TE OGH 1986/11/6 12Os70/86

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Veröffentlicht am 06.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinhauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Silvia W*** und Erwin S*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 14.März 1986, GZ 9 Vr 2708/85-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen zur 1. Hauptfrage sowie das darauf beruhende Urteil im Schuldspruch und im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs gemäß § 38 StGB), ferner im Zuspruch gemäß § 369 StPO an den Privatbeteiligten Adolf Z*** aufgehoben und die Sache zu nochmaliger Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 1.April 1957 geborene beschäftigungslose Silvia W*** und der am 27.September 1959 geborene Musiker Erwin S*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB schuldig erkannt. Ihnen liegt zur Last, am 2.September 1985 in Kamperkogel, Bezirk Wolfsberg in Gesellschaft als Beteiligte und unter Verwendung einer Waffe dem Adolf Z*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem ihm eine Pistole angesetzt wurde, und durch Gewalt gegen seine Person, und zwar durch einen wuchtigen Hieb mit der Pistole gegen den Kopf und einen Fußtritt gegen das Gesicht, fremde bewegliche Sachen, nämlich 1.300 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Zueignung des Geldes unrechtmäßig zu bereichern, wobei Adolf Z*** durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde (mehrfacher Bruch des Unterkiefers; traumatischer Verlust eines Zahnes).

Dieses Urteil beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, die die an sie (anklagekonform) gerichtete einzige Hauptfrage nach diesem Raubverbrechen mit 5 Ja gegen 3 Nein-Stimmen beantwortet haben. Die erste Eventualfrage nach dem Vergehen des Diebstahls (§ 127 StGB), begangen durch Silvia W***, und die zweite Eventualfrage nach dem Verbrechen der Erpressung (§ 144 Abs. 1 StGB) sowie dem Vergehen der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB), begangen durch Erwin S***, ließen die Geschwornen (gemäß der ihnen erteilten Belehrung folgerichtig) unbeantwortet. Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagte mit inhaltlich weitgehend gleichlautenden, auf die Gründe der Z 5, 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO rügen die Beschwerdeführer mit Recht eine (einer Unrichtigkeit gleichkommenden) Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung sowohl hinsichtlich des Begriffes "Raub in Gesellschaft eines Beteiligten" als auch in Ansehung der Begriffe "Verwendung einer Tatwaffe" und "schwere Verletzung des Raubopfers".

Die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage beschränkt sich zum Begriff des (bewaffneten) Gesellschaftsraubes auf die Wiedergabe der Worte des Gesetzes ("... Raub in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligten oder unter Verwendung einer Waffe ....", vgl. S 303).

Rechtliche Beurteilung

Nach der besonderen Lagerung des vorliegenden Straffalles war dieser Rechtsbegriff den Geschwornen unbedingt näher zu erläutern, um eine Mißdeutung dieser in die Frage aufgenommenen gesetzlichen Merkmale zu vermeiden. Daß die Rechtsbelehrung im Rahmen der ersten Eventualfrage (: Diebstahl) über den Begriff der Verübung der Tat in Gesellschaft eines anderen Beteiligten weiteren Aufschluß gibt (Einverständnis der Tatbeteiligten, Zusammenwirken und Ortsanwesenheit), genügte vorliegend nicht. Denn diese Ausführungen mußten den Geschwornen, da sie sich nach Bejahung der Hauptfrage mit der Eventualfrage nicht mehr zu befassen hatten, völlig entgehen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , ENr. 51, 52 bei § 345 Z 8). Hinsichtlich der beiden zusätzlichen Qualifikationsmerkmale des schweren Raubes, nämlich der Verwendung einer Waffe und der schweren Verletzung des Beraubten (§ 143 zweiter und dritter Fall StGB), sind in der Rechtsbelehrung überhaupt keine Erläuterungen enthalten. Damit ließ die Rechtsbelehrung die Geschwornen aber im Unklaren darüber, wann einem Tatbeteiligten diese im Gesetz angeführten Erschwerungsumstände zuzurechnen sind. Die Rechtsbelehrung schweigt auch darüber, daß für die Verwendung einer Waffe (zumindest bedingter) Vorsatz erforderlich ist, für die Zurechnung der schweren Verletzung des Raubopfers aber Fahrlässigkeit (§ 7 Abs. 2 StGB) genügt (Leukauf-Steininger 2 , RN 8 bis 14, Zipf im WK, RZ 18 bis 20, jeweils zu § 143 StGB, JBl. 1984, 98). Schließlich wären den Geschwornen im Hinblick auf die Verantwortung der Angeklagten W*** auch noch Belehrungen über die (Nicht-) Haftung des einzelnen Tatbeteiligten bei Überschreitung des

gemeinsamen - allenfalls auch erst spontan und während der Tatverübung entstandenen (vgl. Zipf im WK, RZ 4 zu § 143 StGB) - Tatplanes durch den anderen Mittäter (sog. excessus mandati, vgl. Leukauf-Steininger 2 , RN 7, 8 zu § 13 StGB) zu erteilen gewesen - ungeachtet dessen, ob dem Schwurgerichtshof dieser Teil der Verantwortung glaubhaft erschien oder nicht, weil die Lösung dieser (Tat-) Frage allein den Geschwornen zukommt. Zu diesen Punkten fehlen Ausführungen in der Rechtsbelehrung überhaupt; da bei dem in Rede stehenden Tatgeschehen eine Gas- oder Schreckschußpistole verwendet wurde (S 91, 107 dA), wäre auch eine Erläuterung des Waffenbegriffes, wie er beim Raub von Bedeutung ist, angezeigt gewesen, insbesondere dahin, daß auch Schußwaffen dieser Art das Qualifikationsmerkmal erfüllen können (ÖJZ-LSK 1978/47, 80 zu § 143 StGB, 1977/352 zu § 1 lit. a WaffenG; Zipf aaO, RZ 15 bis 17).

Im Hinblick auf die wesentlich voneinander abweichende Tatbeteiligung, wie sie sich aus der Verantwortung der Angeklagten (siehe insbes. S 91 ff) und auch aus der Aussage des Zeugen Adolf Z*** ergibt, wäre es - um den Tatbeitrag der Angeklagten gesondert zu prüfen und eine gemeinsame und pauschale Beurteilung zu vermeiden - im zweiten Rechtsgang angebracht, für jeden Angeklagten eine besondere Frage an die Geschwornen zu stellen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , ENr. 28, 29 zu § 317).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden war daher nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß §§ 344, 285 e StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen (§ 349 Abs. 1 StPO), ohne daß es einer weiteren Erörterung der Beschwerdevorbringen bedarf.

Anmerkung

E09736

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00070.86.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19861106_OGH0002_0120OS00070_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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