TE OGH 1986/4/30 3Ob542/86

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Veröffentlicht am 30.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Peter R***, geboren am 7.Februar 1982, und Pauline R***, geboren am 18.März 1984, infolge Revisionsrekurses des Vaters Manfred R***, Angestellter, Seekirchen, Mödlham 57, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 27. Februar 1986, GZ 33 R 112,113/86-35, die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7.Jänner 1986, GZ 4 P 491/85-16, und vom 29.Jänner 1986, 4 P 491/85-19, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Brigitte R*** und Manfred R*** haben am 29.1.1982 die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen der am 7.2.1982 geborene Peter und die am 18.3.1984 geborene Pauline. Am 2.10.1985 brachte Brigitte R*** gegen Manfred R*** eine Klage auf Scheidung der Ehe ein. Eine Entscheidung über diese Klage ist noch nicht ergangen. I. Brigitte R*** stellte am 29.10.1985 (ON 1, wiederholt mit ON 2) den Antrag, ihr hinsichtlich beider Kinder die elterlichen Rechte und Pflichten gemäß § 177 ABGB zu übertragen. Den gleichen Antrag stellte am 6.11.1985 auch Manfred R*** (ON 3). Manfred R*** stellte überdies am 25.11.1985 den Antrag, ihm ein Besuchsrecht einzuräumen, und zwar in der Form, daß er berechtigt sei, Peter an jedem Wochenende in der Zeit von Samstag, 13 Uhr, bis Sonntag, 15 Uhr, zu sich zu nehmen, Pauline an jedem Wochenende in der Zeit von Samstag, 13 Uhr, bis Samstag, 17,30 Uhr, wobei er beide Kinder von ihrer Mutter abholen und auch wieder dorthin zurückbringen würde (ON 6).

Mit Beschluß vom 7.1.1986, ON 16, ordnete das Erstgericht gemäß § 177 ABGB an, daß in Hinkunft sämtliche aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) hinsichtlich beider Kinder der Mutter Brigitte R*** zustehen. Dem ehelichen Vater räumte es ein Besuchsrecht dahingehend ein, daß er berechtigt sei, Peter im Abstand von 14 Tagen am Wochenende von Samstag, 13 Uhr, bis Sonntag, 15 Uhr, und Pauline im Abstand von 14 Tagen jeweils am Samstag in der Zeit von 13 bis 17 Uhr zu sich zu nehmen. Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Brigitte und Manfred R*** wohnten gemeinsam mit ihren Kindern bis August 1985 im Haushalt der Eltern des Vaters in Seekirchen, Mödlham 57. Brigitte R*** war im Betrieb ihrer Schwiegereltern, die in Salzburg einen Marktstand betreiben, beschäftigt. Die Kinder wurden je nach beruflicher Auslastung von ihrer Mutter und den väterlichen Großeltern betreut.

Anfangs August 1985 verließ Manfred R*** die Ehewohnung. Brigitte R*** übersiedelte daraufhin mit den Kindern vorerst zu ihrer Mutter nach Anthering, dann aber, da die räumlichen Verhältnisse dort einen längeren Aufenthalt nicht zuließen, in das Frauenhaus nach Salzburg, wo sie sich auch jetzt noch aufhält. Sie erhielt vom Bürgermeister der Gemeinde Anthering die Zusage, bis Ende März 1986 eine geeignete Wohnung für sich und die Kinder zu erhalten. Brigitte R*** beabsichtigt, sich der Pflege und Erziehung der Kinder zu widmen, bis Pauline drei Jahre alt ist und den Kindergarten besuchen kann, und sodann eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Peter besucht bereits jetzt den Kindergarten. Brigitte R*** beschäftigt sich intensiv mit den Kindern und fördert sie gut. Die Kinder sind altersgemäß entwickelt. Pauline befindet sich zur Zeit in einer besonders labilen Phase; sie klammert sich sehr stark an ihre Mutter, jede Trennung bedeutet für sie eine Streßsituation. Peter hat die Trennung seiner Eltern noch nicht als Realität erfaßt. Für ihn ist der Vater noch sehr präsent. Er hat zu ihm eine sehr positive Beziehung. Trotzdem ist die Hauptbezugsperson für Peter zweifellos die Mutter, an der er sich, durch die verschiedenen Umstellungen verunsichert, auch sehr eng anklammert. Die väterlichen Großeltern bewohnen in Seekirchen ein sehr geräumiges Haus, in dem beiden Kindern im Falle ihres Verbleibens bei ihrem Vater ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen würde. Beide Kinder hatten zu ihren väterlichen Großeltern eine sehr enge Bindung, da sie in ihrem Haushalt aufgewachsen sind. Die väterliche Großmutter Frieda R*** hat sich bereit erklärt, sich ausschließlich der Pflege und Erziehung der beiden Kinder zu widmen, da sie sehr unter der Trennung von den Kindern leide. Für den Fall der Übertragung der elterlichen Rechte auf den Vater beabsichtigt dieser, sich zusammen mit seinen Eltern der Pflege und Erziehung der beiden Kinder zu widmen. Manfred R*** studiert derzeit Rechtswissenschaften und ist ebenfalls im Betrieb seiner Eltern beschäftigt; er wird jedoch am Marktstand nur nach Bedarf eingesetzt. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, es sei in erster Linie auf das Kindeswohl abzustellen. Die Pflege und Erziehung von Kleinkindern durch die Mutter sei grundsätzlich jener durch andere Personen vorzuziehen. Eine Trennung von Geschwistern sollte möglichst vermieden werden. Es könne der Mutter nicht zum Nachteil gereichen, daß ihre Wohnmöglichkeiten derzeit weniger günstig seien, da sie sich erst nach Festlegung, daß die Kinder bei ihr bleiben, für eine entsprechende Wohnung entscheiden könne. Maßgeblich sei, daß die Mutter derzeit die Hauptbezugsperson darstelle. Es sei nicht zweckmäßig, dem Vater ein Besuchsrecht an jedem Wochenende einzuräumen, da dann ein regelmäßiger Kontakt mit der Mutter und dem ihr nahestehenden Personenkreis nicht mehr möglich wäre.

II. Am Sonntag, 26.1.1986, war Peter bei seinem Vater zu Besuch, wurde von diesem aber nicht zurückgebracht. Es fuhren daraufhin am 27.1.1986 die Sozialarbeiterin K*** und Frau E*** vom Frauenhaus, die Peter bekannt ist, zum Vater bzw. dessen Eltern, um das Kind abzuholen. Zufolge des Widerstandes der Großeltern gelang ihnen dies nicht. Brigitte R*** stellte daraufhin den am 29.1.1986 beim Erstgericht eingelangten Antrag, die sofortige Rückgabe des Kindes gemäß § 19 AußStrG mit angemessenen Mitteln, nötigenfalls unter Zuhilfenahme der Sicherheitsbehörde, durchzusetzen (ON 18). Mit Beschluß vom 29.1.1986, ON 19, bewilligte das Erstgericht der Mutter auf Grund des Beschlusses vom 7.1.1986 gemäß § 19 Abs.1 AußStrG die Erzwingung des Anspruches auf Rückgabe des Kindes in der Weise, daß es die zwangsweise Übergabe an die Mutter durch den Gerichtsvollzieher anordnete. Der am 30.1.1986 (in Abwesenheit der Mutter) durchgeführte Vollzug blieb erfolglos, da der Vollzug nur mit Gewaltanwendung hätte durchgeführt werden können, so daß der Vollstrecker hievon Abstand nahm.

Auf Grund eines vom Vater gegen die Vollzugsanordnung eingebrachten Rekurses holte das Erstgericht ein Sachverständigengutachten darüber ein, ob zur Sicherung des Wohles des mj. Peter für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens notwendige Vorkehrungen zu treffen seien. Der Sachverständige Dr. J***-W*** untersuchte Peter in Gegenwart seiner Eltern und väterlichen Großeltern am 12.2.1986. Nach seinem Gutachten ist die sofortige Rückführung des Kindes nicht sinnvoll und ein Verbleib beim Vater für den Verlauf des Rechtsmittelverfahrens im Interesse des Kindes. Bei der Untersuchung habe sich die väterliche Großmutter als Hauptbezugsperson dargestellt. Peter zähle derzeit die Mutter nicht zum Familienkreis, sie sei assoziativ beim Kind deshalb negativ besetzt, weil es die Atmosphäre des Frauenhauses ablehne und sich dort der vielen Menschen wegen nicht geborgen fühle. Das Rekursgericht gab den vom Vater gegen die Beschlüsse ON 16 und 19 erhobenen Rekursen nicht Folge und bestätigte den Beschluß vom 29.1.1986 (ON 19) mit der Maßgabe, daß die Übergabe zwar unter Beiziehung des Jugendamtes, jedoch nur in Gegenwart der Mutter zu erfolgen hat. Das Rekurgericht schloß sich hinsichtlich des Beschlusses ON 16 der Rechtsansicht des Erstgerichtes an und hob hervor, daß gegen die Person der Mutter und ihrer Eignung zur Pflege und Erziehung der Kinder keine Bedenken bestünden. Der Umstand, daß die äußeren Bedingungen - zumindest derzeit - beim Vater wesentlich günstiger seien, dürfe nicht überbewertet werden, da es in erster Linie auf die Betreuungs- und Bezugsperson ankomme. Beim Aufenthalt der Mutter im Frauenhaus handle es sich nur um eine Übergangslösung. Habe der Sachverständige Dr. J***-W*** bei seiner Untersuchung am 12.2.1986 festgestellt, Hauptbezugsperson des mj. Peter sei die väterliche Großmutter und sei es wahrscheinlich immer gewesen, sei zu berücksichtigen, daß der Sachverständige keine Kenntnis von den Tests gehabt habe, die im November 1985 von der Psychologin Dr. S*** durchgeführt worden seien (ON 15) und die für den damaligen Zeitpunkt ein völlig anderes Ergebnis gebracht hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, daß sich die Einstellung des Buben während des vom Vater und den Großeltern erzwungenen Aufenthalts geändert habe. Da die Großeltern bei der Vorsprache der Sozialarbeiterin am 27.1.1986 in Gegenwart des Kindes über die Mutter geschimpft hätten (AS 118), liege die Annahme einer bewußt negativen Beeinflussung des Kindes durch die Großeltern nahe. Es liege auf der Hand, daß ein erst vier Jahre altes Kind sich weigere, aus einer Umgebung, in der es sich wohl fühle, mit fremden Personen mitzugehen, wenn es vom Vater und den Großeltern in dieser Haltung bestärkt werde. Gehe man aber davon aus, daß noch im November 1985 die Mutter die Hauptbezugsperson auch für den mj. Peter gewesen sei und daß sich dieser erst einen Monat bei seinen Großeltern bzw. seinem Vater aufhalte, sei nicht zu erwarten, daß die Rückkehr zur Mutter für ihn einen seelischen Schaden hervorrufen werde, zumal er dadurch auch wieder bei seiner Schwester lebe, zu der nach dem Bericht der Psychologin Dr. S*** offensichtlich eine enge Beziehung bestehe. Die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. J***-W*** spreche daher nicht gegen eine endgültige Übertragung der Sorgerechte an die Mutter. Die hinsichtlich des Besuchsrechtes getroffene Regelung sei zutreffend. Der Beschluß vom 7.1.1986, ON 16, habe gemäß § 12 Abs.1 AußStrG sofort mit der Zustellung Rechtswirksamkeit erlangt und noch vor Ablauf der Rekursfrist in Vollzug gesetzt werden können. Das Erstgericht sei daher berechtigt gewesen, die zwangsweise Übergabe des Kindes anzuordnen. Der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß ON 16 (ON 22) sei erst nachher erhoben worden. Dem Rekursgericht erscheine es jedoch erforderlich, daß Peter, sollte es zu einer neuerlichen zwangsweisen Übergabe kommen, seiner Mutter übergeben werde, um den damit verbundenen Schock möglichst gering zu halten.

Der Vater bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichtes mit außerordentlichem Revisionsrekurs und beantragt, sie dahin abzuändern, daß die Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB künftig ihm zustehen, in eventu, daß ihm ein seinem Antrag entsprechendes wöchentliches Besuchsrecht eingeräumt werde, in eventu ein Besuchsrecht im Abstand von 14 Tagen, jedoch beginnend mit Samstag, 9 Uhr; hilfsweise wird hinsichtlich dieses Entscheidungsgegenstandes ein Aufhebungsantrag gestellt. Hinsichtlich des Beschlusses auf zwangsweise Kindesabnahme wird die ersatzlose Aufhebung begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Ein Rekursgrund im Sinne des § 16 AußStrG liegt nicht vor. Verfahrensverstöße begründen Nichtigkeit nur dann, wenn sie für die Sachentscheidung von einschneidender Bedeutung sind (EFSlg.47.262 ua.). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt einen solchen schweren Verfahrensverstoß dar (EFSlg.47.266 ua.). Es begründet dagegen keine Nullität, wenn ein Beteiligter zu einzelnen Beweisergebnissen nicht gehört wurde (EFSlg.42.268, 37.151 ua). Der Umstand, daß dem - am 25.11.1985 vernommenen - Vater im Verfahren vor dem Erstgericht nicht Gelegenheit gegeben wurde, Bedenken gegen Inhalt und Beweiswert der (am 30.12.1985 beim Erstgericht eingelangten) Stellungnahme des Familienreferats der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 14.11.1985 (ON 15) vorzubringen, kann daher keinesfalls als ein Verfahrensverstoß vom Range einer Nichtigkeit angesehen werden. Der in der Entscheidung EvBl.1982/120 behandelte Vorgang unterscheidet sich wesentlich von dem vorliegenden. In jenem Verfahren veranlaßte das Erstgericht nach Einlangen des Rekurses der Mutter Erhebungen des Jugendamtes, auf deren Grundlage das Rekursgericht wesentliche zusätzliche Feststellungen traf, zu denen die Mutter sohin ihren eigenen Standpunkt nicht einmal im Rekurs vortragen konnte (vgl. hiezu EFSlg.37.153 ua, wonach im Verfahren außer Streitsachen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schon dann nicht mehr gegeben ist, wenn die betreffende Partei Gelegenheit hatte, ihrem Standpunkt in dem gegen die wegen einer solchen Verletzung bekämpfte erstrichterliche Entscheidung erhobenen Rekurs Geltund zu verschaffen). Auch die Unterlassung der Vernehmung der väterlichen Großmutter könnte zwar einen Verfahrensverstoß (eine Rüge im Rekurs an die zweite Instanz ist nicht erfolgt), keinesfalls aber Nichtigkeit begründen.

Das vom Erstgericht zur Frage, ob zur Sicherung des Wohles des mj. Peter für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens notwendige Vorkehrungen zu treffen sind, eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. J***-W*** (ON 32) veranlaßt den Vater zum Vorwurf, es sei die dem Gericht obliegende Stoffsammlung mangelhaft geblieben, es sei das Wohl der Kinder und damit ein Grundprinzip des Pflegschaftsverfahrens gänzlich außer acht gelassen worden (so daß offenbare Gesetzwidrigkeit vorliege), es liege Aktenwidrigkeit vor und es seien schließlich geänderte Umstände außer Betracht gelassen worden, die geeignet seien, die gesamten Entscheidungsgrundlagen zu verändern.

Weshalb die "Feststellung" des Rekursgerichtes, es lägen nach den psychologischen Tests bezüglich des mj. Peter in verhältnismäßig knapper Zeit zwei Bezugspersonen vor, aktenwidrig sein soll, ist nicht zu erkennen; denn im Test vom 14.11.1985 wird die Mutter (AS 57), im Gutachten vom 13.2.1986 die väterliche Großmutter (AS 109) als Hauptbezugsperson des Kindes genannt. Es bildet auch keine Aktenwidrigkeit, wenn das Rekursgericht auf Grund des Berichtes der Sozialarbeiterin K*** ON 34 (AS 118) im Gegensatz zum Sachverständigen Dr. J***-W*** zur Ansicht gelangt, es liege die Annahme einer bewußt negativen Beeinflussung des Kindes durch die Großeltern nahe. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn das Gericht den Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergibt und dadurch zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem wichtigen Punkt gelangt (EFSlg.47.272 ua.). Das Rekursgericht ist keineswegs davon ausgegangen, daß aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. J***-W*** hervorgehe, es liege eine bewußt negative Beeinflussung des Kindes durch die Großeltern nahe. Schlußfolgerungen aber wie jene der zweiten Instanz aus dem Bericht ON 34 begründen nie Aktenwidrigkeit (EFSlg.47.274 u.a.). Der im Revisionsrekurs unternommene Versuch, abzuwägen, ob nicht aus der psychologischen Begutachtung vom 14.11.1985 eine negative Beeinflussung des mj. Peter durch seine Mutter gegen die väterlichen Großeltern hervorgehe, und ob dem Vollzugsbericht vom 3.2.1986 (ON 24) und dem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 30.1.1986 (AS 119) irgendeine Beeinflussung durch die väterlichen Großeltern entnommen werden könne, schlägt fehl, weil diese Erwägungen keinem der in § 16 AußStrG genannten Rekursgründe unterstellt werden können.

Den Umstand, daß der Sachverständige Dr. J***-W*** einen Verbleib des mj. Peter in der Obhut seines Vaters für den Verlauf des Rechtsmittelverfahrens als durchaus im Interesse des Kindes angesehen (AS 109) und die väterliche Großmutter als die Hauptbezugsperson des Kindes bezeichnet hat, hat das Rekursgericht ausdrücklich festgestellt (S 7 f der Entscheidung = AS 127 f), und es hat sich hiemit auch in ausführlicher Weise auseinandergesetzt (S 11 und 12 der Entscheidung = AS 131 und 132). Der Vorwurf, es lägen mit dem Gutachten des genannten Sachverständigen Neuerungen vor, die das Rekursgericht nicht beachtet habe, ist schon aus diesem Grund verfehlt.

Es ist richtig, daß aus der Stellungnahme des Familienrates der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ON 15 nicht hervorgeht, daß der mj. Peter zu seiner Schwester eine sehr enge Beziehung hat, sondern daß ihr zu entnehmen ist, daß Pauline immer wieder liebevoll zärtlich Peter zugegangen sei und für sie als älterer Bruder eine große Bedeutung haben dürfte, während Peter in der Zeit der Untersuchung wenig Notiz von seiner Schwester genommen habe. Ganz abgesehen davon aber, daß die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung einen etwas anderen Wortlaut haben (vgl. AS 132), als im Revisionsrekurs behauptet wird, und vor allem den guten Kontakt zwischen den Kindern hervorheben sollen, kann darin keine Aktenwidrigkeit im oben aufgezeigten Sinn gesehen werden, weil die zweite Instanz hiedurch nicht zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem entscheidenden Punkt gelangt ist (EFSlg.44.701, 47.272). Das Rekursgericht hat in dem genannten Umstand nur einen weiteren Punkt gesehen, der für seine Entscheidung spricht.

Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur in jenen Fällen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor, in denen entweder ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde, oder in denen das Gericht gegen ein Grundprinzip des Rechtes verstoßen hat, wie etwa durch Außerachtlassung des Kindeswohls, oder willkürlich vorgegangen ist, nicht aber in einer bloßen Ermessensentscheidung (EFSlg.47.208 uva). Eine nach den gegebenen Umständen zu treffende Regelung wie jene gemäß § 177 ABGB begründet noch keine offenbare Gesetzwidrigkeit, wenn der eine oder andere dieser Umstände nicht gebührend gewertet wurde, soferne darin nicht ein Verstoß gegen die Grundprinzipien des Rechtes vorliegt. Der Vorwurf des Rekurswerbers, die angefochtene Entscheidung lasse das Kindeswohl gänzlich außer acht, ist völlig unbegründet, denn die Erwägungen des Rekursgerichtes befassen sich ausschließlich damit. Die Vorinstanzen haben bei ihren Entscheidungen das ihnen zustehende Ermessen nicht muißbraucht und sind auch nicht willkürlich vorgegangen. Ein derartiger Vorwurf kann auch dem Revisionsrekurs nicht entnommen werden; die Rechtsmittelausführungen AS 178 f beinhalten vielmehr nur den Vorwurf schlichter unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Verfehlt ist auch der Vorwurf offenbarer Gesetzwidrigkeit hinsichtlich des vom Rekursgerichtes bestätigten Beschlusses des Erstgerichtes vom 29.1.1986, ON 19. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter der in § 16 Abs.1 AußStrG angeführten offenbaren Gesetzwidrigkeit nur eine Verletzung materiellrechtlicher Bestimmungen, nicht aber eine solche verfahrensrechtlicher Vorschriften zu verstehen, während verfahrensrechtliche Unrichtigkeiten im Rahmen eines auf die Gründe des § 16 Abs.1 AußStrG beschränkten Revisionsrekurses nur wahrgenommen werden können, wenn sie mit Nichtigkeit bedroht sind (3 Ob 598/84, auszugsweise veröffentlicht in EFSlg.47.210, und andere). Worin eine Nichtigkeit des Verfahrens gelegen sein soll, ist dem Revisionsrekurs nicht deutlich zu entnehmen. Der Vorwurf, Manfred R*** habe den Beschluß ON 19 anläßlich des Vollzugs nicht zugestellt erhalten, ist aktenwidrig (Vollzugsbericht ON 24). Es trifft auch nicht zu, daß der Vollzug des Beschlusses ON 16 entgegen der Bestimmung des § 12 Abs.2 AußStrG angeordnet wurde, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ein Rekurs des Vaters dagegen angebracht gewesen sei; denn der Rekurs gegen den Beschluß ON 16 langte erst am 31.1.1986 beim Erstgericht ein (ON 22, vgl. auch den AV ON 21). Die Zustellung des Beschlusses ON 16 an den Vater (bzw. dessen Vertreter) aber erfolgte jedenfalls vor dem Vollzugsversuch vom 30.1.1986, und zwar am 16.1.1986, so daß ihm bewußt sein mußte, gegen diesen Beschluß zu verstoßen, als er den mj. Peter am Abend des 26.1.1986 nicht der Mutter zurückbrachte.

Da somit Rekursgründe iS des § 16 AußStrG nicht vorliegen, war der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zur Gänze zurückzuweisen.

Anmerkung

E08139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00542.86.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19860430_OGH0002_0030OB00542_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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