TE OGH 1987/3/30 13Os27/87

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Veröffentlicht am 30.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef K*** wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 24.Oktober 1986, GZ. 21 Vr 1007/86-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird mit Ausnahme jenes Teils, in welchem die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und 10 StPO geltend gemacht werden, zurückgewiesen.

Über den noch unerledigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Josef K*** wurde des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 a.F. StGB sowie § 216 Abs. 2 und 4 n.F. StGB (1, 2), des Verbreches der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs. 1 Z. 1 und 3 sowie 15 StGB (3), schließlich des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Darnach hat er durch Ausbeutung der Prostituierten Jasminka H*** von 1980 bis 31.Juli 1984 seinen Unterhalt zu gewinnen gesucht, anschließend bis 6.April 1986 sich solcherart eine fortlaufende Einnahme verschafft, und H*** durch Einschüchterung an der Aufgabe der gewerbsmäßigen Unzucht gehindert (1, 2), dieselbe mit Gewalt und durch gefährliche, teils sogar Todesdrohungen zur weiteren Ausübung der Prostitution genötigt bzw. zu nötigen getrachtet (3) und ihr am 5.April 1986 durch Faustschläge mehrfache Kontusionen und Hautabschürfungen im Bereich des Kopfes, der Halswirbelsäule, des Oberbauchs, am rechten Rückenbogen und am linken Unterschenkel zugefügt.

Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs. 1 Z. 1, 3, 4, 5 9 lit. a und 10 StPO geltend.

Rechtliche Beurteilung

Äußerungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung bilden keinen Ausschließungsgrund (§§ 67 und 68 StPO). Soweit der Beschwerdeführer darin jedenfalls eine "schwere Befangenheit des Richters" erblickt, kann eine solche den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 1 StPO nicht begründen. Abgesehen davon wurde der vom Angeklagten jetzt als Ausschließungs- bzw. als Befangenheitsgrund reklamierte Umstand von ihm nicht sofort, nachdem er davon gehört hatte, geltend gemacht (§ 281 Abs. 1 Z. 1 StPO).

Im Urteilssatz (1) wurde die Zuhälterei mit den Worten des § 216 a.F. StGB unter Hinzufügung des Tatzeitraums und des Namens der ausgebeuteten Person beschrieben; mehr war nach § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO nicht erforderlich. Das Verhalten des Angeklagten, auf dem das angenommene gesetzliche Merkmal der Ausbeutung beruht, mußte nicht schon im Urteilstenor aufscheinen, weil die "Ausbeutung" ein deskriptives, d.h. dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommenes, jedermann verständliches und darum einer weiteren Individualisierung nicht bedürfendes Tatbestandsrequisit ist (vgl. EvBl. 1971 Nr. 157, 9 Os 93/74 u.a.).

Der Antrag des Verteidigers, den Vorsitzenden des Schöffensenats zu einem zwischen drei Zeuginnen außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräch zu befragen, obwhl dieser schon vorher ausdrücklich erklärt hatte, davon nichts zu wissen (S. 162), mußte scheitern, ohne damit eine Nichtigkeit des Urteils (Z. 4) begründen zu können. Soweit der Beschwerdeführer diesen Antrag als Grund für eine Ausschließung des Vorsitzenden (§ 68 Abs. 1 Z. 1 StPO) erachtet, übersieht er, daß infolge der zutreffenden Ablehnung seines Begehrens der Senatsvorsitzende in der gegenständlichen Strafsache nicht als Zeuge vernommen werden "sollte" (vgl. JBl. 1974 S. 584 f.). Dies abgesehen davon, daß auch der soeben erörterte Umstand nicht "sofort" geltend gemacht worden ist (§ 281 Abs. 1 Z. 1 StPO).

Der weitere Antrag, das Einkommen der Zeugin H*** mittels der Einsicht in Polizeiakten zu überprüfen (Z. 4), zielte nicht auf ein bestimmtes Beweisthema ab, sondern stellt sich dem Inhalt nach als ein bloßer Erkundungsbeweis dar, der, abgesehen davon, daß er keine entscheidende Tatsache betraf, gar nicht zum Vorteil des Angeklagten (§ 281 Abs. 3 StPO) hätte ausschlagen können, wenn - wie die Beschwerde meint - die Einkommensangaben H*** vor der Polizei geringer waren als vor Gericht. In diesem Falle wäre nämlich die Prostituierte vom Angeklagten noch rigoroser ausgebeutet worden, weil ihr von ihrem Gewinn nach Abzug des dem Rechtsmittelwerber ausgefolgten Geldes noch weniger verblieben wäre. Außerdem geht die trotz § 238 Abs. 2 StPO im Urteil nachgeholte Begründung ohnehin davon aus, daß Prostituierte und damit auch H*** vor Gericht und anderen Behörden ihr wahres Einkommen zu gering angeben (S. 194). Die Zuhälterei (1, 2) erstreckte sich über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren (1980 bis 6.April 1986, dem Datum der Verhaftung des Angeklagten) und wurde mit dem Novellierungszeitpunkt des § 216 StGB rechtlich aufgeteilt. Der genaue Anfang des inkriminierten Verhaltens und der präzise Zeitpunkt einzelner Tathandlungen sind keine entscheidenden Tatsachen (Z. 5), könnten doch die angestrebten Zeitbestimmungen am Schuldspruch nichts ändern. Die Tatrichter ließen die von ihnen angenommene Glaubwürdigkeit der Zeugin H*** keineswegs unbegründet, sondern verwiesen dazu auf deren stets gleichbleibend belastenden Angaben und ihren auch vor Gericht gezeigten verängstigten Eindruck. Damit ist aber auch die Glaubwürdigkeit der übereinstimmenden Aussagen der beiden Kriminalbeamten H*** und S***, die Zeugin habe bei der Anzeigeerstattung einen noch ängstlicheren Eindruck gemacht, ausreichend begründet. Darüber hinaus wurde der Wahrnehmung des Zeugen S***, die Anzeigerin sei verängstigt gewesen, auch deshalb geglaubt, weil, worauf im Urteil ausdrücklich Bezug genommen wird, dieser Zeuge ausreichende Menschenkenntnis besitzt (S. 191). Daß der "Ausstieg" einer Prostiuierten (aus dem Ausbeutungsverhältnis gegenüber einem Zuhälter) längere Zeit in Anspruch nimmt, ist gleichfalls vom Erstgericht nicht ohne Beweisgrundlage angenommen worden. Hiefür standen die Schilderung der unmittelbar betroffenen Zeugin H*** (S. 170 ff.) und die Aussagen der Zeugen K*** und P*** (S. 166 ff.) zur Verfügung. Wenn dabei die detaillierte Schilderung der Zeugin H*** über ihre Abkoppelungsversuche von K*** (S. 172) dem Beschwerdeführer nicht plausibel erscheint, so bekämpft er unzulässig die Beweiswürdigung. Gleiches tut er, wenn er dabei auf für unglaubwürdig erachtete Zeugen zurückgreift, wobei auch deren mangelnde Überzeugungskraft nicht pauschal abgetan, sondern unter Anführung konkreter Umstände begründet wurde (S. 192). Soweit der Beschwerdeführer aber durch diese Umstände die Glaubwürdigkeit noch nicht erschüttert sieht, bekämpft er abermals unzulässig die vom Schöffengericht den Verfahrensresultaten zugemessene Beweiskraft.

Die Feststellung in den Urteilsgründen, daß "höhergradige kriminelle Intensität typisch für das Zuhältermilieu" sei, bedurfte keiner Begründung, weil sie notorisch ist (vgl. § 223 RV. 1971, EB. S. 363 u.v.a.). Daß aber der Nichtigkeitswerber im Zuhältermilieu verkehrt, wurde aus zahlreichen Zeugenaussagen und aus Vorstrafakten erschlossen. Welchen Eindruck der Angeklagte vor Gericht hinterlassen hat, unterlag gleichfalls der Würdigung der Richter, die überdies auch sein außergerichtliches Verhalten gegenüber seiner Mutter in ihre Überlegungen einbezogen haben. Auch stand es dem Gericht frei, den Kriminalbeamten Manfred K*** (der Name "Josef K***" ist in diesem Zusammenhang ein gemäß § 270 Abs. 3 StPO jederzeit zu korrigierender Schreibfehler) mit dem Hinweis als äußerst verläßlich zu bezeichnen, daß er schon lang bei der Sittenpolizei tätig ist.

Die Feststellung, wieviel H*** verdiente und wieviel sie davon monatlich mindestens an K*** abzuführen hatte, ist ausreichend durch die für glaubwürdig befundene Aussage H*** begründet (S. 174). Soweit der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang auf urteilsmäßig als nicht beweismachend bezeichnete Zeugenaussagen zurückgreift, verfällt er von neuem in eine unzulässige Anfechtung der freien richterlichen Tatsachenüberzeugung (§ 258 Abs. 2 StPO).

Damit erweist sich die auf § 281 Abs. 1 Z. 1, 3, 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet, weshalb das Rechtsmittel in diesem Umfang bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen war (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO). Über den unerledigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde und über die Berufung wird spruchgemäß (§§ 285 d Abs. 2, 296 Abs. 3 StPO) verfahren werden.

Anmerkung

E10662

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00027.87.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19870330_OGH0002_0130OS00027_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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