TE OGH 1987/7/21 11Os75/87

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Veröffentlicht am 21.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Juli 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Richard L*** wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach den §§ 12 (3. Fall), 136 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 17.Februar 1987, GZ 22 Vr 2.735/86-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.Dezember 1970 geborene jugendliche Angeklagte Richard L*** des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen als Beteiligter nach den §§ 12, dritter Fall, 136 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Laut Schuldspruch trug er am 23.August 1986 in Salzburg dadurch, daß er den Vorschlag des gesondert verfolgten Ferdinand H*** annahm, ihn mit einem in der vorangegangen Nacht ohne Einwilligung des Berechtigten Peter Z*** in Gebrauch genommenen PKW (Ford Sierra) nach Hause zu fahren, zur Ausführung der strafbaren Handlung des Ferdinand H*** durch psychische Unterstützung bei.

Dieser Schuldspruch wird sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Die Staatsanwaltschaft begehrt, gestützt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO und angesichts des durch die Tat des Ferdinand H*** verursachten Schadens am Fahrzeug von über 80.000 S, eine anklagekonforme Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten als Beteiligung am nach dem § 136 Abs. 3, erster Deliktsfall, StGB qualifizierten Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen, der Angeklagte hinwieder strebt unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO seinen Freispruch mit der Behauptung an, in der bloßen Annahme des vom tatentschlossenen Ferdinand H*** ausgegangenen Vorschlages, ihn mit dem unbefugt in Gebrauch genommenen Fahrzeug nach Hause zu fahren, sei kein ursächlicher Beitrag zur Ausführung der strafbaren Handlung zu erblicken.

Rechtliche Beurteilung

Keiner der beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt Berechtigung zu. Obwohl die Staatsanwaltschaft in ihrer Subsumtionsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) die für die Nichtannahme der Qualifikation nach dem § 136 Abs. 3, erster Deliktsfall, StGB entscheidende Urteilsfeststellung zitiert, wonach der Angeklagte L*** die Überzeugung besaß, daß Ferdinand H*** über die erforderlichen Fähigkeiten verfüge, den in Rede stehenden PKW "verkehrssicher" zu lenken, und mithin subjektiv (auf Grund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse) nicht imstande war, den eingetretenen Erfolg (eines Schadens am Fahrzeug) vorauszusehen (AS 137), setzt sie sich in ihrer - nach Art einer Schuldberufung vorgetragenen - Argumentation über diese Konstatierung des Schöffensenates hinweg. Solcherart bringt die Anklagebehörde den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis verlangt, daß dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlief, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Es versagt aber auch der weitere Einwand, daß "ein einsichtiger und besonnener Mensch in der Lage des Täters die Gefahr des Erfolgseintrittes erkannt hätte", weil schon auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung zu befürchten sei, daß ein 16-jähriger ohne Lenkerberechtigung und (insoweit urteilsfremd) "ohne nennenswerte Fahrpraxis" bei einer (was dem Urteil gleichfalls nicht zu entnehmen ist) "bevorstehenden Fahrstrecke von ca. 10 km" einen Verkehrsunfall zumindest mit Sachschaden herbeiführen werde. Denn für die subjektive Vorhersehbarkeit eines Erfolges ist nicht entscheidend, ob "ein einsichtiger und besonnener Mensch" in der Lage des Täters den (von der Beschwerde ersichtlich bloß abstrakt auf den verursachten Schaden am Fahrzeug bezogenen) "Erfolg" - Voraussicht einer bloßen Gefahr genügt nicht (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 38 zu § 80) - auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung vorhergesehen hätte, sondern ob eine Person, ausgestattet mit den Fähigkeiten und Kenntnissen des Täters, in ihrer Lage nach allgemeiner Erfahrung fähig war, den tatsächlich eingetretenen Erfolg vorauszusehen, nämlich die Verursachung eines Schadens am Fahrzeug infolge Einhaltens einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit auf regennasser Fahrbahn ungeachtet einer Aufforderung des Angeklagten, die Geschwindigkeit zu verringern (objektiviert - subjektiver Maßstab; vgl. Leukauf-Steininger aaO und RN 14, 15 zu § 6). Ebendies verneinte aber der Schöffensenat in Anbetracht des jugendlichen Alters des Angeklagten L***, einer gewissen Labilität und leichten (AS 125) Beeinflußbarkeit sowie unter Berücksichtigung seines Wissens um eine "tatsächliche Fahrpraxis" des Ferdinand H*** ausdrücklich (AS 137), mag auch - worauf die Beschwerde an sich zutreffend, aber nicht zielführend hinweist - "ein Erfolg, der objektiv vorhersehbar ist, in der Regel auch subjektiv vorhersehbar sein".

Mit der - in einer Rechtsrüge verfehlten - Argumentation, Labilität und Beeinflußbarkeit seien "für sich allein nicht geeignet, die subjektive Voraussehbarkeit des Erfolges im konkreten Fall zu verneinen" (inhaltlich § 281 Abs. 1 Z 5 StPO), stellt die Staatsanwaltschaft einmal mehr nicht auf den Urteilsinhalt ab, sondern übergeht, daß die Tatrichter bei dieser Feststellung die Persönlichkeit des Angeklagten einschließlich seiner Überzeugung von der Fähigkeit des Ferdinand H***, ein Fahrzeug zu lenken, in ihre Erwägungen einbezogen haben. Gleiches gilt für die urteilsfremde (sinngemäße) Unterstellung, der Angeklagte L*** habe Ferdinand H*** für einen "ungeübten Lenker" gehalten. Das Beschwerdevorbringen läßt sohin auch insoweit die gesetzmäßige Darstellung einer Urteilsnichtigkeit vermissen.

Doch auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) des Angeklagten versagt.

Gemäß dem § 12 StGB begeht nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder sonst zu ihrer Ausführung beiträgt. Sonst zur Ausführung einer strafbaren Handlung trägt bei, wer auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft oder durch Bestimmung eines anderen einen ursächlichen Beitrag zur Ausführung der strafbaren Handlung in ihrer individuellen Erscheinungsform leistet (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 36, 39 zu § 12). Demnach haftet - wie das Erstgericht zutreffend darlegt - als Beteiligter am Vergehen nach § 136 StGB, wer den deliktischen Willen des unmittelbaren Täters bestärkt oder auf andere Weise auf den unbefugten Gebrauch Einfluß nimmt (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB2 Nr. 16 zu § 136 mit Judikatur- und Literaturhinweisen; Leukauf-Steininger, StGB2 RN 36 zu § 136; Kienapfel BT II RN 69 zu § 136).

Nach den insoweit maßgebenden Urteilsannahmen schlug der gesondert verfolgte Ferdinand H*** am 23.August 1986 dem Angeklagten L*** vor, ihn mit dem in der vorangegangenen Nacht unbefugt in Gebrauch genommenen und hierauf im Stadtgebiet von Salzburg abgestellten PKW des Peter Z*** nach Hause (nach Wals) zu fahren. Der Angeklagte nahm den Vorschlag an, begab sich mit Ferdinand H*** zum abgestellten Fahrzeug und ließ sich in der Folge (von H***) nach Wals fahren. Ohne Zustimmung des Angeklagten hätte Ferdinand H*** diese im Interesse des Beschwerdeführers gelegene Fahrt nach Wals nicht unternommen (AS 129; 131; 133).

Insbesondere die letzterwähnte Urteilsfeststellung läßt der Beschwerdeführer außer acht, wenn er im Hinblick darauf, daß der Vorschlag zur Fahrt nach Wals von Ferdinand H*** ausging, behauptet, daß seine Zustimmung zur und Teilnahme an der Fahrt auf den Tatentschluß (des H***) keinen Einfluß gehabt und den (bereits vorhandenen) deliktischen Willen nicht bestärkt habe, daher auch nicht als sonstiger Tatbeitrag im Sinn des dritten Falls des § 12 StGB zu beurteilen sei. Solcherart setzt sich die Beschwerde über die mit großer Sorgfalt getroffenen Urteilsfeststellungen hinweg, wonach H*** zwar ohne Zutun des Beschwerdeführers zur Fahrt nach Wals (innerlich) bereit war, den Tatentschluß, dh den Entschluß, den abgestellten PKW des Peter Z*** ohne dessen Einwilligung neuerlich in Gebrauch zu nehmen und die Fahrt nach Wals tatsächlich auszuführen, aber erst auf Grund der Zustimmung des Angeklagten faßte und ohne diese Zustimmung von der (konkreten) strafbaren Handlung Abstand genommen haben würde (AS 133). Zu Recht erblickt daher das Erstgericht in dieser den unbefugten Gebrauch des Fahrzeuges für die Fahrt nach Wals erst auslösenden Zustimmung des Angeklagten L*** ein Bestärken und Mitbestimmen des deliktischen Willens des (zur Fahrt nach Wals nur für den Fall der Zustimmung des Beschwerdeführers entschlossenen) unmittelbaren Täters H*** (AS 131), weil - wie bereits einleitend ausgeführt - ein ausreichender kausaler Tatbeitrag schon dann vorliegt, wenn ohne die Förderungshandlung des Beteiligten die Tat jedenfalls nicht so geschehen wäre, wie sie sich tatsächlich ereignete (vgl. neuerdings Leukauf-Steininger, StGB2, RN 39 zu § 12).

Da dem Erstgericht auch insoweit kein Rechtsirrtum unterlief, waren die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Richard L*** zu verwerfen.

Anmerkung

E11642

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00075.87.0721.000

Dokumentnummer

JJT_19870721_OGH0002_0110OS00075_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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