TE OGH 1986/8/14 12Os35/86 (12Os52/86)

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Veröffentlicht am 14.08.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.August 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann B*** und Rottraud B*** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufungen der Angeklagten Johann B*** und Rottraud B*** sowie über die von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 27.November 1985, GZ 7 Vr 447/84-69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Presslauer als Vertreter der Generalprokuratur, der Angeklagten Johann B*** und Rottraud B*** sowie des Verteidigers Dr. Siebenaller zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 27. November 1985, GZ 7 Vr 447/84-69, verletzt insoweit, als der Angeklagte Johann B*** zu Punkt II/2 des Schuldspruchs auch einer in der Zeit vom 22.März 1984 bis zum 3.August 1984 und von September 1984 bis zum 20.März 1985 begangenen Verletzung seiner Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 2 Abs. 1 und 267 StPO. Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruchs sowie demgemäß auch in dem den Angeklagten Johann B*** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Johann B*** wird für die ihm laut den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB, das Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB, das Verbrechen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB, das Vergehen nach § 36 Abs. 1 lit a WaffG, das Vergehen nach § 36 Abs. 1 lit b WaffG und das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht, letzteres begangen in der Zeit vom 19.September 1983 bis zum 18. Jänner 1984, gemäß §§ 28, 169 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Johann B*** auf diese Entscheidung verwiesen.

II. Der Berufung der Angeklagten Rottraud B*** wird Folge gegeben, die über diese Angeklagte verhängte Strafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt und diese Strafe gemäß § 43 Abs. 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

III. Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem eingangs bezeichneten Urteil wurden die Angeklagten Johann B*** und Rottraud B*** (zu I/1) des Verbrechens (im Urteil irrig: Vergehens) der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB, (zu I/2) des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB und (zu I/3) des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 (im Urteil ersichtlich infolge eines Schreibfehlers irrig: 2) StGB sowie Johann B*** überdies (zu II/1) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit a WaffG und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit b WaffG sowie (zu II/2) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür (nach §§ 28, 169 Abs. 1 StGB) zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar Johann B*** zu 3 1/2 (dreieinhalb) Jahren und Rottraud B*** zu 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, weiters die Höhe des bei der Brandstiftung eingetretenen Schadens, die Tatsache, daß bei den Löscharbeiten ein Feuerwehrmann verletzt wurde sowie den beim Betrug beabsichtigten hohen, den Betrag von 100.000 S um ein Vielfaches übersteigenden Schaden, bei Johann B*** überdies die einschlägigen Vorstrafen, die zu Punkt II/1 des Schuldspruchs festgestellte große Anzahl von Faustfeuerwaffen und schließlich die zum Schuldspruch nach Punkt II/2 festgestellten langen Deliktszeiträume; als mildernd hielt es beiden Angeklagten die drückende finanzielle Situation zugute, dem Angeklagten Johann B*** überdies dessen teilweises Geständnis und der Angeklagten Rottraud B*** den bisherigen ordentlichen Lebenswandel.

Beide Angeklagten haben gegen dieses Urteil die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ergriffen. Die Nichtigkeitsbeschwerden wurden vom Obersten Gerichtshof bereits in nichtöffentlicher Beratung mit Beschluß vom 26.Juni 1986, GZ 12 Os 35,52/86-8, zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Gerichtstages waren demnach nur mehr die Berufungen der Angeklagten, mit welchen sie die Herabsetzung der Strafen, Rottraud B*** überdies bedingte Strafnachsicht anstreben, sowie die von der Generalprokuratur hinsichtlich des Angeklagten Johann B*** in Ansehung des Punktes II/2 des Schuldspruchs erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes.

I. Zu Punkt II/2 des Schuldspruchs lastet das Erstgericht dem Angeklagten Johann B*** an, in der Zeit "vom 19.September 1983 bis 18. Jänner 1984, vom 22.März 1984 bis 3. August 1984 und von September 1984 bis 20.März 1985" dadurch, daß er für seine ehelichen Kinder Margit B***, geboren am 26.November 1967, und Petra B***, geboren am 30.Oktober 1969, keine Unterhaltszahlungen leistete, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt der beiden Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre (S 160/Bd IV). In der Anklageschrift war dem Angeklagten angelastet worden, die in Rede stehenden Unterhaltspflichtverletzungen "in der Zeit von August 1983 bis 29. Februar 1984" begangen zu haben (Punkt II/2 in ON 39/Bd III). In der Hauptverhandlung am 27.November 1985 beantragte der öffentliche Ankläger, die beiden Angeklagten, mithin auch Johann B***, im Sinne der schriftlichen Anklage schuldig zu sprechen (S 154/Bd IV); eine Ausdehnung der Anklage wegen Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB auf die Zeiträume vom 22.März 1984 bis 3.August 1984 sowie von September 1984 bis 20.März 1985, wie sie das Urteil zugrundelegt, erfolgte nach der Aktenlage nicht.

