TE OGH 1986/9/30 11Os135/86

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Veröffentlicht am 30.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinhauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Arpad K*** wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperletzung nach den §§ 15, 87 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Juni 1986, GZ 7 b Vr 3.307/86-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Hanslik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.April 1947 geborene beschäftigungslose Arpad K*** des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 87 Abs 1 StGB (1 des Schuldspruches) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (2 des Schuldspruches) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 11. März 1986 in Wien in auf Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichteter Absicht mit einem Klappmesser von 10,5 cm Klingenlänge Norbert Rainer O*** gegen den Bauch gestochen und ihm dabei eine Schnittverletzung an der linken Handfläche zugefügt (1 des Urteilssatzes) sowie im Arrest den Sicherheitswachebeamten Gottfried B*** durch mehrere Faustschläge vorsätzlich am Körper verletzt zu haben (2 des Urteilssatzes).

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies ficht er den Strafausspruch mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Ausspruch des Gerichtes, er sei zur Tatzeit nicht volltrunken und demnach zurechnungsfähig gewesen. Er vermißt (Urteils-) Feststellungen darüber, welche alkoholischen Getränke er am Abend des 11.März 1986 tatsächlich zu sich genommen und ob sein Alkoholkonsum einen Blutalkoholwert bewirkt habe, aus welchem auf eine volle Berauschung hätte geschlossen werden können. Das Unterbleiben von Konstatierungen über den tatsächlichen Alkoholkonsum des Angeklagten vermag jedoch keinen Feststellungsmangel im Sinn der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO zu begründen:

Ob ein Täter sich zur Tatzeit im Zustand einer seine Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit ausschließlichen tiefgreifenden Bewußtseinsstörung zufolge Vollrausches befand, hängt nämlich keineswegs primär von der genossenen Alkoholmenge und vom Blutalkoholwert ab. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß ein Mensch bei einer bestimmten Blutalkoholkonzentration auf alle Fälle zurechnungsunfähig wäre, besteht nicht. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an. Maßgebende Kennzeichen für eine volle Berauschung sind hiebei ungenügende Orientierung des Täters in Raum und Zeit, absolute Sinnlosigkeit seines Handelns, Erinnerungsverlust in bezug auf die Tatereignisse und auffallender Gegensatz des Tatverhaltens zum sonstigen Charakter des Angeklagten. War der Täter hingegen in der Lage, sich bei und nach der Tat situationsgemäß zu verhalten und die Tragweite seines Vorgehens richtig zu erfassen, ist Volltrunkenheit in der Regel auszuschließen (vgl. ÖJZ-LSK 1982/140; Mayerhofer-Rieder I 2 , ENr. 24 und 26 zu § 11 StGB; Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 28 zu § 11, RN 9 zu § 287). Vorliegend nahm das Erstgericht an, daß der Angeklagte zur Tatzeit zeitlich und örtlich voll orientiert war und sich sowohl bei der Tat als auch danach logisch verhielt. Soweit er sich auf eine Gedächtnislücke in bezug auf die inkriminierten Vorfälle berief, wurde seine Verantwortung als unglaubwürdig abgelehnt und ein Vollrausch zur Tatzeit, in welchem er nicht mehr imstande gewesen wäre, das Unrecht der in diesem Zustand begangenen Taten einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln, gestützt auf das Gutachten eines gerichtspychiatrischen Sachverständigen und auf Zeugenaussagen des Georg R***, des Norbert Rainer O***, des Klaus A*** und des Matthias M***, ausgeschlossen (vgl. S 157, 163 ff dA). Selbst wenn es daher möglich gewesen wäre, den Alkoholkonsum des Angeklagten annäherungsweise zu rekonstruieren (vgl. S 45, 48, 55 a dA), bedurfte es zur einwandfreien rechtlichen Beurteilung der Frage der Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit keiner derartigen Konstatierungen.

Soweit sich der Angeklagte auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO beruft, führt er die Beschwerde (auch in Richtung eines Begründungsmangels) nicht gesetzmäßig aus. Denn entgegen seinem Vorbringen begründete das Erstgericht die Annahme einer auf eine schwere Körperverletzung gerichteten Absicht des Täters nicht bloß mit dem Hinweis auf die drohende Äußerung, von der die Tat begleitet war ("i moch di auf, i lahn die an"). Es schloß vielmehr in erster Linie aus der Art und Weise der Stichführung auf das innere Vorhaben des Täters (vgl. S 160 f, 166 dA). Indem der Beschwerdeführer dies gänzlich übergeht, bringt er weder den behaupteten materiellen noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 87 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die einschlägigen, auch den Voraussetzungen des § 39 StGB entsprechenden Vorstrafen und zog als mildernd eine gewisse seelische Abartigkeit sowie den Umstand in Betracht, daß die Verbrechenstat (zu ergänzen: wenngleich sie eine leichte Körperverletzung zur Folge hatte, doch) im Stadium des Versuchs blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafherabsetzung

an.

Die Berufung ist berechtigt.

Zwar wurden in erster Instanz die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend und vollständig angeführt, doch maß das Schöffengericht den Erschwerungsgründen im Verhältnis zu den mildernden Umständen offenbar ein zu großes Gewicht bei. Unter Berücksichtigung des zwar getrübten, aber einschlägig noch als mäßig belastet zu bezeichnenden Vorlebens des Berufungswerbers sowie der besonderen Begleitumstände, unter denen er nunmehr neuerlich delinquierte, erscheint eine zweijährige Freiheitsstrafe ausreichend, den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat voll zu erfassen. Es war daher in Stattgebung der Berufung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09466

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00135.86.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19860930_OGH0002_0110OS00135_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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