TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/9 2000/04/0210

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Veröffentlicht am 09.10.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
GewO 1973 §57 Abs3;
GewO 1994 §57 Abs1;
GewO 1994 §57 Abs3;
GewO 1994 §57;
GewO 1994 §59 Abs1 Z3;
GewO 1994 §59 Abs2 Satz1;
GewO 1994 §59 Abs2 Satz2;
GewO 1994 §59;
StGG Art2;
StGG Art6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Schöpf & Maurer, Rechtsanwälte Mag. Daniel Schöpf, Mag. Christian Maurer, in 5020 Salzburg, Schrannengasse 10E, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 12. Oktober 2000, Zl. UVS-4/10150/4-2000, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als der gemäß § 370 GewO 1994 verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft, die im Besitz einer Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Handelsgewerbes am angeführten Standort in Salzburg sei, zu verantworten, dass "am 15.12.1999 im Rahmen einer Werbeveranstaltung im 'Vhof' in S, durch eine/n Beauftragte/n eine Bestellung über eine Matratze 90/200 im Wert von S 6.480,-- von der Privatperson, Herrn ...," an seine Firma zur Weiterleitung an diese entgegengenommen worden sei, obwohl diese Art der Entgegennahme von Bestellungen unzulässig sei. Er habe dadurch eine Übertretung des § 367 Z. 20 i.V.m. § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 begangen und wurde deshalb über ihn gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von S 14.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, es sei außer Streit gestellt, dass von einem Testkäufer eine Bestellkarte für eine Matratze anlässlich der gegenständlichen Verkaufsveranstaltung abgegeben und vom Warenpräsentator entgegengenommen worden sei. Unbestritten stehe auch fest, dass es sich gegenständlich um eine Präsentationsveranstaltung in einem Gasthof, dem "Vhof", gehandelt habe. Diese Veranstaltung habe zweifelsohne an einem öffentlichen Ort außerhalb der Betriebsstätte stattgefunden und sei auch nicht bloß eine Werbeveranstaltung gewesen, die nicht das Sammeln von Bestellungen auf Waren bezweckt hätte. Damit handle es sich aber keinesfalls um einen Fall des § 57 Abs. 3 GewO 1994, also das Aufsuchen von Privatpersonen zum Zweck des Sammelns von Bestellungen. Gegenständlich sei es so gewesen, dass die genannten Personen in den "Vhof" gekommen und somit keinesfalls vom Gewerbetreibenden privat aufgesucht worden seien. Im Gegensatz zu der vom Beschwerdeführer vorgelegten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. Juli 1976, 4 Ob 338, 339/76, seien die präsumtiven Kunden nicht in deren privaten Umgebung angesprochen worden, um sie zum Kauf der Produkte zu veranlassen, sondern es habe dies an einem öffentlichen, jedermann zugänglichen Ort, nämlich einem Gasthaus stattgefunden. Die vorliegende Tat sei damit zweifelsohne unter § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 einzureihen. Es seien von zumindest zwei Privatpersonen im Rahmen einer Werbeveranstaltung Bestellscheine von einem Dritten, nämlich einem Warenpräsentator, zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommen worden. Da es sich eben nicht um ein Aufsuchen von Privatpersonen zum Zweck des Sammelns von Bestellungen gehandelt habe, sei es auch unerheblich, ob die Übertretung innerhalb oder außerhalb des Verwaltungsbezirkes, zu dem die Gemeinde des Standortes gehöre, stattgefunden habe oder nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 57 GewO 1994 - in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 - bestimmt:

"Aufsuchen von Privatpersonen

§ 57. (1) Das Aufsuchen von Privatpersonen, das sind andere als die in den §§ 55 Abs. 1 und 56 Abs. 1 genannten Personen, zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen auf Waren ist hinsichtlich des Vertriebes von Verzehrprodukten, Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Uhren aus Edelmetall, Gold-, Silber- und Platinwaren, Juwelen und Edelsteinen, Waffen und Munition, pyrotechnischen Artikeln, kosmetischen Mitteln, Grabsteinen und Grabdenkmälern und deren Zubehör sowie Kränzen und sonstigem Gräberschmuck verboten. Hinsichtlich dieser Waren sind auch in Privathaushalten stattfindende Werbeveranstaltungen einschließlich Werbe- und Beratungspartys, die sich an Privatpersonen richten, verboten, gleichgültig, ob die Werbeveranstaltung von Gewerbetreibenden selbst oder von jemand anderem organisiert wird. Weiters verboten ist das Aufsuchen von Privatpersonen, wenn hiebei in irgendeiner Form der Eindruck erweckt wird, dass das für die bestellten Waren geforderte Entgelt zumindest zum Teil gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken zu Gute kommt.

(2) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat, wenn es Gründe der öffentlichen Sicherheit erfordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres, wenn es Gründe der Volksgesundheit oder des Konsumentenschutzes erfordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz, wenn es Gründe des Jugendschutzes erfordern, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, oder wenn es - neben den Fällen des Abs. 1 - wegen der besonderen Gefahr einer Irreführung oder Benachteiligung der Bevölkerung erforderlich ist, mit Verordnung auch weitere Waren zu bezeichnen, hinsichtlich derer das Aufsuchen von Privatpersonen jedenfalls verboten ist. Für in einer solchen Verordnung bezeichnete Waren gilt auch das im Abs. 1 festgelegte Verbot von Werbeveranstaltungen.

(3) Hinsichtlich anderer Waren ist das Aufsuchen von Privatpersonen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen den Gewerbetreibenden, die zum Verkauf dieser Waren berechtigt sind, und ihren Bevollmächtigten (Handlungsreisenden) innerhalb des Verwaltungsbezirkes, zu dem die Gemeinde des Standortes gehört, gestattet, hingegen außerhalb des Verwaltungsbezirkes, zu dem die Gemeinde des Standortes gehört, nur in einzelnen Fällen auf ausdrückliche, schriftliche, auf bestimmte Waren lautende, an den Gewerbetreibenden gerichtete Aufforderung gestattet. Es ist dem Gewerbetreibenden nicht gestattet, die Aufforderung durch Versendung vorgedruckter Aufforderungsschreiben auf andere Art als im Postweg herbeizuführen; es ist verboten, sie mit Preisausschreiben oder ähnlichen Veranstaltungen zu verbinden. Das Aufforderungsschreiben muss von der Person, die aufgesucht werden will, eigenhändig unterfertigt und dem Gewerbetreibenden im Postweg zugekommen sein. Der Gewerbetreibende oder sein Bevollmächtigter (Handlungsreisender) muss dieses Aufforderungsschreiben beim Aufsuchen von Bestellungen bei dieser Person mitführen. Die Gewerbetreibenden und die Bevollmächtigten müssen amtliche Legitimationen (§ 62) mit sich führen und diese auf Verlangen der behördlichen Organe vorweisen.

(4) § 55 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung."

§ 59 GewO 1994 hat folgenden Wortlaut:

"Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen

§ 59. (1) Bestellungen auf Waren von Privatpersonen dürfen nur entgegengenommen werden

1. in den Betriebsstätten oder der Wohnung des Gewerbetreibenden,

2. auf Messen, messeähnlichen Veranstaltungen, Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen,

3. anlässlich des gemäß §§ 57 und 58 zulässigen Sammelns von Bestellungen und

4. bei Vorführungen von Modewaren (Modellen) oder Luxusartikeln vor einem geladenen Publikum, soweit es sich um solche Waren handelt.

(2) In allen anderen als den im Abs. 1 genannten Fällen, insbesondere auf der Straße, ist die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen unzulässig. Eine unzulässige Entgegennahme von Bestellungen liegt auch vor, wenn die während einer Werbeveranstaltung von den Veranstaltungsbesuchern ausgefüllten Bestellscheine von einem Dritten zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommen werden."

Es ist vorweg festzuhalten, dass die GewO 1994 - wie schon zuvor die GewO 1859 i.d.F. des Gesetzes BGBl. Nr. 416/1968, - den im § 57 geregelten "Aufsuchen von Privatpersonen ... zum Zweck des Sammelns von Bestellungen auf Waren" im § 59 ausdrücklich die "Entgegennahme von Bestellungen auf Waren bei Privatpersonen" gegenüberstellt. Im Gegensatz zur letztgenannten Gesetzesstelle, welche den tatsächlichen Bestellvorgang betrifft, hat demnach § 57 GewO 1994 eine Vertriebsmethode als solche zum Gegenstand, also die - in welcher Form immer in Erscheinung tretende - Vorsprache des Gewerbetreibenden bei seinen präsumtiven Kunden um diese zur Bestellung seiner Ware zu veranlassen. Wenn und soweit diese Bemühungen im Einzelfall erfolgreich sind, kommen sowohl § 57 als auch § 59 GewO 1994 zur Anwendung; bleiben die Bestellungen hingegen aus, dann verstößt der Gewerbetreibende zwar nicht gegen § 59, wohl aber zufolge seiner auf das Sammeln von Bestellungen gerichteten Absicht gegen § 57 GewO 1994 (vgl. OGH vom 13. Juli 1976, 4 Ob 338, 339/76; vgl. auch OGH vom 5. Mai 1981, 4 Ob 337/81, wonach § 59 Abs. 1 Z. 4 (damals) GewO 1973 keinen Ausnahmetatbestand im Verhältnis zu § 57 (damals) GewO 1973 enthält, weil in den beiden Vorschriften zwei verschiedene Sachverhalte geregelt werden).

Vor diesem Hintergrund ist zu betonen, dass der vorliegende Fall eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer "Entgegennahme von Bestellungen auf Waren bei Privatpersonen" nach § 367 Z. 20 i.V.m. § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 zum Gegenstand hat und nicht eine Bestrafung wegen einer Übertretung im Grunde des § 367 Z. 20 i.V.m. § 57 GewO 1994.

Der Beschwerdeführer bringt unter Berufung auf Judikatur des Obersten Gerichtshofes (insbesondere vom 13. Juli 1976, 4 Ob 338, 339/76) vor, unter "Aufsuchen von Privatpersonen" im Sinne des § 57 GewO 1994 fielen auch Werbeveranstaltungen in Gasthäusern. Weiters macht er geltend, aus § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 leuchte hervor, dass der Gesetzgeber Werbeveranstaltungen unter dem Begriff des "Aufsuchens von Privatpersonen" im Sinne des § 57 Abs. 3 GewO 1994 habe eingeordnet wissen wollen. § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 stelle keine lex specialis zum § 59 Abs. 1 GewO 1994 dar, sondern diene lediglich der Klarstellung, dass auch von einem Dritten anlässlich einer Werbeveranstaltung von Veranstaltungsbesuchern zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden übernommene Bestellscheine einen Fall des unzulässigen Entgegennehmens von Bestellung darstellten, wenn nicht einer der Fälle des § 59 Abs. 1 Z. 1 bis 4 GewO 1994 vorliege. Andernfalls käme man zum ungereimten Ergebnis, dass nur die Entgegennahme von Bestellungen von einem Dritten zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden pönalisiert wäre, nicht jedoch, wenn der Gewerbetreibende selbst die Bestellscheine entgegennehmen würde. Eine solche Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Regelung widerstreiten.

Daraus (und aus dem übrigen Beschwerdevorbringen) lässt sich ableiten, dass der Beschwerdeführer darauf abstellt, die gegenständliche Werbeveranstaltung sei als zulässiges Sammeln von Bestellungen nach § 57 Abs. 3 GewO 1994 anzusehen, weshalb auch die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen nach § 59 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 zulässig gewesen sei; dem stehe auch § 59 Abs. 2 zweiter Satz nicht entgegen, weil sich diese Regel nur auf Werbeveranstaltungen hinsichtlich der im § 57 Abs. 1 GewO 1994 angeführten Waren beziehe. Der Beschwerdeführer ist damit aber nicht im Recht.

Die zunächst zu beantwortende Frage, ob die gegenständliche Werbeveranstaltung ein zulässiges Aufsuchen von Privatpersonen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen im Sinne des § 57 Abs. 3 GewO 1994 darstelle (dass es sich hier um keine im § 57 Abs. 1 GewO 1994 angeführten Waren handelt, ist unstrittig), ist nämlich zu verneinen:

Die gegenständlichen Regelungen gehen weitgehend auf das Bundesgesetz vom 13. November 1968, betreffend das Aufsuchen und die Entgegennahme von Bestellungen, BGBl. Nr. 416/1968, zurück, mit dem die (damalige) Gewerbeordnung 1859 diesbezüglich ergänzt wurde. § 59 GewO 1859 hatte damit (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 59. (1) Das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren bei Personen, die Waren der angebotenen Art für ihren Geschäftsbetrieb benötigen, ist ... .

