TE OGH 1987/9/2 3Ob534/87

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Veröffentlicht am 02.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Georg N***, geboren am 2. Juni 1983, Graz, Rafensedergasse 20, vertreten durch seine Eltern Univ.Doz.Dr. Gunter und Mag. Idisa N***, ebendort, diese vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander jun., Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei L*** S***, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung der Haftung (Streitwert S 31.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 16. März 1987, GZ. 7 R 83/86-72, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Februar 1986, GZ. 23 Cg 277/83-54, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das klagende Kind wurde am 2. Juni 1983 an der geburtshilflich-gynäkologischen Universitätsklinik des Landeskrankenhauses Graz durch Schnittentbindung im Zustand drohender Erstickung (Asphyxie) geboren.

Schon am 11.Juli 1983 erhob der Kläger gegen das beklagte Bundesland als Rechtsträger dieser Krankenanstalt die Klage auf Feststellung, daß die beklagte Partei ihm gegenüber für alle Schäden hafte, die auf Grund der Vorgänge bei seiner Geburt am 2.Juni 1983 entstehen. Er brachte vor, seine Mutter sei schon zwischen 4 Uhr 15 und 4 Uhr 30 mit Geburtswehen in der Krankenanstalt aufgenommen worden. Dennoch sei die Schnittentbindung erst um 6 Uhr 35 eingeleitet worden. Nach der langen Wartezeit habe sich das Kind durch die Wehen schon im Geburtskanal befunden. Dies habe die Entwicklung bei der Schnittentbindung erschwert. Erst durch Zerren und Drücken habe der Kläger vom Mutterleib getrennt werden können. Die Verabreichung eines wehenhemmenden Mittels sei verabsäumt worden. Auf die Verzögerung bei der Einleitung der Schnittentbindung sei die akute Atemnot des Klägers zurückzuführen, die eine sofortige Verlegung auf die Intensivstation erfordert habe. Bleibende Schäden aus dem Vorfall seien nicht auszuschließen, die beklagte Partei habe jede Haftung abgelehnt.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Geburt des Klägers habe sich wegen der starken Vernarbung der Gebärmutter nach einer vorangegangenen Schnittentbindung schwierig gestaltet, nicht aber wegen Verspätung des operativen Eingriffs. Erst um 5 Uhr sei die Mutter aufgenommen worden, um 5 Uhr 30 habe die Untersuchung stattgefunden, nach deren Ergebnis der Muttermund für zwei Finger durchgängig, die Fruchtblase noch nicht gesprungen und die Wehentätigkeit erst am Beginn war. Die Geburt sei nicht unmittelbar bevorgestanden. Die Ursache des situationsbedingt eingetretenen Gesundheitszustandes des Klägers lasse sich nicht mit Sicherheit klären. Es liege keine Fehlleistung der Ärzte und eine Haftung für künftige Schäden des Klägers nicht vor. Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Der Sauerstoffmangel sei nicht auf Verzögerung des Eingriffs, sondern auf die erschwerte Entwickelbarkeit des Kindes während des Geburtsvorganges und daher auf ein schicksalhaftes, unbeherrschbares Risiko zurückzuführen, das durch einen früheren Beginn des Eingriffs nicht verringert worden wäre. Es wäre nur eine Minute Zeitgewinn zu erzielen gewesen. Dies sei in Ansehung der Sauerstoffversorgung des Klägers zu vernachlässigen. Die Dauer der Entwicklung liege in der Norm. Eine von den Erfüllungsgehilfen des beklagten Krankenhausträgers zu verantwortende Handlung oder Unterlassung gegen die Regeln der medizinischen Wissenschaft liege nicht vor. Die beklagte Partei hafte daher nicht für Spätfolgen des Sauerstoffmangels während der Geburt, die allerdings nicht gänzlich auszuschließen seien.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Es ging nach Beweisergänzung im wesentlichen von den folgenden Feststellungen aus:

Die Mutter des Klägers hatte schon zwei Kaiserschnittentbindungen. Sie wurde am 2.Juni 1983 um 5 Uhr an der Klinik aufgenommen. Der den Hauptdienst versehende Arzt Dr. Helmut Z*** wies die Eltern zum Kreißsaaldienst. Die in Fachausbildung zur Frauenärztin stehende Ärztin Dr. Elisabeth M*** stellte bei der Untersuchung der Mutter um 5 Uhr 30 fest, daß schon Kaiserschnittentbindungen vorangegangen waren, die Wehen mit Intervallen von zunächst 10 Minuten begonnen hatten und der vorgehende Teil des Kindes der Schädel war. Die Mutter wies auf eine Krankengeschichte hin, die von der Aufnahmeärztin beigeschafft wurde, und teilte auch mit, sie sei von Dr. Helmut Z*** behandelt worden und er werde den Kaiserschnitt vornehmen. Die Aufnahmeärztin verständigte Dr. Helmut Z*** kurz vor 6 Uhr vom erhobenen Befund, sagte aber nicht, daß eine Spontanentbindung abgewartet werden müsse. Dr. Helmut Z*** setzte die Schnittentbindung für 6 Uhr 30 an, verständigte den Oberarzt und den Assistenzarzt und sorgte für die Bereitstellung des Operationssaals und die Verständigung der Narkoseärztin, die in der Folge einer anderen Geburt im Beisein der Aufnahmeärztin und des Assistenzarztes beigezogen wurde. Von der für 6 Uhr 30 anberaumten Schnittentbindung des Klägers wurden die Narkoseärztin Dr. Hermine R*** und die Operationsschwester Monika S*** ohne Hinweis auf eine Dringlichkeit verständigt. Der andere Eingriff war wegen Verblutungsgefahr dringender. Gegen 6 Uhr 15 begab sich Dr. Helmut Z*** in den Kreißsaal, wo die Mutter des Klägers um 5 Uhr 50 an das die Wehentätigkeit und die Kindesherztöne aufzeichnende CTG-Gerät angeschlossen worden war. Er überprüfte die Aufzeichnungen, untersuchte aber die Mutter nicht. Da die Narkoseärztin noch nicht frei war, konnten Intubation und Operation erst um 6 Uhr 50 beginnen. Es zeigte sich, daß sich nach den früheren Kaiserschnitten eine narbige Einziehung der Gebärmutter gebildet hatte. Die Entwicklung des Kindes verzögerte sich und konnte um 7 Uhr 01 beendet werden. Vom Beginn des Hautschnittes bis zur Abnabelung vergingen 11 bis 12 Minuten.

Das Kind war nach der Geburt schlaff, es bewegte sich wenig und schrie nicht. Die Hebamme brachte den Kläger zur Kinderärztin. Der Kläger erholte sich im Zuge der Reanimation relativ langsam. Er zeigte Krämpfe und neurologische Ausfälle und wurde um 8 Uhr 30 an die Intensivstation überstellt, wo er 11 Tage blieb. Am 2.Tag traten keine Krampftendenzen mehr auf. Schwellungen an den Beinen bildeten sich nach Hochlagerung zurück. Am 3.Tag konnte die künstliche Beatmung beendet und der orale Nahrungsaufbau mit Muttermilch begonnen werden. Bei der Entlassung am 13.Juni 1983 war der Allgemeinzustand stabil, das Kind gedieh gut. Nachuntersuchungen ergaben eine weitgehend altersgemäße Entwicklung, doch wurde am 27. Juni 1984 festgehalten, es könnte sich im sprachlichen Bereich eine leichte Entwicklungsverzögerung anbahnen.

Der Kläger hatte während der Geburt Sauerstoffmangel gelitten, wodurch intensivmedizinische Maßnahmen notwendig wurden, die eine rasche Behebung der Störungen brachten. Es kann jedoch trotz der bei den Kontrolluntersuchungen festgestellten insgesamt positiven Entwicklung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Auftreten einer Teilleistungsschwäche, vor allem im Wahrnehmungsbereich, etwa im Sinne einer späteren Legastenie als Folge des Sauerstoffmangels ausgeschlossen werden. Eine sichere Prognose ist erst vom vierten bis sechsten Lebensjahr des Klägers möglich.

Infolge der Vorderwandlage mußte bei der Schnittentbindung die Plazenta durchtrennt werden. Damit beginnt ein für das Kind kritischer, möglichst kurz zu haltender Zeitraum einer Sauerstoffunterversorgung. Die höchsttolerierbare Dauer bis zur Entwicklung, also der Freilegung von Mund und Nase zur Ermöglichung eigener Atmung, beträgt fünf bis sieben Minuten; sie wurde bei der Schnittentbindung des Klägers überschritten. Für diesen Abschnitt der Entbindung, der üblicherweise nur eine Minute dauert, waren acht bis neun Minuten beansprucht worden, weil nach den vorausgegangenen zwei Schnittentbindungen Gebärmutternarben und Verwachsungen vorlagen, aber auch der Kopf des Kindes bei Beginn des Eingriffs durch die Wehentätigkeit schon so tief in den Geburtskanal vorgedrungen war, daß das Herausziehen wesentlich erschwert wurde. Nach dem Ergebnis der Aufnahmeuntersuchung hätte die Schnittentbindung den Regeln der medizinischen Wissenschaft entsprechend unverzüglich angesetzt werden müssen und es hätte nicht über eine Stunde zugewartet werden dürfen. Es wären dann die Schwierigkeiten der Entwicklung geringer und die Zeitspanne wahrscheinlich kürzer gewesen. Der völlig untaugliche Versuch, den Kopf des Kindes vom Beckenboden nach oben zu drücken, mußte zu einer Drucksteigerung im Gehirn, zu einer Verlangsamung der Herzschlagfrequenz und einer Verminderung der Sauerstoffversorgung des Kindes führen. Da bekannt war, daß es sich um eine Risikogeburt nach zwei Schnittentbindungen handelte, wäre der Eingriff nach Auftreten der Wehen und somit sofort nach der Aufnahmeuntersuchung um 5 Uhr 30 vorzunehmen gewesen. Der Sauerstoffmangel beim Kind wäre dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer gewesen.

Das Berufungsgericht hielt das Feststellungsbegehren des Klägers für berechtigt. Die beteiligten Ärzte hätten nach § 1299 ABGB jeden Mangel der gewissenhaften Betreuung (§ 22 Abs 1 ÄrzteG) nach Maßgabe der medizinischen Wissenschaft zu vertreten und jene Sorgfalt anzuwenden, die von einem ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarzt in der konkreten Situation erwartet werde. Die Unterlassung unverzüglicher zweckmäßiger Maßnahmen beim Vorliegen eines Handeln erfordernden Falles sei schon dann kausal für den Schadenseintritt, wenn dieser bei pflichtgemäßem Handeln weniger wahrscheinich wäre. Der hohe Grad der Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges reiche aus. Der asphyktische Zustand des Neugeborenen wäre weniger intensiv gewesen, wenn nach der den sofortigen Eingriff indizierenden Aufnahmeuntersuchung um 5 Uhr 30 unverzüglich die Schnittentbindung vorgenommen worden wäre. Wegen der überwiegenden Gründe für die Annahme, daß die Verzögerung von mehr als einer Stunde zu einem stärkeren Sauerstoffmangel führe als dies bei sofortigem Eingriff unvermeidbar gewesen wäre, und mangels Nachweises eines gleich wahrscheinlichen Geschehensablaufes bei pflichtgemäßem Handeln der von der beklagten Partei eingesetzten Ärzte, sei die Kausalität der Unterlassung für die Schädigung des Kindes gegeben. Die beklagte Partei habe für das Verschulden der Ärzte nach § 1313 a ABGB einzustehen. Daß die Ärzte bei einem anderen Notfall beansprucht waren, entlaste die beklagte Partei nicht, weil sie bei der Organisation der ärztlichen Versorgung der an der Klinik aufgenommenen Patienten mit solchen Fällen rechnen mußte. Der Eintritt von Spätfolgen der Schädigung sei nicht auszuschließen und das Feststellungsinteresse daher gegeben, auch wenn ein mit Leistungsklage verfolgbarer Anspruch des Klägers nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die zulässige (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO) Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen abweisenden Urteiles oder auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei wendet sich mit ihrer Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nicht mehr gegen die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zur Haftung der beklagten Partei für die Folgen der dem Kläger - sei es durch pflichtwidriges Versäumnis der eingesetzten Ärzte, sei es durch eine unzureichende Organisation der sofortigen Verfügbarkeit ärztlichen Personals zu unverzüglicher Einleitung der Schnittentbindung bei einer feststellbaren Indikation, wie sie an einer Universitätsklinik verlangt werden muß - zugefügten Schädigung durch Verlängerung der Zeitspanne, in der die Sauerstoffversorgung nicht ausreichend gesichert war. Sie meint nun, das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung dieser Haftung könne ausschließlich in der Wahrung möglicher Schadenersatzansprüche und der Verhinderung ihrer Verjährung liegen. Die bloße Möglichkeit des späteren Schadenseintrittes löse aber noch nicht den Lauf der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB von drei Jahren aus, weil dies voraussetze, daß dem Beschädigten der Schaden bekannt sei. Der Verjährung voraussehbarer künftiger Schäden sei durch Feststellungsklage zu begegnen. Der Kläger habe aber kein rechtliches Interesse an der Feststellung, weil die nicht mit Sicherheit auszuschließenden Spätfolgen wahrscheinlich ohnedies nicht eintreten werden.

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde zwar wiederholt die Ansicht vertreten, die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden setze voraus, daß zumindest bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz ein Schaden bereits eingetreten sei und die Möglichkeit zukünftiger weiterer Schäden aus dem bereits eingetretenen Schadensereignis nicht ausgeschlossen werden könne, daß aber das rechtliche Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht fehle, wenn ein Schaden bis zum maßgeblichen Zeitpunkt noch gar nicht entstanden sei (JBl 1973, 87; SZ 49/66; SZ 55/87 ua). Fasching (Komm III 63) zieht die Zulässigkeit der Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden trotz Einsicht in das dringend gegebene Bedürfnis überhaupt in Zweifel. Er meint auch, bloß prozessuale Vorteile wie etwa die Vermeidung künftiger Beweisschwierigkeiten könnten das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung nicht rechtfertigen, weil es dazu die Beweissicherung gebe, weist aber andererseits darauf hin, daß dies nicht für Beweise gelte, die sicherungsweise nicht aufgenommen werden könnten (ZPR Rz 1099).

Dagegen wurde vom Obersten Gerichtshof in jüngster Zeit die Ansicht vertreten, daß das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle Nachteile, die sich in Zukunft aus dem schädigenden Ereignis ergeben, regelmäßig zu bejahen sei, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (SZ 41/153; SZ 45/78; ZVR 1980/289). Ein Schaden muß daher bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz nicht eingetreten sein. Es genügt, daß sich ein Vorfall, durch den ein konkreter Schaden eintreten hätte können, bereits ereignet hat und sich wiederholen kann oder in Zukunft ein Schaden ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann, weil die Feststellungsklage nicht nur dem Ausschluß der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient (SZ 56/38 mwH). Hier braucht auf die nicht einheitliche Beurteilung der Frage, ob das für den Feststellungsanspruch vorausgesetzte rechtliche Interesse auch gegeben ist, wenn ausschließlich in Zukunft aus einem bereits erfolgten Einwirken des Beschädigers ein Schaden des Beschädigten eintreten kann, und die verschwimmende Abgrenzung (vgl EvBl 1966/473) der Fälle, in denen mit künftigem Schadenseintritt zu rechnen ist und daher auch nach der Ansicht der beklagten Partei der Verjährung durch Feststellungsklage begegnet werden muß, und jenen, in denen ein künftiger Schadenseintritt unwahrscheinlich und nur nicht mit Gewißheit auszuschließen ist, nicht weiter eingegangen werden. Eine Schädigung des Klägers ist nämlich schon dadurch erfolgt, daß infolge der Versäumnisse bei seiner Schnittentbindung eine sonst vermeidbare oder weniger starke Gesundheitsbeeinträchtigung infolge Sauerstoffmangels eintrat, die eine intensive Betreuung auf der dafür eingerichteten Station des Landeskrankenhauses erforderte. Daß der Kläger ein ihm wegen dieser Körperverletzung nach § 1325 ABGB gebührendes Schmerzengeld nicht verlangt hat, ändert nichts daran, daß schon ein Schaden eintrat und weitere Schäden aus der Gesundheitsstörung ohne ein Zutun der Beklagten oder der Schädiger, für die sie einzustehen hat, in Zukunft entstehen können, mag dies auch wenig wahrscheinlich und daher nicht geradezu zu erwarten sein. Schon dies rechtfertigt nach der insoweit einhelligen Rechtsprechung den Feststellungsanspruch des Klägers.

Dazu kommt, daß Spätfolgen der Schädigung des Klägers bei der Geburt auch erst nach geraumer Zeit eintreten können und den Schwierigkeiten der Beweisführung zum Nachweis der haftungsbegründenden Tatumstände nicht allein durch ein Beweissicherungsverfahren begegnet werden konnte, weil es nicht nur der Vernehmung der Zeugen und der Befundaufnahme durch Sachverständige, sondern vor allem ihrer Wertung zur Klarstellung der Haftungsfrage bedurfte und die beklagte Partei sich auf den Standpunkt gestellt hatte, die ärztliche Versorgung in ihrer Krankenanstalt sei ordnungsgemäß und die Schädigung des Klägers schicksalhaft und unvermeidbar gewesen. Schon deshalb war die Feststellungsklage zulässig, weil sie der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach diente, gleich, ob die beklagte Partei einer Leistungsklage nach Eintritt des vom Kläger befürchteten, nicht auszuschließenden Folgeschadens aus der Schädigung bei der Geburt den Einwand der Verjährung mit Erfolg entgegensetzen könnte oder nicht (vgl. SZ 56/38).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00534.87.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19870902_OGH0002_0030OB00534_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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