TE OGH 1986/11/11 2Ob55/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut D***, Werkzeugmacher, 5280 Braunau am Inn, Dr. Gubystraße 46, vertreten durch Dr.Florian Lackner, Dr.Gerhard Holzinger, Dr.Monika Holzinger, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, wider die beklagten Parteien

1. Josef R***, Schlosser, 5280 Braunau am Inn,

Schmollstraße 11, 2. D*** Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, 1010 Wien, Schottenring 15, beide vertreten durch Dr.Manfred Lirk, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wegen 82.612,34 S und Feststellung (Streitwert 6.666,66 S), infolge Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. April 1986, GZ 2 R 31/86-29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 4. November 1985, GZ 3 Cg 326/84-22, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1. Die Revision des Klägers wird, soweit sie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft, zurückgewiesen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.471,12 S (darin 480 S Barauslagen und 271,92 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

2. Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 2.168,55 S (darin 300 S Barauslagen und 169,87 S Umsatzsteuer) an Kosten seiner Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3. August 1983 gegen 6,30 Uhr ereignete sich in Braunau am Inn im Bereich der Kreuzung der Salzburger Straße und der Sebastianistraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter des Motorrades Honda 750, Kennzeichen Nummer O-760, und der Erstbeklagte als Lenker und Halter des PKWs Fiat 127, Kennzeichen Nummer O-440.070, der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, beteiligt waren.

Der Kläger begehrte an Schadenersatz unter Berücksichtigung von Teilzahlungen 112.612,34 S s.A., und stellte auch ein Feststellungsbegehren. Er brachte vor, den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden an dem Unfall, weil er den Vorrang des Klägers verletzt habe.

Die Beklagten räumten ein Verschulden des Erstbeklagten im Ausmaß von 2/3 ein, erblickten aber ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von 1/3 darin, daß dieser vorschriftswidrig überholt habe, wobei sie behaupteten, daß die Kollision auf der Mitte der linken Fahrbahnhälfte (gesehen in Fahrtrichtung des Klägers) stattgefunden habe. Sie wendeten einen Betrag von 9.900 S für die Reparatur der Unfallsschäden am Fahrzeug des Erstbeklagten aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 82.612,34 S als zu Recht und mit 30.000 S als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung der Beklagten als nicht zu Recht bestehend, sprach dem Kläger daher 82.612,34 S s.A. zu und stellte die Haftung der Beklagten für alle künftigen Unfallsschäden des Klägers zu einem weiteren Drittel - die Haftung im Umfang von zwei Dritteln war bereits mit Teilurteil festgestellt worden - somit zur Gänze fest; das Mehrbegehren von 30.000 S s.A. wurde abgewiesen. Infolge Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes mit Urteil vom 30.April 1986, berichtigt mit Beschluß vom 17.September 1986, teilweise dahin ab, daß die Klagsforderung mit 39.624,94 S als zu Recht und mit 72.987,40 S als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung der Beklagten mit 1.980 S als zu Recht und mit 7.920 S als nicht zu Recht bestehend erkannt und dem Kläger daher 37.644,94 S s.A. zugesprochen und die Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden des Klägers im Umfang von insgesamt 4/5 festgestellt wurde; das Mehrbegehren auf weitere 74.967,40 S s.A. und das Feststellungsmehrbegehren von einem weiteren Fünftel wurden abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, im bestätigenden Teil 60.000 S übersteige, insgesamt jedoch nicht 300.000 S, und daß die Revision zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen des Klägers und der Beklagten; der Kläger bekämpft die Entscheidung in ihrem abweisenden Teil aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt die Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten bekämpfen den stattgebenden Teil der Entscheidung aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO und streben die Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung, allenfalls im Sinne des Zuspruches von 28.878,09 S s. A. an den Kläger und der Feststellung der Haftung der Beklagten im Umfang von nur 3/4, allenfalls des Zuspruches eines Betrages von 39.624,94 S s.A. an den Kläger an.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen der Kläger und die Beklagten, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben. Die Revision des Klägers ist, soweit sie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes und die Schadensteilung bekämpft, unzulässig; im übrigen ist die Revision zwar zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Das Erstgericht ist zusammenfassend von folgenden für das Revisionsverfahren noch bedeutsamen Feststellungen ausgegangen:

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Braunau vom 16. November 1983 wurde der Erstbeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB verurteilt, weil er als Lenker eines Personenkraftwagens beim Einbiegen aus der Sebastianistraße in die Salzburger Straße den bevorrangten Querverkehr nicht ausreichend beobachtet habe, sodaß er mit dem stadtauswärtsfahrenden, einen Bus überholenden Motorradfahrer Helmut D***, zusammengestoßen sei. Der Kläger war zunächst hinter einem stadtauswärtsfahrenden Werksbus der V*** M*** R*** auf der Salzburger Straße

nachgefahren. Als dieser nach rechts blinkte, um in die einmündende Sebastianistraße abzubiegen, schloß der Kläger auf. Der Bus hatte seine Geschwindigkeit auf etwa 20 km/h verringert, der Kläger von zunächst 40 bis 50 km/h auf ca. 30 km/h. Er entschloß sich, das endgültige Einbiegen des Busses nicht abzuwarten, sondern beschleunigte wieder, um an dem noch in die rechte Fahrbahnhälfte hineinreichenden Heck des bereits einbiegenden, ca. 10 m langen Busses vorbeizufahren. Dabei schloß der Kläger mit seinem Fahrzeug noch etwa bis zur Höhe der linken hinteren Fahrzeugecke des Busses auf. Er hielt dabei eine Fahrspur etwa im Bereiche der Mittellinie ein, wobei aber ein Überfahren der Fahrbahnhälfte nicht feststellbar ist. Während dessen kam der Erstbeklagte auf der Sebastianistraße zur Kreuzung. Er blieb zunächst 3,5 bis 4 m vor der Begrenzungslinie des Einmündungstrichters stehen und entschloß sich, in die Salzburger Straße nach links einzubiegen. Zu diesem Zeitpunkt war der rechts blinkende Bus noch ca. 3 bis 4 m vom Beginn des Einmündungstrichters entfernt. Als der PKW mit seiner rechten Vorderkante die Fahrbahnhälfte um ca. 20 cm überfahren hatte, streifte der Kläger bzw. sein Motorrad den PKW im Bereich der rechten vorderen Fahrzeugkante. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Geschwindigkeit des Erstbeklagten etwa 20 km/h, für den Kläger ist eine höhere Geschwindigkeit als 40 km/h nicht nachweisbar. Der Kläger hatte bei Erkennen des einbiegenden PKWs sein Motorrad noch nach links verlenkt, konnte jedoch eine Kollision nicht verhindern. Ein Reaktionsverzug ist bei keinem der Beteiligten feststellbar. Die Salzburger Straße ist keine gekennzeichnete Vorrangstraße, die Sebastianistraße ist durch das Vorschriftszeichen "Halt" gegenüber der Salzburger Straße abgewertet. Der Kläger erlitt einen Unterschenkeltrümmerbruch, eine Aussprengung eines Knochenspanes, eine Muskelquetschung und einen teilweisen Muskelabriß. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß ein Mitverschulden des Klägers nicht anzunehmen sei. Ein solches könnte nur in einem Verstoß gegen § 16 Abs 2 lit c StVO erblickt werden, wonach mehrspurige Fahrzeuge auf Kreuzungen, auf denen der Verkehr nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wird, nicht überholt werden dürften. Der Schutzzweck dieser Norm ziele nur auf den Schutz des bevorrangten, von rechts kommenden Querverkehrs, weil der Überholende in der Regel gehindert sei, auf den von rechts einbiegenden bevorrangten Verkehr zu achten. Ein Mitverschulden des Klägers sei daher nicht zu erkennen.

Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, soweit sie für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung sind, als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Das Berufungsgericht führte aus, das Erstgericht habe eine Mithaftung des Klägers im wesentlichen mit der Begründung verneint, daß der Schutzzweck der Bestimmung des § 16 Abs 2 lit c StVO nur im Schutz des bevorrangten, von rechts kommenden Querverkehrs bestehe. Diese Rechtsansicht sei jedoch im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 183/80 (ZVR 1981/222) nicht aufrechtzuhalten. Auszugehen sei davon, daß die versuchte "Vorbeifahrt" des Klägers am Heck des einbiegenden Busses als Überholen im Sinne des § 2 Abs 1 Z 29 StVO zu qualifizieren sei. Solange noch ein Teil des abbiegenden Fahrzeuges in dieselbe Fahrbahn hineinrage, sei von einem Überholen zu sprechen. Im vorliegenden Fall bestehe kein Zweifel, daß ein Teil des Busses noch in die Fahrbahn der Salzburger Straße ragte, sei dies doch der Grund gewesen, daß der Kläger nach links ausscherte, um an dem einbiegenden Bus vorbeizukommen. Das Fahrmanöver des Klägers müsse daher als Überholversuch angesehen werden. Zum Schutzzweck der Norm des § 16 Abs 2 lit c StVO habe der Oberste Gerichtshof u.a. ausgeführt, daß eine Auslegung, die dieser Gesetzesstelle im Ergebnis jeden Schutzzweck abspricht, wenn dem in Betracht kommenden Querverkehr durch angebrachte Vorrangzeichen der Vorrang genommen sei, sich damit in Widerspruch setze, daß nach dem zweiten Halbsatz des § 16 Abs 2 lit c StVO mehrspurige Fahrzeuge auf nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelten Kreuzungen nur überholt werden dürfen, wenn die Kreuzung auf einer Vorrangstraße durchfahren wird oder wenn rechts zu überholen sei. Wenn der Gesetzgeber nur diese Ausnahmen von dem im ersten Halbsatz dieser Gesetzesstelle normierten Überholverbot gemacht habe, so ergebe sich daraus, daß dieses Überholverbot auch auf Kreuzungen, an denen der Vorrang durch angebrachte Verkehrszeichen nach § 52 Z 23 oder Z 24 StVO geregelt wird, im Hinblick auf die durch derartige Überholmanöver bedingte Beeinträchtigung der Sichtmöglichkeit nach rechts dem Schutz eines von rechts kommenden Verkehrsteilnehmers diene, möge ihm auch durch die erwähnten Verkehrszeichen der Vorrang genommen sein. Gewiß werde dadurch eine allfällige Vorrangverletzung durch den von rechts kommenden benachrangten Verkehrsteilnehmern nicht ausgeschlossen; der Verstoß gegen das im § 16 Abs 2 lit c StVO normierte Überholverbot begründe aber auch in diesen Fällen die Übertretung eines zugunsten des von rechts kommenden Verkehrsteilnehmers erlassenen Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB, die den Übertreter schadenersatzpflichtig mache, außer er könnte beweisen, daß der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens in gleicher Weise eingetreten wäre. Einen solchen Beweis habe der Kläger nicht erbracht. Da dem Kläger ein Verstoß gegen ein Überholverbot anzulasten sei, müsse dies auch bei der Verschuldensaufteilung Berücksichtigung finden. Dabei sei allerdings in Unterscheidung zur Entscheidung in ZVR 1981/222 dem Kläger keine überhöhte Geschwindigkeit anzulasten, vielmehr lasse das Unfallsgeschehen keine rücksichtslose Fahrweise des Klägers erkennen und der Überholversuch müsse eher schon nahe einer Grenze angesiedelt werden, ab welcher erst von einem "auf derselben Fahrbahn in die gleiche Richtung fahrenden Fahrzeug" gesprochen werden könne. Diesen Umständen sei eine Haftungsteilung von 1 : 4 zum Nachteil der Beklagten angemessen.

1. Zur Revision des Klägers:

Der Kläger bekämpft zunächst die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes insoferne, als ihm die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz nicht zur Gänze zugesprochen wurden. Desweiteren führt er aus, daß kein Überholvorgang vorgelegen sei, weil nicht festgestellt worden sei, daß er sein Motorrad an dem in gleicher Richtung fahrenden Bus, der nach rechts abgebogen sei, vorbeibewegt habe. Schon aus diesem Grunde könne der Kläger nicht gegen das Überholverbot des § 16 Abs 2 lit c StVO verstoßen haben. Im übrigen liege der Zweck des genannten Überholverbotes lediglich im Schutz des von rechts kommenden bevorrangten, nicht aber in jenem des von rechts kommenden benachrangten Verkehrs. Dies sei auch in sämtlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes mit Ausnahme der in ZVR 1981/222 veröffentlichten ausgesprochen worden. Das Berufungsgericht hätte dieser vereinzelt gebliebenen Entscheidung nicht folgen dürfen, sondern vielmehr, da der Erstbeklagte jedenfalls nicht zu dem durch § 16 Abs 2 lit c StVO geschützten Personenkreis gehörte, mangels eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges zwischen dem Verhalten des Klägers und dem eingetretenen Unfall, wie das Erstgericht, vom Alleinverschulden des Erstbeklagten ausgehen müssen. Selbst bei Annahme eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges wäre das Mitverschulden des Klägers aber als geringfügig zu vernachlässigen gewesen.

Soweit der Kläger die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft, ist das Rechtsmittel unzulässig (§ 528 Abs 1 Z 2 ZPO). Im übrigen ist der Kläger darauf zu verweisen, daß im vorliegenden Fall die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes den Revisionsbeschränkungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO unterliegt. Die Revision ist daher nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO hat der Kläger aber nur hinsichtlich der Auslegung des § 16 Abs 2 lit c StVO geltend gemacht, nicht jedoch hinsichtlich der Schadensteilung. Im letzteren Umfang konnte daher auf seine Ausführungen nicht eingegangen werden.

Den Ausführungen der Revision betreffend die Auslegung des § 16 Abs 2 lit c StVO kann nicht gefolgt werden. Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen zu § 16 Abs 2 lit c StVO ergangenen Entscheidungen ausgesprochen, daß diese Bestimmung dem Schutz des von rechts kommenden Querverkehrs (so ZVR 1976/250 und 347, ZVR 1977/252, ZVR 1983/217 ua) bzw. dem Zweck dient, an nicht geregelten Kreuzungen den Vorrang der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer wahren zu können (so etwa ZVR 1975/109, ZVR 1979/62, ZVR 1981/1 und 28, ZVR 1980/39 und 214, ZVR 1984/208 ua). In allen diesen Entscheidungen ging es aber nicht um die Frage, ob der Zweck der genannten Bestimmung nur dem Schutz bevorrangter, von rechts kommender Verkehrsteilnehmer oder aller, somit auch benachrangter, von rechts kommender Verkehrsteilnehmer diene, sondern vielmehr darum, daß der Normzweck nur dem Schutz von rechts kommender Verkehrsteilnehmer diene, nicht aber etwa der Sicherheit des Verkehrs im allgemeinen, dem Schutz von links kommender oder nach links abbiegender Verkehrsteilnehmer oder dem Schutz des überholten Fahrzeuges. Lediglich in der in ZVR 1981/222 veröffentlichten Entscheidung 8 Ob 183/80 hat der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob alle von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer oder nur die im Vorrang befindlichen vom Schutzzweck des § 16 Abs 2 lit c StVO umfaßt sind, Stellung genommen. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, daß die Regelung des Vorranges durch die Vorrangzeichen "Vorrang geben" (§ 52 Z 23 StVO) oder "Halt" (§ 52 Z 24 StVO) für die Durchbrechung des im ersten Halbsatz des § 16 Abs 2 lit c StVO normierten Überholverbotes nicht hinreicht (Kammerhofer-Benes, Straßenverkehrsordnung 6 § 16 Anm. 11; Dittrich-Veit-Schuchlenz, Straßenverkehrsordnung 3 § 16 Anm. 43). Gewiß dient nach ständiger Rechtsprechung dieses Überholverbot grundsätzlich dem Zweck, an nicht geregelten Kreuzungen den Vorrang des von rechts kommenden Verkehrsteilnehmers wahren zu können (so ZVR 1979/62 und die dort zitierte Judikatur ua). Die Auslegung aber, daß dieser Gesetzesstelle im Ergebnis jeder Schutzzweck abzusprechen sei, wenn dem in Betracht kommenden Querverkehr durch angebrachte Vorrangzeichen (§ 52 Z 23 oder Z 24 StVO) ohnehin der Vorrang genommen sei, setzt sich damit in Widerspruch, daß nach dem

2. Halbsatz des § 16 Abs 2 lit c StVO mehrspurige Fahrzeuge auf nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelten Kreuzungen nur überholt werden dürfen, wenn die Kreuzung auf einer Vorrangstraße durchfahren wird oder wenn rechts zu überholen ist. Wenn der Gesetzgeber nur diese Ausnahmen von dem im ersten Halbsatz dieser Gesetzesstelle normierten Überholverbot gemacht hat, so ergibt sich daraus, daß dieses Überholverbot auch auf Kreuzungen, an denen der Vorrang durch angebrachte Verkehrszeichen nach § 52 Z 23 oder Z 24 StVO geregelt wird, im Hinblick auf die durch derartige Überholmanöver bedingte Beeinträchtigung der Sichtmöglichkeit nach rechts dem Schutz eines von rechts kommenden Verkehrsteilnehmers dient, mag ihm auch durch die erwähnten Verkehrszeichen der Vorrang genommen sein. Gewiß wird dadurch eine allfällige Vorrangverletzung durch den von rechts kommenden benachrangten Verkehrsteilnehmer nicht ausgeschlossen; der Verstoß gegen das im § 16 Abs 2 lit c StVO normierte Überholverbot begründet aber auch in diesen Fällen die Übertretung eines zu Gunsten des von rechts kommenden Verkehrsteilnehmers erlassenen Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB, die den Übertreter schadenersatzpflichtig macht, er könnte denn beweisen, daß der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens in gleicher Weise eingetreten wäre. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von der in der Entscheidung ZVR 1981/222 mit ausführlicher Begründung dargelegten Rechtsansicht abzugehen. Der Revision kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß ein Überholvorgang des Klägers bezüglich des rechts abbiegenden Busses nicht vorgelegen sei. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes war der Kläger zunächst hinter einem stadtauswärts fahrenden Werksbus der V*** M*** R*** auf der Salzburger Straße nachgefahren. Als dieser nach rechts blinkte, um in die einmündende Sebastianistraße einzubiegen, schloß der Kläger auf. Der Bus hatte seine Geschwindigkeit auf etwa 20 km/h verringert, der Kläger von zunächst 40 bis 50 km/h auf ca. 30 km/h. Er entschloß sich, das endgültige Einbiegen des Busses nicht abzuwarten, er beschleunigte wieder, um an dem noch in die rechte Fahrbahnhälfte hineinreichenden Heck des bereits einbiegenden ca. 10 m langen Busses vorbeizufahren. Dabei schloß der Kläger mit seinem Fahrzeug noch etwa bis zur Höhe der linken hinteren Fahrzeugecke des Busses auf. Er hielt dabei eine Fahrspur etwa im Bereiche der Mittellinie ein. Wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls in der Entscheidung ZVR 1981/222 ausführte, ist Überholen nach der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 29 StVO das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug. Überholen im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt aber auch dann vor, wenn der Überholte im Zeitpunkt der Vorbeibewegung in einer Seitenstraße nach rechts einbiegt, aber noch mit einem Teil seines Fahrzeuges dieselbe Fahrbahn wie der Überholer benützt. Dieser Fall lag nach den Feststellungen hier vor, sodaß das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision zutreffend einen Überholvorgang des Klägers bezüglich des Busses angenommen hat. Dem Kläger fällt daher ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 16 Abs 2 lit c StVO, einer Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, zur Last. Den ihm obliegenden Beweis, daß der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens in gleicher Weise eingetreten wäre, hat der Kläger, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, nicht erbracht. Der Kläger vermochte daher in seiner Revision eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes bezüglich der Auslegung des § 16 Abs 2 lit c StVO nicht aufzuzeigen.

In diesem Umfang mußte daher seinem Rechtsmittel ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

2. Zur Revision der Beklagten:

Unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens führen die Beklagten aus, das Berufungsgericht habe bei der Schadensberechnung die geleisteten Teilzahlungen der Beklagten nicht entsprechend berücksichtigt. Bei richtiger Berechnung wäre dem Kläger nur ein Betrag von 39.624,94 S s.A. zuzusprechen gewesen. Damit wird zwar in Wahrheit eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes geltendgemacht und nicht ein Verfahrensmangel, jedoch wurde dieser Rüge durch den Berichtigungsbeschluß des Berufungsgerichtes vom 17.September 1986 dadurch Rechnung getragen, daß die Klagsforderung mit 39.624,94 S als zu Recht bestehend erkannt wurde. Die Beklagten lassen bei ihrer Berechnung nämlich ihre Gegenforderung in dem der Schadensteilung von 1 : 4 zu ihren Lasten entsprechenden Betrag von 1.980 S außer Acht, die das Berufungsgericht zutreffend zu ihren Gunsten berücksichtigt und daher dem Kläger nur 37.644,94 S s.A., also weniger als die Beklagten in ihrer Revision anstreben, zugesprochen hat. Den Beklagten fehlt es daher diesbezüglich an der Rechtsmittelvoraussetzung der Beschwer, die auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel vorliegen muß (vgl. EvBl 1971/152 u.a.). In diesem Umfang ist die Revision daher mangels Beschwer unzulässig und somit zurückzuweisen. Unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führen die Beklagten aus, in der Entscheidung ZVR 1981/222, die das Berufungsgericht zutreffend angewendet habe, sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des den Vorrang mißachtenden Verkehrsteilnehmers vorgenommen worden. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Vorschrift des § 16 Abs 2 lit c StVO hätte deren Verletzung durch den Kläger die Annahme eines Mitverschuldens des Klägers von einem Drittel oder zumindest von einem Viertel gerechtfertigt.

Mit diesen Ausführungen bekämpfen die Beklagten jedoch in Wahrheit die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensteilung:

Der Rechtsmittelwerber darf, auch wenn die Revision zugelassen wurde, in der Revision nur Rechtsfragen des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO geltend machen. Werden keine solchen Rechtsfragen aufgeworfen, dann ist die Revision nicht gesetzmäßig im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO ausgeführt und damit zurückzuweisen. In ähnlicher Weise war gemäß § 502 Abs 4 ZPO in der Fassung vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 die Revision in Kündigungsstreitigkeiten lediglich aus dem im § 503 Z 4 ZPO (alte Fassung) bezeichneten Grund und nur dann zulässig, wenn sie im Urteil des Berufungsgerichtes für zulässig erkannt worden war. Lehre und Rechtsprechung (Fasching, Kommentar IV 286 und ErgBd. 104 f.; MietSlg 28.611 u.a.) haben dazu die Auffassung vertreten, daß selbst dann, wenn die Revision vom Berufungsgericht zugelassen wurde, sie dennoch zurückzuweisen sei, wenn sie sich auf unzulässige Revisionsgründe stütze. Nichts anderes kann aber gelten, wenn in einer nach § 500 Abs 3 ZPO zugelassenen Revision kein Revisionsgrund nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO geltend gemacht wird (8 Ob 53/84, 4 Ob 328/84; 6 Ob 523/84 u.a.).

Die Revision der Beklagten war daher auch in diesem Umfang mangels gesetzmäßiger Ausführung im Sinn des § 503 Abs 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Dem Kläger waren nur 50 % der Kosten seiner Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten im Umfang der Bekämpfung der Schadensteilung nicht hingewiesen hat.

Anmerkung

E09553

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00055.86.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19861111_OGH0002_0020OB00055_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten