Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26.August 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian G*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 28. Mai 1986, GZ 10 Vr 126/86-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Beide Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Christian G*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 26.Dezember 1985 in Leoben Martin U*** durch Versetzen eines Schlages gegen das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung des Genannten, nämlich einen Nasenbeinbruch mit Knochenabsplitterungen, zur Folge hatte.
Das Erstgericht schenkte der Verantwortung des wegen Gewalttätigkeiten vorbestraften Angeklagten, der sich auch zur Tatzeit wegen Raubes in Strafhaft befand (S 5, 23), er habe sich im Hinblick auf einen unmittelbar bevorgestandenen Angriff des in derselben Zelle inhaftiert gewesenen U*** gegen ihn mit einem (ärarischen) Tafelmesser in einer Notwehrsituation befunden oder doch immerhin gewähnt, keinen Glauben und schrieb es demgegenüber seinem aggressiven und leicht erzürnbaren Charakter zu, daß es zu einer derartigen Eskalation des Vorfalls gekommen war; unabhängig davon nahm es überdies an, er habe sich aus einem sthenischen Affekt nicht maßhaltend zur Wehr gesetzt.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Mit Bezug auf den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit b) läßt die Beschwerde insofern eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, als sie auf der Annahme beruht, das Schöffengericht habe auf Grund seiner (als irrig bekämpften) Rechtsansicht dahin, daß der Angeklagte jedenfalls die Grenzen einer notwendigen Verteidigung überschritten hätte, die Frage offen gelassen, ob er sich überhaupt im Sinn seiner Verantwortung wirklich oder vermeintlich in einer Notwehrsituation befunden habe; denn dazu hat das Erstgericht, wie schon eingangs erwähnt, unmißverständlich der Darstellung des Beschwerdeführers, er habe einen Angriff U*** befürchtet, den Glauben versagt und auch in objektiver Hinsicht die Überzeugung gewonnen, daß der Genannte nichts Derartiges vorhatte (US 4). Soweit er gegen den (nach dem Gesagten bloß hypothetischen) Vorwurf einer Notwehr-Überschreitung remonstriert, geht demnach der Angeklagte nicht von dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt aus, wonach eine tatsächliche oder vermeintliche Notwehrsituation für ihn gar nicht vorlag.
Auch gegen eben jene Konstatierungen richten sich allerdings die Beschwerdeeinwände insoweit, als sie der Sache nach als darauf bezogene Mängelrüge (Z 5) verstanden werden können, mit der - weil für das Vorliegen einer echten Notwehrsituation (§ 3 Abs 1 StGB) ausschließlich die objektiven Gegebenheiten maßgebend sind (vgl. RZ 1984/71 ua) - im Ergebnis gegen die Nichtannahme einer Tatbegehung in Putativnotwehr (§ 8 StGB) remonstriert wird. Selbst unter diesem Aspekt gehen sie jedoch fehl.
Mit jenen Aussagen der Zeugen F*** und R***, wonach U*** bei seiner Verlegung in die gemeinsame Zelle erklärt habe, er sei wegen einer tätlichen Attacke gegen seinen Bruder in Haft, mußte sich das Schöffengericht nicht auseinandersetzen, weil sich der Angeklagte selbst im Gegensatz zu einer dahingehenden Bemerkung bei seiner Vernehmung im Gefangenenhaus in der Hauptverhandlung zur Begründung seiner vorgeblichen Annahme eines ihm von Seiten U*** drohenden Angriffs gar nicht darauf berufen hat, sondern ausschließlich auf die konkrete Situation, in der er mit einem unmittelbar bevorstehenden Griff des Genannten zum Messer habe rechnen müssen, die jedoch nach den Urteilsfeststellungen dazu keineswegs Anlaß bot.
Ebenso war eine Erörterung jener mit der Beschwerde relevierten Passage aus der Aussage des Zeugen R*** (S 43) entbehrlich, aus der sich ergebe, daß der Beschwerdeführer dem U*** nur deswegen einen Schlag versetzt habe, weil er habe befürchten müssen, jener werde ihn mit dem auf dem Tisch gelegenen Messer attackieren; denn der genannte Zeuge erklärte dabei ausdrücklich, "keine Bedrohungshandlung auf Seiten des U*** im Zusammenhang mit dem Messer gesehen" zu haben, und brachte insoweit lediglich eine (durch keinerlei Tatsachenbekundung untermauerte) reine Vermutung ("ich nehme nur an", "offensichtlich") zum Ausdruck.
Soweit er aber aus einem Wurf U*** gegen ihn mit einem Apfel - worin das Erstgericht gerade ein Indiz für die Harmlosigkeit der Situation erblickte (US 4) - sowie aus der für diesen gegebenen Möglichkeit, das Messer zu ergreifen, und aus der Kürze einer ihm zur Überlegung zur Verfügung gestandenen Zeit abzuleiten sucht, er habe einen unmittelbar bevorstehenden Angriff gegen ihn erwarten müssen, bekämpft der Angeklagte nur nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen und daher nicht zulässigen Schuldberufung unbeachtlicherweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO). Ebenso war mit der Berufung zu verfahren, weil der Angeklagte weder bei deren Anmeldung noch in einer Ausführung jene Punkte des Erkenntnisses (über die Strafe) bezeichnet hat, durch die er sich beschwert findet (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).
Anmerkung
E08819European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00113.86.0826.000Dokumentnummer
JJT_19860826_OGH0002_0100OS00113_8600000_000