TE OGH 1986/5/7 8Ob542/86

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Veröffentlicht am 07.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emmy K***, Private, Zimmeterweg 14, 6020 Innsbruck, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Firma P*** K*** KG., Fanny von Lehnertstraße 1, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Karl Endl und Dr. Richard Menapace, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 5,000.000,- s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 27. Dezember 1985, GZ 6 R 379/85-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Juli 1985, GZ 11 Cg 101/85-6, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies nach mündlicher Verhandlung über die von der Beklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Klägerin gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß teilweise Folge. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich des Ausspruches seiner örtlichen Unzuständigkeit, hob sie aber im Umfang der Zurückweisung der Klage und im Kostenpunkt unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug in diesem Umfang dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht bejahte die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes, führte aber aus, daß das Erstgericht seiner Verpflichtung, bei Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit der Klägerin Gelegenheit und Anregung zu geben, die Überweisung der Rechtssache an das örtlich zuständige Gericht zu beantragen, nicht nachgekommen sei. Durch die Vorschrift des § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO in der Fassung der ZVN 1983 solle vor allem ausgeschlossen werden, daß der Richter die Parteien im Zuge des Verfahrens mit einer amtswegigen Unzuständigkeitserklärung überrasche. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Anleitungspflicht gelte nicht nur bei amtswegiger Wahrnehmung einer Unzuständigkeit, sondern auch nach Erhebung der Unzuständigkeitseinrede. Nach Beginn der mündlichen Streitverhandlung habe der Richter seine Zuständigkeitsbedenken immer mit den Parteien zu erörtern und auch rechtskundig vertretene Parteien auf die Möglichkeit einer Heilung oder eines Überweisungsantrages hinzuweisen.

Daß im vorliegenden Verfahren der Erstrichter im Rahmen der Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten dieser Verpflichtung nachgekommen wäre, sei dem Protokoll über die Tagsatzung vom 13.6.1985 nicht zu entnehmen.

Werde ein Zurückweisungsbeschluß unter Verstoß gegen die Anleitungspflicht nach § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO gefaßt, könne ihn der Kläger wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit Rekurs bekämpfen, was nach überwiegender Lehre zur Aufhebung der klagszurückweisenden Entscheidung durch das Rekursgericht führen müsse; außerdem stehe dem Kläger der Antrag nach § 230a ZPO offen, wobei eine Kumulierung von Rekurs und Überweisungsantrag zulässig sei. Einen rechtzeitigen Überweisungsantrag im Sinne des § 230a ZPO habe die Klägerin nicht gestellt. Der angefochtene Zurückweisungsbeschluß sei daher infolge Rekurses der Klägerin aufzuheben. Der von Fasching (Zivilprozeßrecht, Rdz.226 letzter Absatz) vertretenen Auffassung, ein Verstoß gegen § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO führe nicht zur Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses des Erstgerichtes durch das Rekursgericht, weil der Kläger hier die Möglichkeit der nachträglichen Antragstellung gemäß § 230a ZPO habe, könne im vorliegenden Fall schon deswegen nicht gefolgt werden, weil im Falle der Zurückweisung einer Klage nach mündlicher Verhandlung ein Überweisungsantrag nach § 230a ZPO nicht mehr möglich sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern. Die Klägerin hat eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, das Rechtsmittel der Beklagten zurück- bzw. abzuweisen. Da es sich bei dem in einem Verfahren über das Vorliegen eines Prozeßhindernisses gegen einen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs um ein zweiseitiges Rechtsmittel im Sinne des § 521a ZPO handelt (1 Ob 604/84; JBl.1985,752), ist diese Revisionsrekursbeantwortung zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist infolge des vom Rekursgericht zulässigerweise (§ 527 Abs 2 letzter Satz ZPO) angeordneten Rechtskraftvorbehaltes zulässig. Entgegen dem in der Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin vertretenen Standpunkt kann keine Rede davon sein, daß die Beklagte durch den aufhebenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes - und nur dagegen richtet sich ihr Rechtsmittel - nicht beschwert wäre, wurde doch dadurch die ihrem Prozeßstandpunkt voll Rechnung tragende Entscheidung des Erstgerichtes, soweit damit die Klage zurückgewiesen wurde, beseitigt.

Sachlich ist der Revisionsrekurs nicht berechtigt.

Gemäß § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO (in der Fassung der ZVN 1983) hat das Gericht bei Bedenken gegen seine Zuständigkeit vor einer Entscheidung hierüber den Parteien die Gelegenheit zu einer Heilung der Unzuständigkeit (§ 104 Abs 3 JN) bzw. zu einem Antrag auf Überweisung der Rechtssache an das zuständige Gericht (§ 261 Z 6 ZPO) zu geben. Nach den Gesetzesmaterialien (669 BlgNr 15 GP 50) soll auch diese Bestimmung dem Anliegen dienen, Unzuständigkeitsstreitigkeiten und die Frustrierung von Verfahrensaufwand zu vermeiden. Aus der Einordnung dieser Bestimmung in den § 182 ZPO soll klargestellt werden, daß diese Gelegenheit nur bei einer ohnedies stattfindenden Verhandlung zu geben ist. Um diese Gelegenheit zu bieten, muß nicht eigens eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anberaumt oder in anderer Form ein Kontakt zu den Parteien gesucht werden.

Die Vorschrift des § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO beinhaltet eine Erweiterung der Prozeßleitungspflicht des Richters, gilt auch im Gerichtshofverfahren und ist auch dann anzuwenden, wenn der Kläger rechtsanwaltlich vertreten ist. Sie führt dazu, daß der Richter nach Beginn der mündlichen Streitverhandlung allfällige Bedenken gegen seine Zuständigkeit immer zu erörtern und auch rechtskundig vertretene Parteien auf die Heilungsmöglichkeit oder die Möglichkeit eines Überweisungsantrages hinzuweisen hat (Fasching in JBl.1982,77; derselbe, Zivilprozeßrecht, Rdz.226 und 782; Fucik in RZ 1985,261). Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß sich aus dem Protokoll über die Tagsatzung vom 13.6.1985 nicht ergibt, daß der Erstrichter die Klägerin auf die Möglichkeit eines Überweisungsantrages nach § 261 Z 6 ZPO hingewiesen und ihr damit Gelegenheit zur Stellung eines derartigen Überweisungsantrages gegeben hätte. Soweit die Beklagte in ihrem Revisionsrekurs darzutun versucht, daß dies (wenn auch ohne Protokollierung) tatsächlich geschehen sei, verletzt sie das Neuerungsverbot.

Die Verletzung der Vorschrift des § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO durch den Erstrichter begründet einen Verfahrensverstoß, der im Rekurs gegen einen Beschluß, mit dem die Klage zurückgewiesen wurde, geltend gemacht werden kann und zur Aufhebung der klagszurückweisenden Entscheidung durch das Rekursgericht führen muß (Fasching in JBl.1982,77; derselbe, Zivilprozeßrecht, Rdz.782; Fucik aaO).

Der von Fasching an anderer Stelle (Zivilprozeßrecht, Rdz.226 am Ende) vertretenen Lehrmeinung, die Verletzung der im § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO normierten Verpflichtung des Erstrichters begründe zwar einen Verfahrensmangel, doch führe dieser nicht zur Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses durch das Rekursgericht, weil ja der Kläger hier die Möglichkeit des nachträglichen Überweisungsantrages gemäß § 230a ZPO habe, ist nicht zu folgen. Die mit der ZVN 1983 neu eingeführte Bestimmung des § 230a ZPO hat nämlich vor allem den Zweck, dem Kläger im Falle einer a-limine-Zurückweisung Gelegenheit zur Wahrung von Fristen zu geben. Keinesfalls aber sollte mit dieser Bestimmung die Möglichkeit geboten werden, auch noch nach Zurückweisung einer Klage nach mündlicher Verhandlung die Überweisung der Rechtssache an ein anderes Gericht zu beantragen (7 Ob 615/84). Wurde also die Klage nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen, dann kommt die Stellung eines nachträglichen Überweisungsantrages im Sinne des § 230a erster Satz ZPO nicht in Betracht. Gerade deshalb muß aber dem Kläger in einem solchen Fall die Gelegenheit geboten werden, eine Verletzung der im § 182 Abs 2 letzter Satz ZPO normierten Anleitungspflicht mit Erfolg im Rechtsmittel gegen den die Klage zurückweisenden Beschluß des Erstgerichtes geltend zu machen.

Die aufhebende Entscheidung des Rekursgerichtes entspricht somit der Sach- und Rechtslage; dem Revisionsrekurs der Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Vorbehalt der Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E08454

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00542.86.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19860507_OGH0002_0080OB00542_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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