TE OGH 1987/2/17 14ObA12/87

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Veröffentlicht am 17.02.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Mag. Karl Dierschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter S***, Wien 10., Van der Nüll-Gasse 82- 86/7/4/15, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***

G*** MBH & CO. KG, Wien 23., Laxenburger Straße 226, vertreten durch Dr. Herbert Richter und Dr. Franz Marschal, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 62.000,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 17. Februar 1986, GZ. 44 Cg 223/85-23 a, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 22. Mai 1985, GZ. 3 Cr 8/83-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.997,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,85 Umsatzsteuer und S 600,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 1.10.1982 angestellt. Am 23.11.1982 verlangte die beklagte Partei vom Kläger, daß er einen schriftlichen Dienstvertrag, der ein Probemonat, eine Befristung bis 31.12.1982 und eine Vereinbarung nach § 20 Abs 3 AngG (Endigung der Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder Letzten eines Kalendermonats) vorsah, unterfertige. Der Kläger war damit nicht einverstanden. Es kam zwischen dem Kläger und dem Prokuristen der beklagten Partei Adolf R*** zu einer heftigen Auseinandersetzung; bei dieser war auch der Geschäftsführer der beklagten Partei zeitweise anwesend.

Der Kläger behauptet, er sei im Zuge dieses Gesprächs nach Androhung ungerechtfertigt entlassen worden, weil er sich geweigert habe, der Befristung des Dienstverhältnisses zuzustimmen. Nach einem Krankenstand vom 24. bis 28.11.1982 habe er versucht, über seine Situation Klarheit zu erlangen; er sei jedoch mit dem Bemerken aus dem Betrieb der beklagten Partei verwiesen worden, daß er (bereits) entlassen sei. Der Kläger begehrt an Kündigungsentschädigung (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen) sowie Urlaubsabfindung den im Berufungsverfahren außer Streit gestellten Gesamtbetrag von S 62.000,- sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger sei am 23.11.1982 unbegründet vorzeitig ausgetreten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, der Kläger sei am 23.11.1982 vom Geschäftsführer der beklagten Partei, Roman T***, entlassen worden.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem; es gab der Berufung der beklagten Partei auf der Grundlage teilweise geänderter Feststellungen Folge und wies das Klagebegehren ab.

Es nahm folgenden wesentlichen Sachverhalt als erwiesen an:

Ein Dienstverhältnis auf Probe wurde zwischen den Streitteilen bei Eintritt des Klägers am 1.10.1982 nicht vereinbart. Am 23.11.1982 kündigte Adolf R*** dem Kläger an, daß die beklagte Partei mit ihm einen schriftlichen Dienstvertrag abschließen wolle, und händigte dem Kläger ein Formular ("Schimmelvertrag") mit dem Bemerken aus, er solle sich das durchlesen. Bei der anschließenden Besprechung weigerte sich der Kläger, der Vereinbarung eines Probemonats und der Befristung des Dienstverhältnisses bis 31.12.1982 zuzustimmen; auch gegen eine Vereinbarung gemäß § 20 Abs 3 AngG sprach er sich entschieden aus. Adolf R*** bestand auf diesen Vereinbarungen, weil sie auch mit den anderen Dienstnehmern des Betriebes so abgeschlossen worden seien. Das Gespräch wurde zunehmend erhitzter und emotionsgeladener. Adolf R***

sagte zum Kläger, "in Zeiten wie diesen sollte ein Arbeitnehmer froh sein, wenn er überhaupt eine Stellung habe, er sollte sich eher der Firma fügen". Der Kläger wurde ebenfalls erregter und sprach von "Ausbeutung der Dienstnehmer" und ähnlichem. Da Adolf R*** und der Kläger keine Einigung erzielten, zog jener den Geschäftsführer der beklagten Partei, Roman T***, dem Gespräch zu. Dieser versuchte den Kläger ebenfalls zur Unterfertigung der drei strittigen Punkte zu bewegen. Der Kläger lehnte dies als grobe Benachteiligung ab, Roman T*** bestand auf der Unterschrift und sagte zum Kläger "Das müssen Sie unterschreiben, was erlauben Sie sich". Roman T*** und Adolf R*** erklärten, daß der Stil der Verhandlungen unangepaßt sei und dem "Dienstverhältnis" (Dienstverständnis ?) nicht entspreche und daß der Kläger unterschreiben müsse. Man werde einen Grund zur Entlassung finden, wenn der Kläger nicht unterschreibe. Roman T*** rückte im Verlaufe des Gesprächs von der Forderung nach einem Probemonat und der Befristung des Dienstverhältnisses ab, bestand aber auf der Kündigungsmöglichkeit nach § 20 Abs 3 AngG, weil alle Beschäftigten diese Regelung hätten.

