TE OGH 1986/10/22 1Ob574/86

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Veröffentlicht am 22.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Maria H***, Pensionistin, Linz, Ing. Stern-Straße 14, vertreten durch Dr. Otto Haselauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die Antragsgegnerin R*** Ö*** (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Festsetzung der Enteignungsentschädigung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 4. Dezember 1984, GZ. 13 R 592/84-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 24. Mai 1984, GZ. 2 Nc 290/81-40, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wird, soweit er sich gegen die Bemessung der Entschädigung für das Grundstück 582/9 Weg der EZ 966 KG Lustenau richtet, als unzulässig zurückgewiesen; im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Enteignungsbescheid des Amtes der OÖ. Landesregierung vom 24. November 1980, BauR-117/2-1980 Gr/Pl, nahm die R*** Ö***, Bundesstraßenverwaltung, für den Ausbau der

A 7 Mühlkreis-Autobahn im Baulos "Anschlußstelle Füchselstraße" gemäß §§ 17 und 20 Abs. 1 BStG 1971, BGBl. Nr. 286, in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, das dauernde und lastenfreie Eigentum an den im Miteigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücken bzw. Grundstücksteilen 583/1 Garten der EZ 658 KG Lustenau im Ausmaß von 469 m 2 sowie 582/9 Privatweg der EZ 666 KG Lustenau im Ausmaß von 200 m 2 einschließlich des darauf befindlichen Bewuchses und der darauf befindlichen baulichen Anlagen, unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur, im Wege der Enteignung in Anspruch und setzte die Enteignungsentschädigungen wie folgt fest: Für das Grundstück 583/1 (469 m 2 ; Hälfteeigentum der Antragstellerin) S540,-- pro m 2 , für das Grundstück 582/9 (200 m 2 ; 1/16 Eigentum der Antragstellerin) S 72,-- pro m 2 , für die zu entfernenden baulichen Anlagen S 27.091,--, für den zu entfernenden Bewuchs insgesamt S 8.900,--, Kosten für den Ersatzerwerb S 10,80 pro m 2 .

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Maria H*** blieb erfolglos (Bescheid des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 11. September 1981, Zl. 890 778/3-III/9-81). Mit Antrag vom 4. Dezember 1981 begehrte Maria H*** die gerichtliche Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung und brachte hiezu vor, der Bewertung ihres Hälfteanteiles am Grundstück 583/1 Garten der EZ 658 KG Lustenau sowie ihres 1/16 Anteiles am Grundstück 582/9 Privatweg der EZ 666 KG Lustenau sei ein Grundablösepreis von S 1.240,-- pro m 2 zugrundezulegen, weil es sich um Grundstücke handle, die westlich der A 7 Autobahn gelegen seien, für die der Sachverständige im Verwaltungsverfahren einen angemessenen Preis von S 1240,-- pro m 2 ermittelt habe. Ungerechtfertigt seien die vorgenommenen Abzüge wegen eines angeblich fehlenden Straßenanschlusses und wegen der geringen Größe der Grundstücke; das Grundstück 583/1 verfüge seit mehr als 30 Jahren über einen Straßenanschluß. Die Entschädigungssumme für das Grundstück 583/1 und von 2/16 Anteilen am Grundstück 582/9 betrage daher S 592.800,--. Weiters gebührten 4 % der Entschädigungssumme, somit S 23.712,--, als Entschädigung für den Erwerb eines Ersatzgrundes, S 8900,-- als Ersatz für den vorhandenen Bewuchs, S 150.658,92 für bauliche Nebenanlagen sowie S 10.000,-- für entstandene Übersiedlungskosten, insgesamt daher S 786.070,92; hievon entfalle auf sie die Hälfte, somit ein Betrag von S 393.035,46; weiters werde ein Betrag von S 5000,-- für die Miete eines Abstellplatzes auf dem Campingplatz Pichlingersee für die Aufstellung des auf dem enteigneten Grundstück abgestellten Wohnwagens begehrt; dessen Aufstellung auf einer öffentlichen Verkehrsfläche sei unzulässig.

In ihrer Äußerung vom 13. Jänner 1982 erklärte sich die R*** Ö*** als Antragsgegnerin mit den im Verwaltungsverfahren zugesprochenen Beträgen nicht einverstanden und führte aus, der vom Sachverständigen im Verwaltungsverfahren ermittelte Grundstückspreis von S 540,-- pro m 2 sei deshalb verfehlt, weil nach dem Teilbebauungsplan aus dem Jahre 1964, 0113, die enteigneten Grundflächen als öffentliche Erholungsfläche gewidmet seien. Da eine Verwendbarkeit der Flächen als Bauland weder im Enteignungszeitpunkt noch in absehbarer Zukunft gegeben sei, seien der Bewertung Grünlandpreise zugrundezulegen. Die enteigneten Grundstücke seien nur unzureichend aufgeschlossen, da kein grundbücherlich sichergestelltes Geh- oder Fahrtrecht zugunsten der Enteigneten bestanden habe. Der von der Antragstellerin begehrte Betrag für die baulichen Nebenanlagen stelle den Neubauwert dar, wogegen die Antragstellerin nur Anspruch auf den Zeitwert im Enteignungszeitpunkt habe. Kosten der Miete eines Campingplatzes zur Abstellung des Wohnwagens seien nicht zuzusprechen, weil dies im Hinblick auf die Entschädigung für das enteignete Grundstück einer Doppelentschädigung gleichkäme. Der Holzschuppen, für den eine Entschädigung begehrt werde, sei ein Superädifikat, das nicht enteignet worden sei.

Das Erstgericht setzte die Entschädigungsbeträge wie folgt fest:

1) 469 m 2  des Grundstückes 583/1 Garten

   EZ 658 KG Lustenau a S 598,50, für den

   Hälfteanteil der Antragstellerin daher   S 138.217,75

2) 200 m 2  des Weges Grundstück 582/9

   EZ 666 KG Lustenau a S 300, für den

   1/16 Anteil der Antragstellerin daher     S   3.750,--

3) bauliche Anlagen, Hälfteanteil            S  19.270,--

4) Bewuchs, Hälfteanteil                     S   4.450,--

5) Übersiedlungskosten, Hälfteanteil         S   5.000,--

6) Nebenkosten für den Erwerb eines Er-

   satzgrundstückes                           S   2.839,75

                                          S 173.547,50

                                          =============

Der Antrag auf Zuerkennung eines weiteren Betrages in der Höhe von S 224.487,96, darin enthalten S 5.000,-- für die Jahresmiete auf dem Campingplatz Pichlingersee, wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte fest:

Das Grundstück 583/1 sei im Bebauungsplan mit Ausnahme von ca. 20 m 2 als "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten", der Rest von 20 m 2 als "Grünfläche oder öffentliche Erholungsfläche" gewidmet. Den Eigentümern des Grundstückes 583/1 sei faktisch eine Zufahrt zu ihrem Grundstück zur Verfügung gestanden. Ob sie einen Anspruch auf Einverleibung des Wegerechtes hatten, könne nicht festgestellt werden. Westlich der Autobahn A 7 gelegenes Bauland mit viergeschoßiger geschlossener Bauweise sei mit S 1240 pro m 2 zu bewerten. Für Grundstücke mit der Widmung "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten" werde die Hälfte des Preises für Bauland bezahlt. Wenn auch ein Rechtsanspruch auf Einlösung solcher Grundstücke durch den Magistrat der Stadt Linz nicht bestehe, werde doch ein höherer Preis als für Grünflächen bezahlt. Wertmindernd sei die Lärmbelastung durch die bereits vor Jahren errichtete Mühlkreisautobahn. Für solche Grundstücke mit Zufahrtsmöglichkeit sei ein Preis von S 620 pro m 2 angemessen, ohne Wegerecht ein solcher von S 559 pro m 2 . Das Grundstück 582/9 der EZ 666 KG Lustenau sei weder als Baugrund noch als "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten" gewidmet, der Wert betrage S 300 pro m 2 . Der Zeitwert der baulichen Anlagen (Einfahrtstor mit seitlichem Gehtürl, Holzschuppen, Holzhütte, Schlagbrunnen mit Handpumpe, Betonsockel, Einfriedung aus Maschendrahtgeflecht, Schlackenbeschüttung auf dem Vorplatz) betrage S 19.270,--. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die Entschädigung für das Grundstück 583/1 sei gemäß § 273 ZPO mit dem Mittelwert zwischen dem Grundstückswert mit Wegerecht (S 620 pro m 2 ) und dem Grundstückswert ohne Wegerecht (S 559 pro m 2 ) festzusetzen, weil nicht mehr festgestellt werden könne, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Verbücherung des Wegerechtes zugestanden sei. In Ansehung des Privatweges sei der Wertermittlung des Sachverständigen zu folgen. Ob einzelne bauliche Anlagen Superädifikate seien, sei ohne Bedeutung, weil diese Superädifikate jedenfalls eine Werterhöhung der Liegenschaft bewirkt hätten. Der Bewuchs sei mit S 8900,-- außer Streit gestellt, desgleichen die Übersiedlungskosten mit dem Betrag von S 5000,--. An Nebenkosten für den Erwerb seien nach ständiger Rechtsprechung 2 % der Entschädigungssumme gerechtfertigt.

Das Rekursgericht gab den gegen den Beschluß des Erstgerichts erhobenen Rekursen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin teilweise Folge. Es sprach aus, daß der angefochtene Beschluß, der in seinem Punkt 1 in Ansehung des Betrages von S 16.884,--, in seinem Punkt 2 in Ansehung des Betrages von S 900,--, in seinem Punkt 3 in Ansehung des Betrages von S 9270,--, in seinen Punkten 4 und 5 zur Gänze, in seinem Punkt 6 in Ansehung des Betrages von S 355,68 und der Abweisung eines Betrages von S 56.059,46 als unangefochten unberührt bleibe, in seinem Punkt 2 zur Gänze, in seinem Punkt 3 in Ansehung eines Betrages von S 500,-- und in Ansehung der Abweisung eines Betrages von S 23.106,-- bestätigt, im übrigen aber aufgehoben und dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werde.

Das Rekursgericht führte, soweit für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung, aus:

a) Zur Grundstücksentschädigung: Im Zeitpunkt der Enteignung der Liegenschaften sei der Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Linz noch nicht rechtskräftig gewesen, so daß die Übergangsbestimmung des § 69 der O.Ö. Bauordnung 1976 zur Anwendung gelange, wonach als Grünland land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, Erholungsflächen, Kleingärten, Erwerbsgärtnereien und Friedhöfe gelten. Bei der Widmung eines Grundstückes als Vorbehaltsfläche handle es sich um die Festsetzung eines Bauplatzes, wenn auch für öffentliche Zwecke. Bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung für das Grundstück 583/1 sei, ausgenommen die Fläche von 20 m 2 , von Baulandpreisen auszugehen. Die im erstinstanzlichen Verfahren vernommenen Sachverständigen hätten den Verkehrswert des Grundstückes 583/1 nach der Vergleichswertmethode und für das Grundstück 582/9 nach der Ertragswertmethode ermittelt. Wenn die Sachverständigen dabei von einem mittleren Grundstückspreis von

S 1240 pro m 2 der für Baugründe westlich der Autobahn A 7 bezahlt werde, ausgingen, sei dies unbedenklich. Es treffe zwar zu, daß vom Magistrat der Stadt Linz für Grundstücke mit der Widmung "Bauplatz - Kindergarten" üblicherweise der volle Preis des angrenzenden Baulandes bis herab auf 75 % dieses Preises bezahlt werde, doch sei im Hinblick auf die von der Autobahn A 7 ausgehende Lärmbelästigung und auf Grund des durch diese Autobahn einseitig begrenzten Einzugsgebietes ein Abzug von 50 % gerechtfertigt. Dieser Bewertung liege ein dem Zugang zum öffentlichen Straßennetz sicherndes Wegerecht zugrunde. Nur unter dieser Voraussetzung sei der Wert des Grundstückes von den Sachverständigen mit S 620 pro m 2 angenommen worden. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin hätten sich zur Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines ersessenen und von den Eigentümern der belasteten Grundstücke anzuerkennenden Fahrtrechtes auf Auskunftspersonen berufen. Es gehe nicht an, ohne Einvernahme dieser Auskunftspersonen die negative Feststellung zu treffen, es könne nicht festgestellt werden, ob ein Anspruch auf Einverleibung eines Wegerechtes bestanden habe. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die von den Parteien namhaft gemachten Auskunftspersonen zu vernehmen haben. Keine Mangelhaftigkeit sei darin zu erblicken, daß der von der Antragstellerin namhaft gemachte Zeuge Ing. Karl B*** nicht einvernommen wurde, der bekundet hätte, daß er im Bereich Linz für Grundstücke mit der Widmung "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten" 100 % bzw. 75 % des Wertes des angrenzenden Baulands bezahlt werden. Aus den Ergänzungsgutachten ergebe sich klar, daß im vorliegenden Fall der 50 %-ige Abzug vom vollen Baulandpreis wegen der ungünstigen Lage des enteigneten Grundstückes unmittelbar neben der bestehenden Autobahn A 7 gerechtfertigt sei. 20 m 2 des Grundstückes 583/1 werden als Grünland zu entschädigen sein, weil diese Teilfläche nicht als "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten" gewidmet sei. Das Wegegrundstück 582/9 falle zur Gänze in die Vorbehaltsfläche "Grünland - öffentliche Erholungsfläche", die Bewertung dieses Grundstückes durch die Sachverständigen nach der Ertragswertmethode sei unbedenklich und die Entscheidung des Erstrichters in diesem Punkte zu bestätigen.

b) Zur Entschädigung für bauliche Anlagen: Das Erstgericht habe die Entschädigung für bauliche Anlagen mit S 19.270,-- bemessen. Zu diesen baulichen Anlagen gehörten unter anderem ein Holzschuppen und eine Holzhütte, die vom Sachverständigen mit S 19.000,-- bzw. S 1.000,-- bewertet worden seien, wovon auf die Antragstellerin die Hälfte, sohin insgesamt S 10.000,-- entfallen. Die Antragsgegnerin habe aber vorgebracht, daß es sich beim Holzschuppen um ein Superädifikat handle; daß dies auch für die Holzhütte gelte, sei im Verfahren erster Instanz nicht behauptet worden. Sollte es sich beim Holzschuppen um ein Superädifikat handeln, gebühre der Antragstellerin hiefür keine Entschädigung. Überbauten würden von den rechtlichen Schicksalen des Grundes, auf dem sie stehen, nicht berührt, da sie nicht dessen Zubehör seien. Sie verblieben daher auch nach der Enteignung der Liegenschaft weiterhin im Eigentum des bisherigen Eigentümers. Überbauten müßten gesondert enteignet werden, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Das erstinstanzliche Verfahren sei daher insoweit ergänzungsbedürftig, als es an Sachgrundlagen für die Beurteilung mangle, ob der Holzschuppen ein Superädifikat sei oder aber als Zubehör des enteigneten Grundstückes im Hälfteeigentum der Antragstellerin stehe. Soweit die Entschädigung für bauliche Nebenanlagen über den unbekämpft gebliebenen Betrag von S 9.270,-- hinaus für die Holzhütte mit S 500,-- festgesetzt wurde, sei die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen, in Ansehung des für den Holzschuppen festgesetzten Betrages von S 9500,-- sei die Entscheidung des Erstrichters aufzuheben.

c) Zum Anspruch auf Miete eines Campingplatzes zur Abstellung des Wohnwagens:

Die Notwendigkeit der Aufstellung des Wohnwagens an einem anderen Ort als dem enteigneten Grundstück ergebe sich zufolge der Enteignung. Es handle sich dabei um einen Folgeschaden. Der Antragstellerin sei eine angemessene Überlegungsfrist im Ausmaß eines Jahres zur Anschaffung eines Ersatzgrundstückes zuzubilligen. Die Mietkosten für den Abstellplatz, dessen Höhe die Antragstellerin nachzuweisen haben werde, seien in der geltend gemachten Dauer eines Jahres ein ersatzfähiger, durch die Enteignung unmittelbar und zwangsläufig bedingter Folgeschaden.

d) Entschädigung für Nebenkosten des Neuerwerbes: Nach neuerer Rechtsprechung seien Nebenkosten für den Erwerb eines Ersatzgrundstückes zu ersetzen. Dazu zählten die Vermessungs- und Vertragserrichtungskosten sowie die Eintragungsgebühren. Seien Nebenkosten bereits konkret angefallen, sei auf diese abzustellen. Sei dies nicht der Fall, gebühre Ersatz in der Höhe von 2 % des Verkehrswertes. Da die Bemessung der Nebenkosten untrennbar mit der Bemessung des Grundwertes im Zusammenhang stehe, sei die Entscheidung des Erstrichters in diesem Punkte aufzuheben. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wenden sich die Revisionsrekurse der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist teilweise unzulässig, im übrigen kommt ihm, wie auch dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, Berechtigung nicht zu.

1.) Zur Entschädigung für das Grundstück 582/9 der EZ 666 KG Lustenau:

Rechtliche Beurteilung

Auf das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung für Enteignungen nach dem Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, finden gemäß § 20 Abs. 5 dieses Gesetzes die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäße Anwendung. Aus § 24 EisbEG ergibt sich, daß für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, soweit das Gesetz nicht besondere Vorschriften enthält, die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden sind. Für das Rechtsmittelverfahren gelten daher, soweit § 30 EisbEG nichts anderes bestimmt, die §§ 9 bis 16 AußStrG. Nach ständiger Rechtsprechung hat nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch für den Bereich der §§ 14 und 16 AußStrG bei teilweise bestätigenden und teilweise abändernden (aufhebenden) Entscheidungen des Rekursgerichtes der Grundsatz zu gelten, daß gegen den bestätigenden Teil nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG erhoben werden kann. Die Grenzlinie ist dort zu ziehen, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (SZ 57/119; 1 Ob 723/85; 7 Ob 618/85; 2 Ob 618/85). Dies trifft für den Ausspruch über die Entschädigung für das in Rede stehende Grundstück zu. Der Revisionsrekurs ist insoweit daher nur mit der Beschränkung des § 16 AußStrG, somit wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität zulässig. Die Rechtsmittelwerberin macht nur geltend, daß das Grundstück 582/9 ebenso wie das Grundstück 583/1 der EZ 658 KG Lustenau zu bewerten gewesen wäre, wendet sich also im Ergebnis gegen die auf Grund des Gutachtens der im Verfahren vernommenen Sachverständigen getroffenen Feststellungen. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit oder Aktenwidrigkeit wird damit nicht geltend gemacht, so daß der Revisionsrekurs insoweit zurückzuweisen ist.

2.) Zur Entschädigung für das Grundstück 583/1 der EZ 658 KG Lustenau:

Die Antragsgegnerin macht geltend, daß bei Inanspruchnahme des Grundstückes durch die Stadt Linz zum Zwecke der Errichtung eines Kindergartens gemäß § 17 Abs. 5 O.Ö. Bauordnung, LGBl. 1976/35, Werterhöhungen, die sich aus dem Zweck der Inanspruchnahme ergeben, nicht zu berücksichtigen seien. Wenn die Antragstellerin bei einem Enteignungsverfahren nach der O.Ö. Bauordnung keinen Anspruch auf Entschädigung ihres Grundstückes als "öffentlicher

Bauplatz - Kindergarten" gehabt hätte, müsse dies sinngemäß auch für den vorliegenden Fall gelten. Grundsätzlich gebühre nur der Verkehrswert, das sei jener Wert, um den die Sache im Verkehr angeschafft oder veräußert werden könne; die Tatsache, daß sich ein Käufer finde, der mehr als diesen Wert biete, sei nach ständiger Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen. Der Bemessung der Enteignungsentschädigung wäre daher der Preis für Grünland zugrundezulegen gewesen. Demgegenüber macht die Antragstellerin geltend, daß der von den Vorinstanzen vorgenommene Abzug vom Wert vergleichbarer Baugrundstücke im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt sei. Die Lärmbelästigung durch die beim Grundstück vorbeiführende Autobahn sei nicht größer als im Stadtgebiet. Zudem sei auch das angrenzende Bauland der Lärmbelästigung ausgesetzt.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung nicht zu. Grundsätzlich

ist für die Bemessung der Enteignungsentschädigung, wie die

Antragsgegnerin einräumt, der Verkehrswert der Liegenschaft

maßgebend (JBl 1983, 432; SZ 52/26; SZ 51/175; Rummel in

Rummel-Schlager, Enteignungsentschädigung 105; Brunner Enteignung

für Bundesstraßen 139). Der Verkehrswert ist jener Wert, um den die

Sache im Verkehr angeschafft oder veräußert werden kann, konkret

jener Wert, der für ein Grundstück gleicher Art und Beschaffenheit

im Zeitpunkt der Enteignung von Kauflustigen geboten worden wäre. Es

soll nur nicht ausschlaggebend sein, daß sich ein Käufer gefunden

hätte, der einen über dem Verkehrswert liegenden Preis zu zahlen

bereit ist (EvBl. 1976/255; EvBl. 1965/423; einschränkend Rummel

a. a.O. 188). Im vorliegenden Fall bekundeten die im Verfahren

vernommenen Sachverständigen, daß sich bei Widmung von Grundstücken

als "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten" in der Praxis die

Schätzung mit dem halben Verkehrswert des angrenzenden Baulandes

eingebürgert habe, es werde nur vorausgesetzt, daß das Grundstück

durch ein Wegerecht aufgeschlossen sei (S 83 d.A.). Die

Sachverständigen erhoben, daß der Magistrat der Stadt Linz für

solche Grundstücke je nach den Umständen den vollen Preis

angrenzenden Baulandes bis herab auf 75 % dieses Preises bezahle

(S 157 d.A.), wenn auch Vergleichspreise von Grundstücken in

Autobahnnähe nicht bekannt gegeben werden konnten (S 191 d.A.). Nach

Meinung der Sachverständigen sei nur im Hinblick auf die starke

Lärmbelästigung durch die vorbeiführende Autobahn und das durch die

Autobahntrasse seitlich begrenzte Einzugsgebiet eine Minderung des

Wertes auf 50 % des Wertes angrenzenden Baulandes gerechtfertigt.

Beide Vorinstanzen erachteten die Bekundungen der Sachverständigen

als überzeugend. Die darauf gegründeten Feststellungen können vom

Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht überprüft werden. Nach

herrschender Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof auch im

Außerstreitverfahren nicht Tatsachen-, sondern nur Rechtsinstanz

(SZ 55/133; EvBl. 1973/222; JBl. 1966, 149 ua). Er kann daher die

Tatsachenfeststellungen, zu denen die Vorinstanzen unter Zugrundelegung von ihnen als überzeugend erscheinenden Sachverständigengutachten gelangten, nicht mehr überprüfen, sofern die Schlußfolgerungen des Sachverständigen nur nicht gegen die Denkgesetze oder die objektiv überprüfbaren zwingenden Gesetze des sprachlichen Ausdruckes verstoßen. In den Tatsachenbereich fallen auch die vom Sachverständigen zur Gewinnung der Tatsachenfeststellungen heranzuziehenden Regeln der Wissenschaft, Sachkunde, Kunstfertigkeit und Erfahrung (5 Ob 512/83; 5 Ob 578/82; 5 Ob 321/71 u.v.a.). Der festgestellte Verkehrswert der Liegenschaft unterliegt daher nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Daß nach Grundstücken mit der Widmung "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten" nur eine beschränkte Nachfrage herrscht und als Interessenten vorzugsweise Gebietskörperschaften, im vorliegenden Fall die Gemeinde Linz, in Betracht kommen, schließt nicht aus, den von diesen Interessenten bezahlten Preis als Verkehrswert anzusehen. Der Fall, daß ein Käufer einen über den Verkehrswert liegenden Preis bezahlt, liegt demnach nicht vor. In welcher Höhe der Wert der Liegenschaft in einem von der Stadt Linz eingeleiteten Enteignungsverfahren festzusetzen wäre, ist ohne Bedeutung. Die Behauptung der Antragsgegnerin, jeder andere potentielle Käufer (als die Stadt Linz) wäre zweifellos nicht bereit gewesen, einen auch nur herabgeminderten Baulandpreis für den Grund zu bezahlen, findet in der Aktenlage keine Deckung. Zu einem solchen Verkauf müßte sich zudem die Antragstellerin, wenn üblicherweise für derartige Grundstücke (allenfalls geminderte) Baulandpreise bezahlt werden, nicht bereit finden.

Die Antragstellerin ist, soweit sie sich gegen die Gutachten der im Verfahren beigezogenen Sachverständigen wendet und die Festsetzung des Wertes mit 100 % des Wertes des angrenzenden Baulandes begehrt, zunächst auf obige Ausführungen zu verweisen. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird in der unterlassenen Einvernahme des Zeugen Ing. Karl B*** vom Liegenschaftsamt des Magistrats der Stadt Linz erblickt, der bekunden hätte können, daß der Magistrat der Stadt Linz in den letzten Jahrzehnten für derartige Grundstücke meist den vollen Wert des angrenzenden Baulandes, höchstens unter Abzug von 25 %, bezahlt habe. Hievon sind aber die Sachverständigen ohnehin ausgegangen, sie gelangten nur zum Ergebnis, daß im konkreten Fall wegen der Lärmbelästigung und des begrenzten Einzugsgebietes eines zu errichtenden Kindergartens ein Abzug von 50 % gerechtfertigt sei. Es sei nur noch darauf verwiesen, daß auch der Amtssachverständige des Magistrats der Stadt Linz zum Ausdruck brachte (Gutachten S 157 d.A.), daß die Nähe der Autobahn und die damit verbundene Lärmbelästigung sowie das durch die Autobahn seitlich begrenzte Einzugsgebiet die Preisbildung ganz wesentlich beeinflussen würde. Unter diesen Umständen liegt auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor. Da die Teilfläche von 20 m 2 nicht als "öffentlicher Bauplatz - Kindergarten", sondern als "Grünland - öffentliche Erholungsfläche" gewidmet ist, ist auch der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die Wertfeststellung des Grundstückes unter Berücksichtigung dieser Widmung zu erfolgen haben werde, nicht entgegenzutreten.

3.) Zur Campingplatzmiete zwecks Aufstellung des Wohnwagens:

Das Rekursgericht ging zutreffend davon aus, daß nach neuerer Rechtsprechung und Lehre die durch die Enteignung eines Grundstückes verursachten Folgeschäden, soweit sie nicht bereits im Verkehrswert der enteigneten Sache Berücksichtigung gefunden haben, ersatzfähig sind, so etwa bei Enteignung gewerblich genutzter Grundstücke die Kosten der Betriebsverlegung, der Übersiedlung sowie die durch die Unterbrechung oder Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes verursachten Nachteile (JBl. 1983, 432; SZ 49/123; Rummel a. a.O. 117, 131; Brunner a.a.O. 141 f). Auch der Aufwand für eine Zwischenunterkunft wird zu den ersatzfähigen Folgekosten gezählt (Rummel a.a.O. 205; in der Entscheidung 5 Ob 280/71 wurde die gegenteilige Ansicht nur als nicht offenbar gesetzwidrig bezeichnet). Kosten, die dadurch auflaufen, daß der Wohnwagen nicht mehr auf der enteigneten Liegenschaft und auch nicht auf einer öffentlichen Grundfläche, sondern bis zur Ersatzbeschaffung nur auf einem Campingplatz gegen Leistung eines Entgelts aufgestellt werden kann, sind als solche Folgekosten zu beurteilen. Ersatzfähig sind sie jedoch nur für jenen Zeitraum, der zur Ersatzbeschaffung erforderlich ist; die Dauer eines Jahres ist als angemessen zu erachten. Unter der Voraussetzung, daß solche Kosten tatsächlich nachgewiesen werden, ist ihr Zuspruch gerechtfertigt.

4.) Entschädigung für den Holzschuppen:

Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, der Antragstellerin gebühre, falls es sich bei dem Holzschuppen um ein Superädifikat handle, keine Entschädigung, kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 17 BStG sind Gegenstand der Enteignung u.a. "Baulichkeiten und sonstige Anlagen, deren Entfernung sich aus Gründen der Verkehrssicherheit als notwendig erweist". Diese Regelung wird dahin verstanden, daß solche Baulichkeiten und Anlagen, auch wenn sie Zubehör von Grund und Boden sind (§ 297 ABGB), selbständig Enteignungsgegenstand sein können (Brunner a.a.O. 2 f, 22). Es wird die Auffassung vertreten, daß Superädifikate einer besonderen Enteignung bedürfen, weil der Überbau nicht das rechtliche Schicksal des Grundes, auf dem er errichtet ist, teilt (Brunner a.a.O. 22; vgl. jedoch Gutknecht ÖZW 1982, 59). Dabei wird offenbar angenommen, daß der Überbau im Eigentum einer anderen Person als des Grundeigentümers steht, also iS des § 435 ABGB auf fremdem Grund errichtet wurde. Die neuere Lehre vertritt überwiegend den Standpunkt, daß Überbauten auch auf eigenem Grund möglich seien (Bydlinski, Das Recht der Superädifikate 28; Ostheim, ÖJZ 1975, 202 ff). Selbst wenn der Holzschuppen als Überbau anzusehen wäre, wofür die Art seiner Errichtung (ohne Fundament, auf einzelne Klinkerziegel gestellt, mit dem Boden nicht fest verbunden:

S 81 d.A. und die im Akt erliegenden Lichtbilder) spricht, und der Enteignungsbescheid des Amtes der O.Ö. Landesregierung vom 24. November 1980, der nur von der Enteignung der auf dem Grundstück befindlichen "baulichen Anlagen" spricht, nicht auch Superädifikate umfaßte, so hat doch der Enteigner Anspruch auf Räumung (Brunner a. a.O. 23 Anm 9b; Gutknecht a.a.O.). Es bestehen dann aber keine Bedenken, der Antragstellerin, wenn sie Eigentümerin bzw. Miteigentümerin des Holzschuppens ist, den beanspruchten Zeitwert (als Folgeschaden) zu vergüten (ZVR 1965/234). Im fortgesetzten Verfahren werden daher die Eigentumsverhältnisse am Holzschuppen zu klären sein (vgl. Rekurs der Antragsgegnerin S 225 d.A.). Die Höhe des vom Erstrichter festgestellten Verkehrswerts wurde nicht bekämpft.

5.) Wiederbeschaffungskosten:

Kosten, die mit dem Erwerb eines Ersatzgrundstückes verbunden sind, sind nach nunmehr ständiger Rechtsprechung zu ersetzen (EvBl. 1979/54; SZ 50/158). Sind Kosten bereits konkret angefallen, ist auf deren Höhe abzustellen, andernfalls gebührt eine Pauschalentschädigung in der Höhe von 2 % des Verkehrswerts der Liegenschaften. Aus welchen Gründen Ersatzbeschaffungskosten in dieser Höhe nicht ausreichend sein sollten, wird von der Antragstellerin konkret nicht ausgeführt.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E09109

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00574.86.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19861022_OGH0002_0010OB00574_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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