TE OGH 1986/10/15 9Os144/86

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Veröffentlicht am 15.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kastner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred F*** wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 13. August 1986, GZ 7 Vr 18/86-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde Alfred F*** (im zweiten Rechtsgang abermals) des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 24.Dezember 1985 in Tumeltsham Brigitte H*** mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie am Hals packte, an den Haaren riß und ihr Schläge gegen die Brust versetzte, sowie durch die Äußerung, ihr werde noch etwas passieren, sohin durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt er in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages (S 287 f.) auf Einholung eines "medizinischen psychologischen" Sachverständigengutachtens. Hiedurch sollte nachgewiesen werden, daß die Zeugin Brigitte H***

1. für den Fall, daß sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden gewesen wäre, im Hinblick darauf, daß der Genannten vom Angeklagten auch ein Eisschaberstiel in die Scheide eingeführt wurde und sich ein Opfer in dieser Situation verkrampfen würde, weitaus stärkere Verletzungen als bloß einen 8 mm langen oberflächlichen Einriß im Scheidenbereich aufweisen hätte müssen, 2. Druckmerkmale oder Verletzungen am Hals hätte aufweisen müssen, wenn sie der Angeklagte tatsächlich am Hals erfaßt und zugedrückt hätte, wie dies die Zeugin behauptet, und 3. wie auch die Zeugen Petra E*** und Josef K*** durch den Konsum von "5 - 6 Rüscherln" (= ein Cognac mit Cola) sowie einem "Jagatee" mittelstark alkoholisiert und demzufolge in ihrem Erinnerungsvermögen wesentlich beeinträchtigt gewesen seien.

Das Erstgericht lehnte die Beweisaufnahme (vgl. S 289) mit der (allerdings erst im Urteil nachgetragenen) Begründung ab, daß (zu 1) Brigitte H***, nachdem sie vorerst versucht hatte, den Angeklagten wegzudrücken, die Aussichtslosigkeit weiteren Widerstandes erkannte und es forensischer Erfahrung entspreche, daß die Vornahme eines Geschlechtsverkehrs bzw. das Einführen von Gegenständen in die Scheide eines bereits widerstandsunfähigen Opfers keinesfalls zwingend mit entsprechenden Verletzungen verbunden sein müsse, weil gerade ein widerstandsunfähiges Opfer solche Tathandlungen in aller Regel einfach über sich ergehen läßt (S 304), (zu 2) es abgesehen davon, daß nicht geklärt werden kann, mit welcher Intensität der Angeklagte die Zeugin Brigitte H*** am Hals erfaßt hat bzw. ob er überhaupt zugedrückt hat, es auch insoweit der forensischen Erfahrung entspreche, daß solche Tathandlungen nicht notwendigerweise zu äußeren Verletzungen führen müssen (S 305), und (zu 3) die genossenen Alkoholika bei den genannten Zeugen, die derartige Alkoholmengen offensichtlich gewohnt waren, im Hinblick darauf, daß sie sich übereinstimmend an die tatsächlich genossene Alkoholmenge erinnern konnten und die "Geschehnisse vor der eigentlichen Tat" - nämlich während des gemeinsamen Aufenthaltes im Würstelstand des Josef K*** von etwa 18 Uhr bis nach Mitternacht - übereinstimmend (S 301) geschildert haben, zu keiner Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens führten (S 299, 300). Dieser Argumentation des Schöffengerichts ist im Ergebnis zuzustimmen. Daß die Einwirkung auch erheblicher stumpfer Gewalt gegen den menschlichen Körper keinesfalls zwingend das Entstehen von sichtbaren Merkmalen (Verletzungen) überhaupt bzw. von einer gewissen Schwere und Ausdehnung zur Folge haben muß, ist gerichtsnotorisch. Dazu kommt, daß das Opfer nach den Urteilsannahmen ohnedies nicht unerheblich verletzt worden ist und im Beweisantrag nicht dargetan wird, warum der Beschwerdeführer annimmt, daß das Beweisverfahren insoweit ein anderes Ergebnis haben werde. Bei der - ohne Deckung durch die Aktenlage und schon darum von vornherein unbeachtlich - aufgestellten Behauptung sowie der daran geknüpften Spekulation über eine alkoholbedingte Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens insbesondere der Zeugin H***, aber auch der Zeugen E*** und K*** übersieht der Beschwerdeführer, daß der insoweit begehrte Sachverständigenbeweis zum einen, soll er nicht auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises hinauslaufen, konkret erhebliche Bedenken gegen die allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit (§ 151 Z 3 StPO) oder doch gegen die (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit der Zeugen schlechthin - die bei Erwachsenen nur ausnahmsweise aktuell sein werden - voraussetzt (vgl. SSt. 49/55, EvBl 1975/120 ua); sie ist zum anderen weil sich die Zeugenpflicht nur auf das Erscheinen vor Gericht und auf das Ablegen des Zeugnisses erstreckt (§§ 150, 160 StPO) lediglich mit der Zustimmung des Zeugen gestattet (vgl. ÖJZ-LSK 1979/177, SSt. 29/85 ua). Daß eine solche vorliege wurde vom Antragsteller gar nicht behauptet. Umstände hingegen, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verläßlichkeit eines Zeugen im gegebenen Anlaßfall sprechen, unterliegen nicht der Beweisführung durch Sachverständige, sondern ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (EvBl 1983/18).

Die Verfahrensrüge geht demnach fehl; gleichermaßen versagt aber auch die Mängelrüge (Z 5).

Das Erstgericht hat seine entscheidungswesentlichen Urteilsannahmen auf die für glaubwürdig erachtete Aussage der Zeugin Brigitte H*** gestützt und unter Heranziehung aller wesentlichen Verfahrensergebnisse dargetan, aufgrund welcher Erwägungen es die leugnende (Freiwilligkeit des Geschlechtsverkehrs behauptende) Verantwortung des Angeklagten als widerlegt ansah.

Wenn sich der Angeklagte unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen, unzureichenden bzw. widersprüchlichen Begründung darüber beschwert, das Schöffengericht habe sich mit den einzelnen Details seiner Verantwortung wie auch der Aussage der Zeugin H*** nicht ausreichend auseinandergesetzt, so zeigt er damit keine formalen Begründungsmängel auf. Denn das Erstgericht war einerseits nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO gar nicht verpflichtet, alle Einzelheiten von Aussagen weitwendig im Detail zu erörtern und jeweils darauf zu untersuchen, inwieweit sie isoliert betrachtet für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen und andererseits auch nicht in der Lage, sich bei deren Würdigung mit allen, insbesondere mit erst nachträglich ins Treffen geführten Argumenten zu befassen. Es hat im übrigen aber auch unter aktengetreuer Wiedergabe der verwerteten Verfahrensergebnisse mit einer den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden - ausführlichen - Begründung (S 299 ff.) zum Ausdruck gebracht, aus welchen Erwägungen es der Verantwortung des Angeklagten den Glauben versagte, sodaß auch insoweit kein Begründungsmangel vorliegt.

Daß zwischen dem Angeklagten und der Zeugin H*** im Würstelstand - entgegen seiner Verantwortung - außer dem Bruderschaftskuß keinerlei (sonstigen) Zärtlichkeiten ausgetauscht wurden, hat das Erstgericht aus den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen H***, K*** und E*** abgeleitet (S 300); dieser Konstatierung steht dem Beschwerdevorbringen zuwider auch die in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Aussage der Zeugin H*** in der Hauptverhandlung vom 20. März 1985 (S 164) nicht entgegen, wonach der Angeklagte beim Austauschen des Bruderschaftskusses versucht habe, mit ihr "zu schmusen", wogegen sie sich aber "gesträubt" habe.

Die - zudem gar keine entscheidungswesentliche Tatsache betreffende - Feststellung hinwieder, daß die Zeugin H*** im PKW des Angeklagten bei der Abfahrt vom Würstelstand ihren Mantel - wegen der kurzen Wegstrecke bis zum Wohnhaus ihrer Eltern und auch deshalb, weil ihr warm gewesen sei - nur um die Schultern gehängt hatte, findet in ihren Angaben in der Hauptverhandlung vom 13.August 1986 (vgl. S 275) eine hinreichende Stütze, mag sie auch letztlich eingeräumt haben (S 283), nicht mehr zu wissen, ob sie den Mantel beim Verlassen des Würstelstandes "ganz angehabt oder nur umgehängt" hatte.

Wenn der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, wonach er die Zeugin H*** bei den Haaren erfaßt und in waagrechte Stellung gerissen hat, als durch "keine Beweisaussage gedeckt" rügt und insoweit ins Treffen führt, daß die genannte Zeugin immer nur angegeben habe, der Angeklagte habe sie "zurückgetaucht", so übergeht er die vom Schöffengericht für glaubwürdig erachteten (weiteren) Bekundungen der Zeugin H*** (vgl. insbesondere S 25, 277, 278), wonach sie vom Angeklagten immer wieder (auf den Sitz) "niedergedrückt", "zurückgeschlagen", "zurückgerissen" und dabei (auch) "an den Haaren gehalten" bzw. "am Hals gepackt" worden sei. Gleiches gilt für die Beschwerdebehauptungen, die Feststellung, der Angeklagte habe der Zeugin H*** (auch) gedroht, ihr werde noch etwas passieren, sei "unzutreffend", weil der Angeklagte diese Drohung "erst im nachhinein" ausgesprochen habe und das Urteil lasse unerörtert, daß die Zeugin H*** nach ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung vom 13.August 1986 den Angeklagten "zurückgetaucht" habe, während sie ihren Angaben vor der Gendarmerie zufolge "an Gegenwehr nicht im geringsten gedacht" habe. Im ersten Fall übergeht die Beschwerde jene Passagen der Aussage der genannten Zeugin, wonach sie vom Angeklagten (auch) schon vor dem Ausziehen (vgl. S 25, 277) durch die in Rede stehende, mehrmals wiederholte (S 285) Äußerung bedroht wurde; im zweiten Fall gibt sie die Gendarmerieangaben (S 25) der Zeugin H*** aus dem Zusammenhang gerissen und zudem gar nicht aktengetreu wieder; denn nach dem Wortlaut der bezüglichen Niederschrift hat sie durch die Gewaltanwendung und Drohung des Angeklagten "verängstigt" bzw. "aus lauter Angst" ihre mehrmaligen Versuche, sich "aufzurichten" aufgegeben und letztlich an eine Gegenwehr überhaupt "nicht mehr" gedacht. Damit erledigt sich auch der daran anknüpfende, indes die vom Schöffengericht gemäß § 258 Abs 2 StPO auf die Aussage der Zeugin H*** über das Gesamtverhalten des Angeklagten und ihre Reaktion auf dessen brutalen Einsatz seiner Körperkraft gestützten Urteilsprämissen (S 296 f., 302 f., 304, 306) übergehende Beschwerdeeinwand, das Ersturteil bleibe "jede Erklärung darüber schuldig", woran der Beschwerdeführer "eine Widerstandsunfähigkeit (der Brigitte H***) erkennen hätte müssen". Gleiches gilt schließlich für die Beschwerdebehauptung, es hätte einer eingehenden Erörterung der Frage bedurft, welche Schlüsse die Zeugin H*** aus der Äußerung des Angeklagten "dir passiert noch was", zu ziehen "berechtigt war". Lassen doch die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit keinen Zweifel daran, daß das Erstgericht (ersichtlich wie auch schlüssig) gleichfalls aufgrund der Aussage der Zeugin H*** zur Überzeugung gelangte (vgl. insbesondere S 297, 302), daß der Beschwerdeführer durch die während des (auch) mittels der angewendeten Gewalt erzwungenen (mehrmaligen) Geschlechtsverkehrs - mit zwischenzeitiger (wiederholter) Vornahme eines Mundverkehrs und Einführen eines Eisschabers in die Scheide - wiederholt ausgestoßene Drohung weitere (zumindest gleichartige) Angriffe auf ihre körperliche Integrität ankündigte, um sie von der Fortsetzung eines Widerstandes abzuhalten und die Genannte aufgrund seines Gesamtverhaltens den Eindruck gewinnen mußte, er werde diesfalls seine von ihr dahin verstandene Drohung auch tatsächlich wahrmachen. Zusammenfassend gesehen erweist sich, daß die Mängelrüge ohne eine Nichtigkeit im Sinn des angerufenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5) aufzuzeigen, insgesamt auf eine (bloße) Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung hinausläuft.

Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist aber auch die - auf eine Tatbeurteilung (bloß) nach § 202 Abs 1 StGB abzielende - Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer, zum Teil unter Wiederholung seiner Ausführungen zur Mängelrüge, das Vorliegen der Widerstandsunfähigkeit des Tatopfers und deren Erkennbarkeit für ihn in Abrede stellt. Denn der Beschwerdeführer übergeht dabei jene Konstatierungen des Schöffengerichts über den Zustand, in den der (dem Opfer körperlich weit überlegene) Angeklagte die Zeugin H*** nach Mitternacht auf einem Waldweg durch seine fortgesetzten Angriffe versetzte (S 296 ff.), die bei Beurteilung der Gesamtsituation in rechtlicher Hinsicht die Annahme einer Widerstandsunfähigkeit im Sinn des § 201 Abs 1 StGB - die, wie das Ersturteil ohnedies klar zum Ausdruck bringt (S 306), nicht nur dann vorliegt, wenn es dem Opfer überhaupt unmöglich ist, Widerstand zu leisten, sondern sich auch in der Aussichtslosigkeit oder Unzumutbarkeit weiteren Widerstands manifestieren kann - tragen. Damit bringt der Beschwerdeführer den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz dargetan werden kann, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten hingegen wird gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E09691

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00144.86.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19861015_OGH0002_0090OS00144_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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