TE OGH 1987/3/24 11Os4/87

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter H*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. September 1986, GZ 3 b Vr 8.633/86-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Holzberger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Es wird der Nichtigkeitsbeschwerde Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Angeklagte wird von der Anklage, er habe im Zeitraum zwischen Juli 1983 und 27.Dezember 1984 in Wien in seiner Eigenschaft als Oberrevident der Abrechnungsstelle des Postamtes 1010 Wien, sohin als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch Verfügungsberechtigte der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland an ihren Vermögensrechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nämlich aus dem ihm zwecks Deckung des Markenbedarfes von Sonderpostämtern übergebenen Wertzeichenvorschuß an diese Sonderpostämter (Wertzeichen) zu verteilen und den Erlös zu verrechnen, wissentlich mißbraucht, indem er in wiederholten Angriffen aus dem übergebenen Wertzeichenvorschuß einen Betrag von insgesamt 363.084 S, welchen er zu verrechnen bzw. abzuführen (gehabt) hätte, sich zueignete und für seine eigenen Zwecke verwendete; er habe hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Mai 1946 geborene Postbeamte Peter H*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit zwischen Juli 1983 und 27. (wohl richtig: 22. als dem Tag der Aufdeckung) Dezember 1984 in Wien in seiner Eigenschaft als Oberrevident der Abrechnungsstelle des Postamtes 1010 Wien, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, Verfügungsberechtigte der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland an ihren Vermögensrechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Verteilung von Wertzeichen aus dem ihm zwecks Abdeckung des Markenbedarfes zur Verfügung gestellten Wertzeichenvorschuß an - im Bereich des Postamtes 1010 Wien

eingerichtete - Sonderpostämter und die Verrechnung des (aus dem Verkauf der Wertzeichen an ihn weitergeleiteten) Erlöses, vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hatte, daß er sich in wiederholten Angriffen aus dem übergebenen Wertzeichenvorschuß (wohl richtig: aus dem aus dem Verkauf der Wertzeichen stammenden Erlös) einen Betrag von insgesamt 363.000 S, den er zu verrechnen bzw. abzuführen verpflichtet gewesen wäre, zueignete und für eigene Zwecke verwendete.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war der Angeklagte als Oberrevident im Postamt 1010 Wien ua zu jenen Zeiten, in denen Sonderpostämter in Betrieb standen, damit betraut, den Wertzeichenbedarf (der Sonderpostämter) zu decken und den ihm zugewiesenen Wertzeichenvorschuß fortlaufend abzurechnen, indem er die ihm aus dem Wertzeichenverkauf zufließenden Erlöse an die Amtskasse abzuführen hatte. In der Zeit zwischen Juli 1983 und 22. Dezember 1984 eignete er sich in wiederholten Zugriffen aus dem ihm zugekommenen Verkaufserlös einen Geldbetrag von insgesamt 363.000 S an, den er für private Zwecke verbrauchte. Nach Aufdeckung dieser Verfehlungen anläßlich einer Kassaprüfung am 22.Dezember 1984 machte der Angeklagte am 27.Dezember 1984, also noch vor der von der Post- und Telegraphendirektion erstatteten (mit 31.Dezember 1984 datierten und erst am 10.Jänner 1985 bei der Staatsanwaltschaft Wien als Strafverfolgungsbehörde eingelangten) Anzeige, den gesamten Schaden durch Bezahlung eines Geldbetrages von 363.024 S wieder gut. In seiner ausdrücklich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 (sachlich: Z 9 lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde hält der Angeklagte die Tatbeurteilung als Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB für rechtlich verfehlt. Der Beschwerdeführer beruft sich hiebei ua auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25.Jänner 1979, AZ 13 Os 196/78 = SSt. 50/13, worin ein gleichgelagerter Sachverhalt als Veruntreuung im Sinn des § 133 StGB beurteilt wurde, die aber im vorliegenden Fall wegen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach dem § 167 StGB nicht (mehr) strafbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde ist beizupflichten.

Daß dem Angeklagten (als Oberrevident im Postdienst) Beamteneigenschaft im Sinn des § 74 Z 4 StGB zukommt und seine postspezifischen Tätigkeiten im hier aktuellen Zusammenhang in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallen, kann nicht zweifelhaft sein. Für die Subsumtionsfrage ist also der Umstand entscheidend, ob der Angeklagte in Ausübung einer ihm zustehenden Befugnis handelte, im Namen des Rechtsträgers (hier: des Bundes) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB zu besorgen, dh ob das inkriminierte Verhalten in einem engen (äußeren und inneren) Zusammenhang mit den Aufgaben des Beschwerdeführers als Organ des Rechtsträgers stand (12 Os 133/82, verstärkter Senat = RZ 1983/33). Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt (jeweils in Entscheidungen verstärkter Senate - s. RZ 1983/33 und SSt. 49/32) aus, daß der Begriff "Amtsgeschäft" im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB nicht nur Rechtshandlungen, sondern auch Verrichtungen tatsächlicher Art (ausgenommen bloße Hilfstätigkeiten) erfaßt. Da aber nach dem Wortlaut des § 302 Abs. 1 StGB eine Befugnis zu Amtsgeschäften allein für die Erfüllung des Tatbestandes des Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht genügt, es sich vielmehr um eine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften als Organ des betreffenden Rechtsträgers handeln, somit eine Befugnis zu Organhandlungen eingeräumt sein muß, scheiden Verrichtungen tatsächlicher Art, die der Beamte nicht als Organ des Rechtsträgers vornimmt, aus der strafrechtlichen Haftung des § 302 Abs. 1 StGB aus (ÖJZ-LSK 1982/62 zu § 302 Abs. 1 StGB). Demzufolge unterfallen Verrichtungen tatsächlicher Art nur dann dem Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB, wenn sie wie Organhandlungen zu werten sind (9 Os 162/84 = ÖJZ-LSK 1985/47 zu § 302 Abs. 1 StGB). Hingegen können Handlungen eines Beamten im Amt, die ihrer Art nach nicht Ausübung der ihm im Rahmen der Hoheitsverwaltung erteilten - sich auf derartige Verrichtungen nicht erstreckenden - Befugnis sind, keineswegs als Befugnismißbrauch angesehen werden, mögen sie auch unter Ausnützung der - sich auf andere Tätigkeiten beziehenden - Amtsstellung geschehen sein (s. abermals RZ 1983/33).

Vorliegend stellte sich die Tat des Angeklagten - schlicht - als Griff in die ihm anvertraute Amtskasse dar, der er rechtswidrig und schuldhaft sowie mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Geldbeträge entnahm: Ein solches Verhalten kann nicht als Organhandeln für den Rechtsträger (hier: den Bund) gewertet werden. Damit scheidet eine Beurteilung der Tat als Mißbrauch der Amtsgewalt im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB aus, wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt.

An sich wäre der festgestellte Sachverhalt rechtsrichtig dem (Verbrechens-) Tatbestand der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Fall) StGB zu unterstellen. Doch kommt dem Angeklagten insoweit der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB) zustatten.

Mithin war der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E10628

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00004.87.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_0110OS00004_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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