TE OGH 1986/4/10 12Os25/86

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Veröffentlicht am 10.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner H*** und andere wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.August 1985, GZ 9 c E Vr 8.742/85-5, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug als Vertreter der Generalprokuratur, des Vertreters des Privatanklägers Dr. Berethalmy-Deuretzbacher, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. August 1985, GZ 9 c E Vr 8.742/85-5, mit welchem dem Privatankläger Heinz K*** ein Verfahrenshelfer "bestellt" wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO. Der genannte Beschluß wird aufgehoben, und es wird der Antrag des Privantanklägers auf Beigebung eines Verfahrenshelfers abgewiesen.

Text

Gründe:

Heinz K*** brachte am 11.7.1985 beim Bezirksgericht Liezen einen als "Antrag" wie auch als "Anzeige" bezeichneten Schriftsatz ein, in welchem er unter Bezugnahme auf einen in der Ausgabe der "Kronen-Zeitung" ("Steirerkrone") vom 9.7.1975 veröffentlichten Zeitungsartikel gegen Werner H***, sowie Gertrude M*** und Michaela M***, Anzeige "wegen Verstoß gegen das Pressegesetz", ferner wegen der Vergehen nach §§ 111, 115, 152 und 297 StGB erstattete und die Einleitung eines Strafverfahrens gegen die genannten Beschuldigten sowie deren gesetzliche Bestrafung beantragte. Neben anderen detailliert angeführten Begehren stellte er unter Punkt 8 des Schreibens den Antrag, ihm "die Verfahrenshilfe wegen Mittellosigkeit im vollen Umfang zu bewilligen (zwecks der Kosten, Stempelmarken, Vergebührung usw) wegen beabsichtigter Anschließung an das Strafverfahren als Privatbeteiligter im Sinne des § 47 StPO oder Privatanklage". Mit einem am selben Tag beim Bezirksgericht Liezen eingebrachten gesonderten Antrag begehrte er u. a. (vgl Pkt 1 desselben) neuerlich die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang wegen Mittellosigkeit und (nunmehr auch ausdrücklich) eines "Verfahrenshelfers", und zwar "zur Einbringung einer Privatklage (Schadenersatzklage)" gegen die obengenannten drei Beschuldigten "wegen Verstoß gegen das Pressegesetz und laut ABGB wegen § 1330 Ehrenbeleidigung mittels falschen Anschuldigungen" im bereits eingangs erwähnten Zeitungsartikel der "Steierkrone".

Das beim Bezirksgericht Liezen unter AZ Z 80/85 eingetragene Verfahren wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Leoben gemäß § 41 Abs. 2 MedienG an das Landesgericht für Strafsachen Graz und von diesem auf Antrag der Staatsanwaltschaft Graz am 31.7.1985 gemäß §§ 40 Abs. 1 MedienG, 56 Abs. 1 StPO (Verlagsort der "Neuen Kronenzeitung-Steirerkrone" ist Wien) an das Landesgericht für Strafsachen Wien abgetreten, wo es unter dem AZ 9 c E Vr 8.742/85, Hv 5.862/85, weitergeführt wird.

Hinsichtlich der Privatanklagedelikte in Ansehung des Offizialdeliktes nach § 297 Abs. 1 StGB gab die Staatsanwaltschaft Wien am 17.9.1985 bezüglich aller drei Beschuldigten eine Einstellungserklärung nach § 90 StPO ab; S 11 des Aktes forderte das Landesgericht für Strafsachen Wien Heinz K*** unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seinen Antrag auf Bestellung eines Verfahrenshelfers auf, eine Einkommens- und Vermögensbescheinigung zu erbringen (ON 3), welchem Auftrag der Privatankläger am 19.8.1985 (ON 4) nachkam. Daraufhin faßte der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 20.8.1985 den Beschluß auf Bestellung (gemeint: Beigebung) eines Verfahrenshelfers für den Privatankläger gemäß § 41 Abs. 2 StPO (ON 5), aufgrund dessen der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland nach Übermittlung des StPO-Form VH 2 (Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs. 2 StPO), in welchem ausgesprochen wurde, daß die Beigebung für die "Einbringung einer Privatanklage" gelte, mit Bescheid vom 29.8.1985 gemäß § 45 RAO Frau Rechtsanwalt Dr.Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, "zum Verteidiger des umseits angeführten Beschuldigten (Angeklagten) im Rahmen der Beigebung" (der vorgedruckte Text des StPO-Form VH 2 wurde nicht geändert) bestellte (ON 6).

