TE OGH 1987/7/30 7Ob649/87

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Veröffentlicht am 30.07.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Manuela O***, geboren am 22. Juni 1978, und Ernst O***, geboren am 1. September 1981, infolge Revisionsrekurses des Vaters Michael O***, ÖBB-Bediensteter, Fürnitz, Sigmontitsch 4, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 13. Mai 1987, GZ 2 R 195/87-59, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 31. März 1987, GZ 2 P 91/86-52, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der Antrag des Vaters, das Besuchsrecht der Mutter auszusetzen, abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 15. Oktober 1985 gemäß § 55 a EheG geschieden. Die elterlichen Rechte über die Kinder stehen dem Vater zu. Dieser zog im Frühjahr 1986 mit den Kindern nach Fürnitz. Die Mutter blieb in Wien und hat inzwischen wieder geheiratet. Ihr Recht auf persönlichen Verkehr mit den Kindern ist dahin geregelt, daß die Mutter berechtigt ist, die Kinder am ersten Samstag eines jeden Monats in der Zeit von 13 bis 18 Uhr zu sich zu nehmen. Das Erstgericht verfügte auf Antrag des Vaters die Aussetzung des Besuchsrechtes der Mutter bis 31. März 1989. Nach seinen Feststellungen wirken zwischen den Eltern die ehelichen Konflikte emotional noch stark nach. Die psychologischen Bedürfnisse der Kinder werden durch ihr Leben beim Vater und den väterlichen Großeltern sehr gut erfüllt. Es wird ihnen Sicherheit und Geborgenheit geboten. Durch den fehlenden Kontakt zur Mutter erleiden die Kinder kein psychisches Defizit oder eine Beeinträchtigung. Das Testergebnis der mj. Manuela zeigt eine fehlende Mutterbeziehung. Daraus und aus ihren Äußerungen ergibt sich, daß Besuchskontakte zur Mutter das psychische Wohl des Mädchens derzeit negativ beeinträchtigen würden. Dies trifft auch auf den mj. Ernst zu. Bei der Haltung der Kinder handelt es sich offensichtlich um eine tiefer verwurzelte Ablehnung bzw. Abneigung gegen die Mutter, die auf deren Fehlhaltung in der Vergangenheit beruht.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei das Besuchsrecht der Mutter vorübergehend auszusetzen, da durch dessen Ausübung das psychische Wohl der Kinder gefährdet erscheine.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß ersatzlos auf. Es führte aus, daß die Feststellungen des Erstgerichtes, die Besuchskontakte der Mutter würden das psychische Wohl der Kinder negativ beeinträchtigen, auf dem Gutachten des Sachverständigen beruhe. Der Sachverständige habe die nachteiligen Folgen nicht konkretisiert. Seinem Gutachten ließen sich auch keine Anhaltspunkte für eine konkrete erhebliche Gefährdung des psychischen Wohles der Kinder entnehmen. Desgleichen sei die Schlußfolgerung des Erstgerichtes, daß durch das Fehlverhalten der Mutter in der Vergangenheit eine tiefer verwurzelte Ablehnung der Mutter durch die Kinder entstanden sei, nicht berechtigt. Soweit der Vater bisher die Ausübung des Besuchsrechtes ermöglicht habe, habe dies auch funktioniert. Die Schwierigkeiten in der Ausübung des Besuchsrechtes gingen nicht über jene hinaus, wie sie häufig bei zerrütteten Ehen vorkämen.

Das Rekursgericht ging demgemäß davon aus, daß eine konkrete erhebliche Gefährdung des psychischen Wohles der Kinder nicht vorliege. Nur eine solche könnte aber zur Einschränkung oder Entziehung des Besuchsrechtes führen. Die bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung reiche nicht aus. Die negative Einstellung der Kinder zum Besuch der Mutter werde der erziehungsberechtigte Vater durch positive erzieherische Einwirkungen zu überwinden haben. Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ein Antrag des Vaters vorliegt (AS 95). Insoweit das Rekursgericht den vom Erstgericht gezogenen Schlußfolgerungen nicht folgte, liegt ein Akt der Beweiswürdigung vor. Die Beweiswürdigung ist auch im Verfahren außer Streitsachen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (EFSlg. 37.302, 34.966). Auch der Oberste Gerichtshof hat daher davon auszugehen, daß eine konkrete Gefährdung der psychischen Integrität der Kinder durch die Ausübung des Besuchsrechtes der Mutter nicht gegeben ist und daß auch eine tiefer verwurzelte Abneigung der Kinder gegen die Mutter nicht besteht. In rechtlicher Hinsicht ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß eine Einschränkung oder Entziehung des Besuchsrechtes nur aus besonders wichtigen Gründen erfolgen darf, etwa bei konkreter Gefährdung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes (EFSlg. 45.766 f uva). Eine seelische Irritation der Kinder, wie sie häufig nach der Zerrüttung einer Ehe zu beobachten ist, reicht für eine Einschränkung oder Entziehung des Besuchsrechtes nicht aus (EFSlg. 48.345 ua). Mangels Vorliegens einer konkreten Gefährdung oder einer Irritation der Kinder, die jenes Maß überschreitet, das als natürliche Folge der Zerreißung der Familienbande in Kauf genommen werden muß, hat das Rekursgericht zu Recht eine Aussetzung des Besuchsrechtes der Mutter abgelehnt. Richtig hat es auch erkannt, daß es auf die Bereitschaft der unmündigen Kinder zum Besuch bei der Mutter nicht ankommt. Es ist die Pflicht des Vaters, in dessen Erziehung sich die Kinder befinden, durch geeignete Erziehungsmaßnahmen positiv auf den Willen der Kinder einzuwirken, um der Mutter das Besuchsrecht zu ermöglichen (EFSlg. 32.656 ua). Werden diese Pflichten nachhaltig und beharrlich verletzt, werden daraus die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen sein (vgl. EFSlg. 45.736). Auch eine dienstliche Verhinderung des Vaters zur Übergabe der Kinder ist kein zureichender Grund, das Besuchsrecht der Mutter entfallen zu lassen. Die Übergabe der Kinder kann auch durch eine vom Vater beauftragte Person erfolgen, wozu er sich auch verpflichtet hat (ON 10). Allenfalls wird eine Neuregelung der Besuchszeit und der Übergabe der Kinder an die Mutter iS der Anregung des Vaters (AS 96) und des Antrages der Mutter (ON 37) zu treffen sein. Jedenfalls wird das Erstgericht nachhaltig darauf hinzuwirken haben, daß der Mutter endlich ein persönlicher Verkehr mit den Kindern ermöglicht wird. Ein Verweis (ON 44) dürfte im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Vaters kaum zielführend sein. Bei ablehnender Haltung der Kinder ist auch anfangs bei der Zuführung der Kinder an die Mutter die Mithilfe eines geeigneten, pädagogisch ausgebildeten Organs des Jugendamtes oder der Erziehungshilfe in Betracht zu ziehen. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs des Vaters ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E11601

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00649.87.0730.000

Dokumentnummer

JJT_19870730_OGH0002_0070OB00649_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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