TE OGH 1986/5/13 11Os208/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter, Dr.Walenta, Dr.Schneider und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Breycha als Schriftführer in der Strafsache gegen Ewald T*** und andere wegen des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1, zweiter Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ewald T*** und Manfred T*** sowie die Berufung des Privatbeteiligten Herbert S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. September 1985, GZ 24 Vr 1.266/83-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr.Stöger als Vertreter der Generalprokuratur, der Angeklagten Ewald T***, Manfred T*** sowie Hans Peter P*** und der Verteidiger Dr.Schütz sowie Dr.Pils zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ewald T*** wird verworfen.

Dagegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred T*** Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch der Angeklagten Ewald T*** und Hans Peter P***) unberührt bleibt, in dem Manfred T*** betreffenden Schuld- und Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) sowie im Adhäsionserkenntnis, soweit es Manfred T*** betrifft, aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Manfred T*** wird von der Anklage, er habe am 6.März 1983 in Linz an einem Angriff mehrerer tätlich teilgenommen, wobei dieser Angriff eine schwere Körperverletzung des Herbert S***, nämlich eine Fraktur des linken Ringfingers, ein Hämatom am rechten Auge und eine Venenverletzung am Gesäß, verbunden mit einer mehr als 24tägigen Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit, verursachte, und hiedurch das Vergehen des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1, zweiter Fall, StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 4 StPO freigesprochen. Gemäß dem § 366 Abs. 1 StPO wird der Privatbeteiligte Herbert S*** mit seinem gegen Manfred T*** erhobenen Entschädigungsbegehren auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Der Berufung des Privatbeteiligten Herbert S*** wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die beiden Angeklagten Ewald T*** und Hans Peter P*** zur ungeteilten Hand gemäß dem § 369 StPO zur Zahlung eines Geldbetrages von 5.000 S an den Privatbeteiligten Herbert S*** verurteilt werden. Im übrigen wird der Berufung des Privatbeteiligten nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Ewald T*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (im zweiten Rechtsgang) der am 25.Mai 1966 geborene, demnach zur Tatzeit noch jugendliche Ewald T***, zuletzt Präsenzdiener beim Österreichischen Bundesheer, und der am 10.Feber 1964 geborene kaufmännische Angestellte Hans Peter P*** des Vergehens des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1, zweiter Fall, StGB (Punkt b des Urteilssatzes) und der am 30.Juli 1961 geborene Maschineneinsteller Manfred T*** - abweichend von dem im ersten Rechtsgang gefällten Schuldspruch nach dem § 91 Abs. 1 StGB - des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den §§ 15, 83 Abs. 1 StGB (Punkt a des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Darnach liegt Manfred T*** zur Last, am 6.März 1983 in Linz versucht zu haben, den Herbert S*** dadurch am Körper zu verletzen, daß er ihn ansprang und zu Boden reißen wollte, wobei aber dieses Vorhaben an einer überraschenden Drehung des Herbert S*** scheiterte, wodurch Manfred T*** selbst zu Boden stürzte.

Ewald T*** und Hans Peter P*** wurden für schuldig

befunden, (unmittelbar nach diesem Vorfall) an einem Angriff mehrerer gegen Herbert S*** tätlich teilgenommen zu haben, welcher Angriff eine (an sich) schwere Körperverletzung des Genannten, nämlich eine Fraktur des linken Ringfingers, ein Hämatom am Auge sowie einen Bluterguß am linken Unterschenkel und am Gesäß, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, verursacht hatte. Während der Schuldspruch des Angeklagten Hans Peter P*** wegen des Vergehens nach dem § 91 Abs. 1 StGB in Rechtskraft erwuchs, bekämpfen die Angeklagten Manfred T*** und Ewald T*** die sie betreffenden Schuldsprüche mit gesondert ausgeführten, jeweils auf die Z 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Die angemeldete, aber nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten Manfred T*** wurde im Gerichtstag zurückgezogen.

Rechtliche Beurteilung

I./ Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred T*** kommt Berechtigung zu:

Der Beschwerdeführer reklamiert zutreffend den Schuldausschließungsgrund des § 42 Abs. 1 StGB infolge mangelnder Strafwürdigkeit des ihm angelasteten Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den §§ 15, 83 Abs. 1 StGB:

Nach den für den Schuldspruch (Punkt a des Urteilssatzes) maßgeblichen Urteilsfeststellungen war Manfred T*** von Herbert S*** zu Unrecht verdächtigt worden, einem Zeitungsständer Zeitungen entnommen und auf die Straße geworfen zu haben (in Wahrheit hatte dies sein Bruder Roland T*** getan; vgl. das angefochtene Urteil, S 255 d.A.). Anschließend wurde Manfred T*** von Herbert S*** beschimpft und offensichtlich provoziert. Im angefochtenen Urteil wird ihm als Tatmotiv zugute gehalten, daß er sich die unbegründeten Beschimpfungen nicht gefallen lassen wollte (S 257 d.A.). Unter diesem Aspekt kann aber der im tätlichen Vorgehen gegen Herbert S*** gelegene Schuldvorwurf noch als gering eingestuft werden (§ 42 Abs. 1 Z 1 StGB). Da der Beschwerdeführer dem Angegriffenen keine Verletzung zufügte und die Tat demnach beim Versuch blieb, trifft auch das weitere, im § 42 Abs. 1 Z 2 StGB als Voraussetzung mangelnder Strafwürdigkeit angeführte Erfordernis zu, daß die Tat keine (oder nur unbedeutende) Folgen nach sich zog. Manfred T*** weist laut Strafregisterauskunft, ON 44 d.A., keine gerichtliche Vorstrafe auf, weshalb unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles, die ihn zu dem (folgenlos gebliebenen) tätlichen Vorgehen gegen Herbert S*** veranlaßten, auch nicht gesagt werden kann, daß eine Bestrafung aus general- oder spezialpräventiven Gründen geboten wäre. Da somit beim Angeklagten Manfred T*** sämtliche (kumulativ) geforderten Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Z 1 bis 3 StGB vorliegen, ist der angefochtene Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den §§ 15, 83 Abs. 1 StGB infolge mangelnder Strafwürdigkeit der Tat mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO behaftet. Schon aus diesem Grund war in Stattgebung dieser Nichtigkeitsbeschwerde mit einem Freispruch des Angeklagten Manfred T*** gemäß dem § 259 Z 4 StPO vorzugehen.

II./ Hingegen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ewald T*** als nicht berechtigt:

Soweit dieser Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge eine nähere Begründung der Urteilsannahme vermißt, daß ihn (und den Mitangeklagten Hans Peter P***) die Rauflust erfaßt habe (vgl. S 256 d.A.), greift er keine für den Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 91 Abs. 1 StGB entscheidende Tatsache auf; er bezweifelt damit nur das vom Gericht angenommene, für den Schuldspruch aber unerhebliche Motiv, das ihn und den Mitangeklagten Hans Peter P*** zum tätlichen Vorgehen gegen Herbert S*** veranlaßt hatte.

Der Angeklagte Ewald T*** zeigt aber auch keinen dem Ersturteil anhaftenden Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO auf, wenn er sich ganz allgemein auf eine angeblich "völlig andere Sachverhaltsschilderung" des Zeugen Klaus B*** beruft, die im angefochtenen Urteil unberücksichtigt geblieben sei. Dieses Vorbringen ist nicht hinreichend substantiiert und schon deshalb einer argumentationsbezogenen Erörterung unzugänglich. Im übrigen läßt sich der Darstellung dieses Zeugen in der Hauptverhandlung (vgl. S 194 bis 196 d.A. sowie S 247 und 248 d.A.) ein den Beschwerdeführer entlastendes Substrat nicht entnehmen. Der Zeuge bestätigte vielmehr, daß der Beschwerdeführer und Hans Peter P*** kurz nach dem Vorfall mit dem Angeklagten Manfred T*** (ebenfalls) auf Herbert S*** losgingen und ihn zu Fall brachten.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider wird im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt (vgl. S 258 d.A.), daß Straflosigkeit des Angeklagten Ewald T*** und des Mitangeklagten Hans Peter P*** gemäß dem § 91 Abs. 2 StGB schon im Hinblick auf ihre aggressive Vorgangsweise gegen Herbert S***, den sie noch mit Füßen traten, als er bereits auf dem Boden lag, nicht in Betracht kommt, weil unter diesen Umständen keineswegs gesagt werden kann, daß ihnen aus der Teilnahme am tätlichen Angriff kein Vorwurf zu machen sei.

Da somit auch die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 (lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge des Angeklagten Ewald T*** versagt, war seine Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Schöffengericht verwies (neben einem anderen) den Privatbeteiligten Herbert S*** mit seinen Ansprüchen gemäß dem § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg.

Gegen dieses Adhäsionserkenntnis erhob der Privatbeteiligte Berufung mit dem Antrag, ihm gegenüber den Angeklagten Ewald T*** und Hans Peter P*** einen Teilschmerzengeldbetrag von je 5.000 S (demnach insgesamt 10.000 S) zuzuerkennen.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Entgegen der Behauptung im Rechtsmittel des Privatbeteiligten ist zunächst auf Grund des Inhaltes des Protokolles über die Hauptverhandlung vom 4.September 1985 davon auszugehen, daß in erster Instanz der Zuspruch eines Schmerzengeldes von (insgesamt) bloß 5.000 S verlangt wurde (S 248 d.A.). Nur in diesem Umfang ist daher das Begehren des Privatbeteiligten im Rechtsmittelverfahren auf seine Berechtigung überprüfbar.

Die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg wurde vom erkennenden Gericht im wesentlichen damit begründet, daß die privatrechtlichen Ersatzansprüche bereits Gegenstand eines vor dem Landesgericht Linz unter dem AZ 4 Cg 85/84 anhängigen Zivilrechtsstreites seien und daß "das Adhäsionsverfahren nicht den Zweck verfolge, bereits behängende Zivilprozesse zu erledigen" (S 260 d.A.).

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

Zutreffend weist der Berufungswerber darauf hin, daß im Strafverfahren über die privatrechtlichen Ansprüche des durch die Tat Geschädigten gemäß dem § 366 Abs. 2 StPO unter den dort angeführten Voraussetzungen abzusprechen ist, sofern hierüber noch nicht ein Exekutionstitel vorliegt. Der Umstand, daß auch ein - hier im übrigen (gemäß dem § 191 ZPO) unterbrochener - Rechtsstreit aus demselben Rechtsgrund geführt wird, hindert daher einen Zuspruch gemäß dem § 366 Abs. 2 StPO nicht.

Es liegen aber auch die sonstigen Voraussetzungen für ein stattgebendes Erkenntnis vor. Denn schon nach der Schwere der Verletzung, für die die Angeklagten Ewald T*** und Hans Peter P*** gemäß dem Schuldspruch haften, erscheint - selbst bei Annahme eines Mitverschuldens des Verletzten (wie im Zivilrechtsstreit behauptet) - der Zuspruch eines (Teil-)Schmerzengeldbetrages in der Höhe von 5.000 S jedenfalls gerechtfertigt.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08318

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00208.85.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19860513_OGH0002_0110OS00208_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten