TE OGH 1986/12/16 2Ob682/86

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Veröffentlicht am 16.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hilde B***, Geschäftsfrau, 8010 Graz, Josef-Marx-Straße 2, 2.) Mag. Traute P***, ebendort, und 3.) Dr. Walter S***, Arzt, 8010 Graz, Freiheitsplatz 1, alle vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster und Dr. Hans Günther Medwed, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Theresia M***, Cafühausbesitzerin, 8010 Graz, Glacisstraße 43 a, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Dr. Hans-Peter Benischke und Dr. Klaus Hofmann, Rechtsanwälte in Graz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Gert T***

GesmbH, 8010 Graz, Glacisstraße 43 a, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung, infolge Revisionen der beklagten Partei und den Nebenintervenienten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1986, GZ. 3 R 178/86-27, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 20. Jänner 1986, GZ. 14 C 303/85- 18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses Graz, Glacisstraße 43 a. Die Beklagte ist Mieterin von im Parterre und im Keller dieses Hauses gelegenen Räumlichkeiten, in denen das "Cafü Glacis" betrieben wird.

Mit der am 24.10.1984 eingebrachten und am 2.11.1984 zugestellten Klage begehrten die Kläger unter Berufung auf den Mietvertrag und § 1118 ABGB die Räumung des Bestandobjektes, weil für den Zeitraum von September 1983 bis Oktober 1984 ein Mietzinsrückstand von S 92.742,46 bestehe, der trotz Mahnung nicht bezahlt worden sei.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß der Pächter des Cafes, Gert T***, die Mietzinse für die Beklagte hätte einzahlen sollen. Gert T*** habe sich in Zahlungsschwierigkeiten befunden. Die Beklagte sei erst mit Schreiben vom 23.10.1984 davon in Kenntnis gesetzt worden, daß ein rückständiger Mietzins klagsweise geltend gemacht werde. Eine Mahnung seitens der Klägerin sei nicht erfolgt. Vor Schluß der Verhandlung im ersten Rechtsgang wurde der gesamte aushaftende Mietzinsrückstand beglichen. Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung im wesentlichen mit der Begründung auf, daß nicht hinreichend geklärt sei, ob die Beklagte den der Klage zugrundeliegenden Mietzinsrückstand bis zu dem auf den Zeitpunkt der Klagszustellung folgenden Zinstermin vollständig entrichtet habe oder nicht, ausgehend davon, daß vor Klagseinbringung keine Mahnung an die Beklagte erfolgt sei. Im zweiten Rechtsgang brachten die Kläger noch vor, daß der Hausverwalter Dr. S*** mit den Schreiben von 22.8.1984 und 1.10.1984 an Dr. Manfred S***, der zum damaligen Zeitpunkt Bevollmächtigter der Beklagten gewesen sei, den Mietzinsrückstand eingemahnt habe. Die Beklagte erwiderte, daß Rechtsanwalt Dr. S*** nur im Verfahren 24 Msch 44/83 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz als ihr Bevollmächtigter aufgetreten sei. Der Hausverwalter habe gewußt, daß Dr. Bernd F*** der Generalbevollmächtigte der Beklagten sei. Der Mietzinsrückstand sei am 4.12.1984 bezahlt worden. Diese Zahlung sei rechtzeitig, weil im Mietvertrag ein 4-tägiges Respiro für die monatlichen Mietzinszahlungen vereinbart worden sei. Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Gemäß Punkt 2.) des am 29.3.1934 von den Rechtsvorgängern der Kläger mit den Rechtsvorgängern der Beklagten abgeschlossenen Mietvertrages ist der Mietzins am Ersten eines jeden Monates im vorhinein zu entrichten und es steht den Mietern eine Nachfrist von 4 Tagen zur Verfügung. Mit Vertrag vom 11.2.1983 verpachtete die Beklagte das im Mietobjekt betriebene "Cafü Glacis" an Gert T***.

Vertragsgemäß ist der Pächter verpflichtet, die Mietkosten in der vorgeschriebenen und gesetzlich zulässigen Höhe im Namen der Beklagten direkt an die Hausverwaltung zu bezahlen. Davon wurde der Hausverwalter Dr. S*** mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 20.9.1983 informiert. Für das Jahr 1984 wurden der Beklagten Mietzinse in Höhe von S 167.677,95 vorgeschrieben. Für 1983 bestand noch ein Rückstand in Höhe von S 22.235,65. Insgesamt leistete die Beklagte im Jahre 1984 Zahlungen in Höhe von S 189.973,56. Die drei letzten Einzahlungen in Höhe von S 14.057,40, S 10.335,96 und S 18.149,45 erfolgten am 4.12.1984. Mit Schreiben vom 22.8.1984 gab der Hausverwalter Dr. S*** Rechtsanwalt Dr. Manfred S*** einen Mietzinsrückstand in Höhe von S 65.549,46 bekannt und mit dem weiteren, ebenfalls an Dr. S*** gerichteten Schreiben vom 1.10.1984 einen Rückstand in Höhe von S 79.144,96. Am 4.12.1984 bestätigte der Hausverwalter, daß Lisbeth und Gert T*** namens der Beklagten alle Mietzinsrückstände einschließlich Dezember 1984 vollständig bezahlt haben. Ein am 5.10.1982 bei der Schlichtungsstelle des Magistrates Graz über das gegenständliche Bestandobjekt anhängig gemachtes Hauptmietzinserhöhungsverfahren wurde am 9.8.1984 rechtskräftig abgeschlossen. Die Beklagte selbst war mit der Bezahlung des Mietzinses und der Abdeckung etwaiger Rückstände wegen des mit Gert T*** abgeschlossenen Unternehmenspachtvertrages nicht befaßt. Soweit ihrem Vertreter Dr. F*** Rückstände bekannt wurden, gab er dies sofort Gert T*** bzw. dessen Vertreter Dr. S*** bekannt und ersuchte, die Rückstände sofort abzudecken.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt wie folgt:

Trotz der Vereinbarung der Beklagten mit dem Unternehmenspächter Gert T***, daß dieser den Mietzins direkt an die Vermieter bezahle, wäre es ihre Sache gewesen, gegenüber den Vermietern für die termingerechte Bezahlung des Mietzinses zu sorgen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß sie vom Zinsrückstand keine Kenntnis gehabt habe. Spätestens mit rechtskräftiger Beendigung des Mietzinserhöhungsverfahrens im August 1984 hätte sie wissen müssen, daß ein erhöhter Mietzins zu leisten sei. Der Beklagten kämen daher keine die Verspätung rechtfertigenden Gründe zustatten. Weitere Voraussetzung für eine auf § 1118, zweiter Fall, ABGB gestützte Räumungsklage sei jedoch, daß der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig sei, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet habe. Eine Mahnung der Beklagten in bezug auf den klagsgegenständlichen Mietzinsrückstand liege nicht vor. Die Mahnschreiben vom 22.8. und 1.10.1984 seien an Dr. S*** ergangen, der nicht als Vertreter der Beklagten ausgewiesen sei. Der Zeitpunkt der Einmahnung werde hier durch Zustellung der Räumungsklage bestimmt (2.11.1984). Da der Mietzinsrückstand am 4.12.1984 beglichen worden sei und nach dem Mietvertrag den Mietern eine Nachfrist von 4 Tagen zur Verfügung stehe, sei die Beklagte zu dem auf die Klage nächstfolgenden Zinstermin nicht in Rückstand. Infolge Berufung der Kläger änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klagsstattgebung ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteige. Es erachtete das Verfahren des Erstgerichtes als mängelfrei und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte jedoch zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.

Entsprechend der vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß (ON 11) vertretenen Rechtsmeinung sei das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte ein grobes Verschulden an der verspäteten Mietzinszahlung treffe. Es komme daher, wie das Erstgericht ebenfalls richtig erkannt habe, darauf an, ob der rückständige Bestandzins nach Einmahnung, die hier spätestens mit Klagszustellung am 2.11.1984 erfolgte, bis zum nächstfolgenden Zinstermin (1.12.1984) vollständig entrichtet worden sei (§ 1118, zweiter Fall ABGB). Dies müsse jedoch entgegen der Auffassung des Erstgerichtes verneint werden. Fest stehe nunmehr, daß die letzten Zahlungen auf den klagsgegenständlichen Mietzinsrückstand (September 1983 bis einschließlich Oktober 1984) erst am 4.12.1984 vom Unternehmenspächter T*** geleistet wurden.

Unter "Termin" im Sinne des § 1118 ABGB sei der Zeitpunkt der nächstfolgenden Zinsfälligkeit, also der nächste Zinstermin gemeint. Nach dem Mietvertrag sei der Mietzins am Ersten eines jeden Monates zu entrichten. Dieser Tag sei daher als - dem Zahlungstag im Sinne des § 1334 ABGB gleichzusetzender - Fälligkeitstag anzusehen. Daß dem Mieter eine "Nachfrist" von 4 Tagen eingeräumt wurde, vermöge, wie im Falle der Stundung, grundsätzlich die Fälligkeit nicht hinauszuschieben. Daraus folge, daß die Beklagte den rückständigen Mietzins selbst bei Unwirksamkeit der an Dr. S*** gerichteten Mahnungen vom 22.8. und 1.10.1984 mit Ablauf des Termins nicht entrichtet habe und der geltend gemachte Aufhebungstatbestand trotz Zahlung des Mietzinsrückstandes vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangegangenen Verhandlung gegeben sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind im Sinne der Aufhebungsanträge berechtigt. Die Revisionswerber bekämpfen zunächst die Auffassung des Berufungsgerichtes, die Beklagte treffe ein grobes Verschulden an dem Mietzinsrückstand. Die Beklagte halte sich überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland auf und habe dort ihren ordentlichen Wohnsitz in Hamburg. Sie habe daher mit dem Pächter Gert T*** vereinbart, daß dieser die Mietzinsvorschreibungen auf direktem Wege in ihrem Namen begleichen solle. Es sei ein erheblicher Mietzinsrückstand dadurch entstanden, daß vorerst (bis zum rechtskräftigen Bescheid über die Mietzinserhöhung gemäß § 7 MG am 9.8.1984) Unklarheit bestanden habe, in welcher Höhe tatsächlich durch die beantragten Reparaturarbeiten der Zins erhöht werde. Der Pächter Gert T*** habe sich im fraglichen Zeitraum (Sommer bis Herbst 1984) in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Es sei ein Finanzstrafverfahren gegen ihn anhängig gewesen. Seine Buchhaltungsunterlagen seien beschlagnahmt gewesen. Er habe vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten gehabt. Außerdem hätten zwischen ihm und der Hausverwaltung Differenzen über die tatsächliche Höhe des Mietzinsrückstandes bestanden. Durch die Beschlagnahmung seiner Buchhaltungsunterlagen sei es Gert T*** nur erschwert möglich gewesen, seine Zahlungsverbindlichkeiten zu kontrollieren und ihnen rechtzeitig nachzukommen. Die Beklagte habe von diesen Schwierigkeiten des Pächters keine Ahnung gehabt und darauf vertraut, daß der Pächter die Mietzinszahlungen pünktlich vornehmen werde. Die Mahnungen der Hausverwaltung bezüglich des Mietzinsrückstandes seien an Dr. S*** als Vertreter des Pächters ergangen. Die Beklagte sei von diesen Mahnungen nicht in Kenntnis gesetzt worden. Sofort nach Kenntnis des Zahlungsrückstandes habe die Beklagte mit allen Mitteln darauf gedrungen, daß der Mietzinsrückstand vom Pächter (wie zwischen ihm und ihr vereinbart) bezahlt werde. Es liege eventuell eine Fahrlässigkeit der Beklagten am Zustandekommen des Mietzinsrückstandes deshalb vor, weil sie sich trotz ihres ständigen Aufenthaltes in Hamburg nicht in entsprechender Weise darum kümmerte, daß der Pächter seine übernommenen Verpflichtungen erfülle. Sie habe lediglich auf die mit dem Pächter getroffenen Vereinbarungen vertraut. Tatsächlich sei es jedoch aufgrund der geschilderten unglücklichen Umstände, welche im Bereich des Pächters gelegen waren, zu einem Zahlungsrückstand gekommen. Ein grobes Verschulden der Beklagten an dem Zahlungsrückstand liege nicht vor. Überdies sei durch die gänzliche Bezahlung des Mietzinsrückstandes am 4.12.1984 die Frist des § 1118, zweiter Fall, ABGB eingehalten worden, weil nach dem Mietvertrag die Fälligkeit jeweils bis zum 4. eines jeden Monats verlängert worden sei. Am 4.12.1984 sei aber der Rückstand zur Gänze beglichen worden. Es liege somit auch die Voraussetzung für die Aufhebung des Vertrages gemäß § 1118, zweiter Fall, ABGB nicht vor. Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis teilweise Berechtigung zu. Soweit die Revisionswerber allerdings die Auffassung vertreten, infolge der vollständigen Bezahlung des Mietzinsrückstandes am 4.12.1984 sei die Voraussetzung des § 1118, zweiter Fall, ABGB, daß der Bestandnehmer mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat, nicht erfüllt, kann ihnen nicht beigepflichtet werden. Wie auch die Revision der Beklagten richtig erkennt, ist unter "Termin" im Sinne der zitierten Bestimmung die gesetzliche oder vertragsmäßige Zinsperiode zu verstehen. Es muß also eine neuerliche Zinszahlung fällig geworden sein, bevor die vorhergehende vollständig entrichtet wurde (vgl. MietSlg 35.226, 30.228 ua.). Nach Punkt 2.) des für das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen geltenden Mietvertrages vom 29.3.1934 ist der Mietzins am Ersten eines jeden Monates im vorhinein zu entrichten "und steht den Mietern eine Nachfrist von vier Tagen zur Verfügung". Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht unter diesen Umständen den Monatsersten als Fälligkeitstag angesehen und die Einräumung der Nachfrist als sogenannte "reine Stundung" beurteilt, bei welcher nicht die Fälligkeit geändert, sondern nur die Möglichkeit der Geltendmachung hinausgeschoben wird (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 13 zu § 904, MietSlg 19.155 ua.). Selbst unter der für die Beklagten günstigsten Annahme, daß die Einmahnung erst mit der Zustellung der gegenständlichen Klage am 2.11.1984 erfolgte, wäre die am 4.12.1984 vorgenommene Bezahlung der bis dahin entstandenen Zinsrückstände nach Ablauf des Zinstermins für November 1984 erfolgt und daher nicht geeignet, die Säumnis der Beklagten mit der Bezahlung des Zinses im Sinne des § 1118, zweiter Fall, ABGB zu beseitigen. Da auf das gegenständliche Bestandverhältnis jedoch unbestritten die Vorschriften des Mietrechtsgesetzes anzuwenden sind - bzw. vor dessen Inkrafttreten die Vorschriften des Mietengesetzes -, wäre gemäß § 33 Abs 3 MRG weitere Voraussetzung für die Auflösung des Mietvertrages nach § 1118 ABGB das Vorliegen eines groben Verschuldens der Beklagten an dem Zahlungsrückstand (§ 33 Abs 2 MRG). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann aber auf Grund der bisher vorliegenden Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beklagte an dem Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden trifft oder nicht.

Grobes Verschulden setzt begrifflich ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodaß der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt. Hingegen können Zweifel über die wahre Rechtslage ebenso wie auch ein Irrtum über das Vorliegen eines Zahlungsrückstandes in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit begründen; erst das Beharren auf einem bei nüchterner Überlegung als unrichtig erkennbaren Standpunkt kann deutlich machen, daß es kein fehlerhaftes Vorstellungsbild, sondern Rechthaberei gewesen sein muß, die den qualifizierten Zahlungsrückstand herbeigeführt hat (MietSlg 22.457, 29.400 ua.). Toleriert werden soll im allgemeinen nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten; häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalles eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (MietSlg 20.525 ua.). Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis für ein fehlendes grobes Verschulden nicht erbringen können. Soweit sie sich bezüglich des fehlenden groben Verschuldens auf den Unternehmenspächter Gert T*** und dessen wirtschaftliche Schwierigkeiten berufe, sei ihr zu entgegnen, daß hier nicht zu prüfen sei, weshalb Zahlungsverzögerungen seitens des Pächters eintraten. Es wäre trotz der Vereinbarung mit Gert T***, daß dieser die "Mietkosten" trägt und direkt an den Vermieter bezahlt, ihre Sache gewesen, gegenüber dem Vermieter für die termingerechte Bezahlung des Mietzinses zu sorgen und sich davon zu überzeugen, ob der Pächter die Zahlungen leiste. Die Bekanntgabe von Zinsrückständen an Gert T*** allein habe nicht genügt. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß sie vom Zinsrückstand keine Kenntnis hatte. Daß die den klagsgegenständlichen Mietzinsrückstand betreffenden Mahnschreiben vom 22.8. und 1.10.1984 nicht an ihren Vertreter, sondern an den Vertreter des Unternehmenspächters Rechtsanwalt Dr. S*** gerichtet waren, sei nicht maßgeblich, weil die Beklagte spätestens mit rechtskräftiger Beendigung des Mietzinserhöhungsverfahrens im August 1984 wissen mußte, daß ein erhöhter Mietzins zu leisten sei.

Dem kann nur teilweise gefolgt werden. Wohl ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß es trotz der Vereinbarung der Beklagten mit dem Unterbestandnehmer Gert T***, daß dieser die ihm vom Hausverwalter vorgeschriebenen Mieten im Namen der Beklagten direkt an den Vermieter bzw. den Hausverwalter zu bezahlen habe, Sache der Beklagten war, für die termingerechte Bezahlung der Miete Sorge zu tragen und sich auch davon zu überzeugen, daß der Unterbestandnehmer diese Zahlungen pünktlich leiste. Wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unterbestandnehmers als Ursache für die verspätete Zahlung der Miete berühren die Rechtsbeziehungen zwischen dem Vermieter und dem Hauptmieter nicht und können die Beklagte daher nicht entlasten. Nach den Feststellungen teilte der Hausverwalter mit Schreiben vom 18.5.1983 und 15.6.1983 dem Beklagtenvertreter Rechtsanwalt Dr. F*** einen Mietzinsrückstand in der Höhe von S 14.057,46 mit. Mit Schreiben vom 22.8.1984 gab er Rechtsanwalt Dr. Manfred S*** einen Mietzinsrückstand in Höhe von S 65.549,46 bekannt und mit weiterem Schreiben vom 1.10.1984, ebenfalls an Dr. Manfred S*** gerichtet, einen Rückstand in Höhe von S 79.144,96 jeweils verbunden mit Zahlungsaufforderungen.

Rechtsanwalt Dr. S***, der ständige Bevollmächtigte des Unterbestandnehmers Gert T*** war von der Beklagten zu ihrer Vertretung im Verfahren Msch 44/83 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz bevollmächtigt worden, das am 9.8.1984 rechtskräftig abgeschlossen wurde. Feststellungen darüber, ob die Bevollmächtigung Dr. S*** nach dem Parteiwillen durch die Beklagte nur für das genannte Verfahren beim Bezirksgericht für ZRS Graz Geltung haben sollte oder trotz der seitens der Beklagten an die Rechtsanwälte Dr. F***, Dr. B*** und Dr. K*** erteilten Generalvollmacht auch über die Beendigung dieses Verfahrens hinaus, wurden von den Vorinstanzen aus rechtlichen Erwägungen für entbehrlich erachtet, weil sie im zweiten Rechtsgang ein grobes Verschulden der Beklagten ungeachtet der Zustellung der Mahnungen vom 22.8.1984 und 1.10.1984 nicht an deren Vertreter, sondern an Dr. S*** als nach Meinung der Vorinstanzen Vertreter des Unternehmenspächters Gert T*** bejaht hatten. Erst mit Schreiben vom 23.10.1984 wurde Dr. F*** seitens der Hausverwaltung Dr. S*** davon in Kenntnis gesetzt, daß dieser wegen eines Mietzinsrückstandes von S 92.740,46 gleichzeitig die gegenständliche Klage gegen die Beklagte einbringen werde. Die Klage langte am 24.10.1984 beim Bezirksgericht für ZRS Graz ein und wurde Dr. F*** am 2.11.1984 zugestellt. In der Klage wurde ein Zinsrückstand für die Monate September bis Dezember 1983 sowie ab Jänner 1984 geltend gemacht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kommt aber der Klarstellung, ob Dr. S*** im Zeitpunkt der Zustellung der Mahnschreiben vom 22.8.1984 und vom 1.10.1984 auch Bevollmächtigter der Beklagten war oder nicht, für die Beurteilung des Vorliegens eines groben Verschuldens der Beklagten Bedeutung zu. Hiebei wird zu beachten sein, daß die Vollmacht ua. auch durch Erledigung des aufgetragenen Geschäftes erlischt. Für dieses Erlöschen kommen auch bei einer Prozeßvollmacht die materiellrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, nicht aber jene der ZPO (vgl. EvBl 1956/346 ua., Strasser in Rummel, ABGB, Rdz 16

zu §§ 1020 bis 1026). Unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Feststellungen könnte nämlich das Verhalten der Beklagten hinsichtlich ihrer Verpflichtung, für die termingerechte Bezahlung der Miete Sorge zu tragen, dem Begriff des groben Verschuldens nach Auffassung des Revisionsgerichtes nur dann unterstellt werden, wenn schon die Mahnungen vom 22.8.1984 und vom 1.10.1984 ihr im Wege Dr. S*** als ihres Bevollmächtigten zugekommen sind. Nur für diesen Fall wäre nämlich ihre weitere Säumnis mit dem Beginn der Bezahlung dieser Rückstände bis 6.11.1984 als grobe Sorglosigkeit zu beurteilen; die an ihren Vertreter Dr. F*** gerichteten Mahnungen des Hausverwalters vom 18.5.1983 und vom 15.6.1983 haben bei Beurteilung des Grades des Verschuldens der Beklagten außer Betracht zu bleiben, weil sie Mietrückstände nur bis Mai 1983 betrafen und die Klage erst auf Rückstände ab September 1983 gestützt wurde. Wurden der Beklagten aber das Bestehen und die Höhe der Rückstände erst mit Schreiben an Rechtsanwalt Dr. F*** vom 23.10.1984, in welchem bereits die Einbringung der Räumungsklage angekündigt wurde, bekannt, worauf Dr. F*** unverzüglich Gert T*** bzw. dessen Vertreter Dr. S*** zur ehesten Abdeckung der Rückstände aufforderte, was dann durch Zahlungen seitens Gert T*** bzw. seiner Ehegattin namens der Beklagten an die Hausverwaltung zwischen 6.11.1984 und 4.12.1984 auch tatsächlich erfolgte, könnte in der mangelnden Überwachung des Unterbestandnehmers durch die im Ausland wohnhafte Beklagte zwar eine gewisse Sorglosigkeit, nicht aber ein grobes Verschulden im Sinne des § 33 Abs 2 MRG erblickt werden. Für die abschließende Beurteilung, ob der Beklagten ein grobes Verschulden im Sinn des § 33 Abs 2 MRG zur Last fällt oder nicht, fehlt es daher an den erforderlichen Feststellungen, sodaß eine Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen wegen dieser Feststellungsmängel erforderlich war.

Im fortgesetzten Verfahren werden die fehlenden Feststellungen nachzuholen sein. Sollte der Beklagten der ihr obliegende Beweis (MietSlg 30.474), daß ihr kein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Zinses zur Last fällt, gelingen, wird das Klagebegehren abzuweisen, anderenfalls wird ihm stattzugeben sein. Soweit die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung ausführen, daß sie die Aufhebung des Vertrages auch auf Punkt 11.) lit c des Mietvertrages vom 29.3.1934 gestützt haben, wonach die Nichtbezahlung des Mietzinses die Vermieter berechtigt, die sofortige Aufhebung dieses Vertrages zu fordern, sind sie darauf zu verweisen, daß der Wirksamkeit einer solchen vertraglichen Erweiterung der mietrechtsgesetzlich anerkannten Auflösungsgründe um andere Tatbestände die Bestimmung des § 29 Abs 1 MRG entgegensteht (vgl. MietSlg 35.344 ua.).

Der Revision war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09962

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00682.86.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19861216_OGH0002_0020OB00682_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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