Soweit der Angeklagte Johann B*** der Verletzung der Unterhaltspflicht (auch) in den zuletzt bezeichneten Zeiträumen schuldig erkannt wurde, welche vom Staatsanwalt nicht inkriminiert worden sind, liegt mithin eine gegen die §§ 2 Abs. 1 und 267 StPO verstoßende Verletzung des Anklagegrundsatzes durch einen Schuldspruch wegen Tathandlungen vor, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet war noch in der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO 2 Nr 38 zu § 262; EvBl 1979/211; vgl auch 10 Os 87,101/85).

Dem Urteil gegen Johann B*** haftet wegen dieses Verstoßes im aufgezeigten Umfang demnach zum Nachteil dieses Angeklagten eine von den Parteien ungerügt gebliebene (formelle) Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 8 StPO an (vgl SSt 53/17).

In Stattgebung der gemäß § 33 Abs. 2 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu Punkt I/ spruchgemäß zu erkennen. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß das Erstgericht im Zuge der Anklageüberschreitung auch jene zwei Monate, die sich der Angeklagte Johann B*** (vom 13.April 1984 bis 12.Juni 1984) zur vorliegenden Strafsache in Vorhaft befunden hat, als Deliktszeitraum behandelt und ferner mit der Annahme eines deliktischen Verhaltens ab 22.März 1984 exakt den Tag der Leistung einer Unterhaltszahlung (S 393/Bd III) als Beginn der strafbaren Unterlassung bezeichnet hat, ohne auf diese erörterungsbedürftigen Umstände in den Entscheidungsgründen einzugehen.

Bei der infolge der getroffenen Sachentscheidung notwendigen Neubemessung der von Johann B*** verwirkten Strafe konnte der Oberste Gerichtshof im wesentlichen von den vom Erstgericht hinsichtlich dieses Angeklagten festgestellten Strafzumessungsgründen ausgehen; lediglich der lange Zeitraum der Unterhaltspflichtverletzung hatte als Erschwerungsgrund zu entfallen, während der Umstand, daß der Betrug beim Versuch geblieben ist, als (weiterer) Milderungsgrund zu werten war. Ausgehend von den gegebenen besonderen Strafzumessungstatsachen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erachtete der Oberste Gerichtshof beim Angeklagten Johann B*** eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren als tatschuldangemessen.

Mit seiner Berufung war Johann B*** auf diese Entscheidung zu verweisen.

II. Was die Berufung der Zweitangeklagten Rottraud B*** betrifft, so hat das Erstgericht zwar in den Gründen seines Urteils darauf hingewiesen, daß diese Angeklagte massiv unter dem Einfluß des Erstangeklagten steht (S 182/Bd IV), diesen (auch für die Strafbemessung bedeutsamen) Umstand aber bei der Ausmessung der über die Angeklagte Rottraud B*** verhängten Strafe nicht ins Kalkül gezogen. Wird bei der Gewichtung der personalen Täterschuld dieser Angeklagten dieser - ersichtlich nicht nur das Prozeßverhalten der Berufungswerberin, sondern auch ihre Mitwirkung an den Straftaten betreffende - Umstand entsprechend berücksichtigt und auch dieser Angeklagten, was das Erstgericht übersehen hat, als weiterer Milderungsgrund zugute gehalten, daß der Betrug beim Versuch geblieben ist, so rechtfertigt dies eine angemessene Reduzierung der über Rottraud B*** verhängten Strafe, womit auch die gebotene Relation zu der von Johann B*** verwirkten Strafe gewahrt ist. Wird weiters berücksichtigt, daß die im 45. Lebensjahr stehende Berufungswerberin bis zu den gegenständlichen Straftaten mit dem Strafgesetz nicht in Konflikt gekommen war, sich mithin rechtstreu verhalten hat, und - wie gesagt - bei ihrer Mitwirkung an diesen Taten unter dem Einfluß ihres Ehemannes Johann B*** stand, so erscheint aus diesen besonderen Gründen Gewähr dafür geboten, daß sie in Hinkunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, zumal sie überdies durch ihre zweimonatige Vorhaft auch das Übel eines Freiheitsentzuges (als Reaktion auf ein kriminelles Verhalten) verspürt hat.

In Stattgebung der Berufung der Zweitangeklagten war daher nicht nur die über sie verhängte Strafe angemessen herabzusetzen, sondern diese Strafe überdies gemäß § 43 Abs. 2 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08837

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00035.86.0814.000

Dokumentnummer

JJT_19860814_OGH0002_0120OS00035_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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