beschaffen gewesen wäre. Auch dieser Beweis entlastet den Beklagten (SZ 51/66, EvBl 1981/208).

Die vom Kläger zitierten Entscheidungen betreffen demgegenüber das vom Kausalitätsproblem zu trennende Verschuldensproblem. Wenn der Sturz des Klägers auf der Stiege und wegen der Beschaffenheit derselben erfolgt wäre, dann müßte der Kläger nicht mehr beweisen, daß den Beklagten ein Verschulden treffe, sondern dann müßte umgekehrt der Beklagte seine allfällige Schuldlosigkeit beweisen (ZVR 1984/154 u.a.). Mangels eines Kausalzusammenhanges taucht aber dieses Problem im vorliegenden Fall gar nicht mehr auf. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher wegen des mit Recht verneinten Kausalzusammenhanges zutreffend.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E08008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00512.86.0409.000

Dokumentnummer

JJT_19860409_OGH0002_0030OB00512_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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