TE OGH 1987/4/7 14ObA34/87

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Veröffentlicht am 07.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Philip Heinrich K***, Kaufmann, CH-8006, Zürich, Fliederstraße 10, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Irmgard S***, Arbeiterin, 9020 Klagenfurt, Bozenergasse 6, vertreten durch Dr. M. Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Räumung (Streitwert S 12.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 5. November 1986, GZ 3 Cg 32/86-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Klagenfurt vom 21. November 1985, GZ 1 Cr 78/85-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.790,08 (darin S 617.28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 1.812,80 (darin S 164,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Klagenfurt, Bozenergasse 6, das sein Vater und Rechtsvorgänger, Dipl.Ing. Karl K***, mit Hilfe eines Darlehens des Landes Kärnten nach dem WFG 1968 für seine Dienstnehmer neu errichtet hatte. Eine der sechs Wohnungen wurde im Jänner 1980 der Beklagten zugewiesen, die damals Arbeiterin im Betrieb des Vaters des Klägers war. Ihr Dienstverhältnis endete mit 31. März 1984. Im August 1984 trat sie eine neue Stelle an. Das Wohnbauförderungsdarlehen wurde im April 1986 vom Kläger zur Gänze zurückgezahlt.

Mit der am 3.Juni 1985 eingebrachten Klage verlangte der Kläger die Räumung der Wohnung. Diese sei der Beklagten nur als Dienstwohnung für die Zeit ihres Dienstverhältnisses zugewiesen worden; ihr Benützungsrecht sei daher mit dem Dienstverhältnis erloschen. Überdies sei die Beklagte nach einem zwischen ihrem Arbeitgeber und den Dienstnehmern abgeschlossenen Sozialplan verpflichtet gewesen, die Wohnung binnen sechs Monaten nach Ende des Dienstverhältnisses zu räumen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, und wendete ein, daß es sich bei der von ihr benützten Wohnung ausschließlich um eine Mietwohnung gehandelt habe, für welche ihr vom Lohn die Miete sowie Heizungs- und Betriebskosten abgezogen worden seien. Zu einer Räumung im Rahmen eines Sozialplans habe sie sich nicht verpflichtet.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest:

Mit schriftlichem Vertrag "über die Benützung einer Dienstwohnung" vom 18.Jänner 1980 wurde der Beklagten vom Vater des Klägers die Wohnung Nr.1 im Parterre mit einer Gesamtfläche von 89,42 m2 samt einigen Einrichtungsgegenständen zu Wohnzwecken für die Zeit ihres Arbeitsverhältnisses bei der Firma Philip K*** zur Benützung überlassen. Im Vertrag wurde festgehalten, daß die Wohnung eine Dienstwohnung sei und die Übergabe der Wohnung an die Beklagte kein Mietverhältnis begründe. Unter Bezugnahme auf § 32 WFG 1968 war ein monatliches Benützungsentgelt von S 790,- vorgesehen, wozu noch Betriebs- und Heizungskosten kamen.

Die Schlichtungsstelle beim Einigungsamt Klagenfurt sprach am 13. März 1984 auf Antrag (auch) des Arbeiterbetriebsrates unter anderem unter Punkt 7 aus: ...."Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet das Anrecht auf eine Dienstwohnung. Es wird jedem Arbeiter, der eine Dienstwohnung benützt, jedoch ein Benützungsrecht für sechs Monate ab Beendigung des Dienstverhältnisses eingeräumt..." Dieser Sozialplan sollte mit 18. Jänner 1984 in Kraft treten, als Betriebsvereinbarung gelten und alle Arbeiter betreffen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß nach dem klaren Wortlaut und dem Zweck der Vereinbarung das Dienstverhältnis der Beklagten im Vordergrund stehe; die von ihr benützte Wohnung sei daher als Dienstwohnung zu qualifizieren. Auch wenn ein mit dem Dienstvertrag verbundener Mietvertrag vorliege, erlösche dieser mit dem Ende des Dienstverhältnisses. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle beim Einigungsamt habe den Charakter einer Betriebsvereinbarung und gelte somit auch für die Beklagte; die in ihr zusätzlich gewährte Sechsmonatsfrist sei ebenfalls abgelaufen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 2.000,- übersteige. Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem und traf folgende ergänzende Feststellungen:

Der Vater des Klägers teilte der Beklagten bei Arbeitsantritt mit, daß er ihr die Wohnung nur deshalb überlasse, weil sie in seinem Unternehmen zu arbeiten beginne. Ohne das Dienstverhältnis würde sie die Wohnung nicht erhalten; wenn sie aus dem Unternehmen ausscheide, also das Arbeitsverhältnis beende oder entlassen werde, müsse sie auch die Wohnung räumen, da diese für den nächsten Arbeiter benötigt werde. Die Beklagte unterfertigte hierauf die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung und begann am 20. oder 21. Jänner 1980 ihre Arbeit bei der Firma Philip K***. Für die Dienstnehmer der Firma Philip K*** war die Überlassung der Wohnung kein Bestandteil des Entgelts. Die für die Wohnung zu leistenden Beträge wurden unter der Bezeichnung "Miete" vom Lohn abgezogen. In den letzten Monaten vor der Schließung des Betriebs im März 1984 erfolgten keine Lohnabzüge mehr; die Dienstnehmer zahlten die für die Wohnung zu entrichtenden Beträge bei der Hauptkassa bar ein. Auch diese Zahlungen wurden als "Miete" bestätigt. Ein zwischenzeitlich im Jahre 1982 zusätzlich zur Benützungsgebühr von der Beklagten geforderter und von ihr geleisteter Erhaltungsbeitrag im Sinne des § 45 MRG von S 272,38 pro Monat wurde ihr wieder rückerstattet.

Ob die Beklagte Leistungen auf Grund des aus Anlaß der Schließung des Betriebes erstellten Sozialplans erhalten hat, konnte nicht festgestellt werden.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beklagte für die Benützung der Wohnung das nach § 32 WFG 1968 höchstzulässige Entgelt entrichtet habe. Es sei daher davon auszugehen, daß ein Mietverhältnis zustande gekommen sei, welches allerdings nach der Vereinbarung in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis gestanden sei. Das Mietverhältnis sei daher weder dem Mietengesetz unterlegen, noch falle es zufolge § 1 Abs.2 Z 2 MRG in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. Für die Beurteilung der Berechtigung des Räumungsbegehrens sei jedoch das Wohnbauförderungsgesetz 1968 von entscheidender Bedeutung. Nach § 32 Abs.1 WFG 1968 seien im Falle der Vermietung einer mit Förderungsmitteln errichteten Wohnung die Bestimmungen des Mietengesetzes auch hinsichtlich der Kündigungsbeschränkungen anzuwenden gewesen; dabei habe es sich um eine allgemeine Verweisung auf das Mietengesetz gehandelt. Gemäß den Übergangsbestimmungen des § 60 Abs.8 des WFG 1984 stehe mit Rücksicht auf die Inanspruchnahme von Förderungsmitteln nach dem WFG 1968 dessen § 32 Abs.1 weiter in Geltung. Nach § 49 Abs.1 MRG idF der Novelle BGBl.1985/559 seien aber auf Mietverträge, welche dem Geltungsbereich des MRG nicht unterliegen und für die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Kündigungsbeschränkungen des § 19 MG zu beachten waren, die §§ 19 bis 23 des Mietengesetzes bis zum 31.Dezember 1988 weiter anzuwenden. Daß sich daran durch die Rcückzahlung des Wohnbauförderungsdarlehens etwas ändere, könne dem WFG 1968 nicht entnommen werden. Der Kläger könne daher eine Auflösung des Bestandverhältnisses mit der Beklagten nur durch gerichtliche Kündigung erreichen.

Auch aus Pkt. 7 des vom Einigungsamt Klagenfurt erlassenen Sozialplans sei für den Kläger nichts zu gewinnen: Zulässiger Inhalt eines Sozialplans sei die Verhinderung, Beseitigung oder Milderung wesentlicher Nachteile für die Belegschaft durch eine Betriebsänderung. Keinesfalls könne die Betriebsvereinbarung über den Sozialplan zwingende Ansprüche der Arbeitnehmer aus Gesetz, Kollektivvertrag oder Satzung verschlechtern; da ihr keine zweiseitig zwingende Wirkung zukomme, könne sie auch nicht verschlechternd in Einzelarbeitsverträge eingreifen. Die Beklagte könne sich auf einen Mietvertrag berufen, der zufolge § 32 Abs.1 WFG 1968 dem Mietengesetz unterlegen sei; deshalb sei ihr Bestandverhältnis vom Sozialplan, dessen Punkt 7 nur Dienstwohnungen betreffe, unberührt geblieben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils erster Instanz abzuändern.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Der Revision kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Das mit 31.Dezember 1981 außer Kraft getretene Mietengesetz kannte keine dem § 1 Abs.2 Z 2 Mietrechtsgesetz gleichartige Ausnahmebestimmung hinsichtlich von "Werkmietwohnungen". Da aber eine Unterstellung solcher Wohnungen unter die Beschränkungen des MG die Produktionsprozesse beeinträchtigt hätte, wurde ein derartiges Rechtsverhältnis, in dem das Bestandverhältnis in unlösbarem und zeitlich gekoppeltem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stand, nicht als Mietverhältnis, sondern als gemischtes Rechtsverhältnis mit überwiegend dienstrechtlichem Charakter eingestuft und daher als Vertrag sui generis behandelt (Zingher, Die Werkmietwohnung, ÖJZ 1983, 350). Wurde einem Dienstnehmer eine Wohnung als "Dienstwohnung" im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Benützung überlassen, dann endete das Bestandverhältnis zugleich mit dem Dienstverhältnis und der Benützungstitel erlosch, auch wenn in Wahrheit ein mit dem Dienstvertrag verbundener Mietvertrag vorlag (Klang in Klang2 V, 15 f; JBl.1960, 307; SZ 34/182; JBl.1962, 277; Arb.8.859; EvBl.1962/62; MietSlg.33.147, 36.240/16 ua). Nach § 1 Abs.2 Z 2 MRG fallen Wohnungen, die auf Grund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen werden, nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes.

Der Beklagten wurde die von ihr benützte Wohnung mit Vertrag vom 18. Jänner 1980 ausdrücklich als "Dienstwohnung" für die Zeit ihres Arbeitsverhältnisses zugewiesen. Nach den aufgezeigten Grundsätzen endete ihr Bestandverhältnis mit dem Dienstverhältnis, wobei ihr der Sozialplan noch eine weitere Benützungsmöglichkeit gewährte. Dem Berufungsgericht ist zwar beizupflichten, daß § 32 Abs.1 WFG 1968 ungeachtet der Überschrift "Mietzinsbildung" schon nach seinem Wortlaut eine im Förderungsrecht übliche Gesamtverweisung auf das Mietengesetz vorsieht (Würth-Zingher, MRG § 1 Anm.22, § 59 Anm.4; Würth-Zingher, Ergänzungsband zum MRG 78; Schilcher in Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 78; Schuppich, Die Neuordnung des Mietrechts 18). Mietrechtliche Bestimmungen in den diversen Förderungsgesetzen sind aber nur leges speciales zum MG oder zum MRG (Bernat in Korinek-Krejci aaO 118). Die in § 32 Abs.1 WFG 1968 vorgenommene allgemeine Verweisung auf das Mietengesetz brachte sohin hinsichtlich der Kündigungsbeschränkungen keine Ausnahmen durchbrechende weitere Anwendbarkeit des MG auf Werkswohnungen, waren doch solche Wohnungen von der Anwendbarkeit des MG ohnehin nicht ausgenommen gewesen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beendigung des Bestandverhältnisses zugleich mit dem Dienstverhältnis müssen daher auch im Fall der Benützung einer geförderten Werkswohnung gelten, da es auch hier allein darauf ankommt, daß die Wohnungen jeweils den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden können und unternehmensbezogen genutzt werden. Auch hier steht die Junktimierung der Beendigung eines Wohnungsbenützungsrechtes - auch wenn es für sich allein dem mietengesetzlichen Kündigungsschutz unterläge - mit der Beendigung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses im Vordergrund. Dies entspricht auch dem Förderungszweck, der auf die Errichtung von Wohnungen für die Dienstnehmer und nicht auf die Schaffung von Mietwohnungen schlechthin gerichtet war. Wenn aber auf das Rechtsverhältnis der Streitteile vor dem Inkrafttreten des MRG die Kündigungsbeschränkungen des § 19 MG nicht anzuwenden waren, dann entfällt auch die kündigungsrechtliche Übergangsregelung des § 49 Abs.1 MRG.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

Anmerkung

E11796

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00034.87.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19870407_OGH0002_014OBA00034_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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