Mit Beschluß vom 4.9.1985 (ON 7) hat die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien "den Antrag des Privatanklägers und Antragstellers vom 11.7.1985" gemäß § 486 Abs. 2 StPO wegen Formgebrechens vorläufig zurückgewiesen und dem Privatankläger und Antragsteller aufgetragen, binnen 14 Tagen die zur Einleitung des Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen, widrigenfalls angenommen werde, daß er von der Verfolgung zurückgetreten sei (§§ 486 Abs. 2, 46 Abs. 3 StPO). In der Begründung dieses Beschlusses (letzter Absatz) führt die Ratskammer aus, daß es sich erübrige, Hinweise für eine korrekte Abfassung des Strafantrages zu geben, da dem Privatankläger und Antragsteller inzwischen ein Verfahrenshelfer bestellt worden sei. Dieser Beschluß wurde Frau Dr.Christiane Berethalmy-Deuretzbacher am 10.9.1985 zugestellt (RS auf S 16).

Am 25.9.1985 (Postaufgabe 24.9.1985) brachte der Privatankläger und Antragsteller Heinz K***, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Berethalmy-Deuretzbacher als bestelltem Verfahrenshelfer, gegen Werner H***, Gertrude M*** und Michaela M*** als Beschuldigte, bzw den Zeitungsverlag D*** & F*** Ges.m.b.H. & Co, als Beteiligten und Antragsgegner die Privatanklage wegen des Vergehens nach §§ 111 Abs. 1 und 2, 115, 152 StGB, verbunden mit einer Sachverhaltsbekanntgabe, bzw Anträgen gemäß §§ 6, 34 und 37 MedienG ein (ON 8).

Am 3.12.1985 fand in der gegenständlichen Strafsache beim Landesgericht für Strafsachen Wien eine Hauptverhandlung statt, welche vertagt wurde und bei welcher der Privatankläger und Antragsteller Heinz K*** ebenfalls vom bestellten Verfahrenshelfer Rechtsanwalt Dr. Berethalmy-Deuretzbacher vertreten war (ON 21, S 65).

Die Akten wurden am 30.12.1985 im Wege des Oberlandesgerichtes Wien (24 Ns 1311/85) dem Obersten Gerichtshof (10 Nds 3/86) zur Entscheidung über einen Antrag der Beschuldigten und des Antragsgegners auf Zuweisung der Strafsache an das Kreisgericht Leoben, bzw allenfalls an das Landesgericht für Strafsachen Graz, vorgelegt; diese steht noch aus.

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.8.1985 über die "Bestellung" eines Verfahrenshelfers für den Privatankläger, GZ 9 c E Vr 8.742/85-5, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO, da diese Gesetzesstelle die Beigebung eines Verfahrenshelfers, nämlich eines Verteidigers, unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen nur für den Beschuldigten (Angeklagten) vorsieht, und auch keine andere gesetzliche Bestimmung die Möglichkeit einer Vertreterbestellung in einer der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO entsprechenden Weise für den Privatankläger (oder auch für den Privatbeteiligten) im Strafverfahren statuiert. Es entbehrt sohin die Beigebung eines Verfahrenshelfers im Sinn des § 41 Abs. 2 StPO an einen Privatankläger (wie auch an einen Privatbeteiligten) der gesetzlichen Grundlage. Die Gewährung von Verfahrenshilfe bleibt insoweit vielmehr auf den durch die Bestimmung des § 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 27.11.1984, BGBl Nr 501/1984 (Gerichtsgebührenges = GGG) iVm den dort zitierten §§ 63 bis 73 ZPO gezogenen Rahmen, nämlich auf die persönliche Gebührenfreiheit, beschränkt.

Rechtliche Beurteilung

Da im vorliegenden Fall im Hinblick auf das bereits zweimalige gerichtliche Einschreiten des zu Unrecht beigegebenen Verfahrenshelfers für den Privatankläger und Antragsteller (ON 8 und 21) im Falle eines für die Beschuldigten ungünstigen Verfahrensausganges eine Verpflichtung derselben zu aus der Vertretung des Privatanklägers resultierendem höherem Kostenersatz (vgl § 8 Abs. 1 GGG iVm § 70 ZPO) nicht ausgeschlossen werden kann, war nicht nur die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen (was schon auf Grund der aus Punkt I oben erhellenden offensichtlichen Unklarheit über die Rechtslage sowohl bei Richtern des Erstgerichtes, als auch bei der Rechtsanwaltschaft geboten erscheint), sondern darüber hinaus im Sinne des § 292 letzter Satz StPO der in Rede stehende Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.8.1985, 9 c E Vr 8.742/85-5, aufzuheben und der Antrag des Privatanklägers und Antragstellers Heinz K*** auf Beigebung eines Verfahrenshelfers abzuweisen.

Anmerkung

E08338

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00025.86.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19860410_OGH0002_0120OS00025_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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