TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/14 2003/04/0196

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Veröffentlicht am 14.09.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §41 Abs2;
AVG §42;
GewO 1994 §356 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 6. November 2003, uvs- 2003/25/138-1, betreffend Parteistellung in einem Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: M in S, vertreten durch Dr. Gernot Gasser, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Beda Weber-Gasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte am 14. August 2003 bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz (BH) die gewerbebehördliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Gastgewerbeanlage (Restaurant) im Standort S.

Über diesen Antrag wurde mit Kundmachung der BH vom 18. August 2003 unter Hinweis auf die "§§ 40-44 AVG" sowie §§ 74 ff und 356 GewO 1994 eine mündliche Verhandlung für 10. September 2003 anberaumt. In der Kundmachung heißt es weiter:

"Es steht den Beteiligten (Anrainern, Nachbarn) frei, persönlich oder durch einen bevollmächtigten Vertreter, der zur Abgabe vorbehaltloser Erklärungen ermächtigt sein muss, an der Verhandlung teilzunehmen und allfällige Einwendungen vorzubringen. Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, finden keine Berücksichtigung. Die Beteiligten werden in diesem Falle als dem Parteiantrage, dem Vorhaben und der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmend gesehen."

Der Beschwerdeführer nahm an dieser Verhandlung nicht teil. Mit Bescheid der BH vom 2. Oktober 2003 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994, § 93 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die beantragte gewerbebehördliche Genehmigung erteilt; dieser Bescheid wurde auch dem Beschwerdeführer zugestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine erstmals in der Berufung erhobenen Einwendungen verspätet erhoben, da er infolge des ordnungsgemäßen Anschlages der Kundmachung der BH vom 18. August 2003 an der Amtstafel der Gemeinde S vom 26. August 2003 bis 10. September 2003 ordnungsgemäß geladen worden sei und daher mit Ende der mündlichen Verhandlung seine Parteistellung verloren habe. Der Beschwerdeführer bringe in seiner Berufung vor, er sei nicht ordnungsgemäß geladen worden, da kein Anschlag der Kundmachung in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern erfolgt sei. Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 seien unter unmittelbar benachbarten Häusern alle Häuser zu verstehen, die rund um die zur Verhandlung stehende Betriebsanlage dieser zunächst lägen und zwar auch dann, wenn dazwischen etwa eine Straße liege. Die Nachbarn - mit Ausnahme jener, die in unmittelbar benachbarten Häusern wohnten und die daher durch Hausanschlag bzw. persönliche Verständigung zu laden seien - gälten durch den Anschlag in der Gemeinde als ordnungsgemäß geladen. Nach der vorliegenden örtlichen Situation handle es sich beim Hotel des Beschwerdeführers nicht um das Haus, welches rund um die zu verhandelnde Betriebsanlage dieser "zunächst" liege. Zunächst liege das Gebäude der Seilbahnstation, welches das unmittelbar benachbarte Haus zur geplanten Betriebsanlage darstelle, für das Haus des Berufungswerbers habe keine Anschlagpflicht bestanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, "dem Verwaltungsverfahren als Partei hinzugezogen zu werden". Begründend bringt er hiezu im Wesentlichen vor, durch den bloßen Anschlag der Kundmachung der BH über die Anberaumung der mündlichen Verhandlung an der Amtstafel der Gemeinde S sei eine ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers unterblieben. Auf Grund der örtlichen Lage zähle das Hotel des Beschwerdeführers jedenfalls zu den "unmittelbar benachbarten Häusern" der Betriebsanlage, sodass der Beschwerdeführer durch Hausanschlag im Hotel oder durch persönliche Verständigung zu laden gewesen wäre. Daran ändere auch nichts, dass sich zwischen Betriebsanlage und Hotel des Beschwerdeführers die Talstation der Bergbahnen samt Verwaltungsbüro und Schischulbüro befinde, weil es sich dabei um "tote" Gebäude handle, die nur zur Winterzeit bewirtschaftet würden. Überdies sei es für die nachbarlichen Beeinträchtigungen ohne Relevanz, ob sich zwischen Betriebsanlage und Hotel des Beschwerdeführers noch andere Baulichkeiten befänden. Vielmehr sei allein auf die örtliche Eignung abzustellen, dass von der Betriebsanlage aus eine unmittelbare Gefährdung des Beschwerdeführers durch Lärm und Geruch gegeben sein könnte, um die "unmittelbare Nachbarschaft" zu begründen. Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 wäre die Kundmachung jedenfalls auch am Gebäude der Talstation der Bergbahnen anzuschlagen gewesen sowie an den anderen benachbarten Häusern rund um die Betriebsanlage. In diesem Falle hätte der Beschwerdeführer entsprechend der Absicht des Gesetzgebers zufolge der örtlichen Nähe Kenntnis von der Kundmachung erlangt. Das Gesetz mute es nämlich dem Publikum nicht zu, sich regelmäßig zur Gemeinde zu begeben, um dort zu erforschen, welche behördlichen Verfügungen angeschlagen seien. Überdies sei die Kundmachung nur knapp 14 Tage angeschlagen gewesen. Dieser Zeitraum sei bei weitem zu kurz bemessen gewesen, da die für das Verfahren eingereichten Pläne und sonstigen Unterlagen nur bei der BH zur allgemeinen Einsicht aufgelegen seien. Dem Beschwerdeführer wäre aber ausreichend Zeit einzuräumen gewesen, um vom "hintersten" D nach Lienz zu fahren, dort einen Rechtsanwalt zu betrauen und sich sodann bei der BH Kenntnis über die Unterlagen zu verschaffen. Durch die zu kurz bemessene Kundmachungszeit sei dem Beschwerdeführer die Gelegenheit genommen worden, von der Kundmachung so rechtzeitig Kenntnis zu erlangen, dass er entsprechend rechtzeitig und vorbereitet zur Verhandlung erscheinen hätte können.

2. Gemäß § 42 Abs. 1 AVG verliert eine Person ihre Stellung als Partei, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt, vorausgesetzt, die mündliche Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht.

Gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG "ist die Verhandlung ... durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen".

Gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sie auf Grund eines Antrages um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage eine mündliche Verhandlung anberaumt, den Nachbarn Gegenstand, Zeit und Ort der Verhandlung sowie die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG) durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG) und durch Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern bekannt zu geben. Die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Statt durch Hausanschlag kann die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn erfolgen.

Gemäß § 41 Abs. 2 AVG ist die Verhandlung so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekannt zu geben.

3. Nach dieser Rechtslage kommt es dann nicht zum Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG, wenn in der Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG bzw. § 356 Abs. 1 GewO 1994 - nicht auf diese im § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird, wobei die bloße Anführung von Paragraphenbezeichnungen nicht ausreicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2003/04/0091, mwN).

Im vorliegenden Fall wird in der Verständigung über die Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht auf die im § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen hinsichtlich des Verlustes der Parteistellung verwiesen, sondern die Rechtslage nach § 42 Abs. 1 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 wiedergegeben.

Daher konnten im Beschwerdefall die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG (Verlust der Parteistellung) nicht eintreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/05/0271).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das über den in dieser Verordnung festgesetzten Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand hinausgehende, auf die Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, da dieser Pauschbetrag bereits auch die Umsatzsteuer umfasst.

Wien, am 14. September 2005

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003040196.X00

Im RIS seit

13.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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