TE OGH 1986/11/26 7Ob707/86

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Veröffentlicht am 26.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ekkehard B***, Rechtsanwalt in Dornbirn, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dipl.Kfm. Walter O***, Lustenau, wider die beklagte Partei D*** S***, Dornbirn, Bahnhofstraße 2, vertreten durch Dr. Josef Spiegel und Dr. Martin Spiegel, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 575.352,08 S s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. August 1986, GZ. 2 R 184/86-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. März 1986, GZ. 11 a Cg 2/86-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Dipl. Kfm. Walter O*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 23. Jänner 1985, S 1/85, der Konkurs eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Das Konkursverfahren ist noch nicht beendet.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Zuspruch von 575.352,08 S s.A. mit der Begründung, die Beklagte habe dem Gemeinschuldner einen Kredit eingeräumt, zu dessen Besicherung Zessionen vereinbart worden seien. Tatsächlich habe der Gemeinschuldner der Beklagten in der Zeit zwischen dem 18. Mai 1984 und der Konkurseröffnung Forderungen von zusammen 659.951,70 S zediert. Hievon stehen der Beklagten 549.993,08 S zur freien Verfügung. Der Beklagten hätte bereits bei Einräumung des Kredites die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners bekannt sein müssen. Dies gelte auch für die Zeitpunkte der jeweiligen Zessionen. Demnach werden die einzelnen Zessionen samt den entsprechenden Zahlungen und der diesen zugrundeliegende Vertrag vom 18. Mai 1984 nach den Bestimmungen der §§ 30 f. KO im Ausmaß der prozentuellen Überdeckung von 549.993,08 S angefochten. Ferner sei der Beklagten ein Betrag von 25.359 S auf Grund einer Ausgleichszahlung des Finanzamtes zugunsten des Gemeinschuldners zugeflossen. Auf diesen Betrag habe die Beklagte keinen Anspruch. Die Zahlung werde insbesondere im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 1 KO angefochten.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, eine Anfechtungsklage müsse ein Rechtsgestaltungsbegehren enthalten. Da im vorliegenden Fall nur ein Leistungsbegehren vorliege, erweise sich die Klage als unschlüssig.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben, wobei es in rechtlicher Hinsicht ausführte, das Fehlen eines Rechtsgestaltungsbegehrens mache eine Anfechtungsklage nicht unschlüssig. Es müsse demnach im vorliegenden Fall der behauptete Anfechtungstatbestand geprüft werden. Bezüglich des Betrages von 25.359 S s.A. verweise die Klägerin selbst darauf, daß dieser Betrag der Beklagten erst nach Konkurseröffnung zugeflossen sei. Dies begründe schon auf Grund des § 3 KO einen Herausgabeanspruch. Diesbezüglich handle es sich gar nicht um eine Anfechtungsklage, weshalb in diesem Umfang die Klagsabweisung aus dem vom Erstgericht ins Treffen geführten Grund nicht gerechtfertigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Richtig ist, daß die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht ihre Deckung bei König (Die Anfechtung nach der Konkursordnung, Rdz 402) und in der Entscheidung 6 Ob 679/85 des Obersten Gerichtshofes (veröffentlicht in JBl. 1986, 665) findet. Es wird dort ausdrücklich ausgeführt, daß die Anfechtungsklage auf Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlungen gegenüber den Gläubigern gerichtet sein müsse. Je nach den Umständen könne daneben auch ein Leistungsbegehren erhoben werden. Daraus folge aber, daß das Fehlen eines Rechtsgestaltungsbegehrens die Unschlüssigkeit der Anfechtungsklage bewirke und das Leistungsbegehren immer nur als rechtliche Konsequenz des rechtsgestaltenden Anspruches angesehen werden könne.

Außer auf König beruft sich die Entscheidung JBl. 1986, 665 zur Stützung ihrer Rechtsansicht nur auf die Entscheidungen JBl. 1985, 494 und SZ 54/153. Keine dieser Entscheidungen spricht jedoch den in der Entscheidung JBl. 1986, 665 enthaltenen Rechtssatz aus. Beide Entscheidungen beschäftigen sich vielmehr mit der Frage, ob es sich bei dem Anfechtungsbegehren um ein Feststellungsbegehren handelt, weshalb zu prüfen wäre, ob nicht bereits eine Leistungsklage möglich sei. Bei Lösung dieser Frage gelangen beide Entscheidungen zum Ergebnis, daß es sich bei der Anfechtungsklage um eine Rechtsgestaltungsklage handelt, deren Begehren sowohl allein als auch neben dem Begehren auf Leistung an die Konkursmasse auf die Unwirksamerklärung der angefochtenen Rechtshandlung gerichtet sein kann. Demnach kann diesen Entscheidungen nicht entnommen werden, daß ein Leistungsbegehren allein nicht ausreichend wäre, sondern nur, daß auch ein Rechtsgestaltungsbegehren allein zulässig ist. Kurz vor der Entscheidung SZ 54/153 erging die Entscheidung SZ 53/31, die ausdrücklich aussprach, daß ein Leistungsbegehren allein genüge. Zur Stützung dieser Rechtsansicht verweist diese Entscheidung auf die in SZ 44/19 und SZ 32/56 veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die allerdings nur Anfechtungen nach der Anfechtungsordnung, nicht aber Anfechtungen im Konkurs zum Gegenstand hatten. Grundlage für die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes SZ 54/153, MietSlg. 33.795 und JBl. 1985, 494, war jedoch die Entscheidung SZ 9/106, die ihrerseits auch nur ausführte, daß das Begehren auf Unwirksamerklärung der Rechtshandlung auch ohne Leistungsbegehren zulässig ist. Auch dort ist von einer Unzulässigkeit eines allein gestellten Leistungsbegehrens keine Rede. Dagegen sprechen die Entscheidungen RZ 1958, 27 und 139 sowie RZ 1965, 30 ausdrücklich aus, daß es sich bei der Anfechtungsklage in der Regel um eine Leistungsklage mit dem Ziel einer schuldrechtlichen Leistung des Anfechtungsgegners an die Konkursmasse handelt. Demnach könne die Anfechtungsklage im Konkurs auch eine Leistungsklage sein (daß diese Grundsätze auch für die Anfechtung im Konkurs gelten, ist den erwähnten Entscheidungen ausdrücklich zu entnehmen). Schließlich stehen auch Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht, 385 f. auf dem Standpunkt, daß es sich bei der Anfechtung im Konkurs um eine Rechtsgestaltungsklage handelt, doch führen sie weiter (Insolvenzrecht, 413) aus, Streitgegenstand sei der auf bestimmten, seine Wesenheit begründenden Tatsachen ruhende, auf Rechtsgestaltung oder (und auch) auf Verurteilung gerichtete Anspruch.

Wie die obige Darstellung zeigt, vertreten also nur die Entscheidung JBl. 1986, 665 (hier allerdings als obiter dictum) und König eindeutig die Rechtsansicht, ein auf bloße Leistung gerichtetes Klagebegehren sei ein in einem Anfechtungsprozeß im Konkurs unschlüssiges Begehren.

Der erkennende Senat gelangt aus folgenden Erwägungen zu dem Ergebnis, daß auch ein Leistungsbegehren im Anfechtungsprozeß im Konkurs ausreichend ist:

Daß die Anfechtung im Konkurs eine Rechtsgestaltung zum Ziel hat, ergibt sich aus § 27 KO. Die Konkursordnung schreibt jedoch nicht den Inhalt dieses Begehrens vor. § 39 Abs. 1 KO umschreibt den Inhalt des Anfechtungsanspruches dahin, daß das, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Gemeinschuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, zur Konkursmasse geleistet werden muß. Ist dies nicht tunlich, so ist Ersatz zu leisten. Dieser Wortlaut deutet sohin auf ein Leistungsbegehren hin. Der Umstand, daß mit einer Klage eine Rechtsgestaltung angestrebt wird, spricht noch nicht eindeutig dagegen, daß dieses Ziel in der Form eines Leistungsbegehrens angestrebt wird. Keine Gesetzesstelle sagt, wie ein Rechtsgestaltungsbegehren gefaßt werden muß. Sicher ist nur, daß die Geltendmachung eines Rechtsgestaltungsanspruches klar erkennen lassen muß, daß eine solche Rechtsgestaltung angestrebt und auf welchen Sachverhalt sie gestützt wird. Diesen Erfordernissen muß eine Anfechtungsklage im Konkurs entsprechen. Vor allem muß ihr zu entnehmen sein, welcher Anfechtungstatbestand geltend gemacht wird, ohne daß hier die paragraphenmäßige Zitierung zu fordern wäre. Häufig wird wegen der Mehrheit von Folgewirkungen die Geltendmachung eines Rechtsgestaltungsanspruches nicht in Form eines bloßen Leistungsbegehrens möglich sein. Hat jedoch ein Rechtsgestaltungsanspruch ausschließlich Wirkungen gegenüber einer bestimmten Person oder gegenüber einer bestimmt umschriebenen Personengruppe und kommt als einzig denkbare Folge der Rechtsgestaltung eine bestimmte Leistung an diese Person oder Personengruppe in Frage, so ist nicht einzusehen, warum das Klagebegehren nicht ausschließlich auf dieses einzig mögliche Ergebnis der Rechtsgestaltung gerichtet sein darf. Würde man zusätzlich noch eine Formulierung, die nur die Rechtsgestaltung zum Gegenstand hat, fordern, so wäre dies ein reiner Formalismus. Zweck des Prozeßrechtes ist es nicht, bestimmte formelle Aussprüche zu erzielen, sondern jenen Zustand herzustellen, den die Rechtsordnung anstrebt. Demnach lehnt die österreichische Rechtsordnung, bei aller Anerkennung der Einhaltung unbedingt notwendiger Formen, einen bloßen Formalismus ab. Sicherlich trägt der Kläger auch bei der Anfechtung im Konkurs das gesamte Risiko einer Unklarheit. Ein bloßes Leistungsbegehren wird allerdings überall dort nicht ausreichen, wo das Ergebnis der angestrebten Rechtsgestaltung nicht eindeutig abgegrenzt und umschrieben ist. Wo aber die Rechtsgestaltung nur die Folge der Leistung an eine Person haben kann, muß die zwingende Forderung der Aufnahme eines ausdrücklichen Rechtsgestaltungsbegehrens im Urteilsantrag als reiner Formalismus abgelehnt werden. In einem solchen Fall genügt es vielmehr, daß der Anspruch auf Rechtsgestaltung in der Klagserzählung ausreichend spezifiziert wird.

Da demnach unter den aufgezeigten Umständen die Rechtsgestaltung bereits im Leistungsurteil enthalten ist, spielt es auch keine Rolle, daß die nachträgliche Stellung eines Rechtsgestaltungsbegehrens durch den Kläger vom Erstgericht als "Klagsänderung" nicht zugelassen wurde.

In jüngster Zeit hat der dritte Senat des Obersten Gerichtshofes in seiner Entscheidung vom 12. November 1986, 3 Ob 632/86, die Auffassung vertreten, ein Rechtsgestaltungsbegehren sei zwar erforderlich, doch könne es noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist nachgeholt werden, weil keine Klagsänderung vorliege. Er hat zur Nachholung des Rechtsgestaltungsbegehrens die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Diese, im Gegensatz zur bisherigen Judikatur stehende Rechtsansicht wird vom erkennenden Senat ebenfalls nicht geteilt. Abgesehen davon, daß, wie bereits dargestellt wurde, nach Ansicht des erkennenden Senates bereits das Leistungsbegehren, in Fällen wie dem vorliegenden, das Rechtsgestaltungsbegehren enthält, wäre der Entscheidung des dritten Senates auch entgegenzuhalten, daß, falls man das Rechtsgestaltungsbegehren als für die Schlüssigkeit der Klage unabdingbar ansehen würde, in der Stellung eines zusätzlichen derartigen Begehrens nur eine Klagsänderung erblickt werden könnte, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt der Stellung dieses Begehrens zu beurteilen wäre. Eine Rückverweisung der Sache bloß zum Nachholen eines ohnehin schon erhobenen und daher nicht als verspätet angesehenen (im Leistungsbegehren enthaltenen) Begehrens erscheint dem Senat nicht zielführend, zum Nachholen eines verspäteten Begehrens aber unzulässig.

Unter Ablehnung des wiedergegebenen Rechtssatzes in der in diesem Punkt vereinzelt gebliebenen Entscheidung (JBl. 1986, 665) und der diesen deckenden Stelle bei König sowie der Entscheidung 3 Ob 632/86 wird demnach die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gebilligt. Was den Betrag von 25.359 S anlangt, so ist es richtig, daß schon auf Grund des Klagsvorbringens die Zahlung an die Beklagte keinesfalls eine Anfechtung nach den Bestimmungen der §§ 27 ff. KO begründen kann. Der Kläger stützt jedoch seinen diesbezüglichen Anspruch auf Herausgabe nicht derart ausschließlich auf die Bestimmungen über die Anfechtung im Konkurs, daß daraus abgeleitet werden könnte, er wolle aus keinem anderen Rechtstitel einen Zuspruch. Dies ergibt sich schon daraus, daß das Herausgabebegehren nicht schlechthin auf § 30 Abs. 1 Z 1 KO gestützt wird, sondern die Herausgabe allgemein, "insbesondere im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 1 KO" gefordert wird. Gerade der Hinweis auf den Zeitpunkt der Zahlung an die Beklagte, also nach der Konkurseröffnung, läßt erkennen, daß als Rückforderungstatbestand auch die Zahlung nach der Konkurseröffnung geltend gemacht wird. Die Verwendung des Ausdruckes "Anfechtbarkeit" tut nicht dar, daß damit nur eine Anfechtung im Konkurs gemeint ist. Dieser Ausdruck wird auch in vielen anderen rechtlichen Zusammenhängen verwendet.

Richtig hat demnach das Berufungsgericht erkannt, daß mangels ausschließlicher Heranziehung der Bestimmungen der §§ 27 ff. KO durch den Kläger das Klagebegehren auch bezüglich der 25.359 S sachlich geprüft werden muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10043

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00707.86.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19861126_OGH0002_0070OB00707_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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