TE OGH 1987/9/23 3Ob525/87

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Veröffentlicht am 23.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Kr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** I***,

vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ing. Anton F***, Kaufmann, Innsbruck, Scheuchenstuelgasse 2, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 24. Februar 1987, GZ 3 a R 52/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 17. Oktober 1986, GZ 17 C 275/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 247,20 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef N***, ein Onkel des Beklagten, hatte von der

klagenden Partei ein Geschäftslokal in Innsbruck, Marktgraben 14, gemietet und betrieb dort bis 1961 ein Fleischergeschäft. Mit Zustimmung der klagenden Partei gab er im Jahr 1961 das Geschäftslokal dem Albert P*** in Unterbestand. Josef N*** starb am 6. Dezember 1983, sein Nachlaß wurde Philomena F*** eingeantwortet. Diese starb am 19. August 1984, und ihr Nachlaß wurde dem Beklagten eingeantwortet.

Die klagende Partei kündigte dem Beklagten das Hauptmietrecht unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG auf.

Die beklagte Partei beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes

S 300.000,-- übersteigt.

Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Mit Schreiben vom 27. Dezember 1960 ersuchten Josef N***, seine Frau Maria N*** und Albert P*** die

klagende Partei, für die Dauer von fünf Jahren die schon erwähnte Untervermietung gegen Leistung eines Untervermietungszuschlages zu genehmigen, weil Josef N*** seinen Beruf aus

gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne und deshalb seine Lebensexistenzgrundlage gefährdet sei. Nachdem die Eheleute N*** einen Hauptmietzins von S 1.000,-- statt bisher S 314,-- anboten, faßte der Stadtrat den Beschluß, die Untervermietung zu gestatten. Josef N*** bezahlte in der Folge an die klagende Partei den erhöhten Hauptmietzins von S 1.000,-- und vereinbarte mit Albert P*** einen Untermietzins von ursprünglich S 5.000,--, der im Jahr 1974 auf S 7.000,-- erhöhrt wurde.

Nach dem Tod des Josef N*** beantragte Albert P***

bei der klagenden Partei, ihm die Hauptmietrechte zu übertragen. Die klagende Partei (Abt. IV Wohnungsamt und Gebäudeverwaltung) stimmte diesem Antrag mit Schreiben vom 2. Jänner 1984 zunächst zu, und Albert P*** stellte die Zahlung des Untermietzinses an die Verlassenschaft nach Josef N*** ein. Mit Schreiben vom 24. Mai 1984 widerrief die klagende Partei (Abt. IV Rechtsamt) die Anerkennung des Hauptmietrechtes des Albert P***. Über Mahnung des Beklagtenvertreters zahlte Albert P*** wieder den Untermietzins an die Verlassenschaft.

Vom Tod des Josef N*** erfuhr der Leiter des Rechtsamtes der klagenden Partei erst anfangs Mai 1984. Daraufhin verfügte er die Vorladung der Philomena F***, die aber inzwischen auch verstorben war, so daß der Beklagte erschien. Diesem teilte der Leiter des Rechtsamtes mit, daß die seinerzeitige Zustimmung zur Untervermietung auf die Eheleute N*** beschränkt gewesen sei und daß ein grobes Mißverhältnis zwischen Unter- und Hauptmietzins bestehe. Der Beklagte kündigte eine baldige Stellungnahme an, äußerte sich aber in der Folge trotz mehrfacher telefonischer Urgenzen der klagenden Partei nicht. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1985 kündigte die klagende Partei gerichtliche Schritte an, wenn nicht bis Ende des Jahres eine Einigung erzielt werde. Im Dezember 1985 kam es zu Gesprächen zwischen Werner P***, dem Bruder des inzwischen verstorbenen Albert P***, und dem Beklagtenvertreter, wovon der Leiter des Rechtsamtes verständigt wurde. Aus diesem Grund und weil sie keine Kenntnis von der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens hatte, sah die klagende Partei von der Einbringung einer Kündigung ab. Nach Zustellung der Einantwortungsurkunde am 4. Juli 1986 brachte die klagende Partei jedoch die Kündigung noch am selben Tag ein.

Zuletzt betrugen der vom Beklagten bezahlte Mietzins S 1.931,-- monatlich und der vereinnahmte Brutto-Untermietzins S 8.058,23.

Auf Grund dieses Sachverhaltes nahmen die Vorinstanzen den geltend gemachten Kündigungsgrund als gegeben an. Die seinerzeitige Gestattung der Untervermietung sei einschränkend auszulegen und enthalte nicht einen Kündigungsverzicht auch gegenüber den Rechtsnachfolgern des früheren Hauptmieters. Eine verspätete Geltendmachung des Kündigungsgrundes liege nicht vor, weil ein Dauertatbestand gegeben sei und die beklagte Partei nicht annehmen konnte, daß die klagende Partei auf ihr Kündigungsrecht verzichten wolle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Mit Recht vertritt die beklagte Partei die Auffassung, daß die klagende Partei im Jahr 1961 nicht nur der Untervermietung an sich zustimmte, sondern auch die Untervermietung zu einem Untermietzins gestattete, der wesentlich höher sei als der an die klagende Partei zu leistende Hauptmietzins. Nur bei einer solchen Auslegung der Urkunden konnte es zur Schaffung einer Existenzgrundlage kommen. Die Urkunden wurden aber in diesem Zusammenhang auch von den Vorinstanzen nicht anders ausgelegt.

Unzutreffend ist jedoch die Ansicht der beklagten Partei, es ergebe sich aus den Urkunden auch, daß die Untervermietung zu einem im Vergleich zum entrichteten Hauptmietzins und etwaigen eigenen Leistungen des Hauptmieters an den Untermieter unverhältnismäßig hohen Untermietzins auch über die Lebenszeit des Josef N*** hinaus ein für allemal auch für alle Rechtsnachfolger des Josef N*** gestattet worden sei. In ihrem Schreiben vom 25. Mai 1961 nahm die klagende Partei ausdrücklich auf den Antrag des seinerzeitigen Hauptmieters Josef N*** bezug, in welchem auf dessen Krankheit und die Existenzbedrohung hingewiesen wurde. Damit hat die klagende Partei deutlich gemacht, daß sich ihr Entgegenkommen nur auf die Lebensdauer des Josef N*** beziehe. Das Fehlen einer ausdrücklichen zeitlichen Beschränkung der Zustimmung in diesem Schreiben konnte von Josef N*** wegen dieser Bezugnahme auf seinen Antrag nicht mißverstanden werden. Übrigens wäre ein Kündigungsverzicht im Zweifel, wenn kein Anhaltspunkt für eine andere Auslegung vorhanden ist, ohnedies nur auf die Lebenszeit des Mieters beschränkt (Klang in Klang2 V 113; vgl. auch MietSlg 27.201). Die Vereinbarung eines Entgelts (Untervermietungszuschlag) für diesen Kündigungsverzicht steht dieser Auslegung nicht entgegen. Ob sie der erst am 1. Jänner 1982 in Kraft getretenen Vorschrift des § 27 Abs 2 lit b MRG entspricht, muß schon deshalb nicht geprüft werden, weil aus einem allenfalls unerlaubt hohen Entgelt ebenfalls nicht auf einen zeitlich unbeschränkten Kündigungsverzicht geschlossen werden müßte. Richtig ist, daß Josef N*** in seinem Antrag auch für den Fall seines Ablebens um die Zustimmung zur Untervermietung ansuchte. Einerseits sollte auch auf die Sicherung seiner Ehefrau Maria N*** Bedacht genommen werden. Andererseits sollte die Zustimmung der klagenden Partei auch für den Fall gelten, als beide Eheleute vor Ablauf der fünfjährigen Untervermietungszeit sterben sollten. Da aber diese beiden Fälle nicht aktuell geworden sind, kann auch hieraus für den Standpunkt der beklagten Partei nichts gewonnen werden.

Weshalb ein nur auf die Lebenszeit des Hauptmieters, allenfalls auch auf die seiner Ehefrau oder nur für fünf Jahre, abgegebener Kündigungsverzicht eine Umgehung von zwingenden gesetzlichen Normen darstellen soll, ist nicht ersichtlich. Die Regelung nach § 27 MRG und früher § 17 MG beinhalten nur das Verbot gewisser Ablösen, nicht aber einer zeitlichen Beschränkung des Kündigungsrechtes. Ein Kündigungsverzicht für die Zukunft ist daher auch auf bestimmte Zeit oder bestimmbare Zeit zulässig (Würth aaO Rz 7 zu § 1116 und die dort angeführte E JBl 1956, 405 = MietSlg 5.266; Klang in Klang2 V 113 mwN).

Mit Recht haben die Vorinstanzen aber auch keinen konkludent zustandegekommenen nachträglichen Kündigungsverzicht der klagenden Partei wegen verspäteter Einbringung der Kündigung angenommen. Kündigungsgründe sind zwar ohne unnötigen Aufschub "ehestens" geltend zu machen. Bei Unterlassung einer Kündigung durch längere Zeit trotz Kenntnis des den Kündigungsgrund bildenden Sachverhalts ist aber nur dann ein stillschweigender Verzicht des Vermieters auf diesen Kündigungsgrund im Sinne des § 863 ABGB anzunehmen, wenn das Zuwarten des Vermieters mit der Aufkündigung unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrigbleibt, daß der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht mehr als Kündigungsgrund geltend machen will, wobei es immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (MietSgl. 29.370, 34.410). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Sobald ihr der Tod des Josef N*** bekannt wurde, brachte die klagende Partei immer wieder zum Ausdruck, daß sie nicht mehr bereit sei, die weitere Untervermietung zu einem erhöhten Untermietzins hinzunehmen. Zunächst unternahm sie den ohne Zustimmung des Rechtsnachfolgers des Hauptmieters erfolglosen Versuch, im kurzen Weg den Untermieter zum Hauptmieter zu machen. Nach dem Scheitern dieses Versuches leitete die klagende Partei sofort Verhandlungen ein, die sich bis zum Dezember 1985 hinzogen. Sobald dann der klagenden Partei am 4. Juli 1986 die Einantwortungsurkunde zugestellt wurde, reagierte sie sofort mit der Einbringung der Kündigung. Die klagende Partei hat also durch die ganze Zeit seit dem Tod des Josef N*** unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie gerade nicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 1 Z 4 zweiter Fall MRG verzichten wolle.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12034

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00525.87.0923.000

Dokumentnummer

JJT_19870923_OGH0002_0030OB00525_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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