TE OGH 1986/10/23 8Ob609/86

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Veröffentlicht am 23.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl O***, Kaufmann, Landstraße Hauptstraße 17, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L*** W***

G*** MBH, Oberlaaerstraße 300-306, 1232 Wien, vertreten durch Dr. Heinrich Foglar-Deinhardstein und Dr. Harald Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 301.000,- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. April 1986, GZ. 18 R 24/86-58, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Oktober 1985, GZ. 32 Cg 246/81-54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von S 101.000,- samt 4 % Zinsen seit 7.11.1981 zu bezahlen und die mit S 51.002,43 bestimmten Prozeßkosten (darin S 6.539,33 an Barauslagen und S 4.042,10 an Umsatzsteuer) zu ersetzen. Das Klagebegehren auf Zuspruch weiterer S 200.000,- s.A. wird abgewiesen.

Die klagende Partei hingegen ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 6.464,- (darin S 480,- an Barauslagen und S 544,- an Umsatzsteuer) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 4.228,75 (darin S 640,- an Barauslagen und S 326,25 an Umsatzsteuer) zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war am 24.8.1973 und 4.9.1973 Eigentümer einer in der KG Landstraße gelegenen 14.717 m 2 großen Grundfläche, die im Teilungsplan des Dipl.Ing. Raimund F*** vom 31.10.1969, GZ 184 als Bauplatz A bezeichnet und durch die Punkte a, b, c, d, e, f, g, h, i (a) gekennzeichnet war. Westlich, also außerhalb dieser Grundfläche, befand sich eine damals ebenfalls dem Kläger gehörige 1823 m 2 große, im gegenständlichen Verfahren (in der Folge auch so bezeichnete) strittige Grundfläche. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 64, vom 5.4.1973, wurde dem Kläger im Zusammenhang mit der Schaffung dieses Bauplatzes A unter anderem die unentgeltliche Übertragung dieser strittigen Grundfläche in das öffentliche Gut gemäß § 17 Abs 1 und 4 lit a der Wiener Bauordnung vorgeschrieben. Diese Vorschreibung war zur Realisierung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes notwendig, der im gegenständlichen Bereich die U-Bahn-Station vorgesehen hatte. Die grundbücherliche Durchführung dieses Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, MA 64, erfolgte jedoch erst mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2.6.1976, TZ 4147/76. Die strittige Grundfläche wurde in das zum öffentlichen Gut der Stadt Wien gehörende Grundstück 3140 der KG Landstraße einbezogen. Mit Kaufvertrag vom 24.8.1973, 4.9.1973, verkaufte der Kläger der beklagten Partei den Bauplatz A zum Preis von S 23,547.200,-. Dieser Kaufvertrag wurde ebenfalls mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2.6.1976, TZ 4147/76, grundbücherlich durchgeführt. In Punkt V dieses Kaufvertrages verpflichtete sich die beklagte Partei zur lasten- und bestandfreien Übergabe des Kaufobjektes. Hievon ausgenommen war die von der beklagten Partei übernommene Erfüllung der im Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 64, vom 5.4.1973 enthaltenen Vorschreibungen, insbesondere die Abtretung von Grundflächen in das öffentliche Gut bzw. in den physischen Besitz der Stadt Wien. Außerdem wurde darin "festgestellt, daß alle Entschädigungsbeträge, die anläßlich der Übertragung von außerhalb des Bauplatzes A gelegenen Flächen in das öffentliche Gut, bzw. in den physischen Besitz der Stadt Wien bezahlt werden, zur Gänze ausschließlich dem Verkäufer zugutekommen. Um die diesbezüglichen Interessen des Verkäufers zu wahren, ist dieser über den Verlauf aller Verhandlungen zu informieren und unter Gewährung der Einsichtnahme in die betreffenden Unterlagen sein Einverständnis zum Abschluß einer Entschädigungsregelung einzuholen. Die Klägerin verpflichtete sich unwiderruflich, als berechtigten Empfänger derartiger Zahlungen den Verkäufer anzugeben. Der genannte Bescheid des Magistrates der Stadt Wien hatte aber nicht nur diese unentgeltliche Abtretung der strittigen Grundfläche