TE OGH 1986/11/11 10Os137/86

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Veröffentlicht am 11.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch sowie Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert H*** und Karin W*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG n.F. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten Karin W*** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 26.Juni 1986, GZ 20 Vr 1491/85-104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten Karin W*** auch die Kosten des durch ihre Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch andere Entscheidungen enthält, wurde Karin W*** zu

A) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG n.F. und zu

B) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SuchtgiftG n.F.

schuldig erkannt.

Darnach hat sie

A) gemeinsam mit Robert H*** den bestehenden Vorschriften

zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 300 Gramm Kokain mit dem bereits rechtskräftig verurteilten Fritz S*** in der Zeit vom 12.November 1984 bis 16.November 1984 aus Kolumbien über die Schweiz nach Österreich eingeführt, sowie

B) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SuchtgiftG n.F. den

bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte eingeführt, erworben und besessen, anderen überlassen oder verschafft und zwar

I 1) gemeinsam mit Robert H*** im Spätherbst 1984 drei bis vier Gramm Kokain aus Holland nach Österreich eingeführt und besessen;

II b 1) im Mai 1984 in Hart zwei Gramm Kokain dem Fritz S***,

2) im Jahre 1984 in Bregenz drei Stück Captagontabletten dem James C*** und

3) vom Februar bis Juni 1985 in Begrenz Cannabisharz dem Robert H*** überlassen;

III b 1) von Jänner bis März 1985 von Ivica S*** mehrmals Cannabisharz,

2) im Juni 1985 in Bregenz von Gabriele F*** unbekannte Mengen Cannabisharz und zwei Captagontabletten,

3) im Februar 1985 in Bregenz von Jürgen M*** mehrmals Cannabisharz,

4) am 29. Jänner, 5.März, 24.März und 25.April 1985 in Bregenz von Alfred B*** jeweils Cannabisharz,

5)

im April 1985 in Lustenau von Uwe K*** mehrmals Cannabisharz,

6)

am 19. Juni 1985 in Bregenz von Dietmar S*** Cannabisharz,

7)

von 1983 bis Juli 1985 in Bregenz von James C*** mehrmals Cannabisharz erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG n.F. (Faktum A) bekämpft die Angeklagte W*** mit einer auf Z 4 und Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Verfahrensrüge versagt.

In der Hauptverhandlung am 26. Juni 1986 beantragte die Angeklagte unter anderem "Sachbefund aus dem Gebiete der Psychiatrie" zum Beweise dafür, daß sie sich zum Zeitpunkt der Vernehmungen vor der Erhebungsabteilung und vor dem Untersuchungsrichter auf Grund der erlittenen Haft, der gegen sie erhobenen Vorwürfe sowie der sonstigen persönlichen psychischen Konstitution in einem Zustand befand, der eine Vernehmungsfähigkeit ausschloß" (S 148/III). Diesen Beweisantrag wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis mit der Begründung ab, daß die Aufnahme des begehrten Sachbefundes aussichtslos sei, weil heute nicht mehr festgestellt werden könne, in welchem Zustand die Angeklagte bei der Einvenahme gewesen sei (S 150/III). In der schriftlichen Urteilsausfertigung wird hiezu ergänzend ausgeführt, der Beweisantrag habe "mit Beruhigung" abgelehnt werden können, "da nicht der geringste Anhaltspunkt selbst aus der eigenen Aussage der Angeklagten W*** dafür zu entnehmen ist", es gänzlich unwahrscheinlich sei, daß der Untersuchungsrichter bei mehrfachen Vernehmungen nichts von einer Vernehmungsfähigkeit gemerkt hätte und außerdem nach so langer Zeit eine ärztliche Untersuchung kein Ergebnis in dieser Richtung erbringen könnte (US 17). Durch die Ablehnung des beantragten Sachverständigengutachtens sind Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt worden. Die Angeklagte widerrief in der Hauptverhandlung am 26.Juni 1986 ihre vor der Erhebungsabteilung und dem Untersuchungsrichter abgelegten Geständnisse. Ihre Angaben vor der Gendarmerie am 17.Juli 1985 erklärte sie mit dem Versprechen der Kriminalbeamten, wenn sie die Aussage des Zeugen S*** bestätige, "komme sie heraus" (S 133/III); jene vor dem Untersuchungsrichter hinwieder begründete sie damit, daß sie damals alles ausgesagt und unterschrieben hätte, sie hätte zu allem ja gesagt, sie hätte auch ihr Todesurteil unterschrieben, sie hätte aus allem herausgewollt (S 131/III); sie sei so durcheinander gewesen, sie hätte so viel gesagt, daß sie nicht mehr wisse, was sie gesagt hätte, sie sei einfach total schockiert gewesen (S 135/III).

Unter diesem Gesichtspunkt bestand in Ansehung ihrer Angaben vor der Sicherheitsbehörde überhaupt kein Anlaß zur Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, denn nach ihrem eigenen Vorbringen behauptete die Beschwerdeführerin selbst keineswegs, in diesem Verfahrensstadium aussageunfähig gewesen zu sein. Aber auch bezüglich ihrer Aussagen vor dem Untersuchungsrichter lagen die Voraussetzungen für die Erstattung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht vor. Ein solches wäre nur dann einzuholen gewesen, wenn Umstände vorgebracht worden wären, deren richtige Auswertung von Fachkenntnissen abhängt, die nicht jedes Mitglied des Gerichtes besitzt (SSt 22/53). Soweit die Richter ein Beweisergebnis nach ihrer allgemeinen und fachlichen Bildung beurteilen können, bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht (so bereits KH 1543 u.a.). Das oben wiedergegebene Vorbringen der Angeklagten in bezug auf ihre Angaben vor dem Untersuchungsrichter war vom erkennenden Gericht auf seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen und unterlag demnach dessen an keine Beweisregeln gebundener Beweiswürdigung. Das beantragte Sachverständigengutachten wäre nur dann einzuholen gewesen, wenn objektive - nur durch eine Fachexpertise zu klärende - Momente vorgebracht worden wären, welche die Aussagefähigkeit der Beschwerdeführerin zur Zeit ihrer Vernehmung durch den Untersuchungsrichter in Frage gestellt hätten. Die Prüfung des Wahrheitsgehaltes ihrer Behauptungen, bei einer Einvernahme "total schockiert" und "total durcheinander" gewesen zu sein, setzt aber kein derartiges Fachwissen voraus, das nur ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Psychiatrie hat; sie ist vielmehr vom erkennenden Gericht im Umfang seiner Beweiswürdigung durchzuführen. Das Erstgericht war daher zur begehrten Beweisaufnahme nicht gehalten. Der gerügte Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.

Durch die - im Rahmen der Mängelrüge geltend

gemachte - Unterlassung der Einvernahme des Untersuchungsrichters als Zeuge zu dieser Frage, womit jedoch der Sache nach ebenfalls noch ein Verfahrensmangel (Z 4) releviert wird, kann sich die Angeklagte aber deswegen nicht für beschwert erachten, da sie selbst einen darauf abzielenden Antrag in der mit Urteil beendeten Hauptverhandlung gar nicht gestellt hat. Daran vermag auch ihre Bezugnahme auf einen darauf gerichteten - vom Schöffengericht ebenfalls abgewiesenen - Antrag des Staatsanwaltes nichts zu ändern. Die Angeklagte ist diesem Antrag nämlich nicht beigetreten, sondern hat hiezu (nach dem Inhalt des - ungerügten - Hauptverhandlungsprotokolls) eine Stellungnahme überhaupt nicht abgegeben. Mangels irgendeiner Erklärung, diesen Antrag auch zu ihrem eigenen machen zu wollen, fehlt es aber von vornherein an den Voraussetzungen für die Legitimierung zur Erhebung einer darauf bezughabenden Verfahrensrüge (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 , ENr. 34-36 zu § 281 Abs 1 Z 4).

Der Vollständigkeit halber sei abschließend darauf verwiesen, daß der Antrag des Staatsanwaltes auf Vernehmung "der Zeugen Dr. B***, Insp. T*** und F*** der Kriminalabteilung" - nach dessen Formulierung der (aktenkundige) Untersuchungsrichter Dr. B*** sogar der Exekutive zuzuordnen wäre (siehe Hauptverhandlungsprotokoll S 148/III) - kein Beweisthema enthält. Es fehlt demnach überhaupt an einem auf seine Berechtigung überprüfbaren Beweisantrag, zumal sich ein solches Thema vorliegend auch keineswegs direkt aus dem Zusammenhang selbst ergibt. Dies erhellt eindeutig durch den - wie erwähnt in der Mängelrüge - unternommenen Versuch der Beschwerdeführerin, dem - ohne Beweisthema gestellten - Antrag der Staatsanwaltschaft ihrerseits (nur) die Frage ihrer Aussage(un)fähigkeit zu unterstellen (vgl. hiezu insb. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E Nr. 18 - 19a, u.a.).

Auch die Mängelrüge ist nicht berechtigt.

Als nicht ausreichend begründet erachtet die Beschwerdeführerin die Urteilsannahme, sie sei zur Zeit ihrer Vernehmungen durch den Untersuchungsrichter nicht "vernehmungsfähig" gewesen; dieser Einwand ist jedoch mangels ausreichender Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Nicht einzugehen ist auf das bloß spekulative Beschwerdevorbringen, es bleibe nach wie vor die Frage offen, ob die Verurteilte seinerzeit nicht wirklich, wenn auch nicht durch Gutachten belegbar, vernehmungsfähig war; damit wird nämlich ein Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht zur Darstellung gebracht.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zuwider hat das Erstgericht ihre Aussage, sie habe die Angaben vor dem Untersuchungsrichter nur gemacht, um endlich aus dem Gefängnis zu kommen, keineswegs übergangen, sondern diesem Vorbringen mit dem (allerdings sehr unglücklich formulierten) Hinweis, es sei "müßig, sich mit solch unsinnigen Aussagen näher auseinanderzusetzen", die Glaubwürdigkeit versagt (US 17).

Nicht zielführend sind auch die Ausführungen in bezug auf "die Vorgangsweise des Erstgerichtes im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen Fritz S***". Mit dem Hinweis auf allfällige "vom Erstgericht" (einem Kollegialorgan; ersichtlich demnach gemeint: vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes) vorgenommene Unterstreichungen einzelner Stellen im Hauptverhandlungsprotokoll kann ein dem Urteil anhaftender Begründungsmangel, der mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbar wäre, von vornherein nicht aufgezeigt werden. Die daran anschließende weitere Rüge, eine Würdigung "der im Protokoll klar zu Tage tretenden Widersprüchlichkeiten" in den verschiedenen, vom Genannten im Zuge dieses Verfahrens abgelegten Aussagen sei unterblieben, entbehrt zudem mangels eines deutlichen und bestimmten Hinweises (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO), auf welche Passagen der jeweiligen Aussagen das Beschwerdevorbringen gemünzt ist, einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Völlig unklar ist, welcher Nichtigkeitsgrund mit dem gegen das Vorgehen des Erstgerichtes über die von der Staatsanwaltschaft in Ansehung des Zeugen S*** gestellten Anträge polemisierenden Vorbringen zur Darstellung gebracht werden soll. Ersichtlich laufen diese Ausführungen mit dem Hinweis, daß auch die Staatsanwaltschaft Bedenken gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen S*** durch ihre Antragstellung auf Aufnahme eines gesonderten Protokolls gemäß § 277 StPO sowie auf Verhaftung dieses Zeugen zum Ausdruck brachte, welchen Anträgen nicht entsprochen wurde, wiederum nur auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes hinaus.

Die Urteilsfeststellungen zum Faktum A) finden - den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider - im Beweisverfahren, insbesondere in den Ergebnissen der Hauptverhandlung Deckung. Aus den Entscheidungsgründen (US 12, 13, 15, 16 f) erhellt, daß das Erstgericht diese Feststellungen primär auf die geständige Verantwortung der Angeklagten vor der Sicherheitsbehörde und dem Untersuchungsrichter stützte.

So gesehen erweisen sich die Einwände der Beschwerdeführerin, die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen "im Zusammenhang mit der Kolumbien-Reise" seien durch das Beweisverfahren, insbesondere durch die Ergebnisse der Hauptverhandlung vom 26.Juni 1986 nicht gedeckt, als unzulässiger Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Denn in der Hauptverhandlung hat der als Zeuge vernommene Fritz S*** ausgesagt, seine Angaben vor dem Untersuchungsrichter seien im wesentlichen richtig (Seite 138, 139/III). Da sich aus jener Aussage des Zeugen S*** ergibt, daß Karin W*** schon vor Antritt der Reise nach Kolumbien wußte, daß diese dem Ankauf von Suchtgiften diente (Seite 31/III) und daß schon auf der Fahrt zum Flughafen Zürich über den beabsichtigten Ankauf von Kokain gesprochen worden sei (Seite 32/III), kann keine Rede davon sein, daß die darauf gestützten Feststellungen zum bekämpften Urteilsfaktum (vgl. US 11 f) keine Deckung in den Ergebnissen der Hauptverhandlung vom 26.Juni 1986 fänden.

Gleichfalls völlig unsubstantiiert und deshalb einer Erwiderung unzugänglich sind die Einwände, das Erstgericht sei auf "allfällige bisherige Aussagen" des Zeugen S*** nicht eingegangen sowie eine Würdigung "der im Protokoll klar zu Tage tretenden Widersprüchlichkeiten" sei vollends unterblieben.

Auf eine unzulässige Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung läuft endlich der Hinweis der Beschwerdeführerin, der Zeuge S*** sei vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter "infolge Haft und Vernehmungsweise" unter Druck gestanden, hinaus, weil damit lediglich der Beweiswert der diesbezüglichen Aussagen in Zweifel gezogen wird. Ein Begründungsmangel (Z 5) des Ersturteils wird jedoch solcherart nicht aufgezeigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung als teils nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO offenbar unbegründet, teils nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO jedoch nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09706

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00137.86.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19861111_OGH0002_0100OS00137_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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