TE OGH 1986/7/10 7Ob501/86

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Veröffentlicht am 10.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz W***, Kaufmann in Rosenau am Sonntagberg, Sonntagbergstraße 5, vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) Ing. Gernot W***, Baumeister in Waidhofen an der Ybbs, Reichenauerstraße 15, 2.) Baumeister Ing. W*** & Co KG in Rosenau am Sonntagberg, und 3.) Ing. Josef W***, Baumeister, ebendort, alle vertreten durch Dr. Ferdinand Fasching, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 2,000.000 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. September 1985, GZ. 3 R 140/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 12. März 1985, GZ. 28 Cg 88/84-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Abweisung des Klagebegehrens gegen die zweitbeklagte Partei als Teilurteil mit der Maßgabe bestätigt, daß der Kläger dieser beklagten Partei je ein Drittel der von den Vorinstanzen bestimmten Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen hat. Der Kläger ist weiters schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 7.508,41 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 682,58 S Umsatzsteuer, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Im übrigen wird das angefochtene Urteil ebenso wie das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung über den Klagsanspruch gegen die erst- und drittbeklagte Partei an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit gleich Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Mai 1968 bis 31. Juli 1973 Komplementär und dann bis 30. April 1979 Kommanditist der zweitbeklagten Kommanditgesellschaft. Der Erstbeklagte war bis 1979 Komplementär und ist seither Kommanditist der Gesellschaft. Der Drittbeklagte war ab 18. September 1975 Einzelprokurist und ist auf Grund der Eintragung im Handelsregister vom 18. Juni 1979 mit Wirkung ab 1. November 1978 (jetzt einziger) Komplementär. Dem Eintritt des Drittbeklagten anstelle des Klägers lag ein am 14. November 1978 geschlossener "Abtretungsvertrag" zugrunde.

Mit der vorliegenden Klage vom 19. Dezember 1984 begehrt der Kläger von allen Beklagten die Zahlung von 2 Mio. S samt Nebengebühren zur ungeteilten Hand mit der Begründung, es seien ihm erst nach Abschluß des Vertrages vom 14. November 1978 Machenschaften des Erstbeklagten unter Beteiligung des Drittbeklagten und des gemeinsamen Vaters und früheren Gesellschafters Ing. Franz W*** bekannt geworden, wodurch das Betriebsergebnis um mindestens 6 Mio. S zu gering bewertet worden sei. Bei richtiger Bewertung wäre ihm ein zusätzliches Auseinandersetzungsguthaben in der Höhe des Klagsbetrages gegen die Gesellschaft zugestanden, zumal dieser, wenn ihr auch kein Vorteil aus den Machenschaften zugutegekommen sei, gegen die an der Untreue beteiligten Personen eine Forderung in der Höhe der ihr entgangenen Beträge zustehe. Der Erst- und der Drittbeklagte hafteten dem Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes, der Drittbeklagte überdies als Komplementär der Gesellschaft. Die Klageforderung werde im übrigen auch auf jeden weiteren, nach der Klagserzählung denkbaren Rechtsgrund gestützt.

Eine Einrede des Erstbeklagten wegen sachlicher Unzuständigkeit des Gerichtes infolge Vorliegens eines Schiedsvertrages wurde rechtskräftig verworfen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ohne Aufnahme weiterer Beweise auf Grund des eingangs dargestellten und folgenden weiteren, gerichtsbekannten Sachverhalts ab:

Seit 17. Dezember 1969 vertraten entweder der Kläger gemeinsam mit dem Erstbeklagten oder einer von ihnen gemeinsam mit dem Prokuristen Ing. Franz W*** die KG. Seit 14. September 1970 wurde die Gesellschaft entweder wieder durch die genannten Gesellschafter oder (nur noch) durch den Erstbeklagten gemeinsam mit Ing. Franz W*** vertreten. Am 1. August 1973 wurde im Handelsregister eingetragen, daß der Kläger nicht mehr Geschäftsführer ist und Kommanditist wird. Am 18. September 1975 wurde die Einzelprokura des Drittbeklagten registriert. Auf Grund der Anträge vom 30. März und 2. April 1979 wurde schließlich am 18. Juni 1979 im Handelsregister eingetragen, daß der Drittbeklagte ab 1. November 1978 als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten, seine Prokura erloschen und der Kläger per Stichtag 30. April 1979 ausgetreten ist.

Den zuletzt genannten Änderungen war der Abtretungsvertrag vom

14. November 1978 zwischen dem Kläger und dem Drittbeklagten

vorausgegangen. Danach hatte der Kläger seinen Geschäftsanteil an

der KG an den Drittbeklagten gegen den unter Punkt Zweitens näher

dargestellten Preis abgetreten. Dabei erhielt der Kläger von der

Gesellschaft das Betonwerk und den Baustoffhandel. Der Drittbeklagte

übernahm das negative Privatkonto des Klägers gegen Saldierung mit

dem Stand dessen Kapitalkontos (II 5.). Laut Punkt (II) 12. des

Vertrages hatte der Kläger bis 30. April 1979 das Recht zur

Einsichtnahme in alle Unterlagen, die das Betonwerk, den

Baustoffhandel und den Baubetrieb betreffen .... Im Punkt (II)

13. verpflichtete sich der Erstbeklagte gegenüber den

Gesellschaftern oder gegenüber dem Unternehmensberater Mag. Hans

Günther S*** als Vertreter der Gesellschafter, sein

Privatvermögen und seine Besitzverhältnisse zu erläutern. Eventuelle

gemeinsame Nachforderungen des Klägers und des Drittbeklagten, die

sich "auf Grund von Manipulationen" des Erstbeklagten ergeben und

die zu einer Vermögens- oder Anteilsverkürzung der KG führen, seien

von Mag. Hans Günther S*** zu bestimmen..... Eine allfällige

Nachforderung des Klägers und des Drittbeklagten sei unter

Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse grundsätzlich

innerhalb von sechs Monaten nach der Wertfestsetzung zu

begleichen...... Der Erstbeklagte verpflichtete sich, innerhalb von

drei Monaten nach der rechtsgültigen Unterschrift aller Vertragsparteien zu diesem Abtretungsvertrag seiner Erläuterungspflicht nachzukommen und Mag. S*** alle notwendigen Kontrollvollmachten zu erteilen. Nach dem Punkt (II) 15. des Abtretungsvertrages trat der Kläger als Gegenleistung für die in den Punkten (II.) 1. bis 14. erhaltenen Vermögenswerte seinen Geschäftsanteil von 33,5 % an der KG inklusive aller materiellen und immateriellen Rechte an den Drittbeklagten ab, dieser übernahm die Anteile und trat als Komplementär in die Firma ein. Über diese, in diesem Vertrag erwähnten Vermögenswerte hinaus seien zwischen den Gesellschaftern keine Zahlungen oder gegenseitige Leistungen mehr zu erbringen. Im Punkt Fünftens des Vertrages wurde der 30. April 1979 als Tag des Überganges aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Übernehmer vereinbart. Im Punkt Sechstens verzichteten die Vertragsteile darauf, diesen Vertrag wegen etwaiger Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes anzufechten, und erklärten ausdrücklich, daß er ihrem Willen entspreche.

Die zweitbeklagte KG wurde nach Zurückweisung eines zunächst im Außerstreitverfahren gestellten Antrages schließlich mit dem durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 15. September 1982 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Erstgerichtes zu 28 Cg 92/81 zur Gewährung der Einsicht in die Handels- und Geschäftsbücher unter Beiziehung eines Sachverständigen verurteilt.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sei davon auszugehen, daß der Kläger schon beim Abschluß des Abtretungsvertrages vom 14. November 1978 vermutete, daß es im Unternehmen der zweitbeklagten Partei zu Manipulationen durch den Erstbeklagten gekommen sei. Dies ergebe sich aus dem Punkt II 13. des Vertrages sowie aus den zur Gewährung der Bucheinsicht geführten Verfahren. Durch den Abtretungsvertrag sei eine abschließende Regelung zwischen dem Kläger und dem Drittbeklagten über ihre Stellung gegenüber der KG zustandegekommen. Dies könne auf Grund der Vertragsbestimmungen ohne nähere Erforschung des Parteiwillens festgestellt werden. Dadurch, daß der Kläger seine Rechte an der KG zur Gänze an den Drittbeklagten übertragen habe, sei auch seine Stellung zur KG endgültig und abschließend geregelt worden. Um allfällige Ansprüche gegen die Zweitbeklagte oder den Erstbeklagten auf Grund vermuteter Manipulationen verfolgen zu können, hätte der Kläger den Vertrag vom 14. November 1978 nicht abschließen dürfen, sondern vermutete Schadenersatzansprüche mit einer actio pro socio gegen den Erstbeklagten geltend machen müssen, zumal im Falle der Richtigkeit der Behauptungen des Klägers nicht ihm unmittelbar, sondern der Gesellschaft ein Schaden entstanden wäre. Daneben wäre es dem Kläger offengestanden, zu kündigen oder mit einer Auflösungsklage vorzugehen oder bei der Festsetzung seines Auseinandersetzungsguthabens die Abfindung entsprechend höher zu beziffern, oder schließlich noch als Gesellschafter Anträge etwa nach § 166 Abs. 3 HGB zu stellen. Die vorliegende Klage könne aber nicht als eine Auflösungsklage oder als Klage auf Anfechtung des Abtretungsvertrages angesehen werden, zumal der Kläger eine Rückabwicklung offenbar nicht anstrebe. Durch allfällige Machenschaften des Erstbeklagten oder allenfalls auch des Drittbeklagten sei kein Schaden unmittelbar im Vermögen des Klägers entstanden, sondern nur allenfalls im Vermögen der zweitbeklagten Partei, den der Kläger aber infolge seines Ausscheidens aus der Gesellschaft nicht mehr geltend machen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es stimmte zwar der Rechtsansicht des Klägers zu, daß der (nach den Klagsbehauptungen) listig Irregeführte vom Irreführer eine angemessene Vergütung gemäß § 872 ABGB verlangen könne, wenn er ohne die Irreführung den Vertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätte und auch der Partner damit einverstanden gewesen wäre. Dennoch könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer am Vertrag vom 14. November 1978 diesen Vertrag bei Kenntnis der damals bloß vermuteten Unregelmäßigkeiten und ihres Ausmaßes nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten. Im ersten Fall wäre wegen eines wesentlichen Irrtums eine Vertragsanpassung verwehrt. Hätten die Parteien den Vertrag aber mit einem anderen Inhalt geschlossen, wäre also ein unwesentlicher Irrtum vorgelegen, dann könnte der Kläger die geltend gemachte Vertragsanpassung nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn seine Vertragspartner den Vertrag auch mit dem geänderten Inhalt abgeschlossen hätten. Eine derartige Behauptung habe der Kläger aber nicht aufgestellt und es könne auf eine solche Absicht auch nicht aus den Umständen geschlossen werden, weil der Vertrag im Punkt II 13. vorsehe, daß der Kläger und der Drittbeklagte im Falle von Manipulationen des Erstbeklagten gegen diesen Nachforderungsansprüche haben. Aus diesen Bestimmungen könne nicht abgeleitet werden, daß sich auch die Zweit- und der Drittbeklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet hätten, weitere Leistungen dann zu erbringen, wenn die vermuteten Manipulationen tatsächlich begangen worden seien. Darauf, ob auch die zweitbeklagte Partei Vertragspartnerin des Klägers gewesen sei, komme es nicht an. Wäre sie nicht Vertragspartnerin des Klägers gewesen, dann könne der Kläger aus der Anfechtung des Vertrages, den er dann nur mit dem Drittbeklagten geschlossen hätte, keine Ansprüche gegen die zweitbeklagte Partei ableiten. Schließlich könne der Kläger auch keine Auszahlung der Gewinnbeteiligung begehren, nachdem er mit dem Abtretungsvertrag seine Mitgliedschaftsrechte an den Drittbeklagten übertragen habe. Der Ausscheidende habe keine Ansprüche gegen die Gesellschaft mehr. Ein allfälliger Anspruch auf einen höheren Gewinnanteil sei auf den Drittbeklagten übergegangen, sodaß der Kläger gegen die Gesellschaft keine Ansprüche mehr besitze. Er könne aber auch gegen den Drittbeklagten als Vertragspartner nur allenfalls dann einen Anspruch auf höhere Gewinnbeteiligung haben, wenn diesem ein Gewinn, der nach der Vertragslage noch dem Kläger zugestanden wäre, zugekommen wäre. Derartige Behauptungen habe der Kläger nicht aufgestellt. Auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes komme der Kläger in seiner Berufung nicht mehr zurück. Werde aber das Rechtsmittel hinsichtlich eines ursprünglich geltend gemachten Rechtsgrundes nicht mehr ausgeführt, so sei die Entscheidung in dieser Richtung nicht mehr zu prüfen, zumal wenn die Rechtsrüge nur mehr zu einem von mehreren Ansprüchen gesetzmäßig ausgeführt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist teilweise berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Kläger sowohl in der Berufung als auch in der Revision die Rechtsrüge gesetzmäßig ausgeführt hat. In einem solchen Fall hat das Rechtsmittelgericht die rechtliche Beurteilung der Vorinstanz in jeder Richtung zu überprüfen und im Rahmen der zur Substantiierung des Klagebegehrens (SZ 46/109, SZ 51/148 uva) vorgebrachten Tatsachenbehauptungen (MietSlg. 33/25 ua) auch bisher nicht erörterte rechtliche Gesichtspunkte wahrzunehmen (SZ 52/192, SZ 53/75, SZ 54/133 uva). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte im Rechtsmittel ausgeführt werden. Nur wenn sich die Rechtsrüge nur noch auf eine von mehreren selbständigen Forderungen oder Gegenforderungen bezieht oder ein Anspruch aus mehreren selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wird und sich die Rechtsausführungen nur noch auf eine dieser Tatsachen beziehen, sind die anderen Ansprüche außer Betracht zu lassen (4 Ob 520/76, 6 Ob 781/81, 6 Ob 752/82). Im vorliegenden Fall wurde der Klagsanspruch aus einem einheitlichen Sachverhalt abgeleitet. Der Kläger hat sich außerdem auf alle möglichen Rechtsgründe berufen. In diesem Fall waren und sind alle möglichen Rechtsgründe zu prüfen. Da das Erstgericht keine anderen als Urkundenbeweise aufgenommen hat, könnte die klagsabweisende Entscheidung der Vorinstanzen somit nur dann bestehen, wenn die Klage tatsächlich, unter Berücksichtigung der gerichtsbekannten Eintragungen über die zweitbeklagte Kommanditgesellschaft im Handelsregister, aus allen möglichen rechtlichen Gesichtspunkten als unschlüssig anzusehen wäre. Dies ist nur bei der zweitbeklagten Partei der Fall. Nach den bisher ungeprüften Klagsbehauptungen ist davon auszugehen, daß an dem Abtretungsvertrag vom 14. November 1978 nicht nur der Kläger und der Drittbeklagte beteiligt waren, sondern auch die zweitbeklagte Kommanditgesellschaft und die übrigen damaligen Gesellschafter, nämlich Ing. Franz W*** sen. und der Erstbeklagte. Die Richtigkeit dieser Behauptung liegt übrigens infolge der Abfindung des Klägers mit Bestandteilen des Unternehmens der zweitbeklagten Partei und persönlichen Verpflichtungen des Erstbeklagten nahe. Der Kläger behauptete in diesem Zusammenhang (ebenfalls nicht unschlüssig), daß sein über den Wert des überlassenen Teilbetriebes hinausgehendes Auseinandersetzungsguthaben mit einer Forderung der Gesellschaft gegen ihn im Betrage von rund 1,5 Mio. S sinngemäß kompensiert worden sei, und daß der Gesamtvertrag einerseits seine teilweise Abfindung aus dem Vermögen der Gesellschaft und andererseits die entgeltliche Übertragung des (restlichen) Geschäftsanteiles an den Drittbeklagten beinhaltet habe.

Mit Rücksicht auf vermutete Manipulationen des Erstbeklagten wurde in diesem "Abtretungsvertrag" bestimmt, daß einerseits die zweitbeklagte Kommanditgesellschaft dem Kläger Einsichtnahme in alle Unterlagen gewähre, die das (ihm überlassene) Betonwerk und den Baustoffhandel, aber auch den (ihm nicht überlassenen) Baubetrieb betreffen, und andererseits der Erstbeklagte sich verpflichtete, gegenüber den Gesellschaftern oder deren Vertreter Mag. Hans Günther S*** sein Privatvermögen und seine Besitzverhältnisse zu erläutern. Eventuelle gemeinsame Nachforderungen des Klägers und des Drittbeklagten, die sich auf Grund solcher vermuteter Manipulationen des Erstbeklagten ergeben würden und die zu einer Vermögens- oder Anteilsverkürzung in der zweitbeklagten KG führen, sollten von dem Vertrauensmann der Gesellschafter, Mag. S***, bestimmt und sodann eine allfällige Nachforderung durch den Erstbeklagten unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten nach der Wertfestsetzung beglichen werden. Der Erstbeklagte verpflichtete sich in diesem Zusammenhang, innerhalb von drei Monaten nach der rechtsgültigen Unterschrift aller Vertragsparteien zu diesem Abtretungsvertrag seiner Erläuterungspflicht nachzukommen und Mag. S*** alle notwendigen Kontrollvollmachten unverzüglich zu erteilen.