Der Kläger lehnte dies erneut ab und sprach von Dienstgeberdruck, Ausbeutung und dgl. Es kam zu keiner Einigung. Roman T*** entfernte sich dann wieder. Adolf R*** sagte in der Folge zum Kläger, daß es sinnlos sei, über den Vertrag überhaupt noch zu sprechen; der Stil, die Sprache und das Verhandlungsklima seien unangepaßt, man könne so nicht miteinander reden. Der Kläger erwiderte, daß Adolf R*** recht habe, "daß die Basis für ein Dienstverhältnis nicht mehr gegeben sei, daß es für ihn keinen Sinn mehr habe, daß man das Gespräch nicht so weiterführen könne". Nach diesen sehr lautstarken Äußerungen verließ der Kläger das Besprechungszimmer und wollte sich - da es bereits nach Ende der Dienstzeit war - aus dem Betrieb begeben. Roman T*** folgte ihm jedoch und sagte "Unterschreiben Sie das" (nämlich eine Vereinbarung gemäß § 20 Abs 3 AngG), "und wir kommen gut zusammen". Der Kläger sagte darauf, daß sie ohnehin, was die Arbeit betreffe, in gutem Einvernehmen seien, daß er aber nicht mehr wolle und daher gehe. Dann holte sich der Kläger seine in den Betrieb gebrachten Privatsachen und verließ den Betrieb. Am nächsten Tag (24.11.1982) hatte der Kläger Fieber und fühlte sich krank, was er schon am Morgen telefonisch dem Prokuristen Adolf R*** mitteilte. Am 29.11.1982 erschien der Kläger wieder im Betrieb und verlangte die Zuweisung eines Arbeitsplatzes. Roman T*** wies den Kläger darauf hin, daß dieser bereits am 23.11.1982 das Dienstverhältnis aufgelöst und daher in der Firma nichts mehr zu suchen habe; der Kläger möge das Unternehmen verlassen. Der Kläger forderte daraufhin T*** auf, vor versammelter Belegschaft die Entlassung auszusprechen. Da dem Geschäftsführer der beklagten Partei die Situation peinlich war und er den Kläger loswerden wollte, erklärte er, daß dieser entlassen sei.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Kläger durch seine Erklärung, nicht mehr weiterarbeiten zu wollen, da hiefür keine Grundlage mehr gegeben sei, und das Verlassen des Unternehmens unter Mitnahme seiner persönlichen Sachen zweifelsfrei zu erkennen gegeben habe, daß er vorzeitig austrete. Weder Adolf R*** noch der Geschäftsführer der beklagten Partei hätten die Erklärungen und das Verhalten des Klägers anders verstehen können. Es sei auch auszuschließen, daß der Kläger im Moment der Erklärung etwas anderes als einen vorzeitigen Austritt beabsichtigt habe. Hiedurch sei das Dienstverhältnis schon am 23.11.1982 mit sofortiger Wirkung beendet worden. Einen wichtigen Austrittsgrund iS des § 26 AngG habe der Kläger nicht gehabt. Die Entlassungserklärung der beklagten Partei vom 29.11.1982 habe keine rechtlichen Wirkungen ausgelöst, weil das Dienstverhältnis bereits seit 23.11.1982 aufgelöst gewesen sei. Diese Erklärung habe nur dazu gedient, den Kläger dazu zu bringen, das Unternehmen zu verlassen. Dies habe beiden Teilen aus den Umständen klar sein müssen. Mangels Vorliegens einer ungerechtfertigten Entlassung stünden dem Kläger keine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Kläger hat die gemäß § 29 AngG erhobenen Ansprüche ausschließlich darauf gestützt, daß er vom Geschäftsführer der beklagten Partei am 23.11.1982 entlassen worden sei; am 29.11.1982 habe man ihm gesagt, daß er in der Firma nichts mehr zu suchen habe, weil er (bereits) entlassen sei.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes hat zwar die beklagte Partei dem Kläger bei den Verhandlungen über den Abschluß eines schriftlichen Dienstvertrages die Entlassung angedroht, sie aber nicht ausgesprochen. Nach der Erklärung des Klägers zu Adolf R***, es sei richtig, daß keine Basis mehr für ein Dienstverhältnis bestehe, versuchte der Geschäftsführer der beklagten Partei auch keinen Austritt des Klägers zu provozieren; er lenkte vielmehr ein , folgte dem Kläger und sagte: "Unterschreiben Sie das und wir kommen gut zusammen." Die Ansicht des Berufungsgerichtes, das Gesamtverhalten des Klägers hätte von Adolf R*** und Roman T*** nur als Austritt verstanden werden können, kann der erkennende Senat zwar nicht uneingeschränkt teilen. Die Äußerung, "die Basis für ein Dienstverhältnis sei nicht mehr gegeben", und das Mitnehmen der Privatsachen spricht zwar für den Standpunkt der zweiten Instanz; die Erklärung des Klägers, "daß es keinen Sinn mehr habe, das Gespräch weiterzuführen" und daß "er nicht mehr wolle und daher gehe" kann aber auch als Weigerung der Weiterführung der Verhandlungen über den schriftlichen Dienstvertragsentwurf gedeutet werden. Aus dem Verlassen des Betriebes allein ist nichts zu entnehmen, da es bereits nach Dienstschluß war.

Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen, weil das Berufungsgericht als erwiesen annahm, daß der Kläger "im Momente der Erklärung und des Verhaltens" tatsächlich nichts anderes als einen vorzeitigen Austritt beabsichtigte, und daß auch der Geschäftsführer der beklagten Partei das Gesamtverhalten des Klägers so verstanden hat, da er ihn am 29.11.1982 darauf hinwies, daß er das Dienstverhältnis bereits am 23.11.1982 aufgelöst habe. Haben aber die Parteien die Erklärung des Klägers übereinstimmend in diesem Sinne aufgefaßt, ist für eine andere normative Deutung kein Raum (ähnlich 3 Ob 632/79, 1 Ob 520/86).

Der Kläger hat diese Austrittserklärung auch nicht wegen Willensmängeln, insbesondere wegen des zeitweise massiven Drucks, der auf ihn ausgeübt wurde, um ihn zur Unterfertigung eines schriftlichen Dienstvertrages zu veranlassen, angefochten, obwohl zwischen dieser Druckausübung und der - offenbar resignierenden - Erklärung des Klägers zu Adolf R***, daß (auch für ihn) die Basis für ein Dienstverhältnis nicht mehr gegeben sei, ein unmittelbarer Zusammenhang bestand. Der Kläger hat sich vielmehr auch in zweiter Instanz ausschließlich auf den Rechtsgrund der ungerechtfertigten Entlassung gestützt, so daß auf die Frage, ob er begründet vorzeitig austrat, nicht einzugehen ist.

Auf die Entlassungserklärung des Geschäftsführers der beklagten Partei vom 29.11.1982 kann sich der Kläger schon deshalb nicht stützen, da sein Dienstverhältnis damals bereits beendet war; darauf hat der Geschäftsführer der beklagten Partei den Kläger damals auch ausdrücklich hingewiesen. Wenn Roman T*** dennoch die "Entlassung" aussprach, um den Kläger, der die Abgabe dieser Erklärung vor versammelter Belegschaft verlangte, loszuwerden, so war auch dem Kläger erkennbar, daß mit dieser Erklärung keine konstitutiven Wirkungen verbunden sein konnten.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14865

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00012.87.0217.000

Dokumentnummer

JJT_19870217_OGH0002_014OBA00012_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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