TE OGH 1986/5/14 1Ob7/86

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Veröffentlicht am 14.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Dr. Herwig E***-R***, Rechtsanwalt, Leiter des Generalkonsulats der Republik Panama, Wien 4., Wiedner Hauptstraße 23-25, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 558.101,85 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4. November 1985, GZ. 14 R 234/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 13.Juni 1985, GZ. 53 a Cg 1002/85-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.566,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger; er übt neben seinem Beruf als Rechtsanwalt und Hotelier die Funktion eines Honorargeneralkonsuls der Republik Panama aus. Am 17.September 1982 fuhr der Kläger mit seinem Personenkraftwagen von seinem Wohnhaus in Klosterneuburg, Martinstraße 34-36, kommend auf der Kierlinger Hauptstraße in Richtung Tulln. Der Kläger wollte in sein Jagdrevier im Waldviertel fahren, vorher aber noch einen Bauplatz vermessen. Letztere Tätigkeit stand mit seiner Funktion als Honorarkonsul der Republik Panama im Zusammenhang, weshalb er die Fahrt von zu Hause bis zum Bauplatz als Dienstfahrt betrachtete. Die Kierlinger Hauptstraße war damals mit den Straßenverkehrszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h" und "Überholen verboten" bezeichnet. Trotzdem überholte der Kläger mit seinem Personenkraftwagen einen Lastkraftwagen und überschritt dabei die Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h. Er wurde darauf vom Gendarmeriebeamten Herbert K*** in der Höhe der Lourdesgrotte angehalten. Herbert K*** führte eine Fahrzeug- und Lenkerkontrolle durch. Der Kläger wies dem kontrollierenden Gendarmeriebeamten den Zulassungsschein und die gerichtlich beglaubigte Fotokopie seines Führerscheins vor. Die Fotografie des Klägers auf dem Führerschein war mitfotokopiert, doch bestand zwischen der Bildkopie und dem Aussehen des Klägers eine so große Divergenz, daß Herbert K*** die Identität des Klägers mit der abgebildeten Person nicht feststellen konnte; das Führerscheinduplikat zeigte einen wesentlich jüngeren Mann. Herbert K*** kannte den Kläger nicht. Herbert K*** fragte ihn nach einem anderen Lichtbilddokument, doch konnte der Kläger kein derartiges Dokument vorweisen. Der Kläger sagte zu Herbert K***, er sei Konsul und im Dienst; insbesondere verwies er darauf, daß er in seinem Auto auch Akten des Generalkonsulats von Panama mitführe. Herbert K*** versuchte zunächst die Identität des Klägers über Funk zu prüfen. Da das Gebiet in einem Funkschatten lag, gelang dies nicht. Er sprach schließlich die Festnahme des Klägers aus und forderte ihn auf, zum Gendarmeriepostenkommando Klosterneuburg-Kierling mitzukommen. Herbert K*** begleitete das vom Kläger gelenkte Fahrzeug mit dem Gendarmeriedienstfahrzeug. Im Gendarmerieposten Klosterneuburg-Kierling war ein weiterer Beamter anwesend, der den Kläger ebenfalls nicht kannte. Im Postenkommando wurde dem Kläger gestattet, in seiner Wohnung anzurufen. Nach diesem Telefonat erschien die Ehegattin des Klägers mit dem Originalführerschein und einer gelben Legitimationskarte, die den Kläger als Honorargeneralkonsul der Republik Panama auswies. Darauf wurde die Festnahme des Klägers sofort aufgehoben. Die Festnahme dauerte von ca. 17,30 Uhr bis ca. 18 Uhr. Das Gendarmeriepostenkommando Klosterneuburg-Kierling erstattete über die durchgeführte Amtshandlung eine Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung. Am 28.August 1985 teilte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung dem Kläger mit, daß sie das Verfahren gemäß § 45 VStG 1950 eingestellt habe. Ob die auf der Kierlinger Hauptstraße aufgestellten Schilder betreffend die Geschwindigkeitsbeschränkung und das Überholverbot auf einer gesetzmäßig erlassenen Verordnung beruhten, kann nicht festgestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger begehrt, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, die Bezahlung des Betrages von S 558.101,84, weil seine Festnahme ohne gesetzliche Grundlage erfolgt sei. Die Festnahme widerspreche auch den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.April 1963, BGBl. 1969/318 (im folgenden WKK), da er sich auf einer Dienstfahrt zur Besorgung konsularischer Aufgaben befunden habe. Gemäß Art.5 MRK gebühre ihm für die erlittenen immateriellen Schäden sowie für entgangenen Gewinn Ersatz in der Höhe des Klagsbetrages. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Nach Art. 71 WKK genössen Honorarkonsuln Immunität nur für die in Ausübung ihres Dienstes gesetzten Handlungen, worunter das Befahren einer Straße mit einem Fahrzeug nicht falle. Die Festnahme des Klägers sei entsprechend den Bestimmungen der §§ 35 und 36 VStG 1950 erfolgt, weil der Kläger unmittelbar vor seiner Anhaltung einem Überholverbot zuwidergehandelt und die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht beachtet habe; er habe auch weder einen Führerschein noch ein anderes Dokument zum Nachweis seiner Identität vorweisen können. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der den Kläger anhaltende Gedarmeriebeamte habe den Verdacht geäußert. daß das vom Kläger benützte Fahrzeug gestohlen sein könnte, und habe deshalb zum Zwecke der Identitätsprüfung die Festnahme des Klägers gemäß § 35 lit.a VStG 1950 ausgesprochen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, das Verhalten des einschreitenden und die Festnahme aussprechenden Gendarmeriebeamten sei gemäß § 35 VStG 1950 rechtmäßig gewesen, weil abgesehen von den vom Kläger begangenen Verwaltungsübertretungen auch der Verdacht bestanden habe, er habe das von ihm benützte Fahrzeug gestohlen. Auf die Immunität als Honorargeneralkonsul könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er sich nicht als solcher habe ausweisen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es traf nach Beweiswiederholung die Feststellung, der Kläger sei nicht wegen Verdachts des Diebstahls, sondern wegen der von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen und des Mangels des Nachweises seiner Identität festgenommen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Kläger genieße als Honorargeneralkonsul der Republik Panama gemäß Art. 71 WKK Immunität nur bei Amtshandlungen, worunter das Befahren einer Straße mit einem Kraftfahrzeug nicht falle. Im übrigen entspreche die Festnahme der Bestimmung des § 35 VStG 1950. Der Gendarmeriebeamte habe auf Grund seiner Beobachtungen mit gutem Grund annehmen können, daß der Kläger auf frischer Tat bei Verwaltungsübertretungen betreten worden sei. Abgesehen von der Übertretung des Überholverbotes und der verfügten Geschwindigkeitsbeschränkung stehe fest, daß der Kläger auch gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeuglenkers gemäß § 102 Abs.5 KFG verstoßen habe. Das Nichtmitführen des Originalführerscheins sei eine Verwaltungsübertretung. Eine Rechtsvorschrift, daß alle Exekutivbeamten in ihrem Einsatzgebiet wohnende Persönlichkeiten wie einen Honorargeneralkonsul auch ohne amtlichen Lichtbildausweis erkennen müßten, sei der österreichischen Rechtsordnung fremd. Der einschreitende Gendarmeriebeamte Herbert K*** sei gesetzmäßig vorgegangen, wenn er den Kläger gemäß § 35 lit.a VStG 1950 festgenommen habe. Damit fehle es an einem rechtswidrigen Organverhalten, was zur Abweisung des Amtshaftungsanspruchs führe. Der Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu. Was zunächst die Frage der Passivlegitimation der beklagten Partei betrifft, so ist für die Beurteilung der Frage, welcher Rechtsträger für die Schädigung durch ein Organverhalten haftbar gemacht werden kann, die funktionelle Zuordnung der Organtätigkeit entscheidend. Es kommt nicht darauf an, wessen Organ der angeblich Schuldtragende nach seiner dienstrechtlichen Stellung war, sondern in wessen Namen und für wen er funktionell tätig wurde. Entscheidend ist der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ tätig war (SZ 57/3; SZ 54/171; SZ 54/80; SZ 51/126; EvBl.1978/39;

Walter-Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechts 5 382;

Loebenstein-Kaniak, Kommentar zum AHG 2 62). Dabei kommt es auf den äußeren Tatbestand bzw. den äußeren Anschein der vorgenommenen Handlung und insbesondere auf die von den handelnden Organen abgegebenen Erklärungen an (SZ 57/3; SZ 54/171). Der Oberste Gerichtshof hat erkannt, daß ein Organ gleichzeitig auch für mehrere Rechtsträger tätig sein kann, so daß das Verhalten des Organs mehreren Rechtsträgern zuzurechnen ist (SZ 52/185; SZ 52/103). In einem solchen Fall tritt, wenn sich die Anteile der einzelnen Rechtsträger am Schaden nicht bestimmen lassen (§ 1302 ABGB), solidarische Haftung der Rechtsträger ein (SZ 52/185;

Loebenstein-Kaniak a.a.0. 64). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erfolgte die Festnahme des Klägers wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes. Bei Vollziehung von Normen der Straßenverkehrsordnung wird das Organ im Funktionsbereich des Landes tätig (SZ 53/70). Die Vollziehung des Kraftfahrgesetzes ist hingegen gemäß Art. 10 Abs.1 Z.9 B-VG Bundessache (SZ 52/103; Loebenstein-Kaniak a.a.0. 273). Die Passivlegitimation der beklagten Partei ist daher gegeben, weil die Festnahme des Klägers auch wegen eines Verstoßes gegen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (§ 102 Abs.5 lit.a KFG) erfolgte.

Der Kläger erachtet die Berechtigung seines Begehrens schon deshalb als gegeben, weil ihm als Honorargeneralkonsul der Republik Panama auch bei der in Rede stehenden Fahrt, die mit seiner Funktion in Zusammenhang gestanden sei, gemäß Art. 71 WKK Immunität zugestanden sei. Das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen findet gemäß der Kundmachung in BGBl. 1969/318 auch im Verhältnis zu Panama Anwendung. Gemäß Art. 71 Abs.1 WKK genießen, soweit der Empfangsstaat nicht zusätzliche Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten gewährt, Konsuln, die Angehörige des Empfangsstaates oder dort ständig ansäßig sind, lediglich Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit in bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Amtshandlungen sowie das hier nicht in Betracht kommende Zeugnisverweigerungsrecht nach Art. 44 Abs.3 WKK. Zusätzliche Erleichterungen und Vorrechte hat Österreich nicht gewährt (Loewe, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen, 229). Zur Bestimmung des Art. 71 WKK wird die Auffassung vertreten (Gutachten des Völkerrechtsbüros des BMfAA, ZÖR 1982, 380), daß der Begriff in Art. 71 Abs.1 WKK "official acts performed in the exercise of their functions" ("in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommene Amtshandlungen"), was die Einräumung der Immunität von der Gerichtsbarkeit betrifft, einschränkender zu interpretieren sei als der Begriff des Art. 43 WKK: "acts performed in the exercise of their consular functions" (in Wahrnehmung ihrer konsularischen Aufgaben gesetzte Handlungen"). Es ergäben sich zwar weder aus der Konsularkonvention selbst noch aus den travaux prüparatoires eindeutige Anhaltspunkte dafür, welche konsularischen Handlungen der Begriff gemäß Art. 71 Abs.1 WKK umfasse; auch die Äußerungen in der Lehre seien äußerst spärlich; so sei etwa D***, Diplomatic Law 236, ausdrücklich der Auffassung, daß ein Verkehrsdelikt, das auf dem Weg zu einer offiziellen Verpflichtung begangen wurde, nicht unter die Jurisdiktionsimmunität gemäß Art. 38 Abs.1 WDK falle. Grundsätzlich sei aber davon auszugehen, daß ein konsularischer Beamter, der Angehöriger des Empfangsstaates sei, aus völkerrechtlicher Sicht der Personal- und Territorialhoheit des Empfangsstaates unterliege und daß ihm grundsätzlich nur jene Privilegien und Immunitäten zukommen, die ihm der Empfangsstaat einräume. Daß es dennoch als allgemeine Völkerrechtsregel angesehen werden könne, daß ein konsularischer Beamter, der Angehöriger des Empfangsstaates ist, ein gewisses Minimum an Immunität genieße, ergebe sich jedoch daraus, daß Amtshandlungen, die in Wahrnehmung der Aufgaben von Mitgliedern konsularischer Vertretungen erfolgen, Akte des Entsendestaates seien, die diesem als solchem zuzurechnen seien, weshalb die Immunität gemäß Art. 71 Abs.1 WKK nicht eine einfache persönliche Immunität des konsularischen Beamten, sondern eine dem Entsendestaat als solchem inhärente Immunität darstelle. Dies könne jedoch nicht bedeuten, daß diese Immunität nach den allgemeinen Kriterien der Staatenimmunität abgegrenzt zu werden hätte. Vielmehr habe diese Abgrenzung dahin zu erfolgen, daß nur jene Handlungen von der Immunität erfaßt werden, die als konsularische Amtshandlungen dem Entsendestaat direkt zuzurechnen seien, wie etwa die Ausstellung eines Sichtvermerks oder eines Leichenpasses. Gemäß Art. 22 WKK sei für die Ernennung eines Staatsangehörigen des Empfangsstaates zum Mitglied einer ausländischen konsularischen Vertretung die Zustimmung des Empfangsstaates erforderlich. Daraus könne abgeleitet werden, daß diese Zustimmung auch die Zustimmung dazu einschließe, daß der konsularische Beamte jene (minimale) Immunität genieße, die zur Fähigkeit, seine Funktion wahrzunehmen, erforderlich sei. Das Minimum in diesem Bereich werde jedenfalls Jurisdiktionsimmunität im Hinblick auf die vom konsularischen Beamten gesetzten Amtshandlungen sein. Insgesamt ergebe sich, daß Konsuln österreichischer Staatsangehörigkeit Jurisdiktionsimmunität nur insoweit eingeräumt sei, als die in Frage stehende Handlung dem Entsendestaat als konsularische Amtshandlung direkt zurechenbar sei; die Immunität von der Gerichtsbarkeit müsse auch erforderlich sein, um die Wahrnehmung der konsularischen Aufgaben durch den betreffenden konsularischen Beamten gewährleisten zu können. Abschließend gelangt die Untersuchung zum Ergebnis, daß es nach beiden Kriterien prima vista auszuschließen sei, daß ein Honorarkonsul, der österreichischer Staatsbürger ist, bei Begehen eines Verkehrsdeliktes von der Verwaltungsgerichtsbarkeit befreit wäre. Diese Rechtsansicht vertrat im wesentlichen auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 24.Juni 1983, Zl. 83/02/0166 und vom 18. Juni 1982, VwSlg 10.767/A. Während im Amtshaftungsrecht die Auffassung vertreten wird, daß die Teilnahme am öffentlichen Verkehr eine hoheitliche Tätigkeit nicht ausschließe, wenn die Fahrt hoheitliche Tätigkeiten vorbereite oder abschließe oder sonst im Dienst der Erreichung einer hoheitlichen Zielsetzung stehe und einen hinreichend engeren inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit aufweise (SZ 48/17; SZ 43/10; Loebenstein-Kaniak a.a.0. 121,260), liegt Art. 71 WKK offenbar ein engerer Begriff der Amtshandlung zugrunde.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß Amtshaftung wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche Bestimmungen dann nicht einzutreten habe, wenn die getroffene Entscheidung bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände als vertretbar bezeichnet werden kann (1 Ob 21/80; EvBl. 1977/16;

Loebenstein-Kaniak a.a.0. 143). Auch ein an sich rechtswidriges Verhalten muß noch nicht schuldhaft sein. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das für den Rechtsträger handelnde oder zum Handeln verpflichtete Organ rasche Entschlüsse in einer vielleicht auch für es kritischen oder schwer überschaubaren Situation fassen muß (Loebenstein-Kaniak a.a.0. 143). Selbst wenn sich daher der Kläger als Honorargeneralkonsul hätte ausweisen können, wäre doch das Verhalten des einschreitenden Organs hiemit schon im Hinblick auf die in der Literatur über den Umfang der einem Honorarkonsul zustehenden Immunitäten jedenfalls nicht als schuldhaft zu beurteilen, weil das Organ die Auffassung vertreten konnte, daß die Immunität des Klägers die Verfolgung wegen des Verstoßes gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes nicht ausschließt.

Umsoweniger kann ein Organverschulden vorliegen, wenn sich der Kläger nicht als Konsul ausweisen konnte. Auch der weiteren Rechtsansicht des Klägers, die Voraussetzungen für eine Festnahme (§ 35 VStG 1950) seien nicht vorgelegen, ist nicht beizupflichten. Nach § 4 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87, dürfen die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt (dazu gehören die Gendarmeriebeamten) in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen; hiezu zählt auch § 35 VStG 1950. Der Kläger wäre sohin durch die Festnahme in dem durch Art. 8 StGG und Art. 5 Abs.1 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nur verletzt, wenn die Festnahme nicht in dieser Gesetzesvorschrift begründet wäre (VfSlg. 9694/1983, 8082/1977, 7857/1976). Nach § 35 VStG dürfen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn (lit.a) der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist. Ein Betreten auf frischer Tat liegt nicht nur dann vor, wenn das einschreitende Organ das Vorliegen einer strafbaren Handlung mit voller Verläßlichkeit festzustellen in der Lage ist, sondern schon dann, wenn es vertretbar erscheint, die Tat als strafbar zu beurteilen (VfSlg. 8045/1977, 7309/1974). Das einschreitende Organ mußte daher nicht vor der Festnahme prüfen, ob die verfügte Geschwindigkeitsbeschränkung und das Überholverbot Deckung in einer von der Behörde erlassenen Verordnung fanden. Darüber hinaus konnte der Kläger dem einschreitenden Gedarmeriebeamten aber ohnehin auch nur eine Fotokopie seines Führerscheins vorweisen. Beim Führerschein handelt es sich, wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, um ein Dokument, das auf Verlangen den Organen des öffentlichen Dienstes zum Zwecke der sofortigen Überprüfung der beurkundeten Tatsachen im Original vorzuweisen ist. Gerichtlich oder notariell beglaubigte Abschriften oder Fotokopien dieses Ausweispapiers genügen nicht (VwSlg.7146/A). Zweck der Pflicht zum Mitführen und Aushändigen des Führerscheins ist es auch zu gewährleisten, daß die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes möglichst rasch, nach Tunlichkeit noch am Tatort, über die Person des einer Verwaltungsübertretung Verdächtigen und des dabei verwendeten Fahrzeuges genaue Kenntnis erlangen (ZVR 1982/61; ZVR 1976/228). Wer ein Kraftfahrzeug lenkt, ohne den Führerschein mitzuführen, begeht die Übertretung nach § 102 Abs.5 KFG (ZVR 1974/187). Auch bei Begehen dieser Verwaltungsübertretung wurde der Kläger auf frischer Tat betreten. Die Mitnahme zum Gendarmerieposten erfüllte auch den im § 35 VStG zur Rechtfertigung der Festnahme genannten Zweck der Vorführung vor eine Behörde. Wachkörper wie die Gendarmerie sind zwar nicht selbst Behörden, sondern nur Hilfsorgane der Behörden (VfSlg 4692/1964; 3108/1958, SZ 57/3). Daß der Kläger in der Folge der Behörde (im vorliegenden Fall die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung) nicht vorgeführt wurde, weil wegen der später erfolgreichen Identitätsprüfung Umstände eintraten, die diese Vorführung entbehrlich machten, so daß die Haft vorzeitig beendet werden konnte, ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Festnahme (VfSlg. 6542/1971). Auch daß die Festnahme nach Einsichtnahme in seinen Ausweis sofort aufgehoben wurde und daher seine Vernehmung unterblieb, kann der Kläger, der sonst länger in Haft verblieben wäre, der beklagten Partei nicht anlasten. Es steht weiters fest, daß der Kläger dem einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht bekannt war. Konnte aber die Identität des Klägers zunächst nicht geklärt werden, kann er sich auch nicht darauf berufen, daß der Empfangsstaat gemäß Art. 40 WKK alle geeigneten Maßnahmen zu treffen hat, um jeden Angriff auf die Person, die Freiheit und die Würde eines Konsuls zu verhindern. Dieser in Art. 40 WKK gewährleistete Schutz des Konsuls setzt die vorherige Klarstellung seiner Eigenschaft als Konsul voraus. Hiezu dient insbesondere der von der Protokollabteilung des BMfAA ausgestellte Ausweis, den der Kläger aber ebenfalls nicht vorweisen konnte. Weder die Mitnahme von Akten des Generalkonsulats im Personenkraftwagen noch die Verwendung der "Diensttafel" des Generalkonsulats von Panama oder die Vorweisung einer Visitkarte genügten für eine eindeutige Identifizierung. Daß das gegen den Kläger eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde, ändert ebenfalls nichts daran, daß zunächst die Voraussetzungen des § 35 lit.a VStG 1950 für die Festnahme vorgelegen waren. Auf einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 37 a VStG 1950 wurde das Klagebegehren nicht gegründet. Der Kläger hat nicht behauptet, daß die in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen, unter denen von der Festnahme gegen Einhebung einer vorläufigen Sicherheit abgesehen werden kann, hier vorliegen. Demzufolge ist auf diesen Rechtsgrund nicht einzugehen. Da die Festnahme des Klägers in der Bestimmung des § 35 lit.a VStG 1950 ihre Grundlage fand, wurde er durch die Festnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt; das Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen gerechtfertigt abgewiesen.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E08113

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00007.86.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19860514_OGH0002_0010OB00007_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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