TE OGH 1987/5/26 1Ob615/87

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Veröffentlicht am 26.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** DER S*** K***, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Luise W***, Hausfrau, Münchweiler, Fabrikstraße 6, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Feststellung (Streitwert S 20.000,--) infolge ao Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25.Juni 1986, GZ 2 a R 286/86-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Ergänzungsurteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 18.März 1986, GZ 4 C 346/85-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene (Teil-)Urteil und das Ergänzungsurteil des Erstgerichtes werden aufgehoben und die Rechtssache auch in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei kündigte der beklagten Partei als Tochter und Erbin nach der am 30.6.1982 verstorbenen Luise K*** die im Haus Kitzbühel, Hinterstadt Nr.18, im dritten Obergeschoß gelegene, vom Vorraum nach dem Stiegenaufgang durch die erste Tür links betretbare Wohnung wegen Vorliegens der Kündigungsgründe nach § 30 Abs.2 Z 5 und 6 MRG auf.

Die Beklagte wendete sowohl ein, daß zwischen ihr persönlich und der klagenden Partei zumindest konkludent ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, als auch, daß die Enkelin der Verstorbenen Angelika W*** eintrittsberechtigt sei. Aus diesem Grund stellte sie den Zwischenantrag auf Feststellung, Angelika W*** sei nach dem Tod der Luise K*** in den zwischen Luise K*** und der klagenden Partei bestandenen Mietvertrag eingetreten. Diese Wohnung diene dem dringenden Wohnbedürfnis der Angelika W*** und werde von dieser mit Ausnahme studienbedingter Abwesenheiten regelmäßig verwendet. Dem Feststellungsbegehren komme präjudizielle Bedeutung zu, da ein weiteres Kündigungs- oder Räumungsverfahren vermieden werden könne. Die klagende Partei beantragte die Zurückweisung, allenfalls Abweisung dieses Antrages, da Rechtsverhältnisse zwischen der klagenden Partei und einer dritten Person, die nicht im Rechtsstreit verfangen sei, nicht präjudiziell sein könnten. Angelika W*** sei auch nicht eintrittsberechtigt. Die Beklagte könne sich nicht gleichzeitig darauf berufen, selbst Mieterin der Wohnung zu sein, und andererseits behaupten, daß ihre Tochter kraft Eintrittsrechtes Mieterin der Wohnung sei.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und gab mit Ergänzungsurteil dem Zwischenantrag auf Feststellung statt. Es stellte fest, Angelika W*** halte sich seit Beginn ihres Studiums im Jahr 1978 an den Wochenenden und in der vorlesungsfreien Zeit in der Wohnung auf. Bis zum Ableben ihrer Großmutter habe sie dort mit dieser gemeinsam gewohnt. Die Feststellung des Rechtsverhältnisses sei insofern präjudiziell, als eine Aufkündigung des Mietverhältnisses aus den geltend gemachten Gründen nur möglich wäre, wenn nach dem Tod der Luise K*** lediglich die Kündigungsgegnerin eintrittsberechtigt gewesen wäre. Die Aufkündigung sei lediglich gegen sie gerichtet, hätte sich aber bei Vorhandensein zweier Mitmieter gegen beide richten müssen. Die Feststellung schaffe daher für ein denkbares weiteres Kündigungs- oder Räumungsverfahren eine klare Ausgangsposition. Angelika W*** gehöre zum Kreis der eintrittsberechtigten Personen gemäß § 14 Abs.2 MRG. Ihr dringendes Wohnbedürfnis ergebe sich aus der Häufigkeit ihrer Aufenthalte in der Wohnung und daraus, daß ihre Abwesenheit nur durch das Studium bedingt gewesen sei. Der Schwerpunkt ihres Lebens liege zweifellos in Kitzbühel. Angelika W*** habe bereits vor dem Tod von Luise K*** mit dieser im gemeinsamen Haushalt gelebt. Sie erfülle daher alle Voraussetzungen nach § 14 Abs.2 MRG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge. Es änderte das Ergänzungsurteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Zwischenfeststellungsantrag abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes sowie der gesamte Streitwert den Betrag von S 15.000, nicht aber von S 300.000 übersteige. Die Revision an den Obersten Gerichtshof erklärte es für nicht zulässig. Das über die Aufkündigung ergangene Urteil hob es ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auch ein positiver Zwischenantrag auf Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sei möglich, wenn es die vom Kläger begehrte Rechtsfolge ausschließe. Daß es für die Erledigung der Streitsache von Bedeutung sei, ob eine am Verfahren nicht beteiligte Person in das Bestandverhältnis eingetreten sei, bedürfe keiner näheren Ausführung. Grundsätzlich sei ein Rechtsverhältnis feststellungsfähig, das zwischen den Parteien des Prozesses streitig sei. Das Rechtsverhältnis müsse also im Regelfall zwischen den Prozeßparteien selbst bestehen oder nicht bestehen. Die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, das zwischen einer Partei und einem Dritten oder nur zwischen Dritten bestehe, sei nur dann möglich, wenn es die Rechtssphäre einer Prozeßpartei unmittelbar berühre, also rechtliche Wirkungen äußere. Präjudizieller Gegenstand des Feststellungsantrages könnte daher nur sein, ob das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen aufrecht sei. In diesem Umfang müßte auch das rechtliche Interesse bejaht werden; eine Feststellung, wonach die Tochter der Beklagten in das Bestandverhältnis kraft Sonderrechtsnachfolge eingetreten sei, hätte dagegen keine Rechtskraftwirkung gegenüber Angelika W***; aus diesem Grunde mangle es am erforderlichen rechtlichen Interesse für das von der beklagten Partei gestellte Feststellungsbegehren. In einem weiteren Verfahren gegen Angelika W*** könnte sich herausstellen, daß diese dennoch nicht eintrittsberechtigt sei, sodaß die Erbrechtsregelung des § 14 Abs.2 MRG zum Tragen käme. Daher wäre seitens der Beklagten sicherlich ein rechtliches Interesse für ein Feststellungsbegehren zu bejahen, daß zwischen den Streitteilen ein Bestandverhältnis nicht vorliege. Das rechtliche Interesse der Beklagten könne aber nicht so weit gehen, daß das Rechtsverhältnis der klagenden Partei zu einer bestimmten dritten Person festgestellt werde, weil sich dieses Rechtsverhältnis nur insoweit auf das Verfahren auswirken könne, als zwischen den Streitteilen ein Bestandverhältnis nicht bestehe und daher die Beklagte zur Aufkündigung nicht passiv legitimiert sei. Dafür, ob Angelika W*** eintrittsberechtigt sei, reichten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht aus. Es könne noch nicht abschließend beurteilt werden, ob Angelika W*** mit ihrer Großmutter einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die mit einem Zwischenfeststellungsantrag begehrte Feststellung muß einerseits für die Entscheidung des Hauptbegehrens präjudiziell sein, andererseits müssen ihre Wirkungen über den konkreten Rechtsstreit hinausreichen, sodaß der Zwischenfeststellungsantrag einen prozeßökonomischen Zweck erfüllt (MietSlg.30.733; SZ 51/96; MietSlg.29.623/8 uva; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1079). Kündigungen zu verschiedenen Terminen sind nicht ident im Sinn des § 411 ZPO. Die Aufhebung einer für einen bestimmten Termin ausgesprochenen Kündigung steht daher einer selbst auf dieselben Kündigungsgründe gestützten Aufkündigung zu einem anderen Termin nicht mit Rechtskraftwirkung entgegen (MietSlg.4110; RZ 1937, 400;

ZBl.1931/84 mit zustimmender Glosse von Petschek; vgl. SZ 8/70;

Fasching aaO Rz 1515, vgl Rz 1187). Stünde aber zwischen den Parteien des Kündigungsstreites rechtskräftig fest, daß die Beklagte überhaupt nicht Mieterin oder nur Mitmieterin ist, könnte sie, würde gegen sie allein zu einem anderen Termin das Mietverhältnis aufgekündigt werden, sich zur Dartuung ihrer mangelnden Passivlegitimation auf die Rechtskraft eines ihrem Zwischenfeststellungsantrag stattgebenden Urteiles berufen. Die Beklagte formulierte allerdings ihren Antrag auf Zwischenfeststellung dahin, daß ihre Tochter Angela W*** in den zwischen der klagenden Partei und Luise K*** bestandenen Mietvertrag nach dem Tod der Luise K*** eingetreten sei. Was damit gemeint war, ergibt sich aber deutlich aus ihren Einwendungen, die das dem Zwischenfeststellungsantrag zugrunde liegende Tatsachenvorbringen enthalten. Die Kündigung gegen sie sei verfehlt, sie sei daher nicht passiv legitimiert, weil nicht sie, sondern ihre Tochter Allein- oder Mitmieterin der Wohnung ist. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, daß das Gericht berechtigt ist, dem Urteilsantrag eine klarere und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung zu geben (MietSlg.34.785); es ist nicht am Wortlaut des Begehrens zu haften, dieses ist vielmehr dem sachlichen Inhalt anzupassen (JBl.1975, 605); das Begehren ist daher so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit dem Vorbringen tatsächlicher Art von der Partei gemeint war (MietSlg.32.693). Liegen diese Voraussetzungen vor, dann ist das Gericht nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, einem nur versehentlich unrichtig formulierten Begehren die richtige Fassung zu geben (MietSlg.34.785, 32.693). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Für die Beklagte ist nicht die selbständige Lösung der Vorfrage, ob ihre Tochter eintrittsberechtigt ist, von rechtlichem Interesse, sondern der sich daraus ergebende Schluß, sie sei nicht Mieterin, zumindest aber nicht Alleinmieterin der aufgekündigten Wohnung. Diese Festestellung ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, präjudiziell, die Wirkungen dieser Feststellungen gehen auch über diesen Prozeß hinaus. Die Vorinstanzen werden daher dem Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten die von ihr inhaltlich gewünschte Fassung zu geben haben.

Da das Berufungsgericht zur Frage, ob Angelika W*** tatsächlich eintrittsberechtigt sei, eine Erweiterung der Tatsachengrundlage für nötig hielt, ist der Revision im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben und die Rechtssache auch in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen (§ 510 Abs.1 ZPO). Soweit das Erstgericht in die spruchmäßige Erledigung auch aufnahm, daß die Wohnung dem dringenden Wohnbedürfnis von Angelika W*** diene und von ihr auch mit Ausnahme der studienbedingten Abwesenheit regelmäßig verwendet werde, handelt es sich um einen Teil der Begründung des Zwischenfeststellungsantrages. Dessen spruchgemäße Erledigung wird bei der neuerlichen Entscheidung zu entfallen haben.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E11074

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00615.87.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19870526_OGH0002_0010OB00615_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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