TE OGH 1987/5/5 4Ob527/87

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Veröffentlicht am 05.05.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Uta H***, kaufm. Angestellte, Wien 19., Paradiesgasse 30/1/1/5, vertreten durch Dr. Rudolf Fuchs und Dr. Christoph Raabe, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Michael H***, Angestellter, Wien 14., Felbigergasse 5/8, vertreten durch Dr. Otto Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltsleistung (Streitwert 65.166 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Jänner 1987, GZ 47 R 2134/86-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 6.August 1986, GZ 1 C 13/86-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten

hat:

"Der Beklagte ist schuldig,

1.) der Klägerin 14.766 S samt 4 % Zinsen seit 2.5.1986 zu bezahlen;

2.) der Beklagte ist schuldig, der Klägerin, beginnend ab 1.5.1986 monatlich 1.400 S bei Exekution zu zahlen. Die bis zur Rechtskraft dieses Urteils fällig gewordenen Beträge sind zuzüglich 4 % Zinsen ab dem dem jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

3.) Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 23.124,60 S bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (davon 1.080,60 S Umsatzsteuer und 11.238 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anläßlich der Scheidung ihrer Ehe mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 3. März 1977, 9 Cg 61/77-4, schlossen die Parteien einen Unterhaltsvergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 5.500 S, beginnend ab 1.April 1977 zu bezahlen. Soweit die Klägerin eigenes Einkommen zu beziehen in der Lage ist, vermindert sich diese Unterhaltsleistung des Beklagten um das eigene Einkommen der Klägerin, nicht jedoch unter denjenigen Betrag, den sie an Kosten der Unterbringung der mj. Barbara - das gemeinsame Kind der Streitteile - in einen Kindergarten (Hort) aufzuwenden hat (Punkt 3. des Vergleiches). Für das Kind, das in Pflege und Erziehung der Klägerin blieb, vereinbarten die Streitteile einen vom Beklagten zu bezahlenden Unterhaltsbeitrag von 1.500 S monatlich. Der Beklagte zahlte diesen Unterhalt bis März 1985 und überwies der Klägerin, die stets ein ausreichendes eigenes Einkommen bezog, außerdem im Sinne der getroffenen Vereinbarung die jeweiligen Hortkosten, die jetzt 1.400 S monatlich betragen.

Über Antrag der Klägerin vom 20. März 1985 erhöhte das Bezirksgericht Döbling als Pflegschaftsgericht den vom Beklagten für die mj. Barbara zu leistenden Unterhalt mit Beschluß vom 27. September 1985, 2 P 147/77-28, ab 20.März 1985 auf 3.600 S monatlich. Seit dieser Neufestsetzung zahlt der Beklagte die Hortkosten nicht mehr, weil er der Ansicht ist, daß diese nunmehr in dem für das Kind zu leistenden erhöhten Unterhaltsbetrag enthalten sind.

Die Klägerin steht hingegen auf dem Standpunkt, daß die Vereinbarung über die gesonderte Bezahlung der Hortkosten an sie durch die Unterhaltserhöhung nicht berührt wurde und begehrt vom Beklagten zuletzt Zahlung des Rückstandes an Hortkosten in Höhe von

14.766 S, sowie des laufenden Unterhalts von 1.400 S ab 1.April 1985. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß sich die Streitteile bei der Ehescheidung in gemeinsamer Sorge um ihr Kind darüber geeinigt hätten, daß es kein "Schlüsselkind" sein, sondern, sobald die Klägerin einem Beruf nachgehen werde, unter Aufsicht stehen sollte. Daher habe sich der Beklagte bereit erklärt, das Kindergartengeld und später das Hortgeld zu bezahlen. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die im eigenen Namen auftretende Klägerin nicht berechtigt sei, die zum Unterhaltsanspruch des Kindes gehörenden Kosten der Internatsunterbringung geltend zu machen. Dem Begehren stehe überdies der eindeutige Wortlaut des Beschlusses des Bezirksgerichtes Döbling vom 27.September 1985, 2 P 147/77-28, entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Die zweite Instanz war der Ansicht, die Absicht der Streitteile sei dahin gegangen, mit Punkt 3. des Vergleiches vom 3.März 1977 den Unterhalt der Klägerin zu regeln. Als Untergrenze dieses Unterhaltes hätten sie die Kindergarten- oder Hortkosten für das Kind vereinbart. Der Klägerin gebühre also so viel an eigenem Unterhalt, daß sie damit in der Lage sei, diese besonderen Kosten für das Kind zu decken.

Die Geschäftsgrundlage für diese Vereinbarung sei jedoch dadurch nachträglich weggefallen, daß die Neufestsetzung des Unterhaltes für das Kind ausdrücklich auch die Hortkosten umfasse. Die Hortunterbringung sei nunmehr durch die direkt vom Beklagten dem Kind zu leistenden Unterhaltszahlungen gesichert. Auch darüber hinaus schulde der Beklagte der Klägerin keinen Unterhalt mehr, weil sie über ein entsprechendes Einkommen verfüge.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt.

Die Klägerin rügt die Feststellung des Berufungsgerichtes, die Hortkosten seien nunmehr ausdrücklich in der Unterhaltsregelung für das Kind inbegriffen, als aktenwidrig. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung vom 17.Juni 1986, 4 Ob 356/86 (RdW 1986, 272), ausführte, ist eine dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit über außerordentliche Revision jedenfalls dann wahrzunehmen, wenn sie zugleich auch ein Verstoß gegen § 498 ZPO ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil das Erstgericht zur Frage, ob die Hortkosten in der nunmehrigen Unterhaltsregelung für das Kind enthalten seien, lediglich feststellte, die Klägerin habe für das Kind eine Erhöhung des Unterhalts auf 4.000 S ("einschließlich Schulkosten") beantragt, die Klage aber nicht auf diese (unzureichende) Feststellung, sondern lediglich darauf gründete, daß die Klägerin nicht berechtigt sei, Unterhaltsansprüche des Kindes im eigenen Namen geltend zu machen. Auch dem allgemeinen Hinweis des Erstgerichtes, dem Begehren stehe der eindeutige Wortlaut des Beschlusses vom 27.September 1985, 2 P 147/77-28, entgegen, ist eine solche Tatsachenfeststellung nicht zu entnehmen. Die Annahme des Berufungsgerichtes, die Hortkosten seien nunmehr ausdrücklich in der Unterhaltsregelung für das Kind enthalten, findet somit weder in den Feststellungen des Erstgerichtes, noch in ergänzenden Verfahrensergebnissen der zweiten Instanz, die in den zitierten Pflegschaftsakt nicht Einsicht nahm, Deckung. Das Berufungsgericht hat somit § 498 Abs 1 ZPO nicht beachtet. Die Beachtung dieser Vorschrift ist aber wegen der Folgen für die Lösung der Rechtsfragen zur Wahrung der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit (vgl. AB 1337 BlgNR 15. GP 19) von erheblicher Bedeutung; ein Verstoß gegen § 498 Abs 1 ZPO ist daher auch über eine außerordentliche Revision wahrzunehmen (vgl. SZ 57/142; Fasching, ZPR Rz 679). Bei Revisionen im Zulassungsbereich eine Rechtsfrage auf der Grundlage aktenwidriger Feststellungen zu lösen und die Parteien allenfalls auf einen Amtshaftungsanspruch zu verweisen (so Petrasch ÖJZ 1983, 178), entspricht nicht den Intentionen der ZVN 1983 (1 Ob 25/86). Die Revision betrifft auch keine Bemessungsfrage; es geht vielmehr darum, ob die Verpflichtung des Beklagten aus dem mit der Klägerin geschlossenen Unterhaltsvergleich infolge Neubemessung des Unterhaltes des Kindes aufrecht geblieben oder weggefallen ist. Dazu ergibt sich aus dem einschlägigen Pflegschaftsakt folgendes: Die Klägerin stellte am 20. März 1985 beim Bezirksgericht Döbling den Antrag, den Beklagten zu einer erhöhten Unterhaltsleistung von 4.000 S monatlich für die mj. Barbara (einschließlich Schulkosten) zu verpflichten. Nach einer teilweise ablehnenden Äußerung des Beklagten erklärte die Klägerin, sie sei mit einer Unterhaltsleistung von 3.000 S monatlich einverstanden, wenn der Beklagte daneben - wie im Vergleich vom 3.März 1977 vor dem Landesgericht für ZRS Wien vereinbart - für die Hortkosten von bisher 1.200 S und nunmehr 1.340 S monatlich aufkomme. Der Unterhaltserhöhungsbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 27. September 1985, 2 P 147/77-28, enthält keine Aussage darüber, daß dem Kind in Berücksichtigung eines etwaigen Sonderbedarfes nunmehr auch die Hortkosten zugesprochen wurden. Aus den Gründen der Entscheidung geht vielmehr hervor, daß das durchschnittliche Monatseinkommen des Beklagten mit 21.530 S ermittelt und von dieser Bemessungsgrundlage zunächst der vom Beklagten an die Klägerin zu zahlende Unterhalt von 1.340 S abgezogen und von der verminderten Bemessungsgrundlage von 20.190 S der vom Beklagten an das Kind zu leistende Unterhalt mit 18 %, das sind abgerundet 3.600 S festgesetzt wurde. Gegen diesen Beschluß erhob der Beklagte Rekurs mit dem Antrag, den mit 3.600 S monatlich festgesetzten Unterhalt ausdrücklich als Gesamtunterhalt (incl. Hortgebühren) festzustellen. Das Rekursgericht wies dieses Rechtsmittel mit folgender Begründung zurück:

"Es besteht überhaupt kein Anhaltspunkt für die im Rekurs geäußerte Befürchtung, es könnte aus dem Spruch des angefochtenen Beschlusses die Verpflichtung des Vaters herausgelesen werden, zusätzlich zu den 3.600 S monatlich noch die Hortgebühr von 1.340 S monatlich als Unterhalt für die Minderjährige zu bezahlen. Ob den Vater nach wie vor die Verpflichtung trifft, der Kindesmutter auf Grund des bei der Scheidung abgeschlossenen Vergleiches einen Unterhaltsbetrag zu bezahlen, der der Höhe dieser Internatskosten entspricht, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens."

Aus diesen Gründen geht in aller Deutlichkeit hervor, daß die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin einen Mindestunterhalt in der Höhe der für das Kind aufgewendeten Hortkosten zu bezahlen, durch die Neufestsetzung des Unterhaltes für das Kind nicht berührt worden ist. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, handelt es sich bei der vereinbarten Leistung um einen Unterhaltsanspruch der Klägerin als geschiedener Ehegattin, mag auch der ihr gebührende Betrag letztlich für einen Sonderbedarf des Kindes bestimmt sein. Dieser Anspruch der Klägerin beruht auf einem Unterhaltsvergleich iS des § 80 EheG, mit dem sie sich - da sie ebenso wie der Beklagte nicht wollte, daß das Kind während der Berufstätigkeit mangelhaft beaufsichtigt werde - Leistungen versprechen ließ, die wegen der hier der Mutter obliegenden Verpflichtung zur Pflege und Erziehung des Kindes von der Judikatur überwiegend (zB EFSlg 42.707, 42.708, 44.997, 44.998, 47.617 bis 47.619) nicht als Individualbedarf des Kindes anerkannt werden.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, hat der Beklagte die Einwendung, die Klägerin hätte ihre Forderung schon auf Grund des gerichtlichen Vergleiches exekutiv durchsetzen können, in erster Instanz nicht erhoben. Von Amts wegen ist auf diese Frage aber nicht einzugehen.

Der Revision ist daher Folge zu geben und der Klägerin sowohl der entstandene Unterhaltsrückstand, als auch der für die Zukunft gebührende Unterhaltsbetrag zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10926

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00527.87.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19870505_OGH0002_0040OB00527_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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