TE OGH 1986/12/16 2Ob702/86 (2Ob703/86)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berta S***, Bürohilfskraft, Jubiläumsstraße 16, 3071 Böheimkirchen, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Josef S***, derzeit nö. Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, Mauer bei Amstetten, 3362 Mauer-Öhling, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Ehescheidung, infolge Revision und Rekurs der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Mai 1986, GZ. 17 R 102/86-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 20. November 1985, GZ. 6 Cg 66/84-30, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Der Revision wird Folge gegeben. Das Teilurteil des Berufungsgerichtes und das Ersturteil in seinem Ausspruch über die Scheidung der Ehe werden aufgehoben. Insoweit wird die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen.

2.) Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat dem Beklagten die mit S 1.698,67 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 154,42 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte Ehescheidung aus den Gründen des § 49, allenfalls des § 50 EheG, und machte als Eheverfehlungen insbesondere Trunksucht, Mißhandlungen, Beschimpfungen und Unterhaltsverletzung des Beklagten geltend.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, bestritt die ihm vorgeworfenen Verfehlungen und wendete überdies ein, es treffe ihn jedenfalls kein Verschulden im Sinne des § 50 EheG. Hilfsweise stellte er einen Mitschuldantrag.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten gemäß § 49 EheG und wies den Mitschuldantrag ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in seinem Ausspruch über die Scheidung, hob den Verschuldensausspruch und die Kostenentscheidung aber auf und verwies die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Die Ehescheidung sei berechtigt, gleichgültig, ob die Scheidung wegen schwerer Eheverfehlungen oder aus anderen Gründen gerechtfertigt sei. Der Beklagte habe eine Reihe von objektiv schweren Eheverfehlungen begangen, die den Scheidungsgrund nach § 49 EheG erfüllten. Die Ehe sei so tief zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne (§§ 49 und 50 EheG). Der Mitschuldantrag sei nicht gerechtfertigt. Da sich der Beklagte auch nicht auf die Härteklausel des § 54 EheG berufen könne, sei das Ersturteil im Ausspruch über die Scheidung zu bestätigen. Der Verschuldensausspruch müsse jedoch aufgehoben werden, weil das Vorliegen einer geistigen Störung im Sinne des § 50 EheG zu prüfen sei. Der Ausspruch über die Scheidung sei jedoch unabhängig davon, ob das Verhalten des Beklagten dem § 49 oder dem § 50 EheG zu unterstellen sei, zu bestätigen, weil beide Bestimmungen schwere Eheverfehlungen, wie sie vom Erstgericht festgestellt worden seien, voraussetzten und § 50 EheG lediglich die subjektive Vorwerfbarkeit und damit die Grundlage für einen Verschuldensausspruch regle.

Die Klägerin bekämpft das Teilurteil mit Revision und den Aufhebungsbeschluß mit Rekurs und beantragt, diese Entscheidungen dahin abzuändern, daß der Berufung des Beklagten keine Folge gegeben werde, allenfalls sie aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen. Der Beklagte beantragt, die Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Revision:

Die Klägerin ist der Ansicht, dieses Rechtsmittel sei zulässig, weil im Scheidungsprozeß auch die Partei, die obsiegt habe, ein Rechtsmittel erheben könne, um die Klage noch zurückziehen zu können (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 2366). Überdies sei die Klägerin dadurch beschwert, daß ein Teilurteil gefällt wurde, obwohl die Voraussetzungen hiefür nicht gegeben seien. Durch das Teilurteil falle der sozialversicherungsrechtliche Schutz der Klägerin weg, ohne daß gleichzeitig geklärt wurde, wie dieser nach der Scheidung zu gesta tun sei. Komme ein Sachverständiger zu dem Ergebnis, die Eheverfehlungen des Beklagten hätten auf einer geistigen Störung beruht, sei es der Klägerin unbenommen, ihre Scheidungsklage zurückzuziehen, zumal ihr bei einer Scheidung nach § 50 EheG kein Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zustehen könnte. Durch die vorzeitige Scheidung der Ehe würde bei nachträglicher Scheidung nach § 49 EheG der Unterhaltsanspruch für die Zeit dieses Verfahrens verloren gehen, da Unterhalt für die Vergangenheit nicht begehrt werden könne. Auch auf die unterschiedlichen Folgen im Fall des Todes des Beklagten in der Zwischenzeit sei hinzuweisen. Aus allen diesen Gründen sei eine Trennung der Entscheidung über die Eheauflösung von der Entscheidung über das Verschulden unzulässig.

