TE OGH 1986/6/6 8Ob33/86

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Veröffentlicht am 06.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Bernhard B***, geboren am 11. März 1973, Obere Feldgasse 29, 6500 Landeck, vertreten durch den ehelichen Vater Dr. Klaus B***, Facharzt, wohnhaft ebendort, dieser vertreten durch Dr. Alois Fuchs, Rechtsanwalt in Landeck, wider die beklagte Partei V*** DER V***

Ö***, Schwarzenbergplatz 7, 1031 Wien, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 199.887,73 S samt Anhang (Revisionsstreitwert 98.504,-- S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5. Dezember 1985, GZ 5 R 347/85-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. September 1985, GZ 15 Cg 68/84-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Zuspruch von 82.242,50 S, somit 4 % Zinsen seit 1. Juli 1983 und der Abweisung eines Teilbegehrens von 19.141,23 S s.A. sowie des 4 % Zinsen übersteigenden Zinsenmehrbegehrens als unangefochten unberührt bleiben werden, im übrigen dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 89.342,50 S samt 4 % Zinsen seit 1. Juli 1983 zu bezahlen.

Das Klagemehrbegehren von 110.545,23 S samt 8 % Zinsen seit 1. Juli 1983 sowie 4 % Zinsen aus 89.342,50 S seit 1. Juli 1983 wird abgewiesen." Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen an Prozeßkosten erster Instanz den Betrag von 2.707,87 S (darin 233,81 S an Umsatzsteuer und 136,-- S an Barauslagen) zu ersetzen.

Die klagende Partei ist hingegen schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 3.345,55 S (darin 273,23 S an Umsatzsteuer und 340,-- S an Barauslagen) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von 4.117,23 S (darin 327,93 S an Umsatzsteuer und 510,-- S an Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 11. März 1973 geborene Kläger wurde am 17. Oktober 1976 bei einem von Branislav T*** als Lenker eines PKW mit deutschem Kennzeichen verschuldeten Verkehrsunfall auf der Bundesstraße B 171 schwer verletzt. Die Beklagte haftet für die Folgen aus diesem Unfall wie ein Haftpflichtversicherer. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Landeck vom 25. September 1979, C 603/79, wurde die Haftung der Beklagten sowie des Branislav T*** für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 17. Oktober 1976 rechtskräftig festgestellt. Der Kläger erlitt bei diesem Unfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit einem irreparablen Dauerschaden. Er kann nur mit fremder Hilfe gehen und stehen. Er nimmt zwar normale Nahrung zu sich, muß jedoch wie ein Kleinkind gefüttert werden. Bei der Nahrungsaufnahme kommt es immer wieder zu Schluckbeschwerden;

eine Mahlzeit kann sich über eine Stunde hinziehen. Der Kläger ist nicht imstande, seine Körperfunktionen zu kontrollieren;

entsprechend seiner Tagesverfassung ist er aber in der Lage, seine Bedürfnisse zu signalisieren; ist dies nicht der Fall, muß er wie ein Kleinkind gewickelt werden. Es gibt Zeiten, in denen es dem Kläger möglich ist, sich innerhalb von ein bis drei Minuten im Bett umzudrehen; es kann aber auch vorkommen, daß er für eine Drehung eine Dreiviertelstunde benötigt. Der Kläger wird am Montag von seiner Mutter nach Axams gefahren, wo er unter der Woche im Elisabethinum - einer Sonderschule für geistig behinderte Kinder - untergebracht ist. Dort gehört er zu den schwerstbehinderten Kindern und bedarf einer besonders intensiven Betreuung. Er wird im Elisabethinum einem umfassenden Förderungsprogramm unterworfen, das auch am Wochenende im Elternhaus fortgesetzt werden muß, um einen Erfolg sicherzustellen. Jeden Freitag wird der Kläger von seinem Vater im Elisabethinum abgeholt und nach Hause gebracht. Die Wochenenden und die Ferien verbringt der Kläger im Elternhaus, was therapeutische Wirkung hat. Der Kläger wiegt derzeit 35 Kilogramm; seine Pflege ist für die Pflegeperson eine körperliche Belastung. Die Eltern des Klägers, die noch zwei weitere Kinder im Alter von 11 und 3 1/2 Jahren haben, stellten im Juli 1978 eine Hausgehilfin an, die von Montag bis Freitag zwischen 8 Uhr und 18 Uhr im Haushalt tätig ist. Am Samstag und Sonntag hat die Hausgehilfin frei. Es war nicht möglich, eine Kraft anzustellen, die ihren freien Tag unter der Woche nimmt. Die Hausgehilfin versorgt unter der Woche den vierköpfigen Haushalt alleine, wird dabei aber von der Mutter des Klägers unterstützt. Am Wochenende wird der Kläger von beiden Elternteilen betreut. Für den Aufenthalt und die Betreuung im Elisabethinum hatten die Eltern des Klägers ab November 1982 einen Heilbehandlungsbeitrag von monatlich 900,-- S zu leisten; seit Jänner 1984 hat sich dieser Betrag auf monatlich 1.700 S erhöht. Zwischen November 1982 und Februar 1984 waren aus diesem Titel insgesamt 14.200 S zu bezahlen. Durch die Anstellung der Hausgehilfin entstanden den Eltern des Klägers im Zeitraum zwischen November 1982 und Feber 1984 Kosten von zusammen S 203.119,--. Mit der am 6. Feber 1984 mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung erhobenen Klage begehrte der Kläger nach Ausdehnung und Einschränkung des Klagebegehrens unter Berücksichtigung einer Akontozahlung von 100.000 S von der Beklagten die Bezahlung des Betrages von 199.887,73 S samt Anhang, darunter für Kosten der Haushaltshilfe zwischen November 1982 und Februar 1984 den Betrag von 203.120,23 S und als Ersatz der Heilbehandlungskostenbeiträge für das Elisabethinum im gleichen Zeitraum den Betrag von 16.000 S. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil mit der geleisteten Akontozahlung alle den Gegenstand des Rechtsstreites bildenden Ansprüche abgegolten worden seien. Für die Kosten der Haushaltshilfe habe die Beklagte zumindest insoweit nicht einzustehen, als der Kläger im Elisabethinum untergebracht sei. Außerdem sei auch die mit dem Aufenthalt in Axams verbundene Verpflegskostenersparnis zu berücksichtigen.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Bezahlung von 82.242,50 S samt Anhang und wies das Mehrbegehren von 117.645,23 S sowie ein Zinsenmehrbegehren ab. Rechtlich führte das Erstgericht zu den im Rechtsmittelverfahren noch streitverfangenen Ansprüchen (Kosten der Haushaltshilfe und Kosten der Heilbehandlung im Elisabethinum) im wesentlichen folgendes aus:

Da der Kläger insgesamt 13 Wochen Ferien im Jahr habe, verbringe er 1/4 des Jahres ständig im Elternhaus. In dieser Zeit werde die Hausgehilfin zur Pflege des Klägers ständig benötigt. Der Kläger habe daher vorerst Anspruch auf Ersatz von 25 % der zwischen November 1982 und Feber 1984 aufgewendeten Kosten der Hausgehilfin, das seien 50.780 S. In der übrigen Zeit sei die Anstellung einer Hausgehilfin für zwei Tage pro Woche zur Versorgung des Klägers gerechtfertigt, nämlich am Freitag, wenn der Kläger in Axams abgeholt werde und die Mutter infolge der Vorbereitung auf das Wochenende und der Beschäftigung mit dem Kläger am Freitag-Nachmittag einer erhöhten Belastung unterworfen sei, und am Montag, wenn die Mutter den Kläger nach Axams zurückbringe und sich von den Anstrengungen des Wochenendes erholen müsse. Die Beschäftigung der Hausgehilfin an diesen Tagen bilde einen erhöhten Aufwand, den die Eltern des Klägers für diesen zu erbringen hätten.

Bezogen auf fünf Arbeitstage pro Woche, ergebe sich ein Anteil von 40 % an den für die Hausgehilfin aufzuwendenden Kosten in der restlichen Zeit des Jahres, was im konkreten Fall zu einer weiteren Forderung von 60.935,-- S führe (40 % von 152.339,-- S). Insgesamt hätte die Beklagte daher von den Kosten der Hausgehilfin 111.715 S (50.780 S + 60.035 S) zu ersetzen. Wenn man davon ausgehe, daß der Kläger unter der Woche im Elisabethinum verpflegt und versorgt werde, sei der von den Eltern des Klägers hiefür geleistete Betrag nicht ersatzfähig, weil er nur Kosten enthalte, die auch im Familienkreis auflaufen würden.

Das Gericht zweiter Instanz gab der allein vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil, das in der Hauptsache im Zuspruch von 82.242,50 S samt Anhang und in der Abweisung des Teilbegehrens von 19.141,23 S samt Anhang als unangefochten in Rechtskraft erwachsen war, dahin ab, daß es dem Kläger unter Einbeziehung der unangefochten gebliebenen Teile den Betrag von 180.746,50 S samt Anhang zusprach und das Mehrbegehren von 19.141,23 S samt Anhang abwies, wobei es die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zuließ.

Bei der rechtlichen Beurteilung des vom Erstgericht festgestellten und als unbedenklich übernommenen Sachverhaltes ging das Berufungsgericht davon aus, daß die Ersatzansprüche des Klägers aufgrund der Bestimmungen des ABGB zu beurteilen seien, weil der Unfall sich noch vor Inkrafttreten des IPRG ereignet habe und außerdem die Anwendung österreichischen Rechtes sich aus den Bestimmungen des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, BGBl. Nr. 387/75 ergäbe. Nach § 1325 ABGB habe derjenige, der jemanden an seinem Körper verletze, unter anderem die Heilungskosten des Verletzten zu bestreiten. Von der Ersatzpflicht des Schädigers seien auch Aufwendungen umfaßt, die sich aus einer Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten ergäben, wenn dieser Hilfeleistungen durch dritte Personen beanspruchen müsse; daß solche Hilfeleistungen - etwa von Verwandten - freiwillig und unentgeltlich erbracht würden, ändere an der Ersatzpflicht des Schädigers nichts. Zu der vom Schädiger abzugeltenden Vermehrung von Bedürfnissen des Verletzten zählten auch die Kosten einer Haushaltshilfe, die auch dann zu ersetzen seien, wenn keine bezahlte Arbeitskraft herangezogen, sondern auf andere Weise Abhilfe gesucht würde (ZVR 1980/230, ZVR 1980/302, ZVR 1983/317, ZVR 1984/322). Im vorliegenden Fall sei unbestritten, daß zur Pflege und Erziehung des schwer behinderten Klägers im Elternhaus die Anstellung einer Haushaltshilfe notwendig gewesen sei und die dadurch verursachten Kosten von der beklagten Partei zu ersetzen seien. Es sei im Berufungsverfahren auch nicht mehr strittig, daß die von den Eltern des Klägers für die angestellte Haushaltshilfe im Zeitraum zwischen November 1982 und Feber 1984 aufgewendeten Kosten in einer Gesamthöhe von 203.119 S (etwa 12.700 S pro Monat) den dafür erbrachten Leistungen entsprochen hätten. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß der an die Hausgehilfin monatlich zur Auszahlung gebrachte Nettogehalt nur zwischen 6.000 S und 7.000 S liege und alle weiteren Aufwendungen Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sowie Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer beträfen.

Die Eltern des Klägers seien im Zeitraum zwischen November 1982 und Feber 1984 dadurch entlastet gewesen, daß der Kläger - abgesehen von den Ferien und Feiertagen - jeweils zwischen Montag-Vormittag und Freitag-Mittag im Elisabethinum in Axams versorgt worden sei. In dem dafür zu leistenden "Heilbehandlungsbeitrag" von zunächst 900 S monatlich und später 1.700 S monatlich sei auch die Verpflegung und die Betreuung des Klägers inbegriffen gewesen. An der Notwendigkeit, im Haushalt der Eltern zur Bewältigung der Pflege und Versorgung des Klägers an den Wochenenden und während der Ferien eine Haushaltshilfe zu beschäftigen, habe sich dadurch nichts geändert. Daß die Haushaltshilfe - abgesehen von den Ferien und allfälligen Feiertagen während der Woche - im Haushalt nicht tätig sei, wenn sich der Kläger bei seinen Eltern befinde, falle nicht ins Gewicht, weil die Kosten einer Haushaltshilfe vom Schädiger auch dann zu ersetzen seien, wenn - wie hier durch den Einsatz der Eltern - auf andere Weise Abhilfe gesucht und gefunden werde. Im übrigen wäre es schon aufgrund der arbeitsrechtlichen Bestimmungen nicht möglich, mit der Anstellung nur einer Kraft ohne Mithilfe der Eltern in deren Haushalt eine zeitlich lückenlose Pflege und Versorgung des Klägers sicherzustellen. Es sei den Eltern des Klägers nicht zumutbar, die von ihnen angestellte Haushaltshilfe in jenen Zeiten nicht zu beschäftigen, in denen der Kläger unter der Woche im Elisabethinum untergebracht sei, und sich wie es dem Erstgericht vorschwebe - mit der Unterstützung durch eine Aushilfe an bloß zwei Tagen pro Woche zu begnügen. Die Beklagte habe weder behauptet noch nachgewiesen, daß die von den Eltern des Klägers seit 1978 beschäftigte Hausgehilfin bereit wäre, während der Zeit, in der sich der Kläger im Elisabethinum befinde, im Haushalt weniger zu arbeiten und eine entsprechende Minderung ihrer Bezüge hinzunehmen. Eine in der fortlaufenden Beschäftigung der seit Juli 1978 im Haushalt der Eltern des Klägers tätigen Haushaltshilfe gelegene Verletzung von Schadenminderungspflichten sei daher nicht in Betracht zu ziehen. Dazu komme noch, daß sich die Höhe des Schadenersatzanspruches grundsätzlich danach richtet, welcher Nachteil dem Verletzten ohne Berücksichtigung einer Zuwendung von dritter Seite entstanden wäre (Koziol, Haftpflichtrecht 2 II, 129). Die dem Kläger im Elisabethinum zuteil werdende und als Zuwendung von dritter Seite anzusehende Pflege habe nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten; sie verringere daher den von der Beklagten zu ersetzenden Schaden nicht (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I, 279, 286 f.). Nach den Prozeßbehauptungen im Verfahren erster Instanz fehle auch jeder Anhaltspunkt für Regreßansprüche des Landes Tirol (an das der Heilbehandlungsbeitrag von monatlich 900 S bzw. 1.700 S bezahlt worden sei) gegenüber dem für die Verletzungen des Klägers haftbaren Schädiger. Nach den unangefochten und unbedenklichen Feststellungen des Erstgerichtes werde der Kläger im Elisabethinum in Axams nicht nur versorgt und gepflegt, sondern auch einem umfassenden Förderungsprogramm unterworfen. Es liege auf der Hand, daß durch den geleisteten Heilbehandlungsbeitrag nur ein geringer Teil der damit verbundenen Kosten abgedeckt werde. Eine Minderung der verletzungsbedingt eingetretenen und daher vom Schädiger zu ersetzenden Vermehrung der Bedürfnisse des Klägers sei mit den Aufenthalten im Elisabethinum nach den Feststellungen des Erstgerichtes nur insoweit gegeben, als der Kläger in diesen Zeiträumen im Elternhaus nicht verpflegt werden müsse. Mit den vom Kläger im Berufungsverfahren zugestandenen Beträgen - nämlich der Hälfte des für die Aufenthalte im Elisabethinum geleisteten Heilbehandlungsbeitrages - sei diese Ersparnis ausreichend und angemessen berücksichtigt. In diesem Zusammenhang sei nicht zu übersehen, daß dem Kläger im Elisabethinum nicht bloß die Unterkunft und die Verpflegung zur Verfügung gestellt werde, sondern daß er dort auch die erforderliche Pflege erhalte und mit ihm ein umfassendes Förderungsprogramm durchgeführt werde. Das Förderungsprogramm gehe über die im Hinblick auf den Zustand des Klägers notwendige Pflege weit hinaus und habe einen auch im Interesse des Schädigers gelegenen Abbau der Behinderungen des Klägers zum Ziel. Es sei davon auszugehen, daß (zumindest) die Hälfte des bezahlten Heilbehandlungsbeitrages auf dieses Förderungsprogramm entfalle, weshalb eine Ersatzpflicht der Beklagten für den aus diesem Titel im Berufungsverfahren geltend gemachten Betrag von 7.100 S bestehe (was einem Betrag von weniger als 500 S pro Monat entspräche). Den Anspruch über die Zulässigkeit der Revision gründete das Berufungsgericht darauf, daß - soweit ersichtlich - eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, inwieweit der Schädiger die im Rahmen der Pflege eines schwerstbehinderten Kindes im Elternhaus durch die Anstellung einer Haushaltshilfe verursachten Mehrkosten auch dann zu ersetzen habe, wenn das pflegebedürftige Kind zeitweise in einer Sonderschule für behinderte Kinder untergebracht sei.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern. Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise auch berechtigt. Im Revisionsverfahren ist lediglich die Frage strittig geblieben, in welchem Ausmaß der Kläger Anspruch auf Ersatz jener Kosten hat, die mit seiner wegen der Unfallsfolgen notwendig gewordenen persönlichen Betreuung und Pflege verbunden sind. Der beklagte Verband bekämpft in seiner Revision den Zuspruch der gesamten Kosten der Haushaltshilfe sowie den Zuspruch des Ersatzes der Hälfte der für die Betreuung des Klägers im Elisabethinum bezahlten Kosten. Das Berufungsgericht hätte seiner Ansicht nach dem Kläger aus dem Titel des Ersatzes vermehrten Bedürfnisse nicht mehr zuerkennen dürfen, als ihm vom Erstgericht zugesprochen worden sei.

Denn einerseits gebühre dem Kläger für die Zeit seiner Betreuung im Elisabethinum kein Ersatz für die auf diese Zeit entfallenden Kosten der Haushaltshilfe. Anderseits hätten sich seine Eltern während seines Aufenthaltes im Elisabethinum die Kosten für seine Verpflegung und seinen Unterhalt sowie für seine persönliche Betreuung und Fürsorge, die sie für ein gesundes Kind hätten aufwenden müssen, erspart. Da diese den Eltern des Klägers damit ersparten Kosten höher wären als der von ihnen monatlich bezahlte Heilbehandlungsbeitrag, habe das Erstgericht mit Recht das Begehren auf Ersatz der Kosten des Elisabethinums (14.200 S) abgewiesen. Daß die Kosten zur Deckung vermehrter Bedürfnisse, die dem Verletzten infolge der unfallbedingten Körperverletzung entstehen und die ohne den Unfall nicht entstanden wären, einen positiven Schaden darstellen und daher nach § 1325 ABGB, § 13 Z 3 EKHG zu ersetzen sind (Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 127; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 11 und 12 zu § 1325; ZVR 1976/107; ZVR 1978/178; SZ 51/131; ZVR 1979/226 ua), wird von der Revisionswerberin ebensowenig in Zweifel gezogen, wie der Umstand, daß die Kosten einer Pflegeperson zu den Kosten solcher vermehrter Bedürfnisse gehören (SZ 1/14; ZVR 1967/199; ZVR 1977/58; ZVR 1980/302 ua). Dieser in dem Entstehen eines Aufwandes oder einer Verbindlichkeit liegende Schade ist - da es sich um einen positiven Schaden handelt - grundsätzlich subjektiv-konkret zu berechnen (Koziol-Welser 7 I 394; Koziol, aaO I 25 f und II 127;

ZVR 1979/226 ua), sodaß dem Geschädigten alle tatsächlich entstandenen Kosten zu ersetzen sind, selbst wenn sie durch individuelle Umstände besonders hoch sind (vgl. Koziol, aaO II 127). Da der Anspruch auf Ersatz der Kosten wegen Vermehrung der Bedürfnisse nicht erst mit der Aufwendung der entsprechenden Kosten entsteht, sondern schon mit dem Eintritt der vermehrten Bedürfnisse (ZVR 1979/226), hat der Verletzte Anspruch auf Ersatz dieser Kosten selbst dann, wenn ihm die infolge der Vermehrung erforderlichen fremden Dienste kostenlos erbracht werden, ihm also tatsächlich keine Kosten entstehen (ZVR 1980/302). Dies wird damit gerechtfertigt, daß diese Arbeiten nicht dem Schädiger zugutekommen sollen und daher keine Vorteilsausgleichung geschehen soll (Reischauer, aaO Rdz 12 zu § 1325; ZVR 1980/302 ua). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Kläger den Ersatz der ihm seiner Ansicht nach aus der Notwendigkeit seiner Betreuung und Pflege konkret erwachsenen Kosten begehrt. Nach der für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage wird die erforderliche Pflege und Betreuung des Klägers zum Teil im Elisabethinum und zum andern Teil zu Hause durchgeführt. Daß die für die Pflege und Betreuung des Klägers im Elisabethinum erforderlichen Kosten zu ersetzen sind, ist somit nicht zweifelhaft. Da in diesen konkret geltend gemachten Kosten auch die Verpflegskosten enthalten sind, die vom Kläger bzw. seinen unterhaltspflichtigen Eltern jedenfalls, also auch ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses zu tragen gewesen wären, hat das Berufungsgericht die auf Seiten des Klägers entstandenen Unterhaltsersparnisse mit Recht als Vorteil angerechnet. Daß das Berufungsgericht bei seiner unter Bedachtnahme auf den Umfang der dem Kläger im Elisabethinum erbrachten Leistungen vorgenommenen Festsetzung des auf Verpflegskosten entfallenden Anteiles - welche Kosten die Eltern für die Betreuung des Klägers ohne Eintritt der Unfallsfolgen sonst aufzuwenden gehabt hätten, ist den Feststellungen der Vorinstanzen und der Revision nicht zu entnehmen, derartige Behauptungen wurden aber auch gar nicht aufgestellt - mit der Hälfte der monatlichen Zahlungen das ihm nach § 273 ZPO eingeräumte Ermessen überschritten hätte und zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt wäre, wurde von der Revisionswerberin nicht dargetan und ist auch nicht erkenntlich. Im Zuspruch der Hälfte der vom Kläger begehrten Kosten seiner Betreuung im Elisabethinum unter dem Titel des Ersatzes der Kosten aus einer Vermehrung seiner Bedürfnisse während seiner Betreuung in dieser Anstalt durch das Berufungsgericht kann somit ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, daß der Kläger neben der konkreten Abgeltung der ihm für die ihm in dieser Anstalt zuteil gewordenen Pflege und Betreuung tatsächlich entstandenen Kosten nicht auch noch ganz allgemein Anspruch auf Ersatz von Kosten der Haushaltshilfe seiner Eltern für Leistungen hat, die von dieser im Haushalt zu einer Zeit erbracht werden, in der er selbst zu Hause gar nicht betreut wird. Diese Kosten können somit nicht als Kosten vermehrter Bedürfnisse des Klägers angesehen werden, die in seiner persönlichen Betreuung ihren Grund hätten. Dessenungeachtet hat das Erstgericht dem Kläger die entsprechenden Kosten der Haushaltshilfe seiner Eltern für die Freitage und Montage jener Wochen zugesprochen, die der Kläger im Elisabethinum verbringt. Es vertrat dazu die Ansicht, daß die Mutter des Klägers wegen ihrer mit der während der Wochenenden durchgehend erforderlichen persönlichen Betreuung des Klägers verbundenen Belastung der Erholung bedarf und ihr die Inanspruchnahme der Haushaltshilfe an diesen Tagen zuzubilligen ist. Da der Beklagte die aufrechte Erledigung des Klagebegehrens in diesem Umfang unbekämpft ließ, erübrigt es sich, auf dieses Begehren weiter einzugehen.

Was nun den behaupteten Anspruch auf Ersatz der restlichen Kosten der Haushaltshilfe anlangt, so ist dafür dem Vorbringen des Klägers keine geeignete Rechtsgrundlage zu entnehmen. Daß die Haushaltshilfe in dieser Zeit Arbeiten verrichtet, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem unfallsbedingten Leidenszustand des Klägers stünden und damit als Kosten anderer - über die persönliche Betreuung des Klägers hinausgehender - vermehrter Bedürfnisse anzusehen wären, wurde nicht behauptet. Das Klagebegehren wurde in diesem Zusammenhang aber auch nicht darauf gestützt, daß in dieser Zeit überhaupt Dienstleistungen für den Kläger im Haushalt seiner Eltern erbracht würden, die im Sinne der Rechtsprechung auf Verlangen des Verletzten auch dann abzugelten wären, wenn sie ohne Eintritt der Unfallsfolgen nicht notwendig gewesen wären, nun aber von Dritten kostenlos erbracht werden. Eine angemessene, unter Anwendung des § 273 ZPO zu ermittelnde Abgeltung der von der Mutter des Klägers selbst tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen wird nicht verlangt. Der Zuspruch weiterer Kosten der Haushaltshilfe im Betrag von 91.404 S sA - ohne Bedachtnahme auf die erbrachte Teilzahlung - durch das Berufungsgericht erfolgte daher zu Unrecht. Damit erweist sich aber die Revision teilweise als berechtigt, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen über die unangefochten gebliebene Erledigung des Klagebegehrens hinaus (82.242,50 S sA, d. s. die Kosten für die Haushaltshilfe von 111.715 S zuzüglich Fahrtkosten von 64.640 S und Kosten der Heilbehandlung von 5.887,50 S abzüglich der Zahlung von 100.000 S) im Sinne des Zuspruches eines weiteren Betrages von 7.100 S samt Anhang und Abweisung des darüber hinausgehenden Klagemehrbegehrens (110.545,23 S sA) abzuändern war. Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Während der Kläger im ersten die Klage und Tagsatzung vom 29. März 1984 umfassenden Prozeßabschnitt voll durchgedrungen ist, hat er im zweiten, bis zum Schriftsatz ON 6 reichenden, Verfahrensabschnitt nur mit rund 40 %, in der Tagsatzung ON 8 hingegen mit rund 45 % obsiegt. Der Kläger hat daher Anspruch auf Ersatz des sich für ihn aus dem unterschiedlichen Prozeßerfolg ergebenden Kostenmehrbetrages.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Da der Beklagte jeweils mit rund 92,5 % obsiegt hat, gebührt ihm der Ersatz von rund 85 % seiner Kosten des Berufungsverfahrens sowie des Revisionsverfahrens.

Anmerkung

E08642

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00033.86.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19860606_OGH0002_0080OB00033_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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