TE OGH 1987/5/12 11Os35/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig F*** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11.Februar 1987, GZ 6 c Vr 10.401/86-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Ploderer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.Juli 1944 geborene Monteur Ludwig F*** der Vergehen der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 StGB (Punkt I/1/ und 2/ des Urteilsspruches) und der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II/) sowie der Verbrechen der versuchten Brandstiftung nach den §§ 15, 169 Abs 1 StGB (III/) und der versuchten vorsätzlichen Gemeingefährdung nach den §§ 15, 176 Abs 1 StGB (IV/) schuldig erkannt. Laut dem letzterwähnten Punkt des Schuldspruches liegt ihm zur Last, am 15. September 1986 in Wien (anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen) eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen sowie für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeizuführen versucht zu haben, indem er in der Wohnung der Irene E*** einen Gashahn des Herdes öffnete und mit einem Kochlöffel so festklemmte, daß Gas ausströmte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte eine formell auf die Z 5, 9 lit a und 10 (inhaltlich nur auf die beiden ersterwähnten Nichtigkeitsgründe) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde. Da er dieses Rechtsmittel bei der Anmeldung auf den Schuldspruch zu Punkt IV/ beschränkte (AS 231), mithin auf die Anfechtung der übrigen Schuldsprüche verzichtete, braucht auf seine (zwar auf den § 281 Abs 1 Z 5 StPO Bezug nehmenden, sich der Sache nach jedoch in einer Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung erschöpfenden) Beschwerdeausführungen zur Urteilstat I/1/ nicht eingegangen zu werden.

Auch zur Urteilstat IV/ führt der Angeklagte die Mängelrüge nicht prozeßordnungsgemäß aus: Seine Behauptung, das Erstgericht habe in diesem Zusammenhang dem Schuldspruch entgegenstehende Beweisergebnisse mit Stillschweigen übergangen und "nicht ausreichend begründet, warum es von objektiven Zeugen deponierte Aussagen negiert", entbehrt einer überprüfbaren Bezugnahme auf den Akteninhalt und ist daher nicht hinlänglich konkretisiert. Mit dem weiteren Beschwerdevorwurf, das Urteil setze sich nicht mit dem Gutachten des Sachverständigen Ing. B*** (AS 227 ff; vgl. ON 20) auseinander, wonach keine Explosionsgefahr durch Gasaustritt bestanden habe, übergeht der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht ohnehin - dem Sachverständigengutachten folgend - als erwiesen annimmt, daß die für die Entzündung des Gasgemisches notwendige Gasdichte in der Luft der Wohnung nicht erreicht und eine konkrete Explosionsgefahr nicht herbeigeführt wurde (vgl. US 11 oben, 15 oben). Dementsprechend wurde das inkriminierte Verhalten des Angeklagten auch nur als Versuch der Herbeiführung einer Gemeingefahr beurteilt.

Im Widerspruch zur Aktenlage steht ferner die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe "ohne jede Begründung" nicht der Verantwortung des Angeklagten, sondern der belastenden Aussage der Zeugin E*** (über die der Urteilstat IV/ nachfolgende telefonische Äußerung des Angeklagten "Lebst noch, bist noch nicht in die Luft gegangen?") Glaubwürdigkeit zugebilligt. Den Entscheidungsgründen (US 11, letzter Absatz, 13) ist sehr wohl zu entnehmen, daß der Schöffensenat in diesem Punkt der Zeugin ungeachtet der Beeinträchtigung ihrer Wahrnehmungs- und Wiedergabsfähigkeit durch Alkoholmißbrauch deshalb folgte, weil die von ihr wiedergegebene Äußerung mit der gesamten Vorgangsweise des Angeklagten in Einklang steht. Damit erweist sich die Mängelrüge auch insoweit nur als Versuch, aus den Verfahrensergebnissen für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen zu ziehen und solcherart als im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates.

Mit der Behauptung eines Widerspruches zwischen der Urteilsfeststellung, dem Angeklagten sei bewußt gewesen, daß die Zeugin E*** eine starke Raucherin ist, was die Explosionsgefahr naturgemäß vergrößerte (US 12 oben), und dem erwähnten Sachverständigengutachten übergeht der Beschwerdeführer prozeßordnungswidrigerweise die vom Sachverständigen bekundete Gefährlichkeit der Annäherung der Zündquelle an den Gasherd und die Eignung einer Zigarette als Zündquelle (siehe insbesondere AS 228, 229).

Soweit der Angeklagte in seinem auf den § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Beschwerdevorbringen - über eine Wiederholung der prozeßordnungswidrigen Ausführungen der Mängelrüge hinaus - die Rechtsrüge dahin ausführt, die (von ihm allerdings unvollständig und zum Teil auch sinnentstellt wiedergegebenen) Urteilsfeststellungen zur inneren Tatseite hätten allenfalls "ausgereicht, um dolus eventualis im Sinn des StGB anzunehmen", seien jedoch "nicht geeignet, den Vorsatz als erwiesen darzustellen", vertritt er offenbar die Rechtsauffassung, der Tatbestand des § 176 StGB verlange auf der inneren Tatseite die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters, eine Gemeingefahr herbeizuführen (vgl. auch die Bestreitung einer solchen "Absicht" im auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Vorbringen). Darauf ist zu erwidern, daß weder die Bezeichnung der Straftat durch den Gesetzgeber als vorsätzliche Gemeingefährdung noch der (auf subjektive Tatbildmerkmale überhaupt nicht eingehende, sohin gemäß dem § 7 Abs 1 StGB auf vorsätzliches Handeln im Sinn der Begriffsbestimmung des § 5 Abs 1 StGB abstellende) Wortlaut des § 176 Abs 1 StGB eine solche Auslegung zulassen. Auch bedingter Vorsatz reicht hier somit zur Verwirklichung des inneren Tatbestandes hin (vgl. zu § 176 StGB Leukauf-Steininger 2 , RN 9 und Mayerhofer-Rieder 2 , Anm. 7).

In der weiteren - formell auf den § 281 Abs 1 Z 10 StPO gegründeten - Rechtsrüge bringt der Beschwerdeführer den angerufenen Nichtigkeitsgrund schon deshalb nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er den Tatbestand, den die Urteilstat IV/ nach seiner Rechtsauffassung verwirklichen soll, anzugeben unterläßt. Auch geht er erneut nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen zum inneren Vorhaben aus, wenn er auf seine eigene - nur in Richtung eines Schädigungsvorsatzes geständige - Verantwortung und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Sachverständigengutachten hinweist. Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß die nach diesem Gutachten (AS 229; vgl. AS 147 unten, 149) durch den intensiven Geruch bewirkte Auffälligkeit des Austritts selbst einer geringen Menge Erdgas keineswegs die Annahme zuläßt, daß die Tatvollendung, sohin der Eintritt einer konkreten Gemeingefahr, unter keinen Umständen möglich gewesen wäre. Einerseits war die Untauglichkeit des vom Angeklagten verwendeten Mittels, nämlich des außerhalb des Nahbereiches des Gasherds nicht die zur Entzündung erforderliche Erdgaskonzentration aufweisenden Luft-Gasgemisches in der Wohnung der Zeugin E***, bloß quantitativer Natur; anderseits kann auch die Möglichkeit der Annäherung einer Zündquelle an den Gasherd - etwa wenn E***, eine Trinkerin und starke Raucherin den Gasgeruch (infolge einer Beeinträchtigung des Geruchssinns oder infolge Überlagerung des Erdgasgeruches durch intensivere Gerüche) nicht rechtzeitig wahrgenommen oder hierauf unrichtig reagiert hätte - nicht völlig außer Betracht bleiben. Das Erstgericht beurteilte daher zu Recht das Verhalten des Angeklagten nicht als absolut untauglichen - gemäß dem § 15 Abs 3 StGB

straflosen - Versuch der Gemeingefährdung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war darum zu

verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Ludwig F*** nach dem § 169 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das "teilweise Geständnis" der objektiven Tatumstände sowie den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, als mildernd.

Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung und

bedingte Nachsicht der Strafe an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Erstgericht fand nach Lage des Falles ein tatschuldadäquates Strafausmaß, das in Anbetracht der Intensität des sich in der Wiederholung von zum Teil gemeingefährlichen Bosheitsakten manifestierenden Täterwillens nicht als überhöht angesehen werden kann.

Besondere Gründe, die Gewähr dafür böten (§ 43 Abs 2 StGB), daß Ludwig F*** keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, liegen nicht vor.

Auch der Berufung des Angeklagten konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E10837

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00035.87.0512.000

Dokumentnummer

JJT_19870512_OGH0002_0110OS00035_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten