TE OGH 1987/2/24 10Os17/87

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Veröffentlicht am 24.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert T*** und Roland Andreas B*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten T*** sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. September 1986, GZ 20 a Vr 13947/85-90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen, der im übrigen unberührt bleibt, zur Hauptfrage 3.) (betreffend den Angeklagten Robert T***), gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO aber auch zur Hauptfrage 4.) (betreffend den Angeklagten Roland Andreas B***), sowie das darauf beruhende Urteil, das gleichfalls im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 2.) und im (gesamten) Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben, sowie die Sache - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und beide Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurden Robert T*** und Roland Andreas B*** zu

1.) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB, zu

2.)

des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB sowie zu

3.)

des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie in Wien

              1.)              am 8.Dezember 1985 dadurch versucht, in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) unter Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Friedrich K*** eine fremde bewegliche Sache, nämlich den Schlüssel zum Tresor des Lokales "K***'S P***", wo sich etwa 300.000 S Bargeld befand, mit dem Vorsatz abzunötigen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, daß sie ihn aufforderten, den Tresorschlüssel herauszugeben, Roland Andreas B*** ihm zahlreiche Schläge mit dem Griff eines Pilotenmessers auf den Kopf versetzte, Robert T*** mit dem Schaft eines Kleinkalibergewehrs Marke Savage Stevens auf ihn einstieß, sie äußerten, wenn er ihren Anordnungen nicht Folge leiste, werde er getötet werden, wobei Robert T*** das Gewehr gegen ihn in Anschlag brachte, Roland Andreas B*** ihn zweimal aufforderte "drück ab" und Friedrich K*** den Fluchtweg versperrte und Robert T*** entsicherte;

              2.)              am 8.Dezember 1985 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Friedrich K*** dadurch, daß Robert T*** einen gezielten Schuß aus dem zu Punkt 1.) angeführten Gewehr auf sein Gesicht abgab, während Roland Andreas B*** ihm den Fluchtweg versperrte, vorsätzlich getötet;

              3.)              am 25.November 1985 in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich eine Damenhandtasche mit ca. 7.500 S Bargeld, der Zdenka M*** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschwornen hatten die an sie für jeden Angeklagten gesondert gerichteten Hauptfragen 1.) und 2.) (wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster - und auch zweiter - Fall StGB), 3.) und 4.) (wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB) sowie 5.) und 6.) (wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 128 Abs. 1 Z 4 StGB) jeweils stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfragen 3.) und 4.) (gerichtet nach dem Schuldausschließungsgrund nach § 11 StGB) stimmeneinhellig verneint. Die Beantwortung der Zusatzfragen 1.) und 2.), die sich im Falle der Bejahung der Hauptfragen 1.) und 2.), aber der Verneinung der Hauptfragen 3.) und 4.) auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme des fünften Falles des § 143 StGB richtete, entfiel. Der Angeklagte T*** bekämpft das Urteil im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Z 5 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO; die Strafaussprüche fechten beide Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit Berufung an. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt aus dem zuletzt genannten Grunde Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 321 Abs. 2 StPO muß die (schriftliche) Rechtsbelehrung für jede der - tatsächlich gestellten, nicht aber wie im vorliegenden Fall auch für gar nicht gestellte - Fragen gesondert ua eine Darstellung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die Frage gerichtet ist, enthalten. Im vorliegenden Falle wurde aber den Geschwornen zur (uneigentlichen) Zusatzfrage 1.) nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme der Qualifikation des § 143 fünfter Fall StGB in der Tat keinerlei schriftliche Rechtsbelehrung erteilt. Dieses Fehlen jeglicher Rechtsbelehrung hiezu kommt einer unrichtigen Belehrung im Sinn des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO gleich (Melnizky, Fragestellung im geschwornengerichtlichen Verfahren, JBl. 1973, 356) und war geeignet, die Geschwornen bei Beantwortung der Zusatzfrage 1.) sowie der Hauptfrage 3.) irrezuleiten. Denn mangels Darlegung der gesetzlichen Merkmale des Verbrechens nach §§ 142 Abs. 1, 143 fünfter Fall StGB wurden die Geschwornen über die maßgebenden rechtlichen

Kriterien - insbesonders in bezug auf § 7 Abs. 2 StGB - im unklaren gelassen, nach denen sie zu beurteilen hatten, ob dem Beschwerdeführer im Sinne der Hauptfragen 1.) und 3.) die Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und des Mordes nach § 75 StGB oder (nur) das Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster, zweiter und fünfter Fall StGB anzulasten sind. Daß eine derartige Belehrung - wenn auch nur ansatzweise - in der (mangels entsprechender Fragestellung nicht aktuellen und nach dem Vorgesagten überflüssigen) Belehrung zum Tatbild nach § 86 StGB enthalten ist, vermag die Mangelhaftigkeit der Belehrung in diesem Punkt nicht zu beheben (SSt. 28/65 ua).

Das Ersturteil ist daher mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO behaftet, welcher auch dem Mitangeklagten Roland Andreas B***, der eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat, zustatten kommt; der Oberste Gerichtshof hatte daher gemäß §§ 290 Abs. 1 (zweiter Fall), 344 StPO von Amts wegen so vorzugehen, als wäre die aufgezeigte Urteilsnichtigkeit auch von ihm geltend gemacht worden.

Da demnach die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war gemäß §§ 285 e, 344 StPO - nach Anhörung der Generalprokuratur - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen. Auf die restlichen Punkte des Beschwerdevorbringens war demgemäß nicht einzugehen. Sollten im zweiten Rechtsgang die Geschwornen die Hauptfragen nach Mord verneinen, die Zusatzfragen in Richtung der Qualifikation nach § 143 fünfter Fall StGB aber bejahen, dann hätte dies zur Folge, daß die bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB - die unterlassene Subsumtion der gemeinsamen Tat auch unter den zweiten Fall des § 143 StGB (Tatbegehung unter Verwendung einer Waffe) ist trotz des dahingehenden Ausspruchs im Verdikt und im Schuldspruch mangels Anfechtung durch den öffentlichen Ankläger nicht mehr korrigierbar - durch die Annahme der zusätzlichen Qualifikation nach § 143 fünfter Fall StGB zu ergänzen wären.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und beide Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E10228

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00017.87.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19870224_OGH0002_0100OS00017_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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