TE OGH 1987/5/14 6Ob710/85

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Veröffentlicht am 14.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Grete R***, Hauseigentümerin, Böheimkirchen, Dr. Einhorn-Straße 3, vertreten durch Dr. Georg Thum, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei I*** D*** BA KY S***, Masseur, Böheimkirchen, Neustiftgasse 36 a, vertreten durch Dr. Georg Krasser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 3.Juli 1985, GZ R 329/85-20, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 4.12.1985, GZ R 329/85-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 5. April 1985, GZ C 508/84-16, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.327,36 S (darin enthalten 205,76 S Umsatzsteuer und 64,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin beantragte mit ihrer am 11.Mai 1984 beim Erstgericht eingelangten Klage unter Berufung auf § 1118 ABGB das Urteil, daß der zwischen den Parteien über näher bezeichnete Wohnräume (samt Inventar) abgeschlossene Mietvertrag aufgehoben und der Beklagte verpflichtet sei, diese Räumlichkeiten von den persönlichen Fahrnissen geräumt der Klägerin zu übergeben. Im Klagsrubrum waren lediglich die Bemessungsgrundlagen des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1962 und des Rechtsanwaltstarifes angegeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

In ihrer Berufung holte die Klägerin die Bewertung des Streitgegenstandes nach und gab dessen Wert mit 25.000 S an. Das Berufungsgericht erachtete dies als zulässig und wirksam, verneinte aus diesem Grunde die Anwendbarkeit des § 501 ZPO und ging daher auch auf die von der Klägerin geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung ein. Es bejahte auch das Vorliegen von Stoffsammlungsmängeln im Sinne des § 496 Abs.1 Z 2 ZPO sowie von rechtlichen Feststellungsmängeln, hob aus diesen Gründen das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Mit Ergänzungsbeschluß vom 4.Dezember 1985 sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige. Seinen Rechtskraftvorbehalt begründete es damit, daß Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO vorlägen. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, in eventu durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Beklagte erhebt den Vorwurf, das Berufungsgericht habe die verfahrensrechtlichen Fragen, ob eine gemäß § 56 Abs.2 JN (in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983) erforderliche, aber unterlassene Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger auch noch im Berufungsstadium des Rechtsstreites nachgeholt werden könne, und ob die Bewertungsvorschrift des § 500 Abs.2 Z 3 letzter Satz ZPO auch schon auf das zweitinstanzliche Verfahren der im § 49 Abs.2 Z 5 JN genannten Streitigkeiten (sinngemäß) anzuwenden sei, unrichtig gelöst.

Rechtliche Beurteilung

Die erstgenannte Frage ist jedoch keine erhebliche Frage des Verfahrensrechtes im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO, weil die Entscheidung im konkreten Rechtsstreit nicht von ihrer Lösung abhängt. Hier hatte das Berufungsgericht nämlich nur die Frage zu lösen, ob auf die Berufung der Klägerin die Vorschrift des § 501 ZPO anzuwenden ist oder nicht. Hiebei kam es aber gar nicht auf die ursprünglich fehlende Bewertung des Streitgegenstandes und deren spätere Nachholung durch die Klägerin an, weil sich die Unanwendbarkeit des § 501 ZPO für das vorliegende Berufungsverfahren schon aus der Lösung der vom Beklagten aufgeworfenen zweiten Frage des Verfahrensrechtes ergibt. Zu dieser lag auch weder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichtes noch zu demjenigen der Rekurserhebung eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor, weshalb sich der Rekurs zwar als zulässig (vgl Petrasch in ÖJZ 1985, 299), aber nicht als berechtigt erweist.

In der Zwischenzeit ist nämlich bereits die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.November 1985, 1 Ob 702/85 (veröffentlicht in MietSlg.37.786), ergangen. Diese hat ausgesprochen, daß in Bestandsachen, zu denen auch auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklagen gehören, die zwingende Bewertungsvorschrift des § 500 Abs.2 Z 3 letzter Satz ZPO auf das zweitinstanzliche Rechtsmittelverfahren auszudehen ist, weil ansonsten ein dem Gesetzgeber nicht zu unterstellender Wertungswiderspruch vorläge, wenn in die dritte Instanz umfangreichere Anfechtungsmöglichkeiten bestünden als in die zweite Instanz. In Bestandsachen gibt es daher ohne Rücksicht auf eine fehlende Bewertung des Klägers (vgl. dazu im übrigen § 56 Abs.2 JN in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1986 für Klagen, die nach dem 28.Feber 1986 eingebracht wurden) oder auf eine solche unter 15.000 S (wie sie der Kläger in dem der Entscheidung MietSlg.37.786 zugrunde gelegenen Fall vorgenommen hatte) niemals eine beschränkte Berufung gemäß § 501 ZPO (vgl. auch Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1836).

Soweit der Beklagte mit seinen weiteren Ausführungen unter Bezugnahme auf den von der Klägerin geltend gemachten Aufhebungsgrund des verstopften Abflußrohres der Abwäsche eine "Verschweigung" (gemeint wohl: deren - konkludenter - Verzicht wegen Nichtgeltendmachung während längerer Zeit; vgl. Würth in Rummel, ABGB Rdz 8 zu § 1118) behauptet, so wird damit schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO angesprochen, weil er sich auf einen derartigen Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung dieses Aufhebungsgrundes im Verlaufe des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nicht berufen hat. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10739

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00710.85.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19870514_OGH0002_0060OB00710_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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