TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/14 2001/04/0074

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Veröffentlicht am 14.09.2005
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Index

E1E;
E6J;
50/01 Gewerbeordnung;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E030 EGV Art30;
11997E028 EG Art28;
61991CJ0267 Keck Mithouard VORAB;
61992CJ0292 Hünermund VORAB;
61993CJ0418 Semeraro Casa Uno VORAB;
61998CJ0254 Sass VORAB;
GewO 1994 §59 Abs2 Satz2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und Hofrat Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Schöpf & Maurer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Schrannengasse 10E, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 6. Juni 2000, Zl. UVS-4/10.107/10- 2000, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als der gemäß § 370 GewO 1994 verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft, die im Besitz einer Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Handelsgewerbes am angeführten Standort in Salzburg sei, zu verantworten, dass "am 24.4.1999 im Rahmen einer Werbeveranstaltung im Gasthaus 'W' in

... durch eine Beauftragte ...(W.) eine Bestellung über eine

Küchenmaschine im Wert von ... von den Privatpersonen ... an diese

Firma zur Weiterleitung an diese entgegengenommen wurde, obwohl diese Art der Entgegennahme von Bestellungen unzulässig sei". Er habe dadurch eine Übertretung des § 367 Z. 20 i.V.m. § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 begangen und wurde deshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 14.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, es stehe außer Streit, dass die Warenpräsentatorin W. anlässlich einer Werbeveranstaltung des Unternehmens in einem Gasthaus eine Bestellung über eine Küchenmaschine entgegengenommen habe. Hiebei habe es sich um einen ausgefüllten Bestellschein (Postkarte) gehandelt, der von einem Dritten zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommen worden sei und somit unter § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 falle. Wenn der Beschwerdeführer eine Gemeinschaftswidrigkeit des § 59 i.V.m. § 57 Abs. 3 GewO 1994 geltend mache, übersehe er, dass § 59 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 57 Abs. 3 GewO 1994 das Aufsuchen bzw. die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen regle. Es würden hier die so genannten "Haustürgeschäfte" und sonstige alternative Vertriebsformen, die den Konsumenten in seiner Privatsphäre, am Arbeitsplatz usw. ansprechen, behandelt und sollten diese weitestgehend hintangehalten werden. § 59 GewO 1994 beziehe sich auf die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen teils ohne ein Aufsuchen nach § 57, teils im Zusammenhang mit einem gemäß den §§ 57 und 58 zulässigen Sammeln von Bestellungen. Unter "Privatpersonen" seien jene Personen zu verstehen, die die angebotenen Waren nicht für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit benötigten. Im vorliegenden Fall habe aber gerade ein Aufsuchen von Privatpersonen im Sinne des § 57 Abs. 3 nicht stattgefunden, sondern es sei eine Werbeveranstaltung an einem öffentlichen Ort außerhalb der Betriebsstätte durchgeführt worden. Die vorliegende Tat sei damit zweifelsohne unter § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 einzureihen. Es seien von Privatpersonen im Rahmen einer Werbeveranstaltung Bestellscheine von einem Dritten (der Warenpräsentatorin W.) zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommen worden. Damit stelle sich aber auch nicht die Frage, ob etwa eine Gemeinschaftswidrigkeit des § 59 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 57 Abs. 3 GewO 1994 vorliege oder nicht. Die Entgegennahme von Bestellungen im Rahmen von Werbeveranstaltungen außerhalb der Betriebsstätte sei nach der Konsumentenschutzbestimmung des § 59 Abs. 2 GewO 1994 grundsätzlich jedermann verboten, egal ob Inländer oder Ausländer und nehme grundsätzlich keinerlei Waren davon aus. Diese Tätigkeit sei unabhängig davon unzulässig, ob der Standort des Unternehmens bzw. Unternehmers im Inland oder im Ausland sei. Eine Ungleichbehandlung von Inländern oder Ausländern bzw. eine Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels liege hier daher nicht vor und sehe die belangte Behörde somit keine Veranlassung auf Vorlage eines Vorabentscheidungsbegehrens an den EuGH.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 26. Februar 2001, B 1312/00-6, ab; antragsgemäß wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 57 GewO 1994 - in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 - bestimmt:

"Aufsuchen von Privatpersonen

§ 57. (1) Das Aufsuchen von Privatpersonen, das sind andere als die in den §§ 55 Abs. 1 und 56 Abs. 1 genannten Personen, zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen auf Waren ist hinsichtlich des Vertriebes von Verzehrprodukten, Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Uhren aus Edelmetall, Gold-, Silber- und Platinwaren, Juwelen und Edelsteinen, Waffen und Munition, pyrotechnischen Artikeln, kosmetischen Mitteln, Grabsteinen und Grabdenkmälern und deren Zubehör sowie Kränzen und sonstigem Gräberschmuck verboten. Hinsichtlich dieser Waren sind auch in Privathaushalten stattfindende Werbeveranstaltungen einschließlich Werbe- und Beratungspartys, die sich an Privatpersonen richten, verboten, gleichgültig, ob die Werbeveranstaltung von Gewerbetreibenden selbst oder von jemand anderem organisiert wird. Weiters verboten ist das Aufsuchen von Privatpersonen, wenn hiebei in irgendeiner Form der Eindruck erweckt wird, dass das für die bestellten Waren geforderte Entgelt zumindest zum Teil gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken zu Gute kommt.

(2) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat, wenn es Gründe der öffentlichen Sicherheit erfordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres, wenn es Gründe der Volksgesundheit oder des Konsumentenschutzes erfordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz, wenn es Gründe des Jugendschutzes erfordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, oder wenn es - neben den Fällen des Abs. 1 - wegen der besonderen Gefahr einer Irreführung oder Benachteiligung der Bevölkerung erforderlich ist, mit Verordnung auch weitere Waren zu bezeichnen, hinsichtlich derer das Aufsuchen von Privatpersonen jedenfalls verboten ist. Für in einer solchen Verordnung bezeichnete Waren gilt auch das im Abs. 1 festgelegte Verbot von Werbeveranstaltungen.

(3) Hinsichtlich anderer Waren ist das Aufsuchen von Privatpersonen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen den Gewerbetreibenden, die zum Verkauf dieser Waren berechtigt sind, und ihren Bevollmächtigten (Handlungsreisenden) innerhalb des Verwaltungsbezirkes, zu dem die Gemeinde des Standortes gehört, gestattet, hingegen außerhalb des Verwaltungsbezirkes, zu dem die Gemeinde des Standortes gehört, nur in einzelnen Fällen auf ausdrückliche, schriftliche, auf bestimmte Waren lautende, an den Gewerbetreibenden gerichtete Aufforderung gestattet. Es ist dem Gewerbetreibenden nicht gestattet, die Aufforderung durch Versendung vorgedruckter Aufforderungsschreiben auf andere Art als im Postweg herbeizuführen; es ist verboten, sie mit Preisausschreiben oder ähnlichen Veranstaltungen zu verbinden. Das Aufforderungsschreiben muss von der Person, die aufgesucht werden will, eigenhändig unterfertigt und dem Gewerbetreibenden im Postweg zugekommen sein. Der Gewerbetreibende oder sein Bevollmächtigter (Handlungsreisender) muss dieses Aufforderungsschreiben beim Aufsuchen von Bestellungen bei dieser Person mitführen. Die Gewerbetreibenden und die Bevollmächtigten müssen amtliche Legitimationen (§ 62) mit sich führen und diese auf Verlangen der behördlichen Organe vorweisen. (4) § 55 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung."

§ 59 GewO 1994 hat folgenden Wortlaut:

"Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen

§ 59. (1) Bestellungen auf Waren von Privatpersonen dürfen nur entgegengenommen werden

1. in den Betriebsstätten oder der Wohnung des Gewerbetreibenden,

2. auf Messen, messeähnlichen Veranstaltungen, Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen,

3. anlässlich des gemäß §§ 57 und 58 zulässigen Sammelns von Bestellungen und

4. bei Vorführungen von Modewaren (Modellen) oder Luxusartikeln vor einem geladenen Publikum, soweit es sich um solche Waren handelt.

(2) In allen anderen als den im Abs. 1 genannten Fällen, insbesondere auf der Straße, ist die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen unzulässig. Eine unzulässige Entgegennahme von Bestellungen liegt auch vor, wenn die während einer Werbeveranstaltung von den Veranstaltungsbesuchern ausgefüllten Bestellscheine von einem Dritten zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommen werden."

Vorweg ist zu betonen, dass der vorliegende Fall eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer "Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen" nach § 367 Z. 20 i. V.m. § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 zum Gegenstand hat (zu den unterschiedlichen Regelungsgegenständen des § 59 GewO 1994 - tatsächlicher Bestellvorgang - einerseits und des § 57 GewO 1994 - Vertriebsmethode - andererseits, vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2002, Zl. 2000/04/0210).

Wenn nun der Beschwerdeführer darauf abstellt, die gegenständliche Werbeveranstaltung sei als zulässiges Sammeln von Bestellungen nach § 57 Abs. 3 GewO 1994 anzusehen, weshalb auch die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen nach § 59 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 zulässig gewesen sei, so ist hinsichtlich des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG auf die ausführliche Begründung des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom 9. Oktober 2002, Zl. 2000/04/0210, zu verweisen, wonach das (auch hier in Frage stehende) Sammeln von Bestellung bei derartigen Veranstaltungen vom Verbot des § 59 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 erfasst ist.

Damit ist aber auch die Auffassung der belangten Behörde zutreffend, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Gemeinschaftswidrigkeit nicht vorliegt, weil nach § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 die Entgegennahme von Bestellungen im Rahmen von Werbeveranstaltungen grundsätzlich jedermann verboten und unabhängig vom Standort des Unternehmens unzulässig ist. Es ist nämlich nicht zu sehen, dass die Regelung des § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 gegen Artikel 28 EG (ex Artikel 30) verstößt, sondern ist vielmehr davon auszugehen, dass dieses Verbot zu den nationalen Regelungen zählt, die der EuGH seit dem Urteil vom 28. November 1993 in den Rs. C-267/91 und C-268/91, "Keck und Mithouard", vom Anwendungsbereich des Artikel 28 EG (ex Artikel 30) ausgenommen hat, weil sie nicht als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen ist (vgl. etwa auch EuGH vom 15. Dezember 1993, Rs. C-292/92, "Hünermund" , und EuGH vom 20. Juni 1996, Rs C-418/93 u.a., "Semeraro Casa Uno Srl"). Der EuGH hat dabei nämlich den Grundsatz aufgestellt, dass die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, nicht geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühre.

Die Beschwerde enthält keinen Hinweis, dass dies für § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 nicht zutreffe und sieht die Beschwerde auch (nur) eine "Gemeinschaftswidrigkeit der §§ 59 Abs. 1 und 2 iVm 57 Abs. 3 GewO"; eine Verbindung, die nach dem Obigen eben nicht gegeben ist.

Insofern liegt aber auch ein anderer Fall vor, als jener, der dem Urteil des EuGH vom 13. Jänner 2000, Rs. C-254/98, "TK Heimdienst", zu Grunde lag, weil die dort in Frage stehende Regelung das Inverkehrbringen inländischer und aus anderen Mitgliedstaaten stammender Erzeugnisse nicht in der gleichen Weise berührte.

Für den vorliegenden Fall ist es auch ohne Bedeutung, ob, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, hinsichtlich der in Frage stehenden Gesellschaft "ein grenzüberschreitender Bezug" vorliegt oder nicht bzw. (allenfalls) eine Inländerdiskriminierung (abgesehen von der spezifischen Rechtsprechung des EuGH zum "grenzüberschreitenden Bezug" i.V.m. Art. 28 EG (ex Artikel 30);

vgl EuGH vom 7. Mai 1997, Rs. C-321/94 u.a., "Pistre").

     Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet

erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

     Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in

Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 14. September 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61991J0267 Keck Mithouard VORAB
EuGH 61992J0292 Hünermund VORAB
EuGH 61993J0418 Semeraro Casa Uno VORAB
EuGH 61998J0254 Sass VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001040074.X00

Im RIS seit

13.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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