Schon nach diesem Vorbringen kann die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht gebilligt werden, daß die Klagsforderung dem Kläger nicht wenigstens gegen den E r s t b e k l a g t e n wegen nun zu erweisender Manipulationen zustehe. Nach dem Inhalt des Abfindungsvertrages wurde doch dem Kläger und dem Drittbeklagten ausdrücklich ein solcher Nachforderungsanspruch gegen den Erstbeklagten eingeräumt. Damit kommt dem von den Vorinstanzen an sich zutreffend dargestellten Rechtssatz, wonach eine sogenannte actio pro socio einem ausgeschiedenen Gesellschafter nicht mehr zusteht, wegen der besonderen vertraglichen Regelung keine Bedeutung zu. Aber auch eine Verweigerung der Mitwirkung des Drittbeklagten an der "eventuellen gemeinsamen Nachforderung" gegen den Erstbeklagten kann dem Revisionswerber in jenem Umfang nicht schaden, in dem ihm ein Anteil an dem Nachforderungsanspruch zukommt. Welcher Anteil das nach dem Parteiwillen sein sollte (der Kläger begehrt ohnehin entsprechend seinem früheren Geschäftsanteil nur ein Drittel des gesamten Differenzbetrages), muß mit den Parteien erörtert und im Streitfall festgestellt werden.

Der D r i t t b e k l a g t e war unbestrittenermaßen Partei des Abtretungsvertrages vom 14. November 1978. Er hat nach den Klagsbehauptungen an jenen Manipulationen des Erstbeklagten, durch die der Geschäftserfolg der Gesellschaft und der Wert des Unternehmens verfälscht worden seien und an der zum Vertragsabschluß führenden Irreführung dolos mitgewirkt.

Der Ansicht der Vorinstanzen, daß selbst bei Ausgehen von diesen Behauptungen der Klagsanspruch auch gegen den Drittbeklagten schon dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe, kann wiederum nicht gefolgt werden. Der Revisionswerber hat schon in seiner Berufung mit Recht darauf hingewiesen, daß er den Abtretungsvertrag wegen der behaupteten listigen Irreführung auch durch den Drittbeklagten zwar nicht ganz beseitigen wolle, wohl aber eine entsprechende Anpassung des Vertrages durch eine angemessene Vergütung nach § 872 dritter Halbsatz ABGB begehre. Dieser Rechtsgrund war aus dem Klagsvorbringen über die listige Irreführung ableitbar (vgl. MietSlg. 23.072). Die Vorinstanzen haben zu Unrecht angenommen, daß dem Kläger ein solcher Anspruch nicht zustehen könne, weil (so das Erstgericht) nach Punkt II 15. der Vereinbarung "über diese, in diesem Vertrag erwähnten Vermögenswerte hinaus zwischen den Gesellschaftern keine Zahlungen oder gegenseitigen Leistungen mehr zu erbringen" sind und die Streitteile auf die Anfechtung des Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes verzichteten und ihren Vertragswillen bekundeten, oder (nach der Meinung des Berufungsgerichtes) unbehauptet geblieben sei, daß die Vertragspartner den Vertrag ohne den Willensmangel des Klägers mit dem von diesem gewünschten angepaßten Inhalt geschlossen hätten. Das erste Argument hält einer Anfechtung wegen listiger Irreführung keineswegs stand, weil durch diese die Vertragsvoraussetzung der wahren Einwilligung wegfiele. Auf die Anfechtung des Vertrages wegen List kann im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses nicht einmal ausdrücklich verzichtet werden (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 870 mwN).

Das zweite Argument (des Berufungsgerichtes) trifft zwar insoweit zu, als eine Vertragsanpassung grundsätzlich nur zulässig ist, wenn der Täuschende auch zu den geänderten Bedingungen abgeschlossen hätte (Rummel aaO Rz 7 mwN, Iro, JBl 1974, 225 ff). Der Revisionswerber verweist aber mit Recht darauf, daß diese Regel nicht so extrem angewendet werden kann, daß dem arglistig Täuschenden der Beweis gestattet werde, er habe in jedem Fall nur den betrügerischen Erfolg einer Schädigung des anderen Vertragsteiles (und keineswegs ein gerechtes Ergebnis nach der Übung des redlichen Verkehrs) gewollt und wolle diesen Erfolg selbst in Fällen einer unmöglichen oder untunlichen Rückabwicklung des Vertrages behalten. Iro verweist bei der Besprechung des listig herbeigeführten Motivirrtums (aaO 235), ausgehend vom Hinweis bei Koziol-Welser (jetzt wiederholt in Grundriß 7 I 126): "Der Überlistende ist jedes Schutzes unwürdig", mit Recht darauf, daß der dolose Vertragspartner die Fehlvorstellung kennt, indem er sie selbst vorsätzlich herbeigeführt hat, oder sie sich zunutze machte, sodaß ihm nur das Risiko zugeschoben wird, eine von ihm erkannte falsche Planung zu tragen, die auf sein rechtswidriges Verhalten zurückzuführen ist. Dieser Gedanke steht einer Berücksichtigung jenes hypothetischen Willens des Täuschenden, der nur auf das Behalten des betrügerisch herausgelockten ungerechtfertigten Vorteils gerichtet ist, bei der Frage der Vertragsanpassung besonders dann entgegen, wenn wie hier eine Rückabwicklung praktisch ausgeschlossen und selbst eine Aufhebung ex nunc schwer durchführbar wäre. In einem solchen Fall kann der listig Irreführende der vom Gegner begehrten Vertragsanpassung nur dann und soweit widersprechen, als das ein redlicher Vertragspartner könnte (was auch bei Nichtfeststellbarkeit des hypothetischen Parteiwillens den Ausschlag gibt: SZ 48/112; SZ 53/108 und Pfersmann hiezu in ÖJZ 1984, 30), also wenn durch die Anpassung wesentliche Interessen auf seiner Seite beeinträchtigt würden (Rummel aaO Rz 7 mwN). Eine solche Vertragsanpassung wird einem Vertragspartner gegen seinen Willen auch bei der Teilnichtigkeit von Verträgen wegen Gesetzwidrigkeit nach § 879 ABGB aufgezwungen, wenn der Gesetzeszweck nicht die Vernichtung des ganzen Vertrages erfordert (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 250 zu § 879). Dasselbe muß umsomehr gegen den listig Irreführenden gelten, wenn er nicht sachliche Rechtfertigungsgründe dafür vorzubringen vermag, daß er den bereits vollzogenen Vertrag in der begehrten angepaßten Form nicht geschlossen hätte. Bei dieser Rechtslage trifft auch die Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zu, daß der Kläger für die Anpassungsbereitschaft des Drittbeklagten beweispflichtig gewesen wäre. Vielmehr wurde ebenfalls bereits in SZ 53/108 ausgesprochen, daß zwar der listig Irregeführte für die Voraussetzungen der §§ 870 und 872 ABGB behauptungs- und beweispflichtig ist, daß es aber Sache des Täuschenden ist, Tatsachen zu behaupten und erforderlichenfalls auch zu beweisen, aus denen sich ein zuverlässiger Schluß dafür ableiten ließe, daß er auch bei Aufklärung des Irrtums den Vertrag nicht gegen ein angemessenes statt das vereinbarte Entgelt geschlossen hätte.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sind aus dem oben erörterten prozessualen Grund die Ansprüche des Klägers gegen den Drittbeklagten auch aus dem Titel des Schadenersatzes (§ 874 ABGB gewährt solche Ansprüche neben dem auf Vertragsanpassung) noch erörterungsbedürftig. Die Generalklausel des Vertrages steht auch ihnen nicht entgegen.

