TE OGH 1987/2/17 14Ob211/86 (14Ob212/86)

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Veröffentlicht am 17.02.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Josef K***, Fassader, Weppersdorf, Eichengasse 12, 2. Johann F***, Zimmerer, Weppersdorf, Brunnengasse 30, beide vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** Baugesellschaft mbH, Wien 13., Eitelbergergasse 26, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 43.427,30 sA (Erstkläger) und S 46.403,50 sA (Zweitkläger), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8.September 1986, GZ 44 Cg 93/86-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 17.Februar 1986, GZ 2 Cr 405/85-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit S 4.668,18 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 424,38 an Umsatzsteuer enthalten) je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Folgender Sachverhalt steht außer Streit: Der Erstkläger war im Unternehmen der beklagten Partei vom 4.5.1971 bis 15.11.1985 als Fassader beschäftigt; der Zweitkläger ist seit über 20 Jahren als Bauhilfsarbeiter in diesem Unternehmen beschäftigt. Vom Beginn der Arbeitsverhältnisse an zahlte die beklagte Partei an die Kläger das Übernachtungsgeld im Sinne des § 9 III. Z 1 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe (KV). Seit dem 1.3.1983 weigert sich die beklagte Partei, das Übernachtungsgeld zu zahlen, weil sie den Klägern nunmehr eine freie Unterkunft (Firmenquartier) zur Verfügung stellte. Die Kläger erwirkten in der Folge ein Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 30.5.1984, mit welchem ihnen das Übernachtungsgeld für die Zeit vom 1.3. bis 15.12.1983 zugesprochen wurde. Die von der beklagten Partei dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos; eine Revision war mit Rücksicht auf den S 30.000 nicht übersteigenden Streitwert nicht zulässig. Die beklagte Partei weigert sich, für die Zeit ab 16.12.1983 ein Übernachtungsgeld an die Kläger zu zahlen.

Im Zeitpunkt des Beginnes der Arbeitsverhältnisse der Kläger standen keine freien Firmenquartiere zur Verfügung. Ab 1983 ist auf Grund eines Rückganges der Zahl der bei der beklagten Partei beschäftigten Arbeitnehmer eine namhafte Zahl von Firmenquartieren frei geworden. Als die Kläger ihren Dienst bei der beklagten Partei antraten, hatten sie ein Privatquartier in Wien und teilten dies der beklagten Partei mit. Keinem der beiden Kläger kann eine tägliche Rückkehr von der Arbeitsstelle an ihren (im Burgenland liegenden) Wohnort zugemutet werden.

Die Kläger begehren von der beklagten Partei die Zahlung des der Höhe nach außer Streit stehenden Übernachtungsgeldes, und zwar der Erstkläger für die Zeit vom 16.12.1983 bis 15.11.1985 im Betrag von S 43.427,30 netto sA und der Zweitkläger für die Zeit vom 16.12.1983 bis 31.12.1985 im Betrag von S 46.403,50 netto sA. Sie vertreten die Auffassung, die beklagte Partei habe das ihr zustehende Wahlrecht, entweder ein Firmenquartier zur Verfügung zu stellen oder das Übernachtungsgeld zu zahlen, bereits zu Beginn der Arbeitsverhältnisse unwiderruflich ausgeübt, so daß sie nunmehr nicht einseitig den Arbeitsvertrag abändern könne.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Infolge des Rückganges der Zahl der Beschäftigten stünden nunmehr freie Firmenquartiere zur Verfügung. Darin sei eine Änderung der Verhältnisse zu erblicken, welche die beklagte Partei berechtige, vom Recht des Anbietens einer Unterkunft Gebrauch zu machen. Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, die Bindung an die vom Schuldner einer Wahlschuld im Sinne des § 906 ABGB getroffene Wahl hänge bei einem Dauerschuldverhältnis von der Vertragsauslegung ab. Die Auslegung der den gegenständlichen Anspruch regelnden Bestimmung des KV ergebe, daß die vom Arbeitgeber einmal getroffene Wahl auch für die in Zukunft fällig werdenden Leistungen bindend sei. Die beklagte Partei habe wohl ein wirtschaftliches Interesse daran, frei gewordene Firmenquartiere wieder mit Arbeitnehmern zu belegen, doch dürfe nicht dieses Interesse allein berücksichtigt werden. Der Arbeitnehmer, der sich mangels Beistellung eines Firmenquartiers eine Unterkunft selbst verschaffen müsse, habe hiefür erfahrungsgemäß erhebliche Aufwendungen, wie etwa für Ablöse, Einrichtungsgegenstände, Adaptierung usw., vorzunehmen, deren Ersatz er im Falle der Auflösung des Mietverhältnisses meistens nicht mit Erfolg zurückverlangen könne, so daß er einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil erleide. Auch der Übergang von einem Firmenquartier zur Zahlung des Übernachtungsgeldes könne für den Arbeitnehmer mit Schwierigkeiten verbunden sein, weil bis zur Beschaffung eines Privatquartiers meistens ein erheblicher Zeitraum verstreiche. Besonders untragbar sei die Situation im Falle eines häufigen Wechsels der Bereitstellung eines Firmenquartiers und der Zahlung eines Übernachtungsgeldes. Hingegen könne sich der Arbeitgeber infolge der starken Fluktuation von Arbeitnehmern im Baugewerbe den wechselnden wirtschaftlichen Bedürfnissen besser anpassen, weil er neu eintretenden Arbeitnehmern zu Beginn ihrer Arbeitsverhältnisse entweder das Übernachtungsgeld oder ein Firmenquartier anbieten könne. Die von der beklagten Partei geltend gemachte Änderung der Verhältnisse liege nur auf ihrer Seite vor. Eine Verneinung der Bindung des Arbeitgebers an die einmal getroffene Wahl hätte unzumutbare Nachteile für den Arbeitnehmer zur Folge, der auf Grund dieser Wahl seine Dispositionen getroffen habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Bei der Auslegung der hier maßgebenden kollektivrechtlichen Norm komme es nicht auf die konkreten Verhältnisse der Parteien des Einzelarbeitsvertrages, sondern auf die in der Bauindustrie und im Baugewerbe herrschende allgemeine Situation an. Im allgemeinen werde es aber dem Arbeitgeber infolge der starken Fluktuation der Arbeitnehmer nicht schwer fallen, bei der Neuaufnahme von Arbeitnehmern einem Überhang an freien Firmenquartieren entgegenzuwirken.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Klagebegehren abgewiesen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt,

Gemäß dem § 9 III. Z 1 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe (KV) haben Arbeitnehmer unter der - auf die Kläger zutreffenden - Voraussetzung, daß ihr ständiger Wohnort (Familienwohnsitz) von der Arbeitsstelle soweit entfernt ist, daß ihnen eine tägliche Rückkehr zu ihrem Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann, "Anspruch auf freie Unterkunft bzw. auf Übernachtungsgeld". Die sich aus diesem im Kollektivvertrag verankerten und daher gemäß dem § 11 Abs 1 ArbVG unmittelbar rechtsverbindlichen Anspruch des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ergebende Schuld ist, wie die Untergerichte richtig erkannt haben und wie auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen wird, eine Wahlschuld im Sinne des § 906 ABGB; sie kann nämlich "auf mehrere Arten" erfüllt werden, durch Gewährung einer freien Unterkunft oder durch Zahlung eines Übernachtungsgeldes. Der aus dieser Schuld verpflichtete Arbeitgeber hat somit die Wahl zwischen zwei Arten der Schulderfüllung. Gemäß dem § 906 ABGB kann aber der Schuldner von der einmal getroffenen Wahl für sich allein (also einseitig) nicht abgehen. Die Untergerichte vertreten die Auffassung, daß für die Entscheidung der Frage, ob diese Bindung des zur Wahl Berechtigten auch für wiederkehrende Leistungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen gelte, die Auslegung maßgeblich sei. Auf Grund der Auslegung und der Abwägung der beiderseitigen Interessenlagen ergebe sich hier eine Bindung der beklagten Partei an ihre zu Beginn der Arbeitsverhältnisse getroffene Wahl. Die Revisionswerberin vertritt demgegenüber die Ansicht, eine solche Auslegung führe infolge der überwiegenden Interessen des Arbeitgebers an der Inanspruchnahme der von ihm bereitgestellten freien Unterkünfte zur Verneinung einer Bindung an die Wahl. Zur Frage dieser Bindungswirkung vertreten Reischauer in Rummel, § 906 ABGB Rdz 4 und Gschnitzer in Klang, IV/1, 374, entgegen der Meinung des Erstgerichts eine im Ergebnis übereinstimmende Auffassung. Reischauer führt aus, der (zur Wahl) Berechtigte sei an die getroffene Wahl auch bei Dauerleistungen bzw. wiederkehrenden Leistungen im Dauerschuldverhältnis gebunden, "der Vertrag würde denn anderes ergeben". Gschnitzer bezeichnet die Frage, ob bei wiederkehrenden Leistungen die einmal getroffene Wahl auch für die späteren Leistungen wirke, als Auslegungsfrage. Beide Autoren stimmen somit darin überein, daß die Bindung des § 906 ABGB grundsätzlich auch für wiederkehrende Leistungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses gelte, es sei denn, die Auslegung des Vertrages ergebe das Gegenteil. Diese Einschränkung bedeutet aber lediglich einen Hinweis auf die den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit eingeräumte Dispositionsmöglichkeit; sie können abweichend von der im § 906 ABGB normierten Bindungswirkung Gegenteiliges vereinbaren. Diese Vereinbarung kann ausdrücklich oder schlüssig (§ 863 ABGB) erfolgen; sie kann sich insbesondere auch aus dem im Rahmen der Parteienabsicht verfolgten Vertragszweck ergeben. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist zunächst zu prüfen, ob die Auslegung der die Wahlschuld normierenden Kollektivvertragsbestimmung zu einer mangelnden Bindungswirkung führt. Kollektivverträge sind in ihrem normativen Teil (§ 11 Abs 1 ArbVG) nach herrschender Lehre (Strasser in Floretta - Strasser, ArbVG-Handkommentar, 33, sowie in Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht 2 , II, 118; Kuderna, DRdA 1975, 161 ff, jeweils mwH) und Judikatur (Arb 10.062, 9653, 9567 uva, zuletzt etwa 4 Ob 147 bis 150/85) nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen. Weder die Wortauslegung noch eine am Normzweck orientierte Auslegung führt hier zu einem von der Bindungswirkung des § 906 ABGB abweichenden Ergebnis. Der Zweck der Norm des § 9 III. Z 1 KV besteht ganz offenbar darin, einem Arbeitnehmer, dem eine tägliche Rückkehr von der Arbeitsstelle zu seinem Wohnort nicht zugemutet werden kann, die ihn treffende wirtschaftliche Last, Aufwendungen für die Übernachtung am Arbeitsort erbringen zu müssen, abzunehmen oder wenigstens zu erleichtern. Diesem Zweck dient sowohl die Bereitstellung einer Unterkunft als auch die Zahlung eines Übernachtungsgeldes. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer entweder eine Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung zu stellen oder ein Übernachtungsgeld zu zahlen. Diese Leistung des Arbeitgebers ist nicht etwa ein Spesen- oder Aufwandersatz; sie ist vielmehr ein Teil des Arbeitsentgelts, der in der Form einer Sozialzulage gewährt wird (vgl. Martinek-Schwarz, AngG 6 , 234; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 2 , 252). Es mag durchaus sein, daß ein Wechsel zwischen der Bereitstellung einer Unterkunft und der Zahlung eines Übernachtungsgeldes und somit eine vom § 906 ABGB abweichende mangelnde Bindung aus den in der Revision dargelegten Gründen im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers liegt. Aus dem oben erläuterten Zweck dieser Wahlschuld und deren Wesen ergibt sich jedoch trotz dieses Interesses nicht schon eine Befreiung von der gesetzlichen Bindungswirkung: Dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers steht nämlich ein ebenfalls beachtliches wirtschaftliches Interesse des Arbeitnehmers gegenüber, im Vertrauen auf die vom Arbeitgeber getroffene Wahl für die weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses für seine Unterbringung am Arbeitsort wirtschaftlich zu disponieren und sich darauf einzurichten. Ob das Interesse des Arbeitgebers oder jenes des Arbeitnehmers überwiegt, wird von Fall zu Fall verschieden sein; für die Auslegung der generellen Norm genügt es, daß einander im allgemeinen zwei Interessenlagen gegenüberstehen.

Dazu kommt aber noch, daß der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer - insbesondere beim Abschluß des Arbeitsvertrages - eine entsprechende einzelvertragliche Regelung über den Ausschluß der Bindungswirkung treffen kann, wobei es grundsätzlich genügen würde, sich eine Änderung der Gewährung der Sozialzulage, allenfalls für einen bestimmten Fall, ausdrücklich vorzubehalten. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Befreiung von der gesetzlichen Bindung an die getroffene Wahl ist daher im allgemeinen nicht derart stark ausgeprägt, daß es ungeachtet des in der Regel bestehenden wirtschaftlichen Interesses des Arbeitnehmers an einer solchen Bindung für sich allein eine vom § 906 ABGB abweichende Auslegung in bezug auf die Bindungswirkung rechtfertigen könnte. Eine solche abweichende Auslegung könnte sich auch aus einer entsprechenden Betriebsübung ergeben; ein derartiges Vorbringen wurde aber von der beklagten Partei nicht erstattet. Zu prüfen bleibt, ob sich aus den Einzelarbeitsverträgen der Kläger das Fehlen einer Bindungswirkung ergibt. Eine diesbezügliche übereinstimmende Parteienabsicht wurde nicht behauptet. Aus dem außer Streit stehenden Sachverhalt, der allenfalls die Grundlage für eine schlüssige Vereinbarung im Sinne des § 863 ABGB bilden könnte, ergibt sich ebenfalls kein zwingender Umstand in der Richtung eines Abgehens von der Bindungswirkung. Die beklagte Partei hat sich zwar im Zeitpunkt der Begründung der Arbeitsverhältnisse der Kläger für die Zahlung des Übernachtungsgeldes entschieden, weil damals alle Firmenquartiere besetzt waren, so daß sie den Klägern keine freie Unterkunft zur Verfügung stellen konnte. Daß dieser Umstand von den Parteien zur Bedingung der Gewährung des Übernachtungsgeldes im Sinne des § 901 ABGB gemacht worden oder den Klägern auch nur bekannt gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Im übrigen hat die beklagte Partei den Klägern nicht deshalb nunmehr eine freie Unterkunft angeboten, weil erstmals eine solche frei geworden wäre, sondern weil die Beschäftigtenzahl derart gesunken ist, daß freie Unterkünfte in entsprechender Zahl zur Verfügung stehen. Daß dieser Umstand auch nur stillschweigend von beiden Parteien zur wesentlichen Bedingung im Sinne des § 901 ABGB erhoben worden wäre oder daß er eine von beiden Parteien gemeinsam dem Vertragsabschluß unterstellte typische (selbstverständliche) Voraussetzung gewesen wäre, wurde ebenfalls nicht behauptet und ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Bedenkt man, daß der Erstkläger 12 Jahre und der Zweitkläger rund 20 Jahre das Übernachtungsgeld (anstelle einer freien Unterkunft) erhalten haben, obgleich angenommen werden muß, daß in dieser Zeit infolge der notorisch starken, von der Revisionswerberin selbst zugestandenen Fluktuation der Arbeitskräfte in der Bauindustrie und im Baugewerbe Unterkünfte vorübergehend immer wieder frei geworden sind (Gegenteiliges wurde nicht behauptet), und die Kläger der beklagten Partei bei ihrer Einstellung mitgeteilt hatten, daß sie in Wien über Privatquartiere verfügten, ohne daß die beklagte Partei darauf hingewiesen hätte, daß sie dennoch gegebenenfalls ein Firmenquartier beziehen müßten, dann ist - abgesehen von der vorerwähnten Bindungswirkung des § 906 ABGB - überdies eine schlüssige Vereinbarung der Parteien über die ausschließliche Zahlung des Übernachtungsgeldes unter Ausschluß der Möglichkeit, den Klägern ein Firmenquartier einseitig zur Verfügung zu stellen, zustandegekommen, von der die beklagte Partei einseitig nicht abgehen kann. Sie ist daher auch aus diesem Grund verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen das Übernachtungsgeld an die Kläger zu zahlen.

Die Auffassung der Revisionswerberin ist aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Teilkündigung verfehlt. Abgesehen davon, daß eine solche Kündigung von ihr weder in erster noch in zweiter Instanz behauptet wurde, so daß dieser Teil ihrer Revisionsausführungen gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO verstößt, kann der Versuch der beklagten Partei, anstelle der Gewährung des Übernachtungsgeldes eine freie Unterkunft zur Verfügung zu stellen, nicht als Kündigung einzelner Bestimmungen oder zusammengehöriger Gruppen von Bestimmungen eines Vertrages angesehen werden. Die beklagte Partei versucht lediglich, anstelle der bei Abschluß der Arbeitsverträge getroffenen Wahl unter Mißachtung der Bindungswirkung des § 906 ABGB eine andere Wahl zu treffen und damit den Inhalt des Arbeitsvertrages insoweit einseitig zu ändern. Im übrigen wäre die Teilkündigung eines Arbeitsverhältnisses im oben dargelegten Sinn unzulässig und rechtsunwirksam (Floretta in Floretta - Spielbüchler - Strasser, Arbeitsrecht 2 I 192; Martinek - Schwarz aaO 383; Kuderna, DRdA 1979, 100 ff; Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht 2 312; Arb 9609; 4 Ob 168/80; aM Steininger, Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses 136 ff).

Der somit unberechtigten Revision mußte ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E10352

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OB00211.86.0217.000

Dokumentnummer

JJT_19870217_OGH0002_0140OB00211_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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