TE OGH 1986/11/26 7Ob701/86

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Veröffentlicht am 26.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

C***-B***, Wien 1., Schottengasse 6-8, vertreten

durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Hans W***, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma E*** Maschinenbau Gesellschaft m.b.H., wegen 68.009,06 S samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. Juli 1986, GZ 3 R 245/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. August 1985, GZ. 35 Cg 836/83-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 5.197,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.800 S Barauslagen und 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der E*** Maschinenbau Gesellschaft m.b.H. (im folgenden kurz E***) wurde am 27. April 1982 der Konkurs eröffnet. Der Beklagte wurde zum Masseverwalter bestellt. Die Klägerin hat der E*** einen Kontokorrentkredit gewährt, wobei vereinbart war, daß dieser Kredit durch Zessionen gesichert werden soll. Tatsächlich hat die E*** der Klägerin eine Reihe von Forderungen zediert, darunter in der Zeit zwischen dem 1. März und 15. April 1982 gegen die I*** Gesellschaft m.b.H. zustehende Forderungen von insgesamt 68.009,06 S. Obwohl die Firma I*** von den Zessionen verständigt worden war, zahlte sie ihre Schuld irrtümlich nicht an die Klägerin, sondern an den Masseverwalter. Nach Entdeckung dieses Irrtums trat die Firma I*** ihren gegen die Gemeinschuldnerin zustehenden Rückzahlungsanspruch der Klägerin ab. Diese verlangt mit der vorliegenden Klage den Betrag von 68.009,06 S s. A. vom Beklagten als Masseverwalter der E***.

Der Beklagte erhob eine auf § 31 KO gestützte Anfechtungseinrede mit der Begründung, durch die Abtretungen seien die Gläubiger der Gemeinschuldnerin benachteiligt worden. Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin hätte der Klägerin bei Anwendung gehöriger Sorgfalt bekannt sein müssen.

Übereinstimmend bejahten die Vorinstanzen die Berechtigung des Masseverwalters zur einredeweisen Geltendmachung eines Anfechtungstatbestandes nach § 31 KO auch gegen eine Forderung, die der Klägerin nur im Zessionswege zugekommen ist. Ferner wurde von beiden Vorinstanzen unbekämpft ausgeführt, daß ein Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs.1 Z 2 erster Fall KO nicht vorliege. Schließlich legten beide Vorinstanzen die durch Lehre und Judikatur entwickelten Grundsätze für eine Anfechtung nach § 31 Abs.1 Z 2 zweiter Fall KO dar. Hiebei führten sie insbesondere aus, daß es für eine Anfechtung nach dieser Gesetzesstelle genüge, wenn der Masseverwalter Umstände beweist, die den Schluß rechtfertigen, dem Anfechtungsgegner habe die Zahlungsunfähigkeit der nachmaligen Gemeinschuldnerin bekannt sein müssen (SZ 40/146, JBl. 1983, 654). Der Anfechtungsgegnerin stehe der Gegenbeweis offen, daß sie infolge besonderer Umstände von der Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis haben mußte. Gereiche die Unkenntnis der Umstände, die den Rückschluß auf den Vermögensverfall zur Zeit der Vornahme des anzufechtenden Rechtsgeschäftes begründen, dem Anfechtungsgegner zum Vorwurf, beruhe sie demnach auf einer Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, so sei auch der subjektive Tatbestand erfüllt. Dabei genüge jede Art von Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners. Ob ihm Fahrlässigkeit zur Last falle, bestimme sich nach dem ihm im maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zur Verfügung stehenden Auskunftsmittel, dem Maß ihrer vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung, wobei das Wissenmüssen der mit der Sache für den Anfechtungsgegner befaßten Personen entscheide. Das Gesetz habe im Interesse der Gläubiger das Risiko dem Geschäftspartner zugeschoben, der vor dem Vermögensverfall des Gemeinschuldners, wenn auch nur fahrlässig, die Augen verschließe (JBl 1983, 654 u.a.).

Gestützt auf die oben wiedergegebene Rechtslage haben jedoch die Vorinstanzen den von ihnen konkret festgestellten Sachverhalt insoferne verschieden beurteilt, als das Erstgericht den Standpunkt vertrat, die Klägerin habe bei Gewährung des Kredites an den Gemeinschuldner nicht alle ihr zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen, während das Berufungsgericht die Maßnahmen der Klägerin als ausreichend bewertete.

Das Berufungsgericht hat demnach, im Gegensatz zum Erstgericht, dem Klagebegehren stattgegeben und die Revision für zulässig erklärt, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob die Anfechtungseinrede bei der Anfechtung von Zessionen gegenüber dem Zedenten auch dann geltend gemacht werden könne, wenn diesem die Kondiktionsforderung des Debitor Zessus, der an die Konkursmasse Zahlungen geleistet hat, abgetreten wurde, noch nicht befaßt habe. In seiner auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision bekämpft der Beklagte ausschließlich die Wertung des Verhaltens der Klägerin als nicht fahrlässig durch das Berufungsgericht.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung gestellte Antrag auf Zurückweisung der Revision ist gerechtfertigt. Die sich aus § 31 Abs.1 Z 2 zweiter Fall KO ergebende Rechtslage haben beide Vorinstanzen unter Berücksichtigung der Judikatur erschöpfend und richtig dargelegt. zu diesem Punkte enthält die Revision keinerlei Bekämpfung. Vielmehr geht der Beklagte von der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsansicht zu der erwähnten Gesetzesstelle aus. Bekämpft wird lediglich die rechtliche Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes auf eine allfällige Fahrlässigkeit der Klägerin, die aus den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen gezogen wurde. Gegenstand der Revision ist demnach nicht die Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage, sondern nur die Anwendung der vom Berufungsgericht richtig dargestellten Rechtsgrundsätze auf einen konkreten Einzelfall, bezüglich dessen kaum anzunehmen ist, daß er in dieser Form auch weiteren Rechtsstreitigkeiten zugrundeliegen wird.

Nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO ist bei einem 300.000 S nicht übersteigenden Streitwert die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die für die Revisionszulässigkeit maßgebende Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Hat das Berufungsgericht im Sinne einer einheitlichen und von der Lehre anerkannten Rechtsprechung entschieden, dann kann die Zulässigkeit der Revision nur mit neuen bedeutsamen Argumenten begründet werden. Der Oberste Gerichtshof soll, von grundsätzlichen Fragen abgesehen unter anderem auch nicht Entscheidungen über eine Verschuldensbeurteilung, die Art der Verschuldensteilung und die Schwere eines Verschuldens zu treffen haben. Der Rechtsmittelwerber wird daher immer zu überlegen haben, ob sein Rechtsproblem potentiell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (8 Ob 79/85, 3 Ob 4,5/84 u.a.).

Da im vorliegenden Fall die grundsätzlichen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der Lehre und der Judikatur gelöst wurden, der Rechtsmittelwerber diese Lösung gar nicht bekämpft und sich die Anfechtung nur gegen die zu der richtigen Lösung der grundsätzlichen Rechtsfragen nicht in einem unlösbaren Widerspruch stehende Anwendung auf einen konkreten Einzelfall richtet, sind diesbezüglich die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO für die Zulässigkeit einer Revision nicht gegeben.

Tatsächlich hat das Berufungsgericht auch nicht die oben aufgezeigte Frage zur Begründung seiner Zulassungsentscheidung erwähnt. Geht man aber davon aus, daß der Oberste Gerichtshof die Verschuldensbeurteilung durch das Berufungsgericht im konkreten Fall nicht prüfen kann, so gelangt man auf jeden Fall zu einer Klagsstattgebung. Die vom Berufungsgericht für seine Zulassungsentscheidung herangezogene Rechtsfrage spielt demnach für die Sachentscheidung keine Rolle, weil auch ihre Lösung in einem anderen Sinn als dem vom Berufungsgericht angenommenen zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Zur Begründung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO bedarf es aber auch der weiteren Voraussetzung, daß die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt (JBl. 1985, 303, 7 Ob 685/85). Mangels einer derartigen Präjudizialität können solche Rechtsfragen die Zulässigkeit einer Revision nicht begründen. Die Aufgabe des Obersten Gerichtshofes ist nach wie vor die Entscheidung über konkrete Rechtsfälle, nicht aber die bloß theoretische Lösung von Rechtsfragen.

Aus den aufgezeigten Erwägungen erweist sich sohin die Revision als nicht zulässig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09850

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00701.86.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19861126_OGH0002_0070OB00701_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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