Zu den noch unerledigten Einwendungen des Erst- und Drittbeklagten ist im derzeitigen Verfahrensstand nur in Bezug auf die behauptete Verjährung Stellung zu nehmen. Auch aus diesem Grund ist die Klage gegen diese Beklagten nicht unschlüssig. Wird von dem behaupteten dolosen Vorgehen des Erst- und Drittbeklagten ausgegangen, so gilt einerseits für die begehrte Vertragsanpassung nach § 872 ABGB die 30-jährige Verjährungsfrist e contrario aus § 1487 letzter Fall ABGB, und für den Schadenersatzanspruch gemäß § 1489 zweiter Satz ABGB die gleiche Verjährungsfrist, wenn der Schaden (was im Vorbringen der klagenden Partei gedeckt ist) aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen entstanden ist, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Aber selbst die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren für sonstige Entschädigungsklagen nach § 1489 ABGB würde erst zu laufen begonnen haben, wenn dem beschädigten Kläger sowohl der Schaden als auch die Person des Schädigers soweit bekannt wurden, daß er mit Aussicht auf Erfolg klagen konnte (SZ 40/40 uva). Dabei verstieße die Erhebung der Verjährungseinrede überdies gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten des Gegners zurückging (SZ 28/149, SZ 47/17 ua). Im vorliegenden Fall wäre deshalb auch die kurze Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, wenn die Beklagten durch die ungerechtfertigte Verweigerung der Einsicht in die Geschäftsbücher der zweitbeklagten Partei den Kläger zunächst durch Jahre an der Erhebung einer Schadenersatzforderung mit hinreichender Aussicht auf Erfolg gehindert hätten. Die z w e i t b e k l a g t e Kommanditgesellschaft soll nach den Klagsbehauptungen aus dem dolosen Verhalten des Erst- und Drittbeklagten für ein restliches Auseinandersetzungsguthaben selbst dann, wenn ihr der Vorteil aus den Machenschaften nicht zugutegekommen sei, deshalb haften, weil sie gegen die beiden Mitbeklagten eine Forderung in der Höhe des ihr Entgangenen habe, deren Nichtgeltendmachung dem Kläger nicht schaden könne. Auch diese Klageforderung wurde im übrigen auf jeden weiteren nach der Klagserzählung denkbaren Rechtsgrund gestützt. Im weiteren erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger besonders noch einen Anspruch auf restliche Gewinnauszahlung seit 1974 und ohne nähere Begründung einen Schadenersatzanspruch behauptet.

Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit des Klagebegehrens gegen die zweitbeklagte Partei ist wieder von der Behauptung des Revisionswerbers auszugehen, daß auch die Zweitbeklagte entweder schon Partei des Abtretungsvertrages gewesen sei, und andererseits davon, daß die Gesellschaft für ein allfälliges Verschulden ihrer Organe sowohl nach Vertrags- als auch Deliktsrecht haften würde (Koziol-Welser, Grundriß 7 I 69 mwN). Dazu kommt, daß nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen aller Parteien der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Vertrag vom 14. November 1978 ungeachtet seiner Bezeichnung als Abtretungsvertrag nicht nur die Übertragung des Geschäftsanteiles des Klägers an den Drittbeklagten zum Gegenstand hatte, sondern überdies eine Realwertteilung derart, daß dem Kläger aus Anlaß seines Ausscheidens aus der Gesellschaft Teile des Unternehmens ins Eigentum übertragen wurden, sodaß sich die Anteile einerseits des verbleibenden Erstbeklagten und andererseits des eintretenden Drittbeklagten um den Wert dieser Sachen verringerten.

Der Revisionswerber hat in der Klage sogar ausdrücklich vorgebracht, daß ihm wegen der arglistigen Irreführung, die zum Vertragsschluß geführt habe, gegenüber der zweitbeklagten Partei noch ein restliches Auseinandersetzungsguthaben in der Klagshöhe zustehe, und zwar unabhängig davon, ob sie einen entsprechenden Nachforderungsanspruch gegen den Erstbeklagten und andere an dessen Untreuehandlungen beteiligte Personen erhoben habe. Damit hat der Kläger erkennbar (auch) gegen die zweitbeklagte Partei einen Vergütungsanspruch nach § 872 ABGB geltend gemacht und eine entsprechende Vertragsanpassung begehrt.

Dennoch ist die Klage in diesem Umfang unschlüssig. Der Revisionswerber hat nicht behauptet, daß die zweitbeklagte Gesellschaft tatsächlich oder unter der Annahme eines redlichen Verhaltens ihres Organs hypothetisch bereit gewesen wäre, seine in der Gesamtvereinbarung enthaltene Abschichtung zu erhöhen. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus dem Punkt II 13. des Abtretungsvertrages. Darin hat der Erstbeklagte nicht nur die "Erläuterung" (also wohl die Offenlegung) seines Privatvermögens und seiner Besitzverhältnisse zugesagt, sondern überdies die Verpflichtung übernommen, eventuelle (gemeinsame) Nachforderungen des Klägers (und des Drittbeklagten), die sich aus Manipulationen seinerseits ergeben und die zu einer Vermögens- oder Anteilsverkürzung in der Firma führen, nach Maßgabe der Bestimmung durch den gewählten Vertrauensmann grundsätzlich binnen sechs Monaten nach der Wertfestsetzung zu befriedigen. Die Parteien sind also, wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, schon beim Vertragsabschluß vom Verdacht derartiger Manipulationen des Erstbeklagten ausgegangen und haben für diesen Fall eine ausdrückliche Vorsorge getroffen. Nicht die zweitbeklagte Gesellschaft, sondern der Erstbeklagte persönlich sollte allfällige Nachforderungen (auch) des Klägers aus diesem Titel zu befriedigen haben. Infolge dieser klaren Vereinbarung kommt eine Vertragsanpassung durch Schließung einer Regelungslücke zu Lasten der zweitbeklagten Gesellschaft nicht in Betracht. Einen gegenteiligen Parteiwillen hat der Kläger nicht behauptet und auch nicht etwa vorgebracht, daß die Vertragsbestimmung über die Rechtsfolgen der Aufdeckung der vermuteten Manipulationen des Erstbeklagten nur bis zu einer bestimmten Höhe der Vermögens- oder Anteilsverkürzung eintreten sollten. Bei dieser Sachlage besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen die zweitbeklagte Partei wegen der Nichtgeltendmachung allfälliger Forderungen gegen den Erstbeklagten. Noch weniger ist nach der zutreffenden und nicht mehr bekämpften Ansicht der Vorinstanzen der ausgeschiedene Gesellschafter selbst zur Geltendmachung sogenannter Sozialansprüche für die Gesellschaft berechtigt. Ansprüche auf einen Anteil an dem durch die Manipulationen des Erstklägers angeblich verminderten Gewinn der Gesellschaft zwischen 1974 und dem Ausscheiden des Klägers aber wurden, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, von der Generalklausel des Abtretungsvertrages erfaßt. Im übrigen konnte es sich auch dabei wieder nur um Folgen der behaupteten Manipulationen des Erstbeklagten gehandelt haben, für die nach dem Vertrag dieser selbst haftet.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens betreffend die zweitbeklagte Partei beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens betreffend den Erst- und Drittbeklagten auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09070

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00501.86.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19860710_OGH0002_0070OB00501_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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