TE OGH 1986/4/15 5Ob46/86

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Veröffentlicht am 15.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** TIROLER G*** W*** m.b.H., Innsbruck,

Südtirolerplatz 6-8, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Karola W***, Verkäuferin, Lienz, Schloßgasse 42, vertreten durch Dr. Rudolf Weiss, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Räumung (Streitwert 500.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11. November 1985, GZ 6 R 232/85-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. April 1985, GZ 6 Cg 516/83-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.874,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.443,15 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende gemeinnnützige Wohnbaugesellschaft m.b.H. ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1827 II KG Lienz. Sie hat auf dieser Liegenschaft eine Eigentumswohnungsanlage errichtet. Auf Grund des zwischen den Streitteilen geschlossenen Eigentumswohnungsvertrages vom 12.12.1980 benützt die Beklagte die im 2.Stock des Hauses Lienz, Schloßgasse 42 gelegene Wohnung top.Nr.8, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Bad, WC, Diele, Balkon und Kellerabteil, samt dem Tiefgarageneinstellplatz II/28. Mit der am 29.9.1983 beim Erstgericht eingelangten und am 5.10.1983 der Beklagten zugestellten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Räumung dieser Wohnung. Sie brachte vor:

Auf Grund des Eigentumswohnungsvertrages sei die Beklagte verpflichtet, eine sofort fällige Barzahlung (von 102.440 S) zu leisten (dies ist offenbar auch geschehen) und ab Übergabe des Vertragsgegenstandes anteilig in ein Hypothekardarlehen der Raiffeisen-Bausparkasse und in ein Wohnbauförderungsdarlehen des Landes Tirol einzutreten sowie die daraus sich ergebende Schuld ordnungsgemäß zu verzinsen und zu tilgen. Gemäß Punkt B 6.2 des Eigentumswohnungsvertrages sei sie berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Beklagte trotz schriftlicher Mahnung an ihre zuletzt bekanntgegebene inländische Anschrift ihrer Zahlungsverpflichtung binnen 4 Wochen nicht nachkomme. Die Übergabe des Vertragsgegenstandes sei bereits erfolgt. Zum 18.7.1983 habe sich die Beklagte mit Zahlungen von Annuitäten, Betriebs- und Heizkosten einschließlich Verzugszinsen, Prozeß- und Exekutionskosten von 31.025,45 S in Rückstand befunden. Bereits Ende 1982 habe der Rückstand der Beklagten 14.483,70 S betragen, über welchen Betrag am 30.3.1983 zu 15 C 372/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck ein Versäumungsurteil ergangen sei. Mit Schreiben vom 1.8.1983 sei die Beklagte unter Setzung einer vierwöchigen Nachfrist zur Zahlung der offenen Forderung von 31.025,45 S zuzüglich weiterer Kosten von 732,24 S für das Einschreiten des Klagevertreters bei sonstigem Rücktritt vom Vertrag aufgefordert worden. Erst nach Klageeinbringung habe die Sparkasse Lienz am 18.10.1983 den ihr zum 30.9.1983 einschließlich Verzugszinsen und Kosten mit 35.260,69 S bekanntgegebenen Rückstand für die Beklagte gezahlt. Sollte die Beklagte oder ein Dritter für sie die im vorliegenden Rechtsstreit weiter aufgelaufenen Kosten der Klägerin ersetzen, so wäre diese allenfalls bereit, auf die Räumung zu verzichten.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein: Sie sei zwar mit ihren Zahlungen an die Klägerin für vier Monate in Rückstand geraten, worauf die Klägerin zu 15 C 372/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck einen Betrag von 14.483,70 S klageweise geltend gemacht habe; tatsächlich sei aber nur ein Betrag von 14.012 S offen gewesen. Sie habe daraufhin der Klägerin und dem Klagevertreter ihre durch die Scheidung ihrer Ehe und durch den tödlichen Unfall des geschiedenen Ehegatten sowie durch den Tod ihres Lebensgefährten (der mehrere Zahlungen nicht an die Klägerin weitergeleitet habe) verursachte mißliche finanzielle Lage, die ein grobes Verschulden auf ihrer Seite ausschließe, geschildert. Der Klagevertreter habe sodann mit Schreiben vom 12.10.1983 der Sparkasse Lienz den zum 30.9.1983 aushaftenden Betrag einschließlich Verzugszinsen und Kosten mit 35.260,69 S bekanntgegeben, der auch schon einige Tage später zur Anweisung gebracht worden sei. Hiedurch habe die Klägerin auf den ausgesprochenen Vertragsrücktritt verzichtet. Hätte die Klägerin auch die Klagekosten des vorliegenden Rechtsstreites angesprochen, so wäre ihr auch dieser Betrag überwiesen worden. Im Schreiben des Klagevertreters vom 12.10.1983 an die Sparkasse Lienz sei allerdings ohnedies offenbar ein Kostenbetrag von 1.732,24 S für die gegenständliche Klage enthalten. Im Verfahren 15 C 372/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck seien zwei Zahlungen von je 3.503 S nicht berücksichtigt worden. Den Betrag von 14.012 S habe sie schon in der Zeit zwischen dem 10.2.1983 und dem 14.6.1983 durch vier zugunsten des Rückstandes zum 31.12.1982 gewidmete Zahlungen getilgt. Die Klägerin habe der Widmung nicht widersprochen. Mit Schreiben des Klagevertreters vom 12.10.1983 sei zu Unrecht ein Zinsenbetrag von 1.595,06 S angesprochen worden. Tatsächlich hätten die Zinsen nur 524 S betragen. Im Rücktrittsschreiben der Klägerin vom 1.8.1983 sei ein Betrag von 1.000 S zu Unrecht geltend gemacht worden. Dieser Differenzbetrag werde mit dem aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck noch offenen Restbetrag von 471,70 S verrechnet. Über den von der Sparkasse Lienz bezahlten Betrag von 35.260,69 S hinaus habe die Beklagte am 4.8.1983 und am 7.9.1983 weitere je 3.503 S an die Klägerin überwiesen, wodurch alle Rückstände für die Zeit bis 31.10.1983 abgedeckt gewesen seien. Aus ihr unbekannten Gründen sei der Überweisungsauftrag vom 4.8.1983 allerdings nicht ausgeführt worden, wovon sie erst im Oktober 1984 erfahren habe. Die Klägerin habe es unterlassen, ihr eine "Rechnung über die bezahlten Monatsraten" zu legen. Sie sei daher über die Tilgung der Darlehen im unklaren. Die Verzugszinsen sowie die Prozeß- und Exekutionskosten seien von der Klägerin zu Unrecht zur Stützung des Vertragsrücktrittes geltend gemacht worden. Der hiefür geleistete Betrag von 7.236,69 S werde gegen den vom Sachverständigen zum 5.12.1983 ermittelten Saldo von 7.006 S aufgerechnet, so daß zu diesem Termin kein Rückstand existent gewesen sei. Die von der Klägerin anläßlich der ersten Tagsatzung am 2.11.1983 verzeichneten Kosten seien überhöht.

