TE OGH 1987/6/16 15Os68/87

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Veröffentlicht am 16.06.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Juni 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard S*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.Februar 1987, GZ 3 c Vr 1525/86-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Knob, und des Verteidigers Dr. Hora, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Zusatz-Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Gerhard S*** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 20.Mai 1983 in Dortmund mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehende Personen durch sein Auftreten und durch das Unterfertigen von Urkunden unter dem falschen Namen Peter S***, wobei er sich den Anschein eines redlichen Fahrzeugmieters gab und seine Bereitwilligkeit zur vertragsgemäßen Rückstellung der von ihm gemieteten Kraftfahrzeuge vortäuschte, also durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet, welche die nachstehend angeführten Unternehmen um mehr als 100.000 S am Vermögen schädigten, und zwar

1. Angestellte der H*** Autovermietung Ges.m.b.H. zur Ausfolgung eines PKWs der Marke BMW 315 mit dem behördlichen Kennzeichen F-WA 579; Schaden ca. 140.000 S;

2. Angestellte der E*** Autovermietung Ges.m.b.H. zur Ausfolgung eines PKWs der Marke BMW 315 mit dem behördlichen Kennzeichen M-ZD 4590; Schaden ca. 91.000 S; und

3. Angestellte der I*** Autovermietung Ges.m.b.H. zur Ausfolgung eines Wohnmobils der Type Clou 670 E mit dem behördlichen Kennzeichen KO-MM 167; Schaden ca. 770.000 S.

Hiefür wurde der Angeklagte nach § 147 Abs 3 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.August 1985, GZ 3 c Vr 6517/85-168, (zwei Jahre Freiheitsstrafe) und auf das Urteil der Fünften Kammer für Strafsachen des Arrondissementgerichtes Amsterdam vom 20. Dezember 1984, Nummer 8411014, (sechs Monate Freiheitsstrafe) zu einem Jahr Zusatz-Freiheitsstrafe verurteilt.

Auf diese Strafe rechnete das Erstgericht nach § 38 Abs 1 StGB sowohl die Untersuchungshaft an, in der er vom 22.Jänner bis zum 4. Februar 1987 im vorliegenden Verfahren (Z 1) angehalten worden war, als auch neuerlich jene Vorhaft, die er vom 22.Jänner bis zum 17. Dezember 1985 in dem nach § 31 StGB berücksichtigten inländischen Vorverfahren (Z 2) erlitten hatte. Der zuletzt angeführte Ausspruch war - wie der Ordnung halber zu vermerken ist - deswegen verfehlt, weil die in jenem Verfahren ergangene (erste) Anrechnungsanordnung nach dem schon am 24.Jänner 1986 dazu erstatteten Strafantrittsbericht (ON 186 des Voraktes) zu dieser Zeit bereits längst faktisch durchgeführt war (§ 38 Abs 1 aE StGB); er war aber dementsprechend auch von vornherein wirkungslos, weil eine und dieselbe Vorhaft nur eine einzige ihr entsprechende Strafe zu substituieren vermag, sodaß sie im Fall ihrer (nach § 38 Abs 1 StGB möglicherweise gebotenen) Doppelanrechnung stets - worauf in der betreffenden Strafvollzugsanordnung hinzuweisen ist - bloß einmal, und zwar auf die zunächst zu vollziehende Strafe, in Anschlag gebracht werden darf (vgl. EvBl 1973/127 uva).

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 5, 9 lit a und 9 lit b - inhaltlich aber auch Z 11 - des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu. Die mit der Mängelrüge (Z 5) bekämpfte Annahme, daß das zitierte Erkenntnis des Arrondissementgerichtes Amsterdam keine im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Straftaten betreffe (US 5), bezieht sich nämlich nach dem Zusammenhang der Urteilsbegründung (US 4/5, 10) unmißverständlich bloß auf den laut Pkt. I. jener Entscheidung ergangenen Schuldspruch, mit dem in der Tat über die Bestimmung zum Diebstahl von drei anderen als den verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeugen abgesprochen wird (S 251 f., 255 f., 261); die unter Bezugnahme auf den Freispruch laut Pkt. III. des in Rede stehenden Erkenntnisses erhobene Behauptung einer "Aktenwidrigkeit" der bemängelten Urteilspassage geht demnach fehl.

Sie ist zudem ihrerseits aktenwidrig, weil der Beschwerdeführer mit der solcherart relevierten Entscheidung nicht vom Vorwurf, (am 20. Mai 1983 in Dortmund) "betrügerisch das Wohnmobil Clou 670 E, behördl. Kennzeichen KO-MM 167 herausgelockt" zu haben, freigesprochen wurde, sondern vielmehr von der Anklage, er habe sich (in Amsterdam und/oder an anderen Orten in den Niederlanden im Zeitraum vom 20.Mai 1983 bis zum 21.Juli 1984) "ein Kraftfahrzeug (Volkswagen Camper) ... widerrechtlich zugeeignet" (US 5, 7, 12). Insoweit allerdings ist dem Angeklagten zwar einzuräumen, daß sich das Erstgericht mit jenem im Ausland ergangenen Freispruch nicht auseinandergesetzt hat, obwohl es unter Pkt. 3. des hier angefochtenen Schuldspruchs ersichtlich über dasselbe Tatobjekt absprach (vgl. US 3, 6 bis 10 sowie insbes. auch S 270, 273/I); Feststellungsmängel im Hinblick auf die Möglichkeit eines Entfalls der inländischen Gerichtsbarkeit zu diesem Faktum indessen (Z 9 lit b) sind daraus nicht abzuleiten.

Denn von einem Freispruch im Sinn des § 65 Abs 4 Z 2 StGB durch ein Gericht "des Staates, in dem die Tat begangen worden ist", kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn jene Entscheidung auf der Annahme beruht, daß der Tatort nicht im Urteilsstaat gelegen ist (vgl. Liebscher im WK, Rz. 29 zu § 65): um einen Freispruch eben dieser Art aber handelt es sich bei dem im gegebenen Fall zu beachtenden Erkenntnis des Arrondissementgerichtes Amsterdam, mit dem es der Gerichtshof aus der Erwägung, er erachte es nicht für gesetzmäßig und überzeugend als erwiesen, "daß der Beschuldigte die ihm angelastete Tat in den Niederlanden begangen habe", im Tenor "für nicht gesetzmäßig und überzeugend erwiesen erklärte, was dem Beschuldigten zu Pkt. III. zur Last gelegt wurde", und ihn hievon freisprach (S 255, 260/I).

Die Frage, ob sich die jener Entscheidung zugrunde gelegene Anklage nach den Bestimmungen des niederländischen prozessualen (vgl. §§ 262, 267 StPO) oder materiellen Rechts (vgl. § 65 Abs 1 Z 2 StGB) auch auf das Herauslocken des tatgegenständlichen Fahrzeugs durch den Beschwerdeführer vom Verfügungsberechtigten in Dortmund überhaupt erstrecken konnte und tatsächlich erstreckt hat, sodaß der Freispruch dann, wenn er auf anderen als die Lage des Tatorts betreffenden beweismäßigen (oder rechtlichen) Erwägungen beruhen würde, nach § 65 Abs 4 Z 2 StGB auch insoweit den Entfall der österreichischen Gerichtsbarkeit zur Folge hätte, wird daher gar nicht aktuell.

Da also der hier zu beurteilende Freispruch, möge er auch allenfalls nach niederländischem Recht den in Deutschland vorgefallenen Teil des im vorliegenden Verfahren abgeurteilten - und nach österreichischem Prozeßrecht (§§ 262, 267 StPO) sowohl das Herauslocken als auch die spätere Zueignung des Fahrzeugs umschließenden - Tatgeschehens miterfassen oder nicht, nach dem zuvor Gesagten auf Grund seines aktenkundigen Inhalts (ON 14) jedenfalls nicht von einem Tatortgericht gefällt wurde, waren auf das vom Angeklagten reklamierte Verfolgungshindernis bezogene Feststellungen nach den Verfahrensergebnissen nicht indiziert. Verfehlt ist auch die der Sache nach auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zielende Beschwerdeansicht, das Erstgericht hätte im Rahmen des (mit Rücksicht auf die Lage sämtlicher Tatorte in der Bundesrepublik Deutschland gebotenen) Günstigkeitsvergleichs gemäß § 65 Abs 2 StGB prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 263 Abs 3 dStGB vorliegen, wonach Freiheitsstrafen in der dem Strafrahmen des § 147 Abs 3 StGB entsprechenden Dauer von einem bis zu zehn Jahren nur in "besonders schweren Fällen" angedroht sind, wogegen einfacher Betrug nach Abs 1 dieser Strafbestimmung nur mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe pönalisiert wird.

Durch § 65 Abs 2 StGB wird nämlich der im konkreten Fall anzuwendende Strafsatz des österreichischen Rechts, mit dem die entsprechende ausländische Strafdrohung zur Vermeidung einer Benachteiligung des Täters zu vergleichen ist, nicht etwa im Sinn einer jener Strafnorm angepaßten Verkürzung der Obergrenze oder/und Herabsetzung der Untergrenze verändert, sondern das Gericht bei der Strafbemessung nur insoweit beschränkt, als es darnach gegebenenfalls einen höheren Strafrahmen des inländischen Rechts höchstens bis zur Obergrenze der ausländischen Strafdrohung nützen und eine höhere Untergrenze auch ohne die sonst hiefür erforderlichen Voraussetzungen bis zu der für das abgeurteilte Delikt nach dem Tatortrecht aktuellen unterschreiten darf (vgl. SSt. 53/1 = EvBl 1982/133 = ZfRV 1982, 214; EBRV 1971, 178 = Dok. S 114). Ein Strafausspruch, der ausschließlich eine nach § 65 StGB der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegende Tat betrifft, ist demnach nur dann im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO nichtig, wenn damit die soeben determinierten Grenzen überschritten werden. Davon jedoch kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Denn ein Vergleich der über den Angeklagten verhängten Strafe mit den im deutschen Recht vorgesehenen Strafdrohungen zeigt, daß sie nicht einmal das Höchstmaß der in § 263 Abs 1 dStGB vorgesehenen Grundstrafdrohung erreicht, sodaß sich eine Untersuchung der Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Abs 3 jener Strafbestimmung vorlägen, erübrigt.

Der ansonsten nur noch damit, daß die Annahme im Inland gelegener Tatorte nicht in Betracht komme, begründete abschließende Einwand des "Fehlens der österr. Strafgerichtsbarkeit (§§ 62-65 StGB)" schlechthin schließlich ist für den Fall, daß solcherart das Nichtvorliegen von Umständen reklamiert wird, die diese überhaupt entstehen lassen (Z 9 lit a), mangels näherer Substantiierung einer über den Hinweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 Abs 1 Z 1 StGB hinausgehenden sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, seinen Rückfall in strafbares Verhalten während eines zufolge seiner Flucht aus einer Strafvollzugsanstalt unterbrochenen Strafvollzuges und die Wiederholung des Betruges als erschwerend, sein Geständnis und die teilweise Sicherstellung der Beute, nämlich des Wohnmobils, hingegen als mildernd.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe beantragt und den hohen Wert der Betrugsbeute, der mit mehr als einer Million S das Zehnfache der strafsatzbestimmenden Wertgrenze (§ 147 Abs 3 StGB) übersteigt, zutreffend als weiteren Erschwerungsgrund geltend macht, kommt Berechtigung zu.

Unter Bedachtnahme auf die beiden eingangs zitierten Zwischen-Urteile (§ 31 StGB), mit denen er vorwiegend wegen weiterer Vermögensdelikte mit einem festgestellten Beutewert von rund 690.000 S zuzüglich des nicht ersichtlichen Wertes der drei in den Niederlanden gestohlenen Personenkraftwagen zu insgesamt 2 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sowie auf das Gewicht der in jenen Verfahren aktuell gewesenen und der hier vorliegenden Strafzumessungsgründe erscheint die Dauer der vom Erstgericht ausgemessenen Zusatz-Freiheitsstrafe mit einem Jahr in der Tat als nicht ausreichend.

Nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) wäre vielmehr bei gemeinsamer Aburteilung aller in Rede stehenden Straftaten (unter Beachtung des § 65 Abs 2 StGB) eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 4 1/2 Jahren zu verhängen, sodaß die in erster Instanz festgesetzte Strafdauer in Stattgebung der von der Anklagebehörde erhobenen Berufung auf 2 Jahre anzuheben war (§ 40 StGB).

Der Angeklagte war mit seiner ein Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe oder zumindest deren Herabsetzung anstrebenden Berufung, mit der er (nach dem Gesagten zu Unrecht) bloß gegen die Würdigung der maßgebenden Strafzumessungserwägungen remonstriert, auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E11319

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00068.87.0616.000

Dokumentnummer

JJT_19870616_OGH0002_0150OS00068_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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