TE OGH 1986/6/3 11Os74/86

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Veröffentlicht am 03.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juni 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton Z*** und Ludwig F*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Anton Z*** sowie die Nichtigkeitsbeschwerde des Ludwig F*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 16.Oktober 1985, GZ 11 a Vr 886/84-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten Ludwig F*** und dessen Verteidigers Dr. Farid Rifaat, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Anton Z*** zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ludwig F*** wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil in den diesen Angeklagten betreffenden Schuldsprüchen I 2 und II und demgemäß auch im Ausspruch über das Absehen von zusätzlicher Bestrafung aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Anton Z*** wird verworfen.

III. Der Berufung des Angeklagten Anton Z*** wird dahin Folge gegeben, daß über ihn unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB, jedoch unter Ausschaltung des Ausspruches nach dem § 43 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 (einhundertachtzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und die Höhe des Tagessatzes mit 150 (einhundertfünfzig) S bestimmt wird.

IV. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Anton Z*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 21.März 1945 geborene Gastwirt Anton Z*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (I/1) sowie des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit c WaffenG (III) und der am 1.November 1953 geborene Vertreter Ludwig F*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (I/2) sowie des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB (II) schuldig erkannt.

Laut Schuldspruch und den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen besaß der Angeklagte Anton Z*** trotz eines von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gemäß dem § 12 WaffenG erlassenen Waffenverbotes einen Karabiner Beretta Brescia Nr. AY 3007 Kal. 65 und einen Schreckschußrevolver "Arminius" Nr. P 82.304 (Punkt III des Schuldspruchs). In der Nacht zum 26. Juli 1983 holte er im Zuge einer zunächst nur wörtlichen Auseinandersetzung mit Ludwig F***, der sich damals mit seiner Lebensgefährtin Renate P*** in dem (von Anton Z*** betriebenen) Gasthaus "S*** B***" am Hochschneeberg aufhielt, diese Waffen aus der Küche und gab vorerst aus dem Karabiner einen Schuß auf die hinter F*** gelegene Wand ab, um seinem Verlangen, daß die beiden das Lokal verlassen sollten, Nachdruck zu verleihen. Hierauf warf der Angeklagte F***, der, durch den Schuß erschreckt, aufgesprungen war und den Tisch umriß, ein Stockerl gegen die Theke, zertrümmerte hiedurch die Beleuchtung des Gastraumes, riß dem Z*** den Karabiner aus der Hand und schlug mit einem Sessel (einem Stockerl) gegen ihn, wobei er Z*** vorsätzlich eine Verletzung am Körper - Schädelprellung, verbunden mit einer schweren Prellung des linken Augapfels und einer Blutunterlaufung der Augenbindehaut - zufügte (Punkt I/2 des Schuldspruchs). Hierauf gab Z*** aus dem Schreckschußrevolver mindestens zwei Schüsse ab, worauf die Zeugin P*** in die Küche floh und F*** mit einem weiteren Sessel ein Fenster des Gastraumes einschlug. Durch das Herumschleudern von Möbeln wurde im Lokal an zwei Tischen, vier Sesseln, einem Verbundfenster, einer Vitrine und Wandverkleidungsbrettern ein Schaden von 10.927 S verursacht (Punkt II des Schuldspruchs). Sodann verließen Ludwig F*** und Renate P*** das Gastzimmer durch das (zerschlagene) Fenster. Als F*** nach einiger Zeit zum Fenster zurückkehrte und den Z*** um den Verkauf einer Zigarette ersuchte, führte der Angesprochene mit einem Hackenstiel einen Schlag gegen ihn, welcher F*** an seinem (abwehrend hochgerissenen) linken Unterarm traf und einen Bruch der linken Elle zur Folge hatte (Punkt I/1 des Schuldspruchs). Jeder der Angeklagten bekämpft die ihn betreffenden Teile des Schuldspruchs mit Nichtigkeitsbeschwerde. Anton Z*** macht dabei den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a, der Sache nach aber auch die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend, während Ludwig F*** seine Beschwerde auf den § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

I. Die Beschwerde des Angeklagten Ludwig F*** erweist sich als berechtigt:

Das Erstgericht gründet seine Konstatierungen über den Tathergang auf die Zeugenaussage der Renate P*** und erachtete auf Grund dieser Aussage die Verantwortung der beiden Angeklagten für widerlegt (S 246, 247). Zutreffend wendet Ludwig F*** ein, daß der Ausspruch des Gerichtes, er habe Z*** den Karabiner aus der Hand gerissen und in das Gastzimmer geworfen, durch die Angaben der Zeugin P*** nicht gedeckt ist, sondern daß vom Erstgericht insoweit die Darstellung des Angeklagten Z*** in der Hauptverhandlung vom 16.Oktober 1985 (ON 42) übernommen wurde, ohne sich mit der anderslautenden Verantwortung in der Hauptverhandlung vom 9.Oktober 1984 (ON 33) auseinanderzusetzen, in der Z*** angab, den Karabiner "weggelegt" zu haben (S 150, 199, 240). Diesem Umstand kommt aber für die Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten F*** insofern wesentliche Bedeutung zu, als das Schöffengericht gerade daraus folgerte, die Angriffshandlungen des Z*** seien damit schon beendet (unterbunden) gewesen, sodaß für weitere Tätlichkeiten des F*** unter dem Gesichtspunkt der Notwehr keine Veranlassung mehr bestanden habe (S 247, 248). Beizupflichten ist ferner dem Beschwerdeeinwand, das Urteil lasse eine Begründung für die Annahme vermissen, F*** habe erst danach, also nicht bloß in Abwehr eines noch in Gang befindlichen Angriffs seines Gegners, den Z*** durch Entgegenschleudern eines Sessels schwer verletzt und Mobiliar im Gasthaus vorsätzlich beschädigt. Eine solche Sachverhaltsvariante ergibt sich weder aus der als Feststellungsgrundlage herangezogenen Zeugenaussage der während der Schüsse in die Küche geflüchteten Renate P***, noch aus der Verantwortung des Angeklagten Z***, der - insoweit in Übereinstimmung mit der Darstellung des F*** (S 206) - bei seiner Vernehmung durch die Gendarmerie sogar ausdrücklich behauptete, von jenem Sesselwurf getroffen worden zu sein, mit dem F*** den Beleuchtungskörper zertrümmert hatte (S 45). Es zeigt sich sohin, daß das Urteil in für den Schuldspruch des Angeklagten F*** entscheidungswesentlichen Punkten mit Begründungsmängeln (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) behaftet ist. Da das Erstgericht bei Würdigung der genannten, in den Entscheidungsgründen übergangenen Verfahrensergebnisse zu anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Sachverhaltsfeststellungen hätte gelangen können, nach denen dem Angeklagten F*** allenfalls doch der von ihm reklamierte Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 StGB) zustatten käme, ist eine Aufhebung des Urteils (in dem den Angeklagten F*** betreffenden Teil) unvermeidlich, ohne daß noch auf die weiteren Beschwerdeeinwände eingegangen werden mußte. II. Hingegen muß der nur gegen den Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung (I/1) gerichteten Beschwerde des Angeklagten Anton Z*** ein Erfolg versagt bleiben:

Nach Ansicht dieses Beschwerdeführers wäre ihm auf Grund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes Notwehr, entschuldigender Notstand oder doch irrtümliche Annahme einer Notwehr- oder Notstandssituation zuzubilligen gewesen, weil er im Hinblick auf die Vorstrafen und wegen des von F*** gezeigten, in Sachbeschädigungen und schwere Körperverletzung ausartenden Verhaltens weitere Attacken befürchtet habe. Er habe zudem F*** nicht verletzen wollen, sondern dessen Bitte um eine Zigarette als Finte gewertet und als jener sich dem Fenster näherte und den Arm hereinstreckte, befürchtet, er wolle durch das Fenster (abermals) in das Hütteninnere gelangen; demgemäß habe er zum Schutz seiner Sachgüter sowie zur Abwehr einer weiteren eigenen Verletzung zugeschlagen. Nach den insoweit unangefochten gebliebenen Urteilsfeststellungen begab sich der Angeklagte F***, um die feindselige Atmosphäre zu entspannen, einige Zeit nach Beendigung des Zwischenfalls zum (eingeschlagenen) Fenster zurück, hinter dem Z*** - mit dem Karabiner im Anschlag - stand, und fragte, ob er ihm eine Zigarette verkaufen würde. Dies sagte Z*** zu, worauf F*** näher zum Fenster hinging und diese Zigarette durch Hineingreifen an sich zu nehmen versuchte. Z*** führte aber den Schlag mit dem Hackenstiel, wodurch er F*** schwer verletzte (S 244). Aus diesen tatsächlichen Annahmen folgerte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zutreffend, daß für den (bewaffneten) Angeklagten Z*** (erkanntermaßen) keine Notwehrsituation bestand; er bediente sich demnach keineswegs bloß der notwendigen Verteidigung, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des F*** auf Leben, Gesundheit oder Vermögen von sich abzuwehren. Z*** ging vielmehr in Kenntnis der Umstände mit Verletzungsvorsatz gegen F*** vor (S 248), sodaß ihm auch nicht die irrtümliche Annahme einer (rechtfertigenden) Notwehrlage zuzubilligen ist. Tatsächlicher oder vermeintlicher entschuldigender Notstand (§ 10 StGB) kommen hier ebensowenig in Betracht, weil dies eine akute schwere Bedrängnis voraussetzen würde, aus der sich der Bedrängte nur durch einen Eingriff in Rechtsgüter schuldloser Dritter retten kann (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , RN 2, 3 zu § 10). Soweit der Angeklagte Z*** aber behauptet, nicht mit Verletzungsvorsatz, sondern bloß fahrlässig gehandelt zu haben, geht er nicht von den Urteilsfeststellungen aus, wie es für eine gesetzmäßige Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten F*** war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil, welches im Schuldspruch des Z*** unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten F*** wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB (I/2 und II), sowie demgemäß auch in dem den Angeklagten F*** betreffenden Strafausspruch aufzuheben und insoweit die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Hingegen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Z*** zu verwerfen.

III. Berufung des Angeklagten Z***:

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten Z*** nach den §§ 28, 84 Abs. 1 StGB eine unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von acht Monaten und wertete als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und die Begehung zweier Delikte, während als mildernd der Beitrag zur Wahrheitsfindung und das Mitverschulden des F*** berücksichtigt wurden.

Der die Verhängung einer Geldstrafe anstatt der (auf ein Mindestmaß) herabzusetzenden Freiheitsstrafe anstrebenden Berufung kommt im eingeschränkten Ausmaß Berechtigung zu.

Wenngleich der Berufungswerber zwei jeweils mit Geldstrafen geahndete (auf tätliche Auseinandersetzungen mit der Ehefrau zurückzuführende) Vorverurteilungen wegen des Vergehens nach dem § 83 StGB aufweist und die zuletzt verhängte Strafe erst am 3. Februar 1983 (also fünf Monate vor dieser Tat) bezahlte, sind die in der Vorgeschichte dieses Exzesses liegenden, von beiden Kontrahenten zu vertretenden Besonderheiten der Straftaten bei Beurteilung der Schuld (§ 32 StGB) doch einer situationsgerechten Würdigung zu unterziehen. Hiebei kommt dem auch vom Erstgericht bejahten (wenn allenfalls auch strafrechtlich nicht relevanten) Mitverschulden des - wie aus den ihn betreffenden Vorstrafakten zu ersehen ist - zu aggressiven Ausbrüchen neigenden Mitangeklagten F*** eine wesentliche Bedeutung zu, sodaß die - wenn auch strafbare - Reaktion des als Hüttenwirt auf dem Schneeberg in der Nacht von der Hilfe der Behörden oder der Mitmenschen weitgehend ausgeschlossenen Berufungswerbers weder aus spezial- noch aus generalpräventiver Sicht zur Verhängung einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe drängt. Liegt aber diese Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 37 Abs. 1 StGB vor, sind im Hinblick auf die Besonderheit des Falles auch die übrigen Erfordernisse für die Verhängung einer Geldstrafe gegeben, jedoch bedarf es unter Berücksichtigung des Vorlebens des Täters und der Gefährlichkeit der Tat der Verhängung der höchstzulässigen Anzahl an Tagessätzen. Im Hinblick auf die vollkommen realitätsfernen Angaben des Angeklagten über sein Einkommen mußte sich der Oberste Gerichtshof bei Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs. 2 StGB) daran halten, daß Anton Z*** seit Jahren die Schutzhütte "S*** B***" am Hochschneeberg bewirtschaftet und aus dieser gewerblichen Tätigkeit bei höchstmöglicher Anstrengung und Beschränkung seines eigenen Lebensstandards auf das Existenzminimum durchaus in der Lage ist, neben den Mitteln zur Erfüllung seiner Sorgepflichten für zwei Kinder auch ein abschöpfbares Einkommen von monatlich 4.500 S zu erwirtschaften, woraus sich die aus dem Spruch ersichtliche Höhe des Tagessatzes errechnet (LSK 1975/115, 116; 1977/206).

Bei der zufolge der Änderung der Strafart nunmehr neu zu prüfenden Frage, ob auch die Geldstrafe bedingt nachgesehen werden kann (Leukauf-Steininger 2 , RN 22 zu § 37 StGB), schlägt zu Lasten des Angeklagten aus, daß die bisherigen (wenn auch geringen) unbedingt verhängten Geldstrafen ihn nicht nachhaltig zu beeinflussen vermochten, sodaß eine bloße Androhung einer (weniger präventiv wirkenden) Geldstrafe dem erstrebten Strafzweck nicht gerecht wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08474

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00074.86.0603.000

Dokumentnummer

JJT_19860603_OGH0002_0110OS00074_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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