TE OGH 1986/6/19 7Ob584/86

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Veröffentlicht am 19.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1.) Christina S***, Angestellte, Park Lane 50, Kew Gardens, New York, 2.) Dr. Rudolf L*** jun., Innsbruck, Schöpfstraße 41, beide vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Armin P***, Geschäftsmann, Klagenfurt, Viktringer Straße 11, vertreten durch Dr. Friedrich Studentschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1986, GZ. 1 R 85/86-20, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 25. November 1985, GZ. 7 C 1488/84-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.737,09 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 339,74 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses Klagenfurt, Burggasse 25. Der Beklagte ist Mieter des östlich des Haupteinganges gelegenen Geschäftslokales. Die Kläger kündigten das Geschäftslokal zum 31.3.1985 aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG auf. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes betrieb der Beklagte in dem Geschäftslokal bis 31.10.1984 ein "Stehcafe". Er führte Kaffee, Bier, Wein, Limonaden, Schnäpse, Sekt und Whisky. Es gab Toast, Würste, Salatspeisen und Mehlspeisen. Es waren aber nur geringe Sitzmöglichkeiten, nämlich 3 Tische und 5 Barhocker vorhanden. Das Lokal war trotzdem relativ gut besucht, da Angestellte von umliegenden Firmen kamen, um kleine Imbisse oder ein Getränk einzunehmen. Ab 1.11.1984 verpachtete der Beklagte das Cafe an Josefine und Gerold L***. Der Pachtvertrag wurde von Dr. Studentschnig konzipiert. Anläßlich der Vertragsunterfertigung wurden die einzelnen Vertragspunkte durchbesprochen. Den Vertragspartnern war klar, daß es sich um eine Unternehmenspacht handle. Die Pächter verpflichteten sich zur Betriebsfortführung. Sie übernahmen das Lokal samt verbürgtem Kundenstock. Das Lokal war betriebsbereit, sodaß es ohne Unterbrechung forgeführt hätte werden können. Das Bestandobjekt wurde von den Pächtern jedoch erheblich umgebaut und wird nunmehr als Cafehaus mit mehreren Sitzgelegenheiten betrieben. Neben Getränken und kleinen Imbissen wird nunmehr auch ein Mittagsmenü angeboten. Das Lokal ist gut besucht, hauptsächlich von Angestellten der umliegenden Firmen. Es herrscht nunmehr mehr Betrieb als während der Betriebsführung durch den Beklagten.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes liege Unternehmenspacht vor, auf die der Kündigungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG nicht anwendbar sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der Gesetzgeber hatte nicht die Absicht, die im Mietengesetz bestehenden Kündigungsgründe inhaltlich einer wesentlichen Änderung zu unterziehen. Die Materialien zum Mietrechtsgesetz lassen erkennen, daß die bisherige Regelung des Kündigungsschutzes im wesentlichen übernommen werden sollte. Ausnahmen ergeben sich dort, wo dies aus dem Wortlaut des Gesetzes klar ersichtlich ist (7 Ob 591/84). Der Kündigungstatbestand nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG entspricht mit Ausnahme der Ersetzung des Zitates des § 12 MG durch das des § 14 Abs. 3 MRG wörtlich dem des § 19 Abs. 2 Z 10 MG. Aus der wörtlichen Übernahme des § 19 Abs. 2 Z 10 MG als § 30 Abs. 2 Z 4 MRG ergibt sich, daß die bisherige Rechtsprechung zu § 19 Abs. 2 Z 10 MG keine Bedenken des Gesetzgebers erweckt hat. Zu Recht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die bisherige Rechtsprechung auch bei Anwendung des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG zugrunde gelegt werden kann. Die Verpachtung eines Unternehmens ist daher nicht Weitergabe im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 23 zu § 30 MRG mwN; vgl. auch Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 444). Zur Abgrenzung der Unternehmenspacht von der Geschäftsraummiete kann zunächst auf die zutreffenden, durch zahlreiche Belegstellen gedeckten Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Festzuhalten ist, daß letztlich die Umstände des Einzelfalles entscheidend sind (MietSlg. 32.162/23, 32.163; 7 Ob 729/82 ua). Eine Unternehmenspacht liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört, übergeben wird (MietSlg. 32.162/23, 29.334 ua). Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer in der Regel auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichem Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Dies bedeutet aber nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gegeben sein müßten (MietSlg. 32.162/23 ua). Selbst das Fehlen einzelner dieser Betriebsgrundlagen läßt noch nicht darauf schließen, daß eine Geschäftsraummiete und nicht eine Unternehmenspacht vorliegt, wenn nur das lebende Unternehmen als wirtschaftliche Einheit fortbesteht (MietSlg. 25.112, 24.128 ua). Als eines der wesentlichsten Merkmale für die Annahme einer Unternehmenspacht wird in Lehre und Rechtsprechung die Betriebspflicht angesehen (MietSlg. 31.390). Unerheblich ist die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Bestandverhältnisses (MietSlg. 32.164, 28.117 ua).

Zutreffend haben die Vorinstanzen nach diesen Grundsätzen hier das Vorliegen einer Unternehmenspacht bejaht. Der Revision, die sich darauf stützt, daß ein Warenlager nicht übergeben und eine Gewerbeberechtigung nicht übertragen wurde sowie daß die Entfernung der vorhandenen Einrichtung vereinbart war, ist entgegenzuhalten, daß, wie schon dargelegt wurde, im Einzelfall nicht alle Merkmale einer Unternehmenspacht gegeben sein müssen. Entscheidend ist hier, daß den Vertragspartnern des Beklagten das Geschäftslokal mit Kundenstock in einem Zustand übergeben wurde, in dem das Unternehmen ohne Unterbrechung fortgeführt werden konnte und daß eine Betriebspflicht vereinbart war. Demgegenüber tritt die Frage in den Hintergrund, ob ein Warenlager übergeben wurde, weil schon nach der Art des vom Beklagten betriebenen Unternehmens nennenswerte Warenvorräte gar nicht zu erwarten waren. Es kann aber auch nicht mehr darauf ankommen, ob eine Gewerbeberechtigung vom Bestandgeber beigestellt wurde und den Bestandnehmern das Recht eingeräumt wurde, das vorhandene Inventar auszutauschen (vgl. MietSlg. 31.390). In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis angebracht, daß der Inventaraustausch nicht endgültig und das Geschäftslokal nach Ablauf der Bestandzeit mit dem vorhanden gewesenen Inventar zurückzustellen ist.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08608

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00584.86.0619.000

Dokumentnummer

JJT_19860619_OGH0002_0070OB00584_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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