TE OGH 1986/11/19 3Ob581/86

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Veröffentlicht am 19.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter P***, Kaufmann, 6020 Innsbruck, Hofgasse 4, vertreten durch Dr.Walter Hofbauer, Dr.Helmut Rantner, Dr.Walter Kerle, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Gertrude Ö***, Hausfrau, 6020 Innsbruck, Hofgasse 4, vertreten durch Dr.Hermann R***, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2.) Monika I***, Lehrerin, 6600 Reutte, Schulstraße 3, vertreten durch Herbert Hillebrand, Dr. Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufhebung einer Eigentumsgemeinschaft infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 9.April 1986, GZ 5 R 73/86-29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Dezember 1985, GZ 11 Cg 427/84-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 31.468,37 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.206,22 S Umsatzsteuer und 7.200 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Liegenschaft EZ 43 II KG Innsbruck, bestehend aus der Bauparzelle 429 mit dem Haus Innsbruck, Hofgasse 4, steht zu 1/3 im Eigentum des Klägers und zu 1/3 im Eigentum der Erstbeklagten. Hinsichtlich des restlichen 1/3-Anteiles ist festzuhalten, daß im Grundbuch noch das Eigentumsrecht für die am 6.Dezember 1982 verstorbene Irene B*** einverleibt ist. Gemäß rechtskräftiger Einantwortungsurkunde vom 26.Jänner 1983, A 249/82-7 des Bezirksgerichtes Reutte, ist die Zweitbeklagte Alleinerbin nach Irene B*** und ist auf deren 1/3-Anteil in EZ 43 II KG Innsbruck das Eigentumsrecht für die Zweitbeklagte einzuverleiben. Eine Verbücherung hat bisher jedoch nicht stattgefunden. Die Zweitbeklagte hat ihren 1/3-Anteil im übrigen in der Zwischenzeit an Dr. Herbert S*** verkauft.

Der Kläger begehrte die Zivilteilung der gemeinschaftlichen Liegenschaft.

Die beiden Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Sie wendeten, gestützt auf die geschilderten bücherlichen Verhältnisse, fehlende passive Klagslegitimation der Zweitbeklagten ein; ferner machten sie geltend, die Teilung werde zur Unzeit und zu ihrem Nachteile begehrt, wobei sie im Verfahren erster Instanz folgende Umstände anführten: Das ganze Haus sei mit langjährigen Mietverträgen vermietet, weshalb nur ein geringer Verkaufserlös erzielbar sei. Das Haus sei in einem schlechten Bauzustand, was vor allem auch dadurch bewirkt worden sei, daß der Kläger seit längerem den von ihm geschuldeten Mietzins für das im Parterre gelegene Geschäftslokal nicht bezahle. Nach Vornahme entsprechender Sanierungsarbeiten steige der Verkaufserlös. Die erforderlichen Mittel stünden den Miteigentümern zur Verfügung und würden insbesondere durch günstige öffentliche Kredite aufgebracht werden können. Die Beklagten wiesen schließlich darauf hin, daß sie gegen den Kläger ein Räumungsbegehren planten, worüber beim Außerstreitgericht ein Verfahren zur Genehmigung der Räumungsklage anhängig sei, welches für die Beurteilung der Frage der Unzeit präjudiziell sei.

Das Erstgericht gab der Teilungsklage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Die beiden Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Das strittige Haus besteht aus einem Keller, einem Geschäft im Erdgeschoß, einer Wohnung und einem Magazin im 1. Stock und sechs Wohnungen in den drei weiteren Obergeschoßen.

Keller und Geschäftslokal sind an den Kläger vermietet, dies seit dem Jahr 1978, und zwar um einen Mietzins von wertgesicherten 8.000 S monatlich, derzeit etwa 12.000 S monatlich, den der Kläger aber seit Mai 1984 nicht mehr entrichtet. Das Magazin im 1. Stock ist leerstehend. Die Wohnung im 1. Stock ist an die Erstbeklagte um einen Mietzins von 150 S monatlich vermietet, die derzeit auch nicht bezahlt werden. Die Nordwohnung im 2. Stock ist um 1.200 S monatlich vermietet, die Südwohnung im 2. Stock ist leer, die Nordwohnung im

3.

Stock ist um 1.370 S monatlich vermietet, die Südwohnung im

3.

Stock benützt Dr. Herbert S***, die Nordwohnung im 4. Stock benützt die Erstbeklagte, die Südwohnung im 4. Stock der Kläger. Eine Mietzinsreserve besteht nicht.

Das Haus ist reparaturbedürftig, zur Sanierung sind Kosten von etwa 655.000 S zuzüglich Umsatzsteuer nötig. Durch diese Reparaturen würde der Gesamtwert des Hauses aber nur um einen etwa 70 % dieses Betrages ausmachenden Betrag steigen. Für potentielle Käufer derartiger Häuser sind auch steuerliche Überlegungen maßgebend. Auf Grund dieses Sachverhaltes bejahten beide Vorinstanzen die passive Klagslegitimation hinsichtlich beider Beklagter und verneinten Unzeit und Geltendmachung der Teilung zum Nachteil der beklagten Parteien.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen der beiden beklagten Parteien.

Die Erstbeklagte macht die Anfechtungsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO geltend und beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne einer Klagsabweisung, hilfsweise die Aufhebung desselben.

Die Zweitbeklagte erhebt nur eine Rechtsrüge und beantragt die Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichtes, hilfsweise die Abänderung desselben im Sinne einer Klagsabweisung. Die klagende Partei beantragt, den Revisionen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind unbegründet:

Die von der erstbeklagten Partei geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Zu den in den beiden Revisionen enthaltenen Rechtsrügen ist folgendes auszuführen:

a) Zur passiven Klagslegitimation:

Daß die Teilungsklage nur von denjenigen und nur gegen denjenigen Miteigentümer erhoben werden könne, dessen Miteigentumsrecht verbüchert sei, wurde zwar in früherer Zeit wiederholt auch vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen (Entscheidungen wie GlU 9038, GlUNF 1301). In neuerer Zeit vertritt jedoch der Oberste Gerichtshof ständig die Auffassung, daß die Bestimmungen der §§ 830 ff ABGB ein bücherliches Eigentum der einzelnen Miteigentümer nicht voraussetzen, sodaß insbesondere auch der schon eingeantwortete Erbe eines Miteigentümers schon vor der Verbücherung seines Miteigentumsrechtes zur Teilungsklage aktiv oder passiv legitimiert ist (Entscheidungen wie EvBl 1963/103, MietSlg 33.068). Es besteht kein Anlaß, von dieser (neueren) Rechtsprechung abzugehen.

Die bloße Veräußerung des Miteigentumsanteiles verschafft hingegen kein "außerbücherliches" Eigentum wie etwa die Einantwortung, sondern nur einen Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsrechtes und hindert daher nicht, daß die Teilungsklage noch gegen den derzeitigen Miteigentümer erhoben werden kann (vgl. SZ 38/115, sogar für den hier gar nicht gegebenen Fall, als im Grundbuch schon die Rangordnung für eine beabsichtigte Veräußerung angemerkt war).

b) Möglichkeit einer Realteilung:

Zwar hat gemäß §§ 841, 843 ABGB die Aufhebung der Gemeinschaft grundsätzlich durch Realteilung zu geschehen und die Zivilteilung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Naturalteilung nicht möglich oder doch untunlich ist. Besteht aber die gemeinschaftliche Liegenschaft aus einem Haus, kommt eine Naturalteilung im allgemeinen nicht in Frage; denn ein Gebäude läßt sich nicht ohne weiteres in mehrere Teile von annehmend gleicher Beschaffenheit erlegen. Zulässig wäre ja nur eine vertikale Teilung von Gebäuden, nicht aber etwa eine Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum. Inwieweit im vorliegenden Fall dennoch ausnahmsweise eine Naturalteilung möglich und tunlich wäre, hätte daher von den Teilungsgegnern dargetan werden müssen, was in erster Instanz nicht einmal ansatzweise geschehen ist. Die Vorinstanzen haben sich daher mit der Frage der Möglichkeit einer Realteilung mit Recht nicht näher befaßt (Entscheidungen wie MietSlg 34.080, 35.064, 36.055 u. a.).

c) Unzeit oder Nachteil der übrigen:

Als Teilungshindernis werden von den beklagten Parteien im Revisionsverfahren folgende Umstände geltend gemacht:

1.) Bestehen eines für die übrigen Miteigentümer ungünstigen Mietvertrages zugunsten des Klägers als Mieter hinsichtlich gewisser Geschäftslokale und damit zusammenhängend Versuche zur Beendigung dieses Mietvertrages.

2.) Schlechter Bauzustand des Objekts und damit zusammenhängend Vernachlässigung gewisser steuerlicher Überlegungen.

3.) Gefahr des Verlustes der von den Beklagten benützten Wohnungen.

4.) Verschulden des Klägers an bestehenden Spannungen zwischen den Miteigentümern und fehlendes Rechtsschutzinteresse des Klägers sowie mißbräuchliche Geltendmachung des Teilungsanspruches. Keiner dieser Umstände rechtfertigt aber einen Aufschub der Teilung.

Zu 1.):

Daß der Kläger in seiner Eigenschaft als Mieter für bestimmte Rechtsräumlichkeiten des strittigen Hauses einen unangemessen niedrigen Mietzins zu leisten hat, so daß die allfällige Durchsetzbarkeit einer Aufhebung dieses Mietvertrages dazu führen kann, daß die Miteigentümer durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages einen wesentlich höheren Mietzinsertrag erzielen können, was unter Umständen auch für einen Kaufinteressenten als wertmindernder Faktor von Belang sein könnte, haben die beiden Beklagten in erster Instanz nie vorgetragen. Die jetzige Geltendmachung dieses Umstandes stellt daher einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot dar.

Zu 2.):

Daß ein vorübergehend gegebener schlechter Bauzustand ein Teilungshindernis darstellen kann, trifft zu. Voraussetzung ist aber, daß dadurch wirklich die Gefahr heraufbeschworen wird, daß bei einer sofortigen Durchführung der Zivilteilung ein geringerer Versteigerungserlös zu erwarten ist als bei Durchführung der Versteigerung nach Vornahme entsprechender Instandsetzungsarbeiten. Sofern in den Revisionen der Versuch unternommen wird, von den Feststellungen der Vorinstanzen abzurücken, muß darauf hingewiesen werden, daß in der Rechtsrüge vom festgestellten und nicht von einem urteilsfremden Sachverhalt auszugehen ist. Und wenn der Sachverständige unter Einbeziehung aller Umstände dieses Falles (teilweises Bestehen von Mietverträgen, steuerliche Anreize usw.) zu einem bestimmten Wertansatz gelangte und die Vorinstanzen die sich daraus ergebenden Wertansätze als erwiesen annahmen, dann stellt die Stellungnahme zu den Argumenten des Sachverständigen nur den im Revisionsverfahren nicht zulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar.

Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen steht aber im vorliegenden Fall fest, daß der Verkehrswert des strittigen Hauses nach sofortiger Vornahme erforderlicher Reparaturen nur um 70 % des Betrages steigen würde, den die Miteigentümer für diese Reparaturen aufwenden müßten. Für die Miteigentümer wären also 30 % des Reparaturaufwandes verlorenes Geld. Dieser Verlust könnte nur dann keine Rolle spielen, wenn die Miteigentümer in der Lage wären, die gesamten Reparaturkosten steuerlich abzusetzen und bei entsprechend hohem Einkommen wegen der Steuerprogression mehr als 30 % dieser Auslagen durch Erniedrigung von Einkommensteuer wieder hereinbrächten, wofür es bei den beiden Beklagten, denen die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, überhaupt keine Anhaltspunkte gibt. Wenn in verschiedenen Entscheidungen ausgesprochen wurde, daß die Reparaturbedürftigkeit eines Hauses unter gewissen sonstigen Voraussetzungen (z.B. Vorhandensein oder leichte Beschaffenheit der erforderlichen Mittel) einen Aufschub der Teilung rechtfertigen kann, dann wurde immer vorausgesetzt, daß im konkreten Fall die sofortige Durchführung der Versteigerung tatsächlich zu einer Einbuße für die einzelnen Miteigentümer führt (vgl. etwa JBl 1982, 209 u.a.). Auf Grund der im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen besteht aber die Gefahr einer solchen Einbuße nicht, sodaß nicht zu prüfen ist, ob überhaupt die nötigen Mittel vorhanden oder leicht aufbringbar wären.

Zu 3.):

Eine drohende Obdachlosigkeit der Teilungsgegner und noch weniger der allein geltend gemachte bloße Verlust einer Wohnungsmöglichkeit bieten nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kein Teilungshindernis, wenn nicht ganz spezielle Umstände dafür sprechen, daß es sich hier nur um einen vorübergehenden Zustand handelt, daß also in absehbarer Zeit eine andere Situation gegeben ist, wozu die Beklagten in der vorliegenden Rechtssache aber nichts vorgebracht haben (MietSlg 34.071, 35.060, 36.048 u.a.).

Zu 4.):

Der Teilungsanspruch nach § 830 ABGB ist ein unbedingter Anspruch jedes Teilhabers, so daß grundsätzlich kein Rechtsmißbrauch vorliegt, wenn ein Miteigentümer von diesem seinem Recht Gebrauch macht, und es daher nicht erforderlich ist, eine besondere Interessenlage im Sinne eines Rechtsschutzinteresses auf der Seite des Klägers zu untersuchen (MietSlg 34.068). Daraus, ob zwischen den Miteigentümern Spannungen bestehen oder nicht, ob diese in Zukunft (mit einem neuen Miteigentümer) in Wegfall kommen können oder wer allfällige Spannungen verursacht hat, kommt es daher nicht an. Schikane läge wie in allen Fällen nur dann vor, wenn der Kläger sein Recht oder eigenes Interesse mit dem ausschließlichen Zweck ausüben würde, die beklagten Parteien zu schädigen

(MietSlg 36.045), wofür es im vorliegenden Verfahren nicht die

geringsten Anhaltspunkte gibt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E09560

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00581.86.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19861119_OGH0002_0030OB00581_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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