TE OGH 1986/12/19 6Ob647/84

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Veröffentlicht am 19.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in den gemeinsam geführten Rechtssachen der Enteigneten 1) Josef Anton E*****, und 2) Olga E***** (1 Nc 6/82), 3) Anton V*****, und 4) Margit V***** (1 Nc 7/82), und 5) Georg H***** (1 Nc 8/82), alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Enteigner Land Vorarlberg, vertreten durch das Landesstraßenbauamt Feldkirch, Feldkirch, Widnau 12, wegen Feststellung der Enteignungsentschädigung nach § 47 VbgStrG, infolge des Revisionsrekurses des Landes Vorarlberg gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 19. Juni 1984, GZ R 397-399/84-38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 20. März 1984, GZ 1 Nc 6/82-28, in Ansehung der vom Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg betroffenen Teilbeträge bestätigt wurde,

I.

durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Schobel und Dr. Schlosser als weitere Richter am 13. November 1986 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Hinsichtlich der Entscheidung über den Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor, weshalb zur Entscheidung über diesen Revisionsrekurs ein verstärkter Senat berufen ist.

II.

durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Flick, Hon.-Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna, Hon.-Prof. Dr. Griehsler, Dr. Schobel und Dr. Schlosser als weitere Richter am 19. Dezember 1986 in nichtöffentlicher Sitzung den weiteren

Beschluss

gefasst:

Der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg wird zurückgewiesen.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, a) Anton E***** und Olga E***** zu je 3/40, b) Anton V***** und Margit V***** zu 9/80 und c) Georg H***** zu 25/40 die mit 9.231,75 S bestimmten Kosten ihrer gemeinsam verfassten Gegenschrift zum Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg (darin enthalten 839,25 S an USt ) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zu I.:

Die Enteigneten haben in ihrer durch einen Rechtsanwalt verfassten Äußerung zum Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg den Zuspruch anwaltlicher Vertretungskosten begehrt. Da dem erkennenden Senat die in der jüngeren Lehre gegen die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage vorgetragenen Bedenken berechtigt erscheinen, würde er mit seiner Entscheidung von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgehen. Damit liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor, weshalb die Zuständigkeit eines verstärkten Senats zur Entscheidung über den Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg auszusprechen war.

Zu II.:

Die Vorarlberger Landesregierung hat mit dem Bescheid vom 16. Juli 1981, I b-332-7/81, auf Antrag des Landes Vorarlberg als Straßenerhalter gemäß den §§ 43 ff des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl Nr 8/1969, zum Zwecke des Ausbaues der Landesstraße 2 (der L***** Straße) im Baulos „Umfahrung L*****“, das Eigentum an Teilflächen mehrerer in der Katastralgemeinde L***** gelegener Grundstücke zugunsten des Landes Vorarlberg durch Enteignung in Anspruch genommen. Davon waren unter anderem folgende Grundeigentümer in Ansehung folgender Grundstücke betroffen:

1.) Der erste Antragsteller und die zweite Antragstellerin, jeweils als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken 195, 198 und 2630, in Ansehung von 651 m2 aus dem Grundstück 198 mit einem Gesamtausmaß von 11.396 m2;

2.) der dritte Antragsteller und die vierte Antragstellerin als gütergemeinschaftliche Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Grundstück 228/2 in Ansehung von 780 m2 aus dem genannten Grundstück mit einem Gesamtausmaß von 1.504 m2 und

3.) der fünfte Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken 25, 656, 658, 599, 615, 602/1 und 660/2 in Ansehung von 710 m2 aus dem Grundstück 656 mit einem Gesamtausmaß von 3.464 m2, von 320 m2 aus dem Grundstück 658 mit einem Gesamtausmaß von 4.938 m2 und von 10 m2 aus dem Grundstück 660/2 mit einem Gesamtausmaß von 57.282 m2 sowie in Ansehung von weiteren Teilflächen aus dem übrigen Gutsbestand der Liegenschaft EZ *****.

Die Entschädigung wurde im Enteignungsbescheid für alle Flächen aus den Grundstücken der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** 75 S/m2 und für die Flächen aus dem Grundstück der Liegenschaft EZ ***** mit 55 S/m2 bestimmt.

Der Enteignungsbescheid wurde dem ersten Antragsteller am 28. Juli 1981 und den übrigen Antragstellern am folgenden Tag zugestellt.

Am 27. Jänner 1982 langten Anträge der Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** (1 Nc 6/82), der Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** (1 Nc 7/82) und des Eigentümers der Liegenschaft EZ ***** (1 Nc 8/82) auf gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrag iSd § 47 Abs 2 VbgStrG beim Erstgericht ein.

Das Erstgericht verband die drei Entschädigungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Es bestimmte die Entschädigung

1.) der Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** für die Teilfläche von 651 m2 aus dem Grundstück 198,

2.) der Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** für die Teilfläche von 780 m2 aus dem Grundstück 228/2 mit jeweils 350 S/m2,

3.) die Entschädigung des Eigentümers der Liegenschaft EZ ***** für die Teilfläche von 710 m2 aus dem Grundstück 656 ebenfalls mit 350 S/m2 und für die Teilflächen aus den Grundstücken 658 und 660/2 mit jeweils 100 S/m2.

Das Land Vorarlberg führte in seinem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss unter anderem aus, bei den Vorbereitungen zur Grundablöse für landwirtschaftliche Flächen sei ein Preis von 50 S/m2 als Höchstpreis festgelegt worden. Der Rekursantrag zielte auf eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses in der Weise, „dass die von der Landesstraßenverwaltung für landwirtschaftliche Grundstücke bezahlte Entschädigung als angemessen festgesetzt wird, in eventu, dass die von der Enteignungsbehörde festgelegte Entschädigung als angemessen festgesetzt wird“.

Das Rekursgericht setzte in teilweiser Abänderung und teilweiser Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses (im Verfahren zu 1 Nc 6/82) die Entschädigung des ersten und der zweiten Enteigneten von 350 S/m2 auf 100 S/m2, (im Verfahren zu 1 Nc 7/82) die Entschädigung des dritten und der vierten Enteigneten von 350 S/m2 auf 228 S/m2 und (im Verfahren zu 1 Nc 8/82) die Entschädigung des fünften Enteigneten für die Teilfläche von 710 m2 aus dem Grundstück 656 von 350 S/m2 auf 100 S/m2 herab und bestätigte die für den fünften Enteigneten festgesetzte Entschädigung, soweit sie 100 S/m2 nicht überstieg. Dabei legte das Rekursgericht in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass gegen die Annahme eines Verkehrswertes von 100 S/m2 für landwirtschaftliche Gründe in dem in Betracht kommenden Gebiet zum Bewertungsstichtag keine Bedenken bestünden. In Ansehung des Grundstücks 228/2 anerkannte das Rekursgericht einen Nutzwertentgang von 100.000 S und teilte ihn nach dem Flächeninhalt der enteigneten Teilflächen (100.000 S : 780 m2 = 128,2 S/m2) auf.

Das Land Vorarlberg ficht die Rekursentscheidung insoweit an, als die Entschädigung jeweils mit mehr als 50 S/m2 festgesetzt wurde. Es stellte in erster Linie einen Aufhebungsantrag, in zweiter Linie einen Abänderungsantrag. Als Anfechtungsgrund führt es unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung aus.

Die Enteigneten erstatteten eine anwaltlich verfasste gemeinsame Gegenschrift. Darin machen sie einerseits eine Verspätung des vom Land Vorarlberg erhobenen Revisionsrekurses geltend, andererseits erachten sie den Revisionsrekurs mangels Ausführung eines im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrundes als unstatthaft. Im Übrigen erachten sie die vom Land ausgeführte Verfahrensrüge als nicht stichhältig und die Rechtsrüge als nicht ausgeführt.

Zur Bestimmung der einzelnen Verfahrensgegenstände ist vorweg festzuhalten:

Das Enteignungsverfahren richtete sich nach dem 10. Abschnitt des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl Nr 8/1969. Die Landesregierung hat als Enteignungsbehörde im Enteignungsbescheid die zu leistende Entschädigung bestimmt. Die Enteigneten haben innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 47 Abs 2 VbgStrG die gerichtliche Festsetzung der Entschädigungsbeiträge begehrt. Für das gerichtliche Verfahren sind nach § 47 Abs 3 VbgStrG die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sinngemäß anzuwenden, soweit das Vorarlberger Straßengesetz selbst nicht etwas anderes bestimmt. Daraus folgt in rein verfahrensrechtlicher Sicht:

1.) Die gemeinsame Behandlung der drei Anträge auf gerichtliche Feststellung der Entschädigungsbeträge nach Art einer Verbindung von Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ändert nichts an der Selbständigkeit der einzelnen Verfahrensgegenstände. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist in Ansehung der Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, der Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** und des Eigentümers der Liegenschaft EZ ***** jeweils gesondert und unabhängig von den gemeinsam behandelten Anträgen der anderen Enteigneten zu prüfen.

2.) Mangels abweichender Regelung im Vorarlberger Straßengesetz oder im Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 gelten für die Anfechtung rekursgerichtlicher Entscheidungen die allgemeinen Regelungen nach den §§ 14 und 16 AußStrG. Das Vorliegen einer bestätigenden Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz kann seit der Abänderung des § 502 Abs 3 ZPO durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch im Außerstreitverfahren nicht mehr in Analogie zu den Grundsätzen des Jud 56 beurteilt werden (SZ 57/40, SZ 57/119 = RZ 1985/35; ÖA 1985, 145). Bei einem teilbaren Verfahrensgegenstand, also insbesondere einem Geldleistungsbegehren wie dem auf Feststellung einer Enteignungsentschädigung ist eine rekursgerichtliche Entscheidung in dem Teil, in dem sie spruchmäßig mit dem erstinstanzlichen Beschluss übereinstimmt, als bestätigende Entscheidung zu werten. Sie ist in einem solchen Umfang nur aus einem im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrund bekämpfbar.

Der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg richtet sich jeweils nur gegen solche Teile der Rekursentscheidung, mit denen erstinstanzliche Entschädigungsfeststellungen bestätigt wurden. In allen drei Verfahren ist ein Revisonsrekurs des Landes Vorarlberg daher nur aus den im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründen beachtlich.

Das Gericht zweiter Instanz hat nach inhaltlicher Prüfung der aktenkundigen Beweisgrundlagen die als Landwirtschaftsgründe qualifizierten enteigneten Flächen für den Bewertungsstichtag mit den von den Sachverständigen ermittelten Grundstückspreisen (nämlich mit 100 S/m2) als unbedenklich bewertet erklärt und in Ansehung des Grundstücks 228/2 aufgrund der Sachverständigengutachten einen Nutzwertentgang des Restgrundes angenommen. Gegen die Wertermittlung und die Zugrundelegung der ermittelten Werte bei der Entschädigungsfeststellung enthält der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg keine Ausführungen.

Die vom Rekursgericht ausgesprochene und im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht, die Entschädigungsbeträge dürften keinesfalls niedriger als im verwaltungsbehördlichen Enteignungsbescheid festgesetzt werden, weil nur die Enteigneten, nicht aber das Land Vorarlberg einen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Entschädigungsbeträge gestellt hätten, ist nach der erwähnten Sachbeurteilung über die Angemessenheit einer Entschädigung von (mindestens) 100 S/m2 nur noch von theoretischer Bedeutung. Die im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht des Gerichts zweiter Instanz übe die Unzulässigkeit einer neuen Festsetzung des Entschädigungsbetrags, der für einen Beteiligten, der das Gericht nicht angerufen hat, günstiger wäre als die im Enteignungsbescheid bestimmte Entschädigung, blieb für die Bestätigung der vom Erstgericht festgesetzten Entschädigungsbeträge ohne Auswirkung. Das Land Vorarlberg wendet sich also gegen eine die angefochtene Entscheidung nicht tragende Begründung, gegen die Rechtsansicht in einer Frage, die, wie immer sie gelöst würde, für die konkrete Sachentscheidung im Umfang der Anfechtung ohne Auswirkung bliebe, also ungelöst bleiben kann. Aus dieser Erwägung sind die Rechtsmittelausführungen über die Grenzen der gerichtlichen Neufestsetzung unbeachtlich. Sie vermögen weder eine – für die Entscheidung erhebliche – offenbare Gesetzwidrigkeit noch eine Aktenwidrigkeit oder Nichtigkeit darzustellen.

Der Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg ist daher mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Enteigneten haben in ihrer anwaltlich verfassten Gegenäußerung zum Revisionsrekurs des Landes Vorarlberg auf diesen Zurückweisungsgrund hingewiesen. Sie haben für ihren Schriftsatz ausdrücklich den Zuspruch anwaltlicher Vertretungskosten begehrt.

Dieses Kostenersatzbegehren ist nach dem gemäß § 47 Abs 3 VbgStrG sinngemäß anzuwendenden § 44 EisbEntG 1954 zu beurteilen. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

„Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen werden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten.“

Nach der Auslegung dieser Bestimmung durch den Obersten Gerichtshof im Plenissimarbeschluss vom 22. April 1902, GlUNF 1860, bezieht die erwähnte Kostenregelung nicht auch die Kosten anwaltlicher Vertretung der Enteigneten ein. An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof in der Folge in ständiger Rechtsprechung festgehalten (GlUNGF 2615, GlUNF 6295, SZ 12/250, SZ 24/185, ZVR 1957/255, SZ 52/26, 3 Ob 523/82 ua, zuletzt 2 Ob 621/85).

Zu der vergleichbaren Kostenregelung nach § 25 Abs 1 NWG gelangte der Oberste Gerichtshof in seinem drei Wochen nach dem erwähnten Plenissimarbeschluss gefassten Plenissimarbeschluss vom 13. Mai 1902, GlUNF 1895, zu einem gegenteiligen Ergebnis.

In der Lehre wurde die Auslegung des § 44 EisbEntG im Sinne des Plenissimarbeschlusses vom 22. April 1902 zunächst – ohne eigene Argumente – übernommen (Ehrenzweig System2 I/2, 228 FN 74; Klang in KlangII, 200). In jüngerer Zeit hat Brunner (Enteignung für Bundesstraßen, 111) unter Hinweis auf die trotz kritischer Gegenmeinungen unverändert gebliebene höchstgerichtliche Rechtsprechung deren Auslegung vertreten.

Die ständige Rechtsprechung im Sinne des Plenissimarbeschlusses vom 22. April 1902 stieß in den letzten Jahren in der Literatur auf mehrfache und eingehende Kritik durch Kühne (JZ 1981, 561 ff; JBl 1983, 626 f; JBl 1985, 698 f) und Rummel (Rummel-Schlager Enteignungsentschädigung, 174 ff). Der erwähnten Kritik stimmten vor allem Moser (Der Staatsbürger 1981, 101), Pfersmann (ÖJZ 1984, 319 und jüngst ÖJZ 1986, 591) sowie Kerschner (ZfV 1985, 24 f) bei.

Dullinger (JBl 1984, 641 ff) legte den bisherigen Meinungsstand in einer ausführlichen Zusammenfassung dar und schloss sich dabei ebenfalls der gegen die ständige Rechtsprechung vorgebrachten Kritik an.

Dieser Kritik kann die Beachtlichkeit nicht abgesprochen werden.

Als Begründung für einen Ausschluss der Kosten anwaltlicher Vertretung des Enteigneten von einer Ersatzpflicht des Enteigners im gerichtlichen Verfahren nach den §§ 22 ff EisbEntG wurden im Einzelnen geltend gemacht:

1.) § 44 EisbEntG spreche nicht von einem Ersatz der Kosten an den Enteigneten im Besonderen oder von einem wechselseitigen Kostenersatz im Allgemeinen.

2.) Nach dem gemäß § 24 Abs 1 EisbEntG anzuwendenden § 5 AußStrG bestehe kein Anwaltszwang. Erachte sich dennoch ein Enteigneter zur Betreuung eines Rechtsanwalts mit seiner Vertretung bestimmt, etwa weil er sich selbst die gehörige Wahrung seiner Interessen nicht zutraue, liege dies verfahrenskostenmäßig in der von ihm selbst zu vertretenden Sphäre, zumal

3.) das Gericht gemäß § 2 Z 5 und 6 AußStrG zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung verpflichtet sei.

Sei aber der Sonderregelung nach § 44 EisbEntG keine Anordnung zum Ersatz von Kosten der Vertretung des Enteigneten durch berufsmäßige Parteienvertreter zu entnehmen, habe es bei dem im außerstreitigen Verfahren allgemein geltenden Grundsatz zu bleiben, dass ein Kostenersatzanspruch eines Beteiligten gegen einen anderen nicht bestehe.

4.) Soweit zu der dem § 44 EisbEntG nachgebildeten Kostenregelung des § 25 NWG eine gegenteilige Auslegung vertreten werde, sei dies darin begründet, dass im Verfahren nach dem Notwegegesetz das Gericht nicht bloß über die Höhe der Entschädigung, sondern – unter besonderer Berücksichtigung der §§ 1 bis 4 NWG – über den Zwangseingriff als solchen zu entscheiden habe und deshalb die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung der Parteieninteressen grundsätzlich als zweckmäßig anzuerkennen sei.

Zur Widerlegung dieser Ansicht und zur Begründung der gegenteiligen wurde in der bisherigen Diskussion vorgebracht:

1.) Der im § 44 EisbEntG verwendete Ausdruck der „Kostenbestreitung“ sei sinngleich mit dem des Kostenersatzes. Der Kostenbegriff sei vom Gesetzgeber des Jahres 1878 iSd § 24 des Gesetzes vom 16. Mai 1874, RGBl 69, verstanden worden und schließe nach seinem Wortsinn auch die zur zweckentsprechenden Interessenwahrung notwendigen Kosten anwaltlicher Vertretung ein. Eine Einschränkung des Kostenbegriffs auf die für behördliche Tätigkeiten zu entrichteten Gebühren sei der Regelung nach § 44 EisbEntG nicht zu unterstellen.

2.) Das Fehlen eines verfahrensrechtlichen Gebots zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt schließe nicht aus, dass eine derartige Vertretung zur gehörigen Wahrung der Interessen eines Verfahrensbeteiligten aus sachlichen Gründen angezeigt sein könnte, vor allem um gegenüber einem in der Regel durch Spezialisten vertretenen öffentlich-rechtlichen Enteigner eine „Waffengleichheit“ im gerichtlichen Verfahren im Sinne eines fair trial zu gewährleisten. Die in der Auslegung des § 25 NWG anerkannten Gründe hätten für die Auslegung des § 44 EisbEntG dieselbe Argumentationskraft, sodass

3.) auch der das Verfahren beherrschende Grundsatz amtswegiger Sachverhaltsermittlung kein schlagendes Argument für eine Herausnahme der Vertretungskosten von der Kostenersatzpflicht abzugeben vermöge.

4.) Dem Verfahrensziel angemessener Schadloshaltung für den Enteigneten sei jene Auslegung der Kostenreglung adäquat, die dem Enteigneten für den zu seiner Interessenwahrung im Verfahren zweckmäßig gemachten Aufwand einen Kostenersatzanspruch unter Einschluss von Vertretungskosten gewähre. Das entspreche nicht bloß der aus den Materialien zu entnehmenden Absicht des historischen Gesetzgebers, sondern vor allem aus heutiger rechtsstaatlicher Auffassung vom besseren Zugang zum Recht sowie eines an den Grundsätzen der Menschenrechtskonvention ausgerichteten „fair trial“.

Zur Auslegung des § 44 EisbEntgG 1954 hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber unter dem nicht näher umschriebenen Begriff der Kosten des Verfahrens Vertretungskosten grundsätzlich ausgeschlossen wissen wollte. Weder die Amtspflicht des Gerichts, den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben, noch die Zulässigkeit der Vertretung durch jede erwachsene eigenberechtigte Person lassen die Kosten des Enteigneten für seine Vertretung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter als einen bloß der Beförderung eigener Bequemlichkeit oder dem Ausgleich des Mangels an eigener sachlicher und taktischer Erfahrung dienenden und daher typischerweise unnötigen Aufwand erscheinen. Einer solchen Ansicht steht nunmehr eindeutig der Umstand entgegen, dass der Verfahrensgesetzgeber durch Art VIII § 3 Abs 1 Verfahrenshilfegesetz, BGBl 569/1973, die Anwendbarkeit der Verfahrenshilfe in außerstreitigen Verfahren ohne Einschränkung, also auch mit der Möglichkeit der Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe ausdrücklich angeordnet hat.

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen enthalten keine Kostenersatzvorschrift. Unzulässig wäre es, daraus folgern zu wollen, dass der in einer Sonderregelung über den Kostenersatz in einem bestimmten außerstreitigen Verfahren nicht näher umschriebene Begriff der Kosten immer so eng wie möglich auszulegen wäre. Sachgerecht ist vielmehr im Zweifelsfall eine Ausrichtung an den für den Verfahrensgegenstand selbst normierten materiell-rechtlichen Grundsätzen (wie dies etwa positiv-rechtlich für die nacheheliche Vermögensaufteilung im Gleichklang der materiellen Norm des § 83 EheG mit der Verfahrensnorm des § 234 AußStrG angeordnet ist).

Der Rückgriff auf den verwandten Kostenbegriff des § 41 ZPO und die Ausrichtung am Schadloshaltungsgrundsatz des § 365 ABGB (hier auch: § 46 Abs 1 VbgStrG) führen zum selben Ergebnis. Dies deckt sich mit der Auslegung des § 25 NWG durch die Plenissimarentscheidung vom 13. Mai 1902, GlUNF 1895, zu der der Oberste Gerichtshof bereits wieder zurückgefunden hat (EvBl 1985/127).

Der Oberste Gerichtshof hält daher die Auslegung des § 44 EisbEntG im Sinne des Plenissimarbeschlusses vom 22. April 1902, GlUNF 1860, nicht aufrecht. Die eine Verstärkung des Senats gemäß § 8 Abs 1 Z 1 OGHG auslösende Auslegungsfrage ist vielmehr im folgendem Sinne zu entscheiden:

„Zu den nach § 44 EisbEntG 1954 vom Enteigner zu ersetzenden Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Entschädigung zählen auch Kosten der Vertretung des Enteigneten durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter.“

Welche Kosten in derartigen Verfahren nicht zu ersetzen sind, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden.

Im Sinne der oben dargelegten Auslegung gebührt den enteigneten Ersatz für die Kosten ihrer anwaltlich verfassten Gegenschrift zum zurückgewiesenen Revisionsrekurs des Enteigners, da ein erfolgreiches Einschreiten keinesfalls als ungerechtfertigt iSd § 44 EisbEntG 1954 gewertet werden könnte.

Über die auch in der jüngeren Literatur unterschiedlich gelöste Frage, ob § 44 EisbEntG 1954 einen Kostenersatz des Enteigneten nach dem sogenannten Veranlassungsprinzip oder nach dem Erfolgsprinzip vorsieht, war aus Anlass des zu erledigenden Rechtsmittels nicht zu erkennen, weil für die erfolgreiche Gegenschrift unter beiden Gesichtspunkten Kostenersatz gebührte.

Kostenbemessungsgrundlage ist die Summe der Beschwerdegegenstände des zurückgewiesenen Revisionsrekurses. Der Beschwerdegegenstand betrug im Verfahren

a) zu 1 Nc 6/82 (651 x 50 S =)   32.550 S,

b) zu 1 Nc 7/82 (780 x 178 S =)  138.840 S,

c) zu 1 Nc 8/82 (1040 x 50 S =)  52.000 S,

zusammen daher:            223.390 S.

Bei dieser Bemessungsgrundlage errechnen sich die zu ersetzenden Anwaltskosten mit 9.231,75 S.

Dieser Kostenbeitrag ist im Verhältnis der oben ausgewiesenen Beschwerdegegenstände im Verhältnis von 6 : 26 : 9 auf die drei gemeinsam geführten Verfahren aufzuteilen. Demnach gebührt den Enteigneten im Verfahren zu 1 Nc 6/82 ein Kostenersatz von 1.385 S, den Enteigneten im Verfahren zu 1 Nc 7/82 ein solcher von 5.769,75 S und den Enteigneten zu 1 Nc 8/82 ein Ersatz von 2.077 S.

Textnummer

E116947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00647.840.1219.000

Im RIS seit

02.02.2017

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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