angeordnet, sondern auch die Abtretung anderer dem Kläger gehöriger Grundflächen rund um den Bauplatz A, gegen Schadloshaltung (§ 17 Abs 5 der Bauordnung für Wien). Der Kläger ließ den wiedergegebenen Vertragspunkt in den Vertrag aufnehmen, weil er nach Vertragsabschluß mit der ganzen Abtretungsfrage nicht mehr beschäftigt sein, also keine Verhandlungen mit der Stadt Wien mehr führen und auch keine anderen aus dem Bescheid sich ergebende Verpflichtungen (etwa Herstellung der Höhenlage) mehr erfüllen wollte. Im Kaufvertrag der Streitteile war dem Kläger ein Rücktrittsrecht bezüglich einer näher bestimmten Fläche im Ausmaß von 1250 m 2 eingeräumt worden. Dieses Rücktrittsrecht übte der Kläger in der Folge auch aus, sodaß der beklagten Partei eine verkaufte Fläche von 13.467 m 2 verblieb. Die rückübertragene Grundfläche befand sich in der Nordost-Ecke des Bauplatzes A. Am 30.6.1976 beschloß der Wiener Gemeinderat eine Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, nach der die strittige Grundfläche nicht mehr für Straßenzwecke (U-Bahn-Bau) gewidmet war, sondern ins Bauland gelegt und in den benachbarten Bauplatz, also den nach Ausübung des Rücktrittsrechtes verbliebenen Rest des Bauplatzes A einbezogen wurde. Als Folge dieser Änderung des Bebauungsplanes verfügte der Magistrat der Stadt Wien, MA 64, mit Bescheid vom 18.9.1979 gemäß § 58 der Bauordnung für Wien die unentgeltliche Zurückstellung der strittigen Grundfläche in die EZ 1992 KG Landstraße; gleichzeitig wurde mit diesem Bescheid der "Bauplatz 1" geschaffen. Dieser Bauplatz besteht aus dem der Beklagten verbliebenen Rest des Bauplatzes A im Ausmaß von 13.467 m 2 , vergrößert um eine Vermessungsdifferenz von 6 m 2 , insgesamt somit 13.473 m 2 , sowie der strittigen Grundfläche (Trennstück 8 abzüglich darin enthaltener 70 m 2 seit eh und je öffentliches Gut gewesenen Grundes) und anderen westlich des Trennstückes 8 gelegenen Trennstücke 1, 4 und 5; der so geschaffene Bauplatz 1 hat eine Größe von insgesamt 17.112 m 2 . Zur Zeit der Erlassung dieses Bescheides der MA 64 war die beklagte Partei nicht mehr Eigentümerin der vom Bescheid betroffenen Grundflächen. Sie hatte nämlich mit Kaufvertrag vom 12.5.1978 den ihr nach Rücktritt des Klägers verbliebenen Rest des Bauplatzes A (13.473 m 2 ) an die "G***" G***-, T*** UND L***C*** MBH & CO. KG (in der Folge: G***) verkauft. Punkt IV dieses Kaufvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Zwischen der Verkäuferin einerseits und der Stadt Wien andererseits wurden Vorverhandlungen geführt. Danach sollten Teile des bisherigen Straßengrundes, im Teilungsplan des zitierten Geometers mit Trennstück 8 bezeichnet, ausgenommen einen Teil von 76 m 2 , kostenlos an die Verkäuferin übertragen werden, andererseits sollte die Verkäuferin gemäß dem oben zitierten Teilungsplan die Trennstücke 1, 4 und 5 sowie den vorerwähnten Teil des Trennstücks 8 im Ausmaß von 76 m 2 von der Stadt Wien erwerben und für die Trennstücke 2, 3 und 6, die in das öffentliche Gut abgetreten werden müssen, eine Entschädigung an die Stadt Wien bezahlen. Aufgrund des abgeschlossenen Kaufvertrages überträgt die Verkäuferin alle aus diesen Vorverhandlungen allenfalls ihr zustehenden Rechte mit der Bedingung an die Käuferin, daß diese auch die sich aus den Vorverhandlungen ergebenden Verpflichtungen an ihrer Stelle übernimmt. Die Käuferin erklärt sich damit einverstanden. Seitens der Verkäuferin wird jedoch keine Gewähr dafür übernommen, daß die oben zitierten Vorverhandlungen zu einem Vertragsabschluß mit der Stadt Wien führen und welchen Inhalt dieser Vertrag haben wird, sie begibt sich lediglich allfälliger ihr daraus bereits erwachsener Rechte zu Gunsten der Käuferin." Die beklagte Partei lehnte das Ansinnen der "G***", den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis von S 29,000.000,- entsprechend herabzusetzen, wenn es zur Zuschreibung der im Punkt IV des Kaufvertrags erwähnten Trennstücke nicht kommen sollte, ausdrücklich ab. Dies wurde von der "G***" akzeptiert.

Die Vorinstanzen nahmen nicht als erwiesen an, daß mit dem vereinbarten Kaufpreis eine allfällige Chance auf einen künftigen Erwerb der strittigen Grundfläche durch die "G***" abgegolten wurde. Der mit der "G***" geschlossene Kaufvertrag wurde am 28.8.1978 im Grundbuch durchgeführt. In der Folge verhandelte die "G***" mit der Stadt Wien wegen des Erwerbs der Trennstücke 1, 4, 5 und 8. Mit Kaufvertrag vom 9.10.1979 kaufte die G*** von der Stadt Wien die Trennstücke 1, 4 und 5 sowie den im Trennstück 8 inliegenden Streifen von (richtig) 76 m 2 zum Preis von (richtig) S 2,915.200,-

. In diesem Kaufvertrag wurde auch festgehalten, daß die strittige Grundfläche (der überwiegende Rest des Trennstückes) mit Bescheid unentgeltlich zurückgestellt werde. Dieser Bescheid erging - wie bereits dargestellt - am 18.9.1979. Die grundbücherliche Durchführung der Zuschreibung der Trennstücke 1, 4, 5 und 8 zu dem von der G*** bereits erworbenen Grundstück erfolgte am 25.3.1980. Im März 1980 verkaufte die G*** den gesamten Bauplatz 1, also auch die Trennstücke 1, 4, 5 und 8 an die Republik Österreich (Bundesgebäudeverwaltung I), wobei sie sich als außerbücherlicher Erwerber der Trennstücke 1, 4, 5 und 8

bezeichnete. Für den verkauften Grund im Gesamtausmaß von (richtig) von 17.112 m 2 erzielte sie einen Kaufpreis von S 42,400.000,-. Die grundbücherliche Durchführung erfolgte rechtzeitig mit der Zuschreibung der Trennstücke 1, 4, 5 und 8 am 25.3.1980. Der Bescheid vom 18.9.1979 über die unentgeltliche Zurückstellung der strittigen Grundfläche an die EZ 1992 KG Landstraße (deren Eigentümer damals die G*** war), wurde der beklagten Partei zugestellt, Abschriften ergingen an verschiedene Adreassaten, jedoch nicht an den Kläger. Von der im Juni 1976 beschlossenen Änderung des Flächenwidmungsplanes hatte auch der Kläger erfahren und daraufhin im September 1976 von der Stadt Wien verlangt, daß die strittige Grundfläche an ihn zurückübertragen werde und sich gegen eine Übertragung an die beklagte Partei sowie gegen Verhandlungen über diese Grundfläche seitens der Stadt Wien mit der beklagten Partei ausgesprochen. Auch gegenüber der Beklagten legte der Kläger dar, daß nur ihm das Recht zustünde, diese Grundfläche rückübertragen zu erhalten, da er sie seinerzeit an die beklagte Partei nicht verkauft habe. Die beklagte Partei stand dieser Rechtsauffassung des Klägers jedoch ablehnend gegenüber und bemühte sich ihrerseits um die Zuschreibung dieses Grundes zu ihrem Bauplatz.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei nach Ausdehnung des Klagebegehrens in der Tagsatzung vom 20.6.1985 um S 200.000,-

(ON 52 dA) die Bezahlung des Betrages von S 301.000,- samt Anhang. In dem mit der beklagten Partei geschlossenen Kaufvertrag sei vereinbart worden, daß alle Entschädigungsbeträge, die anläßlich der Übertragung von außerhalb des verkauften Bauplatzes gelegenen Flächen in das öffentliche Gut bzw. in den physischen Besitz der Stadt Wien bezahlt werden, zur Gänze ausschließlich ihm zugute kämen. Die Beklagte habe mit der Stadt Wien Verhandlungen geführt, wonach die strittige Grundfläche kostenlos an sie übertragen werden sollte. In dem mit der G*** über den Bauplatz abgeschlossenen Kaufvertrag habe die Beklagte alle ihr aus diesen Vorverhandlungen allenfalls zustehenden Rechte an die G*** übertragen. Da die strittige Grundfläche letztlich nicht an die Stadt Wien abgetreten und daher auch kein Entschädigungsbetrag ausgezahlt worden sei, sei die Erfüllung der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung, wonach er alle Entschädigungsbeträge für Flächen, die im Zusammenhang mit der Bildung des verkauften Bauplatzes abzutreten seien und daher auch eine Entschädigung für die strittige Grundfläche habe erhalten sollen, unmöglich geworden. Diese Grundstücksfläche sei vielmehr in die vermögensrechtliche Verfügungsgewalt der beklagten Partei als damaliger Eigentümerin des Bauplatzes (zurück-)übertragen worden, weshalb sie hierüber auch zu ihrem Vorteil habe verfügen können, obwohl sie sie niemals vom Kläger erworben und diesem dafür auch niemals ein Entgelt bezahlt habe. Der Wert der Grundfläche betrage zumindest S 3,786.000,-. Um diesen Betrag sei die beklagte Partei zum Nachteil des Klägers bereichert worden. Er mache daher unter Berufung auf "jedweden in Frage kommenden Rechtsgrund" vorläufig die eingeklagte Forderung geltend.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die strittige Grundfläche habe sie der G*** nicht verkauft. Der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 18.9.1979 sei zwar formell an sie, materiell aber an die G*** ergangen, weil diese damals schon als Eigentümerin der EZ 1992 der KG Landstraße eingetragen gewesen sei. Da sie durch die unentgeltliche Rückstellung von Grundflächen an die G*** keinen Vermögenszuwachs erfahren habe, sei sie auch in keiner Weise bereichert. Wenn überhaupt, so hätte der Kläger nur einen Anspruch gegen die G***.

Der Forderungsteil von S 200.000,-, um den der Kläger sein Klagebegehrn in der Tagsatzung vom 20.6.1985 ausgedehnt habe, sei verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es beurteilte den bereits wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß der Anspruch des Klägers allenfalls auf § 1041 ABGB gestützt werden könne, weil Dritte zu seinem Nachteil aus seinem Eigentum Nutzen gezogen hätten. Es müsse aber nicht weiter geprüft werden, ob dieser Anspruch gegeben sei, weil die beklagte Partei nicht jene Person sei, die einen Vorteil aus dem Eigentum des Klägers erhalten habe. Sie sei niemals Eigentümerin der strittigen Grundfläche geworden, es sei ihr auch kein Vorteil aus dem schwebenden Rückübertragungsverfahren zugekommen. Über die strittige Grundfläche habe nicht die beklagte Partei, sondern erst die G*** verfügt. Die beklagte Partei habe auch keine Bestimmung des mit dem Kläger geschlossenen Kaufvertrages verletzt. Die strittige Grundfläche sei unentgeltlich in das öffentliche Gut zu übertragen gewesen. Eine Entschädigung, die dem Kläger nach den Bestimmungen des Kaufvertrages hätte zufließen können, käme daher nicht in Betracht und sei auch niemals bezahlt worden.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es erachtete die in der Berufung erhobene Tatsachen- und Beweisrüge als unbegründet und - von den als unbedenklich übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes ausgehend - auch die Rechtsrüge der klagenden Partei als nicht berechtigt. Im Rahmen der Rechtsrüg fordere der Kläger eine ergänzende Auslegung des zwischen ihm und der beklagten Partei geschlossenen Kaufvertrages in dem Sinn, daß daraus die Vereinbarung zu entnehmen sei, die beklagte Partei sei verpflichtet, die strittige Grundfläche ihm zu übertragen oder im Falle der Unmöglichkeit der Übertragung eine angemessene Entschädigung zu bezahlen. Selbst wenn man sich dieser Ansicht anschlösse, sei für den Kläger nichts gewonnen. Ein solcher Vertragsinhalt könnte nämlich nur dann von Bedeutung sein, wenn der beklagten Partei ein Vermögensvorteil aus der strittigen Grundfläche zugekommen wäre. Die strittige Grundfläche sei aber weder in ihr Eigentum übertragen worden noch habe sie einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums erworben; es habe sich auch der Kaufpreis, den sie durch den Verkauf des von ihr vom Kläger gekauften Bauplatzes erzielt habe, nicht erhöht. Die beklagte Partei habe also nicht mehr erhalten,als sie erhalten hätte, wenn die strittige Grundfläche nicht gemäß § 58 Abs 2 lit d BauO für Wien unentgeltlich zurückgestellt worden wäre. Eine ergänzende Vertragsauslegung könnte jedenfalls nicht zu dem Ergebnis führen, daß die beklagte Partei dem Kläger einen Vorteil herauszugeben habe, den sie nicht erzielt habe. Es müsse daher auf die Frage, ob die vom Kläger geforderte ergänzende Vertragsauslegung gerechtfertigt sei, nicht weiter eingegangen werden. Die Ansicht des Erstgerichtes, daß dem Kläger kein Verwendungsanspruch gegen die beklagte Partei zustehe, weil nicht eine Sache des Klägers zum Nutzen der beklagten Partei verwendet worden sei, werde in der Berufung nicht bekämpft. Diese Ansicht sei im übrigen zu billigen. Der Berufung habe somit der Erfolg versagt werden müssen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf den Streitwert zulässig, und teilweise auch berechtigt.

In seiner Rechtsrüge vertritt der Revisionswerber im wesentlichen den Standpunkt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht im Hinblick auf die Unmöglichkeit der Feststellung, daß durch den von der G*** der beklagten Partei bezahlten Kaufpreis auch die Chance auf den Erwerb der strittigen Grundflächen abgegolten werden sollte, alle weiteren Rechtsfragen insbesondere der ergänzenden Auslegung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrages dahingestellt gelassen, weil der beklagten Partei kein Vermögensvorteil aus der strittigen Grundfläche zugekommen sei. Das Berufungsgericht hätte im Sinne seiner Verpflichtung zur allseitigen rechtlichen Prüfung des erhobenen Sachverhaltes zu der von ihm gewünschten ergänzenden Vertragsauslegung gelangen müssen. Dem ist grundsätzlich beizupflichten.

Bei der rechtlichen Beurteilung des vom Kläger gestellten Begehrens ist vorerst davon auszugehen, daß der Kläger vor Abschluß des Kaufvertrages mit der beklagten Partei den Kaufgegenstand (Bauplatz A) erst rechtlich schaffen mußte, ihm im Zusammenhang damit vom Magistrat der Stadt Wien die unentgeltliche Übertragung der strittigen Grundfläche in das öffentliche Gut rechtskräftig aufgetragen wurde und diese Grundabtretung im Jahre 1976 grundbücherlich durchgeführt wurde. Die strittige Grundfläche selbst war nicht Gegenstand des von den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrages. Im Kaufvertrag zwischen den Streitteilen wurde im Zusammenhang mit der Verwirklichung des rechtlich bereits geschaffenen Kaufgegenstandes hinsichtlich künftiger Ereignisse nur für den Fall Vorsorge getroffen, daß anläßlich der Übertragung von außerhalb des Bauplatzes A gelegener Flächen in das öffentliche Gut bzw. in den physischen Besitz der Stadt Wien Entschädigungsbeträge gezahlt werden, und zwar dahin, daß diese Beträge ausschließlich dem Kläger zukommen sollten. Die von der beklagten Partei im Zusammenhang damit übernommene Verpflichtung, die diesbezüglichen Interessen des Verkäufers zu wahren, diesen über den Verlauf aller Verhandlungen zu informieren und unter Gewährung der Einsichtnahme in die betreffenden Unterlagen sein Einverständnis zum Abschluß einer Entschädigungsregelung einzuholen und ihn als berechtigten Empfänger derartiger Zahlungen anzugeben, sollte den Zweck haben, dem Kläger die Erlangung solcher Entschädigungszahlungen zu sichern. Auf die im vorliegenden Verfahren strittige Grundfläche, die bescheidgemäß unentgeltlich der Stadt Wien übertragen werden mußte, bezogen sich diese von der Beklagten zusätzlich übernommenen Vertragspflichten somit nicht. Über die Frage, was zu geschehen hätte, wenn die unentgeltlich abzutretende strittige Grundfläche für öffentliche Zwecke nicht benötigt und in Privateigentum rückübertragen werden sollte, trafen die Vertragsteile keine Regelung. Da dieser Fall tatsächlich eingetreten ist, liegt hier eine Störung in der Vertragsabwicklung vor, die einer ergänzenden Auslegung bedarf. Soll diese "Lücke" im Vertrag geschlossen werden, so kommen nach Lehre und Rechtsprechung als Mittel dazu der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs und schließlich eine Ergänzung nach Treu und Glauben, allenfalls nach der redlichen Verkehrsanschauung in Frage; bei der ergänzenden Vertragsauslegung sind somit alle in Betracht kommenden Auslegungsaspekte zu erwägen und ist die Lücke so zu schließen, wie es der Gesamtregelung des Vertrages, gemessen an den Absichten der Parteien, am besten entspricht (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 914, samt Rechtsprechungsnachweis). Für die Beantwortung der Frage, was die Parteien gewollt hätten, wenn sie sich bei Vertragsabschluß die nun zu lösende Frage gestellt hätten, ist somit vor allem der Zweck des Vertrages, der Inhalt der Verhandlungen sowie andere "Umstände des Geschäftes" bedeutsam (vgl. Rummel, aaO Rz 12 zu § 914).

Dem Kaufvertrag zwischen den Streitteilen ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß die strittige Grundfläche nicht Vertragsgegenstand war und auch bei der Festsetzung des Kaufpreises außer Betracht blieb. Zweck des Vertrages war die Übertragung des vom Kläger erst rechtlich geschaffenen und in der Natur noch nicht verwirklichten Bauplatzes an die Beklagte und die Übernahme der tatsächlichen Abwicklung der mit der im Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau erfolgten Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes verbundenen Grundstückstransaktionen durch die Beklagte, wobei Entschädigungen für die Übertragung von nicht zum verkauften Bauplatz gehörigen Grundflächen dem Verkäufer zufallen sollten und die Käuferin zur Realisierung dieses Vertragszwecks zusätzliche Informationspflichten sowohl dem Verkäufer als auch der Stadt Wien gegenüber übernahm. Ausgehend von all diesen von den Vertragsparteien ins Auge gefaßten Umständen muß wohl auch unter Bedachtnahme auf Treu und Glauben gesagt werden, daß die Streitteile, falls sie an die Rückabwicklung der dem Kläger aus Anlaß der Schaffung des Bauplatzes aufgetragenen unentgeltlichen Grundabtretung gedacht hätten, die Rückübertragung der strittigen Grundfläche ins Eigentum des Klägers vereinbart und die im Kaufvertrag von der Beklagten zusätzlich übernommenen Informationspflichten auf die mit der Rückübertragung der strittigen Grundfläche zusammenhängenden Verhandlungen ausgedehnt hätten, zumal eine Vernachlässigung der mit der Grundabtretung bzw. Rückstellung der strittigen Grundfläche verbundenen Wertverschiebung - wie sich anläßlich des vom Kläger ausgeübten Rücktrittsrechtes hinsichtlich einer kleineren Grundstücksteilfläche deutlich zeigte - gemessen am vereinbarten Kaufpreis (2 Millionen S gegenüber vorerst S 23,547.200,-) auch nicht ohne weiteres zumutbar erscheint. Nach der für die rechtliche Beurteilung weiters maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage verlangte der Kläger im September 1976 von der Stadt Wien, daß die strittige Grundfläche an ihn zurückübertragen werde, wobei er sich gegen deren Übertragung an die beklagte Partei aussprach und er auch gegenüber der beklagten Partei zum Ausdruck brachte, daß nur ihm das Recht zustünde, die Grundfläche rückübertragen zu erhalten, da er sie seinerzeit an die beklagte Parti nicht verkauft habe. Die beklagte Partei lehnte diese Rechtsauffassung des Klägers ab und bemühte sich selbst um die Zuschreibung dieses Grundstückes zu ihrem Bauplatz. Schließlich wurde von den Vorintanzen noch festgestellt, daß die beklagte Partei bei der Veräußerung des ihr nach dem Teilrücktritt des Klägers verbliebenen Restes des Bauplatzes an die G*** auf die strittige Grundfläche insofern Bezug genommen hat, als sie in diesem Kaufvertrag auf ihre Vorverhandlungen mit der Stadt Wien und dabei ua insbesondere darauf hinwies, daß Teile des bisherigen Straßgengrundes (Trennstück 8), ausgenommen einen Teil von 76 m 2 , kostenlos an die Verkäuferin übertragen würden. Gleichzeitig übertrug sie auch alle aus diesen Vorverhandlungen allenfalls ihr zustehenden Rechte.

Das Gesamtverhalten der beklagten Partei, insbesondere ihre in den Verhandlungen mit der Stadt Wien an den Tag gelegten Bemühungen, die Zuschreibung der strittigen Grundfläche zu ihrem Bauplatz zu erreichen und der von ihr in ihrem Kaufvertrag mit der G*** gemachte Hinweis, aufgrund ihrer Vorverhandlungen mit der Stadt Wien sollte die nun strittige Grundfläche kostenlos an sie, beklagte Partei, übertragen werden und die im Zusammenhang damit von ihr abgegebene Erklärung, alle aus diesen Vorverhandlungen allenfalls ihr zustehenden Rechte auf die G*** zu übertragen, stellt sich somit rechtlich als Verstoß der beklagten Partei gegen ihre im Kaufvertrag mit dem Kläger übernommenen, durch ergänzende Vertragsauslegung festgestellten Vertragspflichten und damit auch als Eingriff in die dem Kläger aus diesem Kaufvertrag zustehenden Forderungsrechte dar. Daß es sich bei diesem Verhalten der beklagten Partei um einen bewußten Eingriff in die Vertragsrechte des Klägers handelte, kann angesichts des Umstandes, daß der Kläger seinen Rechtsstandpunkt schon im September 1976 der Stadt Wien mitgeteilt und auch die beklagte Partei auf seinen Standpunkt hingewiesen hatte, nicht in Zweifel gezogen werden. Da die Rückübertragung der strittigen Grundfläche an den Kläger durch die festgestellte Verhaltensweise der beklagten Partei vereitelt wurde, diese Grundfläche nunmehr im Eigentum einer dritten Person steht, ohne daß dem Kläger ein entsprechender Gegenwert zugekommen wäre, steht auch fest, daß die beklagte Partei dem Kläger einen Schaden zugefügt hat, der - wie sich schon aus den bei den einzelnen Kaufverträgen vereinbarten Quadratmeterpreisen ergibt - den begehrten Ersatzbetrag bei weitem übersteigt.

Der Kläger hat bereits in der Klage der beklagten Partei zum Vorwurf gemacht, sie habe die der Rückübertragung der strittigen Grundfläche vorangegangenen Verhandlungen mit der Stadt Wien unter Ausschluß seiner Person geführt, die Zuschreibung der strittigen Grundfläche zu ihrem Bauplatz erreicht und letztlich darüber verfügt; er hat damit der Klägerin einen schuldhaften und rechtswidrigen Eingriff in seine vertraglichen Rechte ihr gegenüber zum Vorwurf gemacht und damit das von ihm gestellte Leistungsbegehren inhaltlich auf den Titel des Schadenersatzes gestützt. Da dem Kläger der Nachweis des Eintrittes eines Schadens, jedenfalls in der geltend gemachten Höhe, und dessen Verursachung durch ein vertragswidriges Verhalten der beklagten Partei gelungen ist und der Umstand, daß von den Vorinstanzen eine Bereicherung der beklagten Partei durch die von ihr vorgenommenen Transaktionen nicht als erwiesen angenommen werden konnte, für die aufrechte Erledigung des hier gestellten Schadenersatzbegehrens rechtlich unerheblich ist, erweist sich die Revision dem Grunde nach als berechtigt.

In der Tagsatzung vom 20.6.1985 hat die beklagte Partei allerdings hinsichtlich des in dieser Tagsatzung ausgedehnten Forderungsteiles von S 200.000,- s.A. die Einrede der Verjährung erhoben. Eine Stellungnahme dazu wurde vom Kläger nicht abgegeben. Nach § 1478 ABGB beginnt die Verjährung grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem das Recht zuerst hätte ausgeübt werden können. Schadenersatzansprüche verjähren - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - binnen 3 Jahren nach Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und der Person des Schädigers (§ 1489 ABGB). Aus dem Vorbringen in der am 25.9.1981 erhobenen Klage ergibt sich, daß dem Kläger damals schon der gesamte seinen Ersatzansprüchen zugrunde liegende Sachverhalt bekannt war, er insbesondere von den vertragswidrigen Verhaltensweisen der beklagten Partei und dem Umstand Kenntnis hatte, daß er wegen des seiner Ansicht nach vertragswidrigen Verhaltens der beklagten Partei die strittige Grundfläche nicht werde zurückerhalten können. Nach der Klagserzählung betrug der Wert dieser Grundfläche mehr als 3,7 Millionen Schilling. Es muß daher gesagt werden, daß dem Kläger bereits zur Zeit der Erhebung der vorliegenden Klage sowohl die Person als auch der Umstand bekannt war, daß der ihm von der beklagten Partei zugefügte Schaden in die Millionen geht. Wenn der Kläger unter diesen Umständen sein Klagebegehren erst in der Tagsatzung vom 20.6.1985 um S 200.000,- sA ausdehnte, so geschah dies bereits nach Ablauf von drei Jahren nach Erhebung der vorliegenden Klage. Da der Kläger im Revisionsverfahren den Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB, der der 30jährigen Verjährungsfrist unterliegen würde (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 1041; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1478, je samt Rechtsprechungsnachweis) im Hinblick auf das von ihm behauptete Vertragsverhältnis zu der beklagten Partei zu Recht (Rummel, aaO, Rz 9 zu § 1041 und Rz 34 zu Vor § 1431) - als Grundlage seines Klagebegehrens nicht mehr aufrecht erhalten hat und auch Ersatzansprüche im Rahmen der Interessenklage der kurzen Verjährung (3 Jahre) unterliegen (vgl. Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO, 2626; GlUNF 7372 ua), erweist sich die von der beklagten Partei hinsichtlich des erst in der Tagsatzung vom 20.6.1985 geltend gemachten Forderungsteiles erhobene Verjährungseinrede als beachtlich und damit die Revision nur teilweise als berechtigt. Die Urteile der Vorinstanzen mußten daher im Sinne der Stattgebung des bereits in der Klage geltend gemachten Zahlungsbegehrens und der Abweisung des ausgedehnten Klagebegehrens abgeändert werden. Die Entscheidung über die Prozeßkosten beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09661

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00609.86.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19861023_OGH0002_0080OB00609_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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