Das Erstgericht gab der Räumungsklage statt. Es traf folgende Feststellungen:

Mit dem Eigentumswohnungsvertrag vom 12.12.1980 verpflichtete sich die Beklagte zur Barzahlung eines Betrages von 102.440 S, zur Übernahme eines Anteils von 218.400 S aus dem Hypothekardarlehen der Raiffeisen-Bausparkasse und zur Übernahme eines Anteils von 409.560 S aus den Darlehen der Wohnbauförderung des Landes Tirol. In Punkt B 6.2 lit.b dieses Vertrages wurde vereinbart, daß die Klägerin berechtigt ist, vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Beklagte trotz schriftlicher Mahnung an ihre zuletzt bekanntgegebene inländische Anschrift ihrer Zahlungsverpflichtung binnen 4 Wochen nicht nachkommt. Die Übergabe der Wohnung geschah im Dezember 1981. Die erste Zahlungsvorschreibung für Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlungen (über 1.515 S: Sachverständigengutachten ON 17) erfolgte per 5.1.1982. Zum 31.12.1982 war die Beklagte bereits mit 4 (die Annuitätenzahlungen sowie die Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen enthaltenden: AS 44) Monatsvorschreibungen von je 3.503 S, somit mit insgesamt 14.012 S, in Rückstand. Dieser Betrag (zuzüglich 100 S an Mahnspesen und 371,70 S an Verzugszinsen = 14.483,70 S: AS 44) wurde von der Klägerin am 9.2.1982 zu 15 C 372/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck gegen die Beklagte klagsweise geltend gemacht. Am 30.3.1983 wurde bei der ersten Tagsatzung über Antrag der Klägerin gegen die Beklagte ein Versäumungsurteil gefällt. Zu diesem Zeitpunkt haftete der Hauptsachenbetrag von 14.012 S nach wie vor unberichtigt aus. Im Jahre 1983 erhöhte sich der Rückstand auf insgesamt 24.521 S (7 Monatsvorschreibungen ohne Verzugszinsen und Kosten). Dieser Betrag wurde mit Schreiben vom 1.8.1983 unter Setzung einer vierwöchigen Nachfrist und Erklärung des Rücktritts für den Fall der Nichtzahlung innerhalb dieser Frist eingemahnt. Die Zahlung erfolgte erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist am 18.10.1983. Zum 31.12.1983 haftete wiederum ein Rückstand von 7.006 S aus, der im März 1984 abgedeckt wurde. Seit diesem Zeitpunkt erfolgten die Zahlungen fristgerecht. In der Zeit vom 27.10.1983 bis zum 5.11.1983 war kein Rückstand in der Hauptsache gegeben. Die Klageeinbringung erfolgte am 29.9.1983.

Die Ehe der Beklagten wurde im Jahre 1971 aus dem Alleinverschulden ihres Ehegatten geschieden. Dieser verunglückte im Jahre 1972 tödlich und es verblieben der Beklagten aus gemeinsamen Haftungen erhebliche Schulden. Zudem mußte die Beklagte nun alleine für ihre 13-jährige Tochter aufkommen. In die gegenständliche Wohnung war die Beklagte mit ihrem Lebensgefährten eingezogen. Mit diesem hatte die Beklagte vereinbart, daß sie die Wohnungskosten monatsweise abwechselnd begleichen würden. Hinsichtlich ihres Anteils hatte die Beklagte den Lebensgefährten beauftragt, die Zahlungen für sie durchzuführen. Der Lebensgefährte kam diesem Auftrag jedoch offenbar nicht nach, was die Beklagte erst nach seinem Tod am 1.11.1982 durch Auffinden der unbeglichenen Zahlscheine in dessen Auto erfuhr.

Schon mit Schreiben vom 27.3.1983 hatte die Beklagte den Klagevertreter auf die Ursachen ihrer finanziellen Schwierigkeiten hingewiesen und Zahlung ihrer Rückstände bis zum Jahresende angekündigt.

Offenbar nach der gegenständlichen Klageführung wendete sich die Beklagte an die Sparkasse Lienz um einen Kleinkredit zur Abdeckung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin. Die Sparkasse Lienz fragte beim Klagevertreter hinsichtlich der Höhe der aushaftenden Forderung an. Mit Schreiben vom 12.10.1983 teilte der Klagevertreter der Sparkasse Lienz mit, daß per 30.9.1983 an Hauptsache 28.024 S (8 Monatsvorschreibungen), an Verzugszinsen 1.595,06 S und an Kosten seiner Kanzlei 5.641,63 S, zusammen daher ein Betrag von 35.260,69 S aushafte. Am 14.10.1983 überwies die Sparkasse Lienz im Auftrag der Beklagten diesen Betrag an den Klagevertreter. Am 18.10.1983 langte dieser Betrag bei der Klägerin ein. Mit Schreiben vom 19.1.1984 gab der Klagevertreter dem damaligen Beklagtenvertreter seine Kosten mit 37.161,84 S bekannt und erklärte, daß die Klägerin gegen Zahlung dieses Betrages binnen 14 Tagen unpräjudiziell des anhängigen Rechtsstreites bereit wäre, auf eine Weiterführung des Prozesses und auf eine Räumung der Wohnung durch die Beklagte zu verzichten. Die Beklagte bezahlte jedoch weder diesen noch einen ihr angemessen erscheinenden Betrag.

Hinsichtlich der jeweiligen Rückstände der Beklagten verwies das Erstgericht auf die Tabellen im Gutachten des Sachverständigen (AS 71, 73 und 75) und erklärte, deren Inhalt zu Feststellungen zu erheben. Weiters stellte das Erstgericht noch fest: In diesen Aufstellungen wurden alle von der Beklagten geleisteten Zahlungen berücksichtigt. Die Einzahlung vom 4.8.1983 über 3.503 S wurde in die Aufstellung nicht übernommen, weil sie von der Bank nicht durchgeführt wurde. Weiter konnte eine Einzahlung der Beklagten, hinsichtlich der sie den Einzahlungsbeleg angeblich verloren hat, nicht berücksichtigt werden, weil eine weitere Einzahlung bei der Klägerin nicht aufscheint und daher ein diesbezüglicher Nachweis fehlt. Auch die Zahlungen von 32,40 S und 5.641,60 S wurden nicht in die Aufstellung übernommen, weil es sich nicht um Zahlungen in der Hauptsache handelt.

Diese Feststellungen unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Im Eigentumswohnungsvertrag sei zwischen den Streitteilen vereinbart worden, daß die Klägerin berechtigt sei, von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn die Beklagte trotz schriftlicher Mahnung ihrer Zahlungsverpflichtung binnen 4 Wochen nicht nachkomme. Die Beklagte sei per Ende 1982 bereits mit 4 Monatsvorschreibungen zu je 3.503 S im Rückstand gewesen. Bis zum 31.7.1983 habe sich der Rückstand auf insgesamt 24.521 S erhöht. Auf die Mahnung unter Rücktrittsandrohung habe die Beklagte bis zur Klageeinbringung nicht reagiert. Abgesehen davon, daß bereits im Schreiben vom 1.8.1983 der Rücktritt für den Fall der Nichtzahlung innerhalb der vierwöchigen Frist erklärt worden sei, stelle sich auch die Klage als Rücktrittserklärung im Sinn des § 918 ABGB dar. Da zum Zeitpunkt der Klageeinbringung der Rückstand nach wie vor offen gewesen sei, bestehe sowohl das Rücktrittsrecht als auch das Räumungsbegehren zu Recht. Eine Verpflichtung der Klägerin, den erklärten Vertragsrücktritt rückgängig zu machen, habe auch nach der am 14. bzw. 18.10.1983 erfolgten Zahlung nicht bestanden. Die Beklagte benütze auch nach diesem Zeitpunkt die Wohnung ohne Titel. Ob und inwieweit ein Verschulden der Beklagten an der Nichtzahlung vorliege, sei nicht weiter zu erörtern, weil es hierauf nicht ankomme. Das Schreiben des Klagevertreters an die Sparkasse Lienz vom 12.10.1983, mit welchem die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte ziffernmäßig bekanntgegeben worden sei, könne nicht als weiterer Aufschub und als Verlängerung der Nachfrist angesehen werden, zumal darin keinerlei Erklärung in der Richtung abgegeben worden sei, daß die Klägerin im Falle der Bezahlung dieser Forderung den erklärten Rücktritt zurücknehme. Dasselbe gelte für die Erklärung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 3.1.1984. Wohl habe sich die Klägerin bereit erklärt, auf die Räumung allenfalls zu verzichten, wenn die Kosten der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ersetzt würden. Dies sei aber nicht geschehen. Ob und inwieweit im Schreiben der Klägerin vom 1.8.1983 hinsichtlich der Nebengebühren ein Rechenfehler enthalten sei, spiele keine Rolle, stehe doch fest, daß per Juli 1983 ein Hauptsachenbetrag von 24.521 S unberichtigt ausgehaftet habe, den die Beklagte auch in der Folge bis zum Ablauf der Nachfrist nicht bezahlt habe. Das Berufungsgericht wies die Räumungsklage ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S übersteigt. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Vom Fehlen einer Widmung für die im Auftrag der Beklagten

erfolgte Zahlung durch die Sparkasse Lienz könne freilich keine Rede

sein. Wie nämlich vom Erstgericht unbekämpft festgestellt worden

sei, habe die Sparkasse Lienz im Zuge eines ihr von der Beklagten

erteilten Auftrages den Klagevertreter um die Bekanntgabe der Höhe

der aushaftenden Forderung ersucht gehabt, der in der Folge "per

30.9.1983" einen Gesamtbetrag von 35.260,69 S bekanntgegeben und

diesen mit 28.024 S an Hauptsache, 1.595,06 S an Verzugszinsen und

5.641,63 S an Kosten seiner Kanzlei aufgeschlüsselt habe. Die

daraufhin veranlaßte Überweisung des geforderten Betrages stelle

sich daher als zumindest konkludente Widmung im Sinne der

Bekanntgabe des Klagevertreters dar (siehe die in MGA 2 32  unter

den Nummern 7 und 8 zu § 1415 ABGB abgedruckten Entscheidungen sowie

die Widmungserklärung Beilage 4: "......laut Ihrem Schreiben vom

12.10.1983......"). Mit diesen Erwägungen sei aber für den

Standpunkt der Klägerin nichts gewonnen.

Sei bei gerichtlicher Geltendmachung des Rücktritts durch den Wohnungseigentumsorganisator die Höhe der vom Wohnungseigentumswerber oder Wohnungseigentümer noch zu leistenden Zahlungen strittig, so sei hierüber abgesondert zu verhandeln und mit Beschluß zu entscheiden. Zahle der Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer sohin vor Schluß der dem Urteil des Gerichtes erster Instanz vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag, so sei die Klage abzuweisen; der Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer habe jedoch dem Kläger die Kosten des Verfahrens zu ersetzen, soweit ihn ohne seine Zahlung ein Kostenersatz getroffen hätte (§ 24 Abs.4 WEG).

Diese Bestimmung sei § 21 Abs.2 und 3 MG nachgeformt, weshalb die hiezu ergangene Judikatur zu beachten sei (Würth in JBl. 1979, 128; Faistenberger-Barta-Call 737; Meinhart, WEG 1975, 195; MietSlg. 34.564). Es dürfe aber auch der Schutzzweck im Zusammenhang mit § 23 Abs.2 WEG nicht außer Betracht bleiben (Würth a.a.O.). Im Gegensatz zu § 21 Abs.2 MG führe aber eine nachträgliche, bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz erfolgte Zahlung auch dann zur Klageabweisung, wenn die Zahlungssäumnis auf grobem Verschulden beruhe. § 24 Abs.4 WEG stelle nämlich im Gegensatz zur Regelung des § 21 Abs.2 MG das Erfordernis des Mangels eines groben Verschuldens nicht auf.

Ob das bloße Bestreiten der Höhe des geschuldeten Betrages durch den Beklagten auch dann ausreiche, um die Höhe als "strittig" anzusehen, wenn diesbezüglich - wie hier - bereits ein rechtskräftiges Erkenntnis vorliege (in verneinendem Sinne Würth a. a.O. mit Hinweisen auf die Entscheidungen MietSlg. 19.390, 23.187 und 26.332, aus denen aber nur zu entnehmen sei, daß eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückstand eine abgesonderte Beschlußfassung entbehrlich mache - so auch MietSlg. 28.403 und

34.564 -; in undifferenziert für alle Fälle einer Bestreitung bejahendem Sinne Faistenberger-Barta-Call 743), könne hier dahingestellt bleiben, weil im vorliegenden Fall die Beklagte nicht nur Einwendungen gegen die Höhe des rechtskräftig mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30.3.1983, 15 C 372/83, bestimmten Rückstandes erhoben, sondern auch die Höhe der eingeforderten kapitalisierten Zinsen bestritten und geltend gemacht habe, daß in der Zeit nach Erlassung der Entscheidung über den Rückstand Zahlungen geleistet worden seien, die die Klägerin nicht berücksichtigt habe. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung sei daher der (am 1.8.1983) geforderte Betrag trotz des Versäumungsurteils des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30.3.1983 als strittig anzusehen. Einer abgesonderten Beschlußfassung im Sinne des § 24 Abs.4 WEG habe es dennoch nicht bedurft, weil im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz kein Rückstand mehr bestanden habe (Faistenberger-Barta-Call 741).

Darüber hinaus vertrete das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Begünstigung des § 24 Abs.4 zweiter Satz WEG, wonach die Klage abzuweisen sei, wenn der geschuldete Betrag vor Schluß der Verhandlung bezahlt werde, unabhängig davon zur Anwendung komme, ob der geschuldete Betrag im Verfahren jemals strittig gewesen sei. Der Gesetzgeber habe nämlich diese Rechtsfolge nur an die rechtzeitige Bezahlung des Rückstandes, nicht aber auch an die Voraussetzungen des § 24 Abs.4 erster Satz WEG geknüpft. Selbst wenn man der Argumentation der Klägerin, wonach von einem strittigen Rückstand nicht gesprochen werden könne, folgen wollte, wäre daher zugunsten ihres Standpunktes dennoch nichts zu gewinnen.

Voraussetzung für eine Klageabweisung sei die Zahlung des gesamten bei Verhandlungsschluß bestehenden Rückstandes. Es reiche aber schon aus, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt während des Verfahrens - hier schon in der Zeit vom 27.10.1983 bis zum 5.11.1983 - die bis zu diesem Zeitpunkt angelaufenen Rückstände beglichen worden seien (EvBl 1955/344; MietSlg. 30.473, 31.469, 32.424, 33.413, 34.497). Nach ständiger Rechtsprechung zählten Nebengebühren, darunter Zinsen und Kosten, nicht zum "geschuldeten Betrag", der bis zum Schluß der Verhandlung zu entrichten sei (MietSlg.30.474, 35.585; vgl. auch die in MGA 2 32 unter Nr.57 zu § 918 ABGB und unter den Nummern 107 und 108 zu § 1118 ABGB abgedruckten Entscheidungen). Der Standpunkt der Klägerin, ein Abstehen vom Räumungsbegehren auch an die Zahlung der im vorliegenden Rechtsstreit aufgelaufenen Kosten zu knüpfen, sei daher jedenfalls verfehlt gewesen, zumal ein Kostenersatzanspruch gegenüber dem Gegner - auch ein solcher nach § 24 Abs.4 letzter Halbsatz WEG - nach der Regel des § 40 ZPO erst durch die gerichtliche Kostenentscheidung entstehe. Das Räumungsbegehren der Klägerin sei daher ab dem 27.10.1983 nicht mehr begründet gewesen. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach mangels fristgerechter Zahlung des mit Schreiben des Klagevertreters vom 1.8.1983 unter Rücktrittsandrohung und Rücktrittserklärung geforderten Betrages der Vertragsrücktritt rechtswirksam geworden sei, könne nicht gebilligt werden. Es sei nämlich von einer ex lege eingetretenen Erstreckung der Frist bis zum Schluß der Verhandlung über die Räumungsklage auszugehen (Würth a.a.O. 129; Faistenberger-Barta-Call 743) und es komme der Beklagten - wie dargestellt - die Begünstigung des § 24 Abs.4 zweiter Satz WEG zugute. Von einer titellosen Benützung der Wohnung durch die Beklagte könne somit keine Rede sein.

Auf das Argument, die Klägerin habe zumindest konkludent auf den Räumungsanspruch verzichtet, habe daher nicht mehr eingegangen zu werden brauchen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs.1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, weil auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes nach § 500 Abs.2 ZPO nicht die Bestimmungen des RATG (oder des GGG), sondern die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden sind; sie ist aber nicht berechtigt. Die Klägerin führt zusammengefaßt aus, die Beklagte habe sich im Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Rücktritts der Klägerin mit einem (zumindest teilweise) nicht strittigen, ja sogar rechtskräftig gerichtlich festgesetzten Betrag im Rückstand befunden, so daß § 24 Abs.4 WEG nicht anzuwenden sei. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Das Räumungsbegehren der Klägerin könnte nur dann Erfolg haben, wenn ihr ein tauglicher Rücktrittsgrund zu Gebote gestanden wäre und die Beklagte nicht durch rechtzeitige Nachzahlung des geschuldeten Betrages im Sinne des § 24 Abs.4 WEG die Klageabweisung erwirkt hätte. Schon die erste Voraussetzung läge nicht vor, wenn man sich der Auffassung von Faistenberger-Barta-Call 667, 741, der auch die Entscheidungen MietSlg. 30.587 und 34.565 gefolgt sind, anschließen wollte, daß der Verzug mit der Zahlung von nicht im § 23 Abs.2 WEG genannten Beträgen (sofern die im § 23 Abs.2 WEG genannten Beträge gezahlt wurden) als tauglicher Rücktrittsgrund ausscheide. Die Klägerin macht nämlich nur den Verzug der Beklagten mit der Zahlung solcher Beträge als Rücktrittsgrund geltend, die nicht im Sinne des § 23 Abs.2 WEG zahlenmäßig bestimmt vereinbart und bis zur Vollendung der Bauführung zu entrichten waren. Der Oberste Gerichtshof folgt aber nunmehr in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen der überzeugend begründeten Ansicht von Würth, daß der Wohnungseigentumsorganisator wegen jeglicher fälligen Forderung aus dem Vertrag und nicht nur wegen der im § 23 Abs.2 WEG genannten Beträge zurücktreten kann (Würth in JBl.1979,128 f; Würth in ImmZ 1979, 134 f; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu § 24 WEG). Die erste Voraussetzung ist daher auf Grund des festgestellten Sachverhaltes gegeben. Damit ist jedoch für die Klägerin nichts gewonnen, weil die zweite Voraussetzung fehlt. Die Beklagte hat nämlich, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, durch rechtzeitige Nachzahlung des geschuldeten Betrages im Sinne des § 24 Abs.4 WEG die Klageabweisung erwirkt.

Der Gesetzgeber hat § 24 Abs.4 WEG dem § 21 Abs.2 und 3 MG (nunmehr § 33 Abs.2 und 3 MRG) und dem § 22 Abs.1 Z 1 WEG (siehe auch § 29 Abs.2 Z 4 WEG) nachgebildet (Bericht des Justizausschusses 1681 BlgNR 13.GP 8 Bemerkungen zu § 24 WEG;

Faistenberger-Barta-Call 737; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 13 zu § 24 WEG). Die Formulierung der als Vorbilder herangezogenen Bestimmungen - § 21 Abs.2 MG: "Wenn ein Mieter....vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet, so ist die Kündigung aufzuheben; .... Ist die Höhe des geschuldeten Betrages strittig, so hat das Gericht vor Schluß der Verhandlung darüber zu entscheiden"; § 22 Abs.1 Z 1 WEG: ".....wenn er seinen Pflichten aus der Gemeinschaft nicht nachkommt, besonders die ihm obliegenden Zahlungen auch nicht bis zum Schluß der dem Urteil des Gerichtes erster Instanz vorangehenden Verhandlung leistet; ist hierbei strittig, welche Zahlungen der beklagte Miteigentümer zu leisten hat, so ist hierüber abgesondert zu verhandeln und mit Beschluß zu entscheiden; zahlt der geklagte Miteigentümer sohin vor Schluß der dem Urteil des Gerichtes erster Instanz vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag, so ist die Klage abzuweisen" - zeigt, daß der Gesetzgeber dem säumigen Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer die Möglichkeit, den geschuldeten Betrag nachzuzahlen und damit die Abweisung der Klage des Wohnungseigentumsorganisators zu erwirken, auch im Falle des § 24 Abs.4 WEG unabhängig davon einräumen wollte, ob die Höhe der vom Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer noch zu leistenden Zahlungen strittig ist; letzterer Umstand sollte nur für die Verpflichtung des Gerichtes zur abgesonderten Verhandlung und Beschlußfassung (über die strittige Höhe dieser Zahlungen) von Bedeutung sein. Die Beklagte hatte somit ungeachtet dessen, daß ein Teil ihres Zahlungsrückstandes, den die Klägerin zum Anlaß der Rücktrittserklärung nahm, auf Grund des Versäumungsurteils des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30.3.1983 rechtskräftig feststand (wobei die Beklagte allerdings einwendete, diesen Teil des Rückstandes vor dem Rücktrittsschreiben der Klägerin vom 1.8.1983 beglichen zu haben) und daß sie den von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Rückstand nicht zur Gänze bestritt, die Möglichkeit, den geschuldeten Betrag nachzuzahlen und damit die Abweisung der Klage zu erwirken. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß § 24 Abs.4 WEG (ebenso wie § 21 Abs.2 und 3 MG bzw. nunmehr § 33 Abs.2 und 3 MRG und § 22 Abs.1 Z 1 WEG) die vom Wohnungseigentumsorganisator zu setzende Nachfrist bis zum Schluß der dem Urteil des Gerichtes erster Instanz vorangehenden Verhandlung gesetzlich verlängert (siehe auch Würth in Rummel, ABGB, Rdz 13 zu § 24 WEG). Es ist auch der Meinung des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß die Klägerin ein Abstehen vom Räumungsbegehren nicht an die Zahlung der im vorliegenden Rechtsstreit weiter aufgelaufenen Kosten knüpfen durfte.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08028

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00046.86.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19860415_OGH0002_0050OB00046_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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