(2) Das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren bei anderen als den im Abs. 1 genannten Personen ('Privatpersonen') ist hinsichtlich des Vertriebes von Lebensmitteln, Textilien, Uhren, Gold-, Silber- und Platinwaren sowie Juwelen und Edelsteinen innerhalb wie außerhalb der Gemeinde des Standortes jedenfalls verboten.

(3) Wenn es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, der Volksgesundheit, des Jugendschutzes oder - neben den Fällen des Abs. 2 - zum Schutz der Bevölkerung gegen besondere Gefahren der Irreführung und Benachteiligung erforderlich ist, hat das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie mit Verordnung auch weitere Waren zu bezeichnen, hinsichtlich deren das Aufsuchen von Bestellungen bei Privatpersonen jedenfalls verboten ist.

(4) Hinsichtlich anderer Waren ist das Aufsuchen von Bestellungen bei Privatpersonen außerhalb der Gemeinde des Standortes nur in einzelnen Fällen auf ausdrückliche, schriftliche, auf bestimmte Waren lautende, an den Gewerbeinhaber gerichtete Aufforderung gestattet. Es ist dem Gewerbeinhaber nicht gestattet, die Aufforderung durch Versendung vorgedruckter Aufforderungsschreiben auf andere Art als im Postwege herbeizuführen oder sie mit Preisausschreiben oder ähnlichen Veranstaltungen zu verbinden; solche Aufforderungen müssen von der den Vertreterbesuch wünschenden Person eigenhändig unterfertigt sein, dem Gewerbeinhaber im Postwege zukommen und von letzterem oder seinen Bevollmächtigten beim Aufsuchen von Bestellungen bei dem Kunden mitgeführt werden.

(5) Die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen ist nur gestattet

a) in den festen Betriebsstätten des Gewerbeinhabers (§§ 39 und 40),

b)

auf Messen, Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen,

c)

anlässlich des gemäß Abs. 4 sowie § 59d zulässigen Aufsuchens von Bestellungen und

              d)              bei Vorführungen von Modewaren (Modellen) oder Luxusartikeln vor einem geladenen Publikum.

(6) In allen anderen als den in Abs. 5 genannten Fällen, insbesondere auf der Straße, ist die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren von Privatpersonen verboten.

(7) ... .

(8) ... ."

Wie es dazu in den Gesetzesmaterialien (551 BlgNR XI. GP, 5) u. a. heißt, solle die Regelung des Abs. 6 die Entgegennahme von Bestellungen bei Werbeveranstaltungen in Gasthäusern, Kinos usf. verbieten. Das heißt (auch), dass derartige Werbeveranstaltungen nach dem aus den Materialien hervorkommenden Willen des Gesetzgebers nicht unter die Regel des "zulässigen Aufsuchens von Bestellungen" nach § 59 Abs. 5 lit. c GewO 1859 fallen sollten, also derartige Werbeveranstaltungen nicht dem "Aufsuchen von Bestellungen bei Privatpersonen" nach § 59 Abs. 4 GewO 1859 gleichzusetzen seien (weil andernfalls die Verbotsregel des § 59 Abs. 6 GewO 1859 im Hinblick auf die Ausnahmeregel des § 59 Abs. 5 lit. c GewO 1859 nicht zum Tragen käme).

Wenn daher in den Gesetzesmaterialien (395 BlgNR XIII. GP, 153) zur GewO 1973 - wiederverlautbart als GewO 1994 -ausgeführt wird, dass durch die in die Vorlage aufgenommene Bestimmung des Abs. 2 zweiter Satz die offenkundigen Umgehungsmöglichkeit des Verbotes der Entgegennahme von Bestellungen auf Werbeveranstaltungen künftighin ausgeschlossen werden solle, so ist daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber - wie bisher - vom "Aufsuchen von Privatpersonen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen" im § 57 Abs. 3 GewO 1973 (nunmehr GewO 1994) nicht auch das Sammeln von Bestellung bei Werbeveranstaltungen erfasst wissen wollte. Sofern in der vom Beschwerdeführer zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine gegenteilige Meinung zum Ausdruck gebracht werden sollte, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof dem nicht anzuschließen.

Aus dem Gesagten folgt aber auch, dass das Sammeln von Bestellungen (durch den Gