TE OGH 1986/5/7 3Ob33/86

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Veröffentlicht am 07.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Huber, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K*** F*** Gesellschaft m.b.H., 5020 Salzburg, Mühlbacherhofweg 4, vertreten durch Dr.Kurt Görlich, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei L***- und M***-Vertriebsgesellschaft m.b.H., 1010 Wien, Eßlinggasse 9, vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,969.823,57 S s.A., infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 12.Februar 1986, GZ 1 R 26/86, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19.November 1985 (allenfalls 15. November 1985), GZ 15 Cg 156/82-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14.April 1985, 15 Cg 156/82-21, wurde die verpflichtete Partei zur Zahlung von 2,099.397 S samt 9,25 % Zinsen seit 1.April 1984, sowie Zinsen bzw. Kreditkosten im Betrag von zusammen 503.917,12 S an die betreibende Partei verurteilt.

Mit Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.September 1985, 1 R 139/85-26, wurde dieses Urteil hinsichtlich einer Verurteilung der verpflichteten Partei zur Zahlung von 1,969.823,57 S samt 9,25 % Zinsen seit 1.April 1984 bestätigt. Hinsichtlich des Teilbetrages von 129.573,43 S samt 9,25 % Zinsen seit 1.April 1984 wurde das Urteil des Handelsgerichtes Wien dahin abgeändert, daß dieser Teil des Klagebegehrens abgewiesen wurde. Hinsichtlich der Entscheidung über die begehrten Zinsen bzw. Kreditkosten von zusammen 503.917,12 S sowie hinsichtlich Entscheidung über die Prozeßkosten wurde das Urteil des Handelsgerichtes Wien aufgehoben.

Auf Grund des zitierten Urteiles des Handelsgerichtes Wien und des Teilurteiles des Oberlandesgerichtes Wien beantragte die betreibende Partei die Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung des Betrages von 1,969.823,57 S samt 9,25 % seit 1.April 1984 gemäß § 371 Z 1 EO, also ohne Anbietung einer Sicherheit oder Bescheinigung einer Gefährdung.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution zur Sicherstellung. Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung abgewiesen wurde.

Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, die Bestimmung des § 371 Z 1 dritter Fall EO sei nur anwendbar, wenn ein Urteil erster Instanz vom Berufungsgericht im vollen Umfange bestätigt worden sei. Auf Grund eines das Urteil des Erstgerichtes nur teilweise bestätigenden Berufungsurteiles könne hingegen die Exekution zur Sicherstellung nach dieser Gesetzesstelle nicht bewilligt werden. Daran habe sich auch durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 nichts geändert, wenn auch im Zusammenhang mit der Neuregelung des Revisionsrechtes vom früheren Judikat 56 neu abgerückt worden sei.

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern. Die betreibende Partei macht geltend, daß seit der Novellierung der ZPO im Jahr 1971 eine Abänderung eines Urteiles nur hinsichtlich von Nebenforderungen einem Urteil des Berufungsgerichtes nicht die Eigenschaft eines "voll"-bestätigenden Urteiles nehme. Daß also das Erstgericht hinsichtlich der "Zinsen- bzw. Kreditkosten" im Betrag von zusammen 503.917,12 S aufgehoben worden sei, hindere eine Exekution zur Sicherstellung nicht. Die "Richtiggewähr" eines in der Hauptsache bestätigten Urteils werde durch eine offene Zinsenproblematik hinsichtlich der Hauptsache nicht beeinträchtigt. Die Abweisung eines Teilbetrages von 129.573,43 S samt Anhang sei im übrigen in Rechtskraft erwachsen, so daß auch auf diesen Teil des Berufungsurteiles nicht mehr Bedacht zu nehmen sei. Eine weitere Anwendung des Judikates 56 sei aber auch im Hinblick auf die Zivilverfahrensnovelle 1983 obsolet geworden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht begründet.

Wie sich aus den Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes vom 30.Juni 1971, BGBl.1971 Nr.291, (420 der Beilagen NR XII GP) ergibt, war für den Gesetzgeber bei der seinerzeitigen Neufassung der Bestimmungen über die Zulässigkeit der Revision ausschließlich der Gesichtspunkt der Entlastung des Höchstgerichtes maßgebend. Und auch die Materialien zur Zivilverfahrensnovelle 1983 lassen diesen Zweck als den einzigen Zweck des Abgehens von den Grundsätzen des seinerzeitigen Judikates 56 neu erkennen. An eine Erweiterung des Rechtes, auf Grund eines bestätigten Urteiles erster Instanz auch ohne Gefährdung und Sicherheitsleistung Exekution zur Sicherstellung führen zu können (sogenannte unbedingte Exekution zur Sicherstellung gemäß den Fällen des § 371 EO) hat der Gesetzgeber in beiden Fällen nicht gedacht. Beachtet man nun, daß eine solche Exekution zur Sicherstellung eine ausgesprochene Ausnahmeregelung darstellt, da sie schon einen Befriedigungsrang schafft, ehe der betriebene Anspruch rechtskräftig festgestellt wurde, dann kann es nur zu einer einschränkenden Auslegung der Bestimmung des § 371 Z 1

3. Fall EO kommen.

Ein "in zweiter Instanz bestätigtes" Urteil erster Instanz ist rein sprachlich betrachtet nur ein voll bestätigtes Urteil. Die erwähnte Novelle der ZPO durch das Bundesgesetz 1971 Nr 291 veränderte diese natürliche Bedeutung des Wortes "bestätigend" nicht, sondern sprach nur aus, daß der Ausschluß der Revision nach § 502 Abs. 3 ZPO idF vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 auch gelte, wenn das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz zwar nicht bestätigte sondern (teilweise) abänderte, wenn sich aber diese Abänderung nur auf Nebenforderungen bezog. Und auch die Zivilverfahrensnovelle 1983 wollte zwar bei der Revisionszulässigkeit von den Grundsätzen des Judikates 56 neu abgehen, hielt aber daran fest, daß ein "bestätigendes" Urteil nur vorliegt, wenn die Bestätigung im vollen Umfange erfolgt. Darum wurde ganz bewußt § 502 Abs. 3 ZPO neu formuliert ("soweit es das angefochtene Urteil bestätigt"). Und entsprechend wurde auch § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO neu gefaßt ("soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden ist"). Eine ähnliche Umformulierung des § 371 Z 1 3.Fall EO erfolgte jedoch nicht, obwohl durchaus auch die Bestimmung des § 371 EO in anderem Zusammenhang Gegenstand von Änderungen durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 war, so daß von einem Übersehen der Bestimmung des § 371 EO oder der Auswirkung der Neufassung des Revisionsrechtes auf die Bestimmung des § 371 EO nicht gesprochen werden kann.

Dem Standpunkt (so wohl eher zur früheren Rechtslage Heller-Berger-Stix 2654), es müsse die Exekution zur Sicherstellung in dieser Hinsicht ebenso behandelt werden wie die Zulässigkeit der Revision, vermag der erkennende Senat mangels irgendeines Anhaltspunktes in den Motiven des Gesetzgebers daher nicht beizutreten. Zwar ist die Konformität der Entscheidungen zweier Instanzen hier wie dort ein gesetzliches Kriterium dafür, daß eine besondere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit dieser Entscheidung spricht und daher einerseits eine Revisionseinschränkung vertretbar ist und andererseits die Exekution zur Sicherstellung gestattet werden kann. Für die Zulässigkeit der Revision stellt dies aber keineswegs den einzigen Gesichtspunkt dar. So wird etwa hier auch auf den Wert des Streitgegenstandes oder des Beschwerdegegenstandes abgestellt, auf die besondere Eigenart des Anspruches Rücksicht genommen und dgl. mehr (siehe die Darstellung der einzelnen Zulassungskriterien bei Fasching Handbuch Rz 1850). Für die Exekution zur Sicherstellung kann es hingegen ausschließlich nur darauf ankommen, daß in den im Gesetz taxativ genannten Ausnahmetatbeständen besondere Anhaltspunkte dafür sprechen, daß der noch nicht rechtskräftige Exekutionstitel in unveränderter Form rechtskräftig werden wird, daß also eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit spricht. Auch schon eine Änderung nur bei den Zinsen kann hier sehr wohl eine Abschwächung des Sicherheitsgrades darstellen, etwa wenn das Erstgericht die Fälligkeit ab einem bestimmten Tage bejaht, das Berufungsgericht sie aber erst ab einem späteren Tage annimmt, während der Beklagte vielleicht den Standpunkt vertritt, die Fälligkeit sei bis zum Schluß der Verhandlung überhaupt noch nicht eingetreten. Auf eine Prüfung des Einzelfalles soll sich aber das Gericht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung nicht einlassen müssen. Gerade auch diese klare und einfache Handhabbarkeit der Bestimmungen über die Exekution zur Sicherstellung spricht für die Auslegung, daß nach wie vor nur ein voll bestätigtes Urteil einen geeigneten Titel für die Sicherungsexekution nach § 371 Z 1 3.Fall EO darstellt. Dies gilt für die Aufhebung hinsichtlich eines Teiles der Nebengebühren ebenso wie für die teilweise Abänderung in der Hauptsache, mag hier auch nachträglich die Rechtskraft eingetreten sein.

Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlaßt von seiner kürzlich getroffenen Entscheidung 3 Ob 116/85, nunmehr veröffentlicht in EvBl 1986/69, wo der hier wiedergegebene Standpunkt gleichfalls vertreten wurde, abzugehen.

Damit erweist sich die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz als zutreffend.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 402 Abs. 2, 78 Abs. 2 EO, 50, 40 ZPO.

Anmerkung

E08154

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00033.86.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19860507_OGH0002_0030OB00033_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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