Hiezu ist folgendes zu erwägen: Wie die Revisionswerberin selbst nicht verkennt, gilt nach herrschender Ansicht der Grundsatz der Einheitlichkeit des Ehescheidungsverfahrens in Österreich nicht (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 2365; Judikat 57 neu = SZ 25/331 uva., zuletzt etwa 2 Ob 572, 573/86). So wurde insbesondere der Ausspruch der Scheidung aus Verschulden mit Teilurteil für zulässig erachtet, wenn die Frage der Mitschuld des Klägers und die allfällige Gewichtung der Verschuldensanteile noch erörterungsbedürftig sind (EFSlg. 43.644 ua.). Bei Geltendmachung des Scheidungsgrundes nach § 55 EheG wurde zu 1 Ob 527/81 ausgesprochen, daß die Ehe mit Teilurteil geschieden und die Entscheidung über den Verschuldensantrag des Beklagten einem Endurteil vorbehalten bleiben kann (vgl. auch EFSlg. Bd. XXI/7). In der Entscheidung 1 Ob 514/86 wurde dies jedoch mit der Begründung abgelehnt, daß durch das Teilurteil eine unterhaltsrechtliche Schlechterstellung des beklagten Ehegatten eintreten würde; es gebe keine materielle Vorschrift, die Grundlage eines (vorläufigen) Unterhaltsanspruches nach Scheidung der Ehe aber vor Verschuldensausspruch bilden könnte; mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung sei die von der Rechtsprechung anerkannte Kontinuität des Unterhaltsanspruches bei Ehescheidung nach § 55 EheG mit Schuldausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG nicht gewährt. Ein Teilurteil sei daher aus unterhaltsrechtlichen Gründen unzulässig. Mit der Frage, ob ein Teilurteil zulässig ist, wenn noch nicht feststeht, ob die Ehescheidung nach § 49 oder nach § 50 EheG erfolgen wird, hat sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht befaßt. Bei deren Lösung ist von der Überlegung auszugehen, daß, wenn auch der Grundsatz der Einheitlichkeit des Scheidungsverfahrens im österreichischen Recht nicht gilt, eine Ehescheidung doch nur aus einem bestimmten Scheidungsgrund zulässig ist. Dem entsprechen die Entscheidungen, bei denen über den Mitschuldantrag noch nicht abgesprochen werden konnte, weil bereits feststand, daß den Beklagten ein Verschulden treffe und der Ehescheidungsgrund nach § 49 EheG jedenfalls verwirklicht sei. Gleiches gilt für den Fall der Scheidung nach § 55 EheG mit Teilurteil, weil nach dieser Vorschrift eine Scheidung ohne Verschuldensausspruch möglich ist. Für eine Ehescheidung nach § 49 EheG bildet aber der Verschuldensausspruch gemäß § 60 EheG einen notwendigen Teil der Entscheidung (EvBl. 1973/199). Eine Ehescheidung nach § 49 EheG kommt daher im vorliegenden Fall derzeit nicht in Frage. Dies gilt aber auch für die Ehescheidung nach § 50 EheG, weil nicht feststeht, ob beim Beklagten eine geistige Störung vorliegt. Eine abschließende Entscheidung über die Scheidung der Ehe mit einer bedingten Festlegung auf einen Scheidungsgrund ist nicht zulässig (5 Ob 577/80), somit auch nicht die Fällung eines Teilurteils. Dazu kommt, so wie bei 1 Ob 514/86, daß nach Rechtskraft des Teilurteils keine materielle Rechtsgrundlage für einen Unterhaltsanspruch bestünde, eine solche könnte erst durch den Verschuldensausspruch im Rahmen der SIheidung nach § 49 EheG gegeben sein.

Schon aus dem zuletzt angeführten Umstand ergibt sich auch eine Beschwer der Klägerin, weshalb ihre Revision jedenfalls zulässig ist, ohne daß auf die Frage ihres Rechtsschutzinteresses an der Rückziehung der Klage eingegangen werden müßte.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

2.) Zum Rekurs:

Da gemäß § 519 Abs. 1 Z 3 ZPO ein Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nur zulässig ist, wenn das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt ausgesprochen hat, was im vorliegenden Fall aber nicht geschah, ist der Rekurs nicht zulässig, weshalb dieses Rechtsmittel zurückgewiesen werden mußte. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Dabei wurde davon ausgegangen, daß die halben Kosten des Schriftsatzes auf die Rekursbeantwortung entfallen.

Anmerkung

E09959

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00702.86.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19861216_OGH0002_0020OB00702_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten