TE OGH 1987/7/14 4Ob528/87

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Veröffentlicht am 14.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Petrag und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud S***, Dipl.Krankenschwester, 9020 Klagenfurt,

Kanaltalerstraße 32, vertreten durch Dr. Hannes Zieger und Dr. Norbert Moser, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dieter S***, Versicherungsangestellter, Karnburg 118, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. März 1987, GZ 4 R 21/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26. November 1986, GZ 20 Cg 310/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 7. Juni 1955 geborene Klägerin und der am 5. Februar 1953 geborene Beklagte schlossen am 4. März 1978 die Ehe, der zwei Töchter (geboren 1978 und 1980) entstammen. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Karnburg.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte sei krankhaft eifersüchtig und verfolge sie grundlos damit; sein Verhalten mache es ihr unmöglich, die Ehe mit ihm fortzusetzen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Scheidungsklage. Der Klägerin sei seine krankhafte Eifersucht schon zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen. Er sei so eifersüchtig, wie es jeder Mann sei. Er könne der Klägerin keine Eheverfehlungen vorwerfen. Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte war schon im Zeitpunkt der Eheschließung eifersüchtig. Seine Eifersucht steigerte sich im Verlauf der Ehe allerdings so, daß sie für die Klägerin unerträglich wurde. Der Beklagte ist zwar als krankhaft eifersüchtig anzusehen, seine Eifersucht hat aber den Grad eines Eifersuchtswahns nicht erreicht. Die Eifersucht des Beklagten äußerte sich unter anderem in Kontrollen der Unterwäsche der Klägerin, in Szenen aus Anlaß des Ausgehens der Klägerin mit Freundinnen, im Verbot, einen Frauenarzt aufzusuchen, mit der Begründung, alle Frauenärzte seien "Lustmolche", in unbegründeten Vorwürfen, Ehebruch begangen zu haben, im Verbot, beim Kartenspielen zu lachen, in der Aufforderung, den obersten Knopf des Kleidausschnittes zu schließen, sowie im Verbot, turnen zu gehen, wenn auch Männer am Turnen teilnehmen. Seit ca. 2 bis 3 Jahren funktioniert die Ehe der Streitteile nicht mehr. Der Beklagte tyrannisiert die Klägerin in kleinsten Dingen. Er bedrohte die Klägerin auch mit dem Umbringen, falls sie sich scheiden lasse.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht das Verhalten des Beklagten als schuldhafte Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG. Eine geistige Störung im Sinne des § 50 EheG liege nicht vor, weil die (krankhafte) Eifersucht des Beklagten noch nicht so weit fortgeschritten sei, daß von einem Eifersuchtswahn gesprochen werden könnte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es verneinte das Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels und trat auf Grund der unbekämpften Feststellungen des Ersturteils der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei, daß grundlose Eifersuchtsszenen als ein zur Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft führendes ehefeindliches Verhalten gemäß § 49 EheG anzusehen seien; das Erstgericht habe daher zutreffend die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Das Verhalten des Beklagten beruhe nicht auf einer geistigen Störung im Sinne des § 50 EheG; ein Eifersuchtswahn, der als eine solche Störung angesehen werden könnte, liege beim Beklagten nicht vor. Die Klägerin habe sich auch gar nicht auf § 50 EheG berufen, so daß dieser Ehescheidungsgrund nicht zu prüfen gewesen sie. Dem Beklagten sei es daher verwehrt, sich auf die Härteklausel gemäß § 54 EheG zu berufen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung der Scheidungsklage abzuändern; hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beklagte in Wahrheit einen Feststellungsmangel, den er im Unterlassen der Feststellung, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Otto S*** in Ansehung seiner Person zweifellos von einer krankhaften Eifersucht zu sprechen sei, erblickt. Welche rechtlichen Schlußfolgerungen aus dem Wort "zweifellos" abgeleitet werden könnten, ist jedoch nicht ersichtlich.

In seiner Rechtsrüge führt der Beklagte aus, auf Grund der Feststellung, daß er krankhaft eifersüchtig sei, könne das ihm angelastete Verhalten nicht als Eheverfehlung nach § 49 EheG beurteilt werden; die bei ihm vorliegende geistig-seelische Anomalie begründe vielmehr eine geistige Störung im Sinne des § 50 EheG. Die Scheidung wegen eines solchen auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens sei von der Klägerin nicht begehrt worden. Der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt bietet jedoch für die vom Beklagten gewünschte rechtliche Beurteilung keinen Anhaltspunkt. Gemäß § 50 EheG kann ein Ehegatte Scheidung begehren, wenn die Ehe infolge eines Verhaltens des anderen Ehegatten, das nicht als Eheverfehlung betrachtet werden kann, weil es auf einer geistigen Störung beruht, so tief zerrüttet ist, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Dieser Scheidungstatbestand umfaßt jedes Verhalten, das nach § 49 EheG eine Eheverfehlung darstellen würde, jedoch keine solche ist, weil es infolge geistiger Störung nicht als Verschulden zurechenbar ist. Andererseits darf die geistige Störung nicht den Grad einer Geisteskrankheit erreicht haben, welche die geistige Gemeinschaft zwischen den Gatten auflöst; dieser Tatbestand wird von § 51 EheG erfaßt. Regelmäßig wird es sich überhaupt nicht um Geisteskrankheiten im eigentlichen Wortsinn handeln. Als geistige Störung im Sinne des § 50 EheG sind auch einzelne abnorme Handlungsweisen zu beurteilen, aus denen sich das ehewidrige Verhalten ergibt. Regelmäßig fallen darunter geistig-seelische Anomalien, Formen von Psychopathien, Psychoneurose, Zwangsneurose, Hysterie sowie unwiderstehliche Drogen- oder Alkoholsüchtigkeit, wahnhafte Einbildungen, so etwa Eifersuchtswahn, aber auch geistige Anomalien wie Melancholie, Hysterie, psychopathische Zustände, Zwangshandlungen und dergleichen. Sie alle haben gemeinsam, daß sie zwar die moralische Kraft des Betroffenen in einer seine freie Willensbildung erheblich beeinträchtigenden Weise herabsetzen, sein sonstiges Geistes- und Seelenleben aber nicht so beeinflussen, daß die geistige Gemeinschaft zwischen ihm und dem anderen Ehegatten aufgehoben wäre. In diesen Fällen ist es nicht erforderlich, daß die Verantwortlichkeit des Kranken ganz ausgeschlossen ist; es genügt, wenn sie herabgemindert oder seine freie Willensbestimmung in einer erheblichen Weise beeinträchtigt wurde (Schwind, Kommentar zum Österr. Eherecht2, 207 f; EFSlg. 2.294; SZ 23/813; EFSlg. 41.219, 48.781 und 48.782).

Nach dem medizinischen Gutachten, das den unbekämpften Feststellungen der Vorinstanzen zugrunde liegt und bei der Beurteilung des Tatbestandes des § 50 EheG die wichtigste Grundlage des Urteils bildet (Schwind a.a.O. 221; JBl 1953, 153), ist die zwar krankhafte Eifersucht des Beklagten nicht bis zum Wahn gesteigert. Nur der Eifersuchtswahn, der zu inhaltlichen Denkstörungen führt (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch225, Stichwort: Wahn; Schwerd, Rechtsmedizin4, 219), ist aber als geistige Störung im Sinne des § 50 EheG anzusehen. Psychopathische Charakterzüge - wie es eine krankhafte, nicht zum Wahn gesteigerte Eifersucht ist - schließen die Schuldfähigkeit eines Ehegatten nach § 49 EheG nicht aus (SZ 33/49). Das medizinische Gutachten bildet keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß dem Beklagten die Kontrolle dieses Charakterzuges nicht zuzumuten wäre. Demgemäß sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, daß dem Beklagten die festgestellten Eheverfehlungen auch als Verschulden zuzurechnen sind. Daß sich aus dem festgestellten Sachverhalt objektiv Eheverfehlungen des Beklagten gemäß § 49 EheG ergeben, zieht die Revision nicht in Zweifel.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11776

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00528.87.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19870714_OGH0002_0040OB00528_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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