TE OGH 1986/12/3 1Ob656/86

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Veröffentlicht am 03.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Franz P***, Wien 13., Wenzgasse 3, als Masseverwalter im Konkurs des Hans B***, Stadtbaumeister, Mödling, Hamerlingasse 6-8, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn, Dr. Fritz Wintersberger, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei Firma V*** G*** ZUR S*** VON W*** Gesellschaft mit beschränkter

Haftung, Wien 23., Plattlgasse 10/2, vertreten durch Dr. Herbert Schaller, Dr. Elisabeth C. Schaller, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,930.337,34 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 1. Juli 1986, GZ 4 R 21/86-56, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 31. Oktober 1985, GZ 11 Cg 255/81-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.813,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.764,90 USt. und S 2.400,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Hans B*** wurde entweder von der beklagten Partei oder von der Firma K*** Baugesellschaft mbH am 28.2.1977 mit der Durchführung von Baumeisterarbeiten für das Reihenhausprojekt Wien 23., Schillingergasse-Plattlgasse beauftragt. Er beendete seine Arbeiten Mitte 1978. Die Schlußrechnung legte er mit Datum 27.5.1981. Eine formelle Endabnahme fand nicht statt. In der Zeit vom 6.3.1980 bis 22.12.1981 bemühte sich Hans B***, über Rüge seines Vertragspartners eine Reihe von Mängeln zu beheben. Derzeit liegen aber noch immer behebbare, die ordnungsgemäße Benützung nicht hindernde Mängel vor, im Hause 1 Unebenheiten einer Terrasse, Feuchtigkeit im Obergeschoß bei einem einschläuchigen Kamin und Feuchtigkeitsschäden in der Umgebung des Kellerausganges, im Hause 3 Feuchtigkeit im Kellergeschoß, Feuchtigkeitsflecken im Obergeschoß bei einem einschläuchigen Kamin, lose klingender Fliesenbelag im Bad, eine aufgerissene Putzanschlußfuge bei der Vorgartenmauer sowie Mängel an den Außenanlagen (Waschbetonplatten, Garagenabfahrt). Die Behebung dieser Mängel würde Kosten von S 47.650,-- zuzüglich Umsatzsteuer verursachen. Für weitere wirtschaftlich nicht vertretbare Behebungen oder Behebungen, die zu vermeidbaren Störungen der Wohnungseigentümer führen würden und durch andere Professionisten im Zuge von Restaurierungsarbeiten vorgenommen werden könnten, für vom Kläger zu vertretende anteilige Mängel ist ein Betrag von S 35.310,-- zuzüglich Umsatzsteuer anzusetzen. Die klagende Partei begehrte in der am 27.12.1978 eingebrachten Klage ursprünglich aufgrund einer Teilrechnung vom 2.5.1978 den Zuspruch des Betrages von S 1,074.145,36 samt Anhang. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31.3.1982 dehnte sie ihr Begehren aufgrund der Schlußrechnung mit Datum 27.5.1981 mit einem Betrag von S 4,030.337,34 abzüglich Akontozahlungen von S 2,100.000,-- sowie Freiwerden des Deckungsrücklasses auf den Betrag von S 1,930.337,34 samt Anhang aus. Alle behebbaren Mängel seien behoben worden. Es lägen allenfalls noch unwesentliche, aber unbehebbare Mängel vor, die zu einer Preisminderung führen könnten, der Rechnungsbetrag sei aber fällig. In der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.9.1985 wendete die klagende Partei zum Einwand der beklagten Partei, der Rechnungsbetrag sei wegen der vom Sachverständigen festgestellten Mängel, die zwar unbehebbar, aber nicht wesentlich seien, noch nicht fällig, "Verstoß gegen das Schikaneverbot" ein.

Die beklagte Partei wendete mangelnde Passivlegitimation, Verjährung und mangelnde Fälligkeit wegen des Vorliegens von behebbaren von der klagenden Partei zu vertretender Mängel ein. Der Forderungsbetrag sei auch überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Fälligkeit des Werklohnes trete nicht vor Verbesserung des mangelhaften Werkes ein. Dieses Leistungsverweigerungsrecht stehe unter Beachtung des Schikaneverbotes uneingeschränkt zu. Schikane liege nur vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bilde. Dafür habe die klagende Partei als Beweispflichtige nicht einmal Beweise angeboten, die vorliegenden Mängel könnten wegen ihrer Vielzahl und Verschiedenartigkeit auch nicht als ganz unerheblich angesehen werden, sodaß ihre Geltendmachung nicht als Schikane empfunden werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Der Besteller, der seine Gegenleistung noch nicht oder noch nicht zur Gänze erbracht habe und die Verbesserung des mangelhaften Werkes fordere, sei berechtigt, die gesamte Gegenleistung bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer, somit bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes zu verweigern. Der Einwand des nicht gehörig erfüllten Vertrages und die Zurückbehaltung der gesamten noch ausständigen Leistung des Schuldners sei auch dann zulässig, wenn die Mängel gering seien oder wenn die Behebung der verbliebenen Mängel lediglich einen im Vergleich zur Schuld geringen Kostenaufwand erfordere. Als einzige Grenze des Zurückbehaltungsrechtes werde das Schikaneverbot anerkannt, wobei aber die Beweislast für das Vorliegen einer entsprechenden positiven Schädigungsabsicht als einzigen Beweggrundes für die Rechtsausübung des Bestellers den Unternehmer treffe. Die festgestellten Mängel mögen zwar nicht den ordentlichen Gebrauch der von der klagenden Partei hergestellten Reihenhäuser hindern, sie seien aber nicht ganz unerheblich, weil es sich dabei nicht um solche Fehler handle, die kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfinde. Ihre Geltendmachung durch die beklagte Partei verstoße daher nicht gegen das Schikaneverbot.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die klagende Partei ist zur Verbesserung von noch bestehenden Mängeln des von ihr errichteten Werkes mit einem Aufwand von S 56.277,-- verpflichtet. Eine unerhebliche Minderung des Wertes im Sinne des § 932 Abs 2 ABGB, das wäre ein ganz unwesentlicher Mangel, den kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet (RZ 1983/41; Koziol-Welser 7 I 232), ein bloßer Schönheitsfehler also (4 Ob 546/82), liegt nicht vor. Verbesserungsansprüche der beklagten Partei wären entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dadurch erloschen, daß die beklagte Partei die von der klagenden Partei errichteten Reihenhäuser bereits veräußert hätte. Gerade in diesem Fall könnte ein Interesse der beklagten Partei an der Verbesserung bestehen, weil die Käufer ihrerseits Gewährleistungsansprüche an die beklagte Partei stellten. Nur dann, wenn das Interesse des Bestellers an der Verbesserung überhaupt weggefallen wäre, etwa weil die Käufer eine Verbesserung eines verbesserungsfähigen Mangels ablehnten oder etwa, wie bei Erwerb in einer Zwangsversteigerung, nicht mehr begehren könnten (SZ 56/59), würde Fälligkeit3des Werklohnes gegeben sein (RdW 1984, 41). Ein solches Vorbringen erstattete die klagende Partei nicht.

Bestehen aber von der beklagten Partei geltend gemachte Verbesserungsansprüche, so hat die klagende Partei den Werkvertrag nicht gehörig erfüllt. Es entspricht ständiger, von der überwiegenden Lehre gebilligter Rechtsprechung, daß der Besteller, selbst wenn er das mangelhafte Werk als Erfüllung angenommen hat, berechtigt ist, die ganze Gegenleistung bis zur Verbesserung d s mangelhaften Werkes durch den Unternehmer zu verweigern (RZ 1984/80;

RdW 1984, 41; SZ 56/106; SZ 56/59; SZ 54/35; SZ 53/7; SZ 52/23 uva;

Aicher in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 1052; Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 1170; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 932). Seine Grenze findet das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers dort, wo ihm schikanöse Rechtsausübung zur Last liegt (RdW 1984, 41; SZ 56/106; SZ 56/59; RZ 1983/41 uva; Aicher aaO, Krejci aaO). Richtig ist zwar, daß in den Entscheidungen SZ 44/69 und HS 3161/38 die Rechtsansicht vertreten wurde, daß der auf Bezahlung des Werklohnes geklagte Besteller bei Vorliegen von Mängeln des Werkes, deren Verbesserung er begehrt hatte, nur das für die notwendigen Verbesserungen erforderliche Deckungskapital zurückbehalten dürfe. Die Entscheidungen SZ 44/69 stützt sich zur Begründung ihrer Rechtsansicht auf die Entscheidungen HS 3161/38 und SZ 25/277, die Entscheidung HS 3161/38 auf SZ 25/277. In dieser Entscheidung hatte aber der Besteller bereits den ganzen Werklohn bezahlt, dann erst stellte sich das Vorliegen von behebbaren Mängeln heraus, deren Verbesserung er nun erfolglos begehrt hatte. Für diesen Fall wurde erkannt, daß der Besteller die Mängel nicht vorerst mit eigenen Mitteln beheben lassen müsse und dann erst seinen Aufwand ersetzt verlangen könne, vielmehr sei er, wie sich schon aus § 353 EO ergebe, berechtigt, das für die von ihm durchzuführende Verbesserung notwendige Deckungskapital sofort vom Unternehmer zu begehren. Bereits in der Entscheidung SZ 48/108, die sich im übrigen auf die bisherige ständige, von der Entscheidung SZ 44/69 übergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stützte, wurde klargestellt, daß durch die Begründung der Entscheidung SZ 25/277 der in den Entscheidungen SZ 44/69 und HS 3161/38 aufgestellte Rechtssatz nicht gedeckt erscheint.

Koziol vertritt allerdings jüngst in seinem Aufsatz Die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts bei nicht gehöriger Erfüllung, ÖJZ 1985, 737 ff, für den Fall behebbarer Qualitäts- oder Quantitätsmängel die Ansicht, daß der Besteller, es sei denn die gesamte Sache sei unbrauchbar oder müsse ausgetauscht werden, selbst unter Berücksichtigung des dem Zurückbehaltungsrecht innewohnenden Zweckes, auf den Leistungspflichtigen Druck zur Durchführung der Verbesserung auszuüben, nicht seine gesamte Leistung, sondern nur etwa den zwei- bis dreifachen Wert der ausständigen Leistungen und dann, wenn er die Sache benützen kann, nur den Wert der ausständigen Leistungen zurückbehalten dürfe. Diese Rechtsansicht berücksichtigt zu wenig, daß nach den Bestimmungen der §§ 1052, 1170 ABGB die gesamte Gegenleistung erst dann fällig wird, wenn zumindest Zug um Zug die eigene Leistung erbracht wird. Ist das Werk zwar angenommen, aber mit behebbaren Mängeln behaftet und begehrt der Besteller zulässigerweise die Verbesserung, so macht er damit einen Rest des ihm zustehenden Erfüllungsanspruches geltend (SZ 55/67; SZ 55/29 uva; Koziol-Welser aaO 234; Reischauer aaO Rdz 10 zu § 932). Der Unternehmer ist daher so zu behandeln, als hätte er noch nicht vollständig erfüllt. Der Werklohn ist dann noch nicht fällig (§ 1170 ABGB). Nur dadurch kann erreicht werden, daß der Unternehmer die Verbesserung tatsächlich durchführt oder durchführen läßt und der Besteller davor bewahrt wird, selbst durch Abschlüsse von Verträgen mit anderen Unternehmern die Verbesserung durchzuführen. Der Hinweis der Revision auf die wirtschaftliche Tragweite der vom Obersten Gerichtshof ständig vertretenen Rechtsansicht für die gesamte Bauwirtschaft überzeugt nicht, weil ohnehin die Möglichkeit besteht, die festgestellten Mängel endgültig zu beheben, was umso leichter fällt, je geringer der erforderliche Aufwand ist; der klagenden Partei wäre es freigestanden, abweichend von den dispositiven Bestimmungen der §§ 1052 und 1170 Abs 1 ABGB eine vertragliche Regelung dahin zu treffen, daß der Besteller nur berechtigt sei, den für die Verbesserung notwendigen Aufwand zurückzubehalten. Nur für die Fälligkeit der ursprünglich eingeklagten Teilrechnungssumme berief sich die klagende Partei auf Art.I 5.2 des Anbotes im Zusammenhang mit der ÖNORM B 2110 15.2. Die klagende Partei machte aber nach der Klagsausdehnung nicht mehr eine Teilsumme, sondern die Schlußrechnung einschließlich des Deckungsrücklasses geltend.

Die Rechtsprechung läßt, wie bereits dargestellt wurde, gegen die Behauptung des Bestellers, der Werklohn sei wegen nicht gehöriger Erfüllung noch nicht fällig, nur die Replik der Schikane zu. Nach Ansicht Koziols (aaO 741; Österr. Haftpflichtrecht 2 II 99) und Bydlinskis, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 497 FN 244, soll Rechtsmißbrauch nicht nur dann vorliegen, wenn mit der Handlung überhaupt keine eigenen Interessen verfolgt würden, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Mißverhältnis bestehe. Die klagende Partei hielt, obwohl die beklagte Partei von allem Anfang an die mangelnde Fälligkeit wegen nicht gehöriger Erfüllung behauptete und darüber auch ein später ergänztes Sachverständigengutachten eingeholt wurde, dieser Einwendung erst in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung und ohne nähere Ausführungen tatsächlicher Art Schikane, noch dazu mit der den Schikaneeinwand nicht begründenden Behauptung, es lägen unbehebbare Mängel vor, entgegen. Ein Vorbringen, aufgrund welcher Interessenlage bei einer vorzunehmenden Interessenabwägung Rechtsmißbrauch anzunehmen wäre, wurde nicht erstattet. Der Werklohn ist daher wegen nicht gehöriger Erfüllung noch nicht fällig. Auf die behauptete mangelnde Passivlegitimation und Verjährung ist dann nicht mehr einzugehen.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09515

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00656.86.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19861203_OGH0002_0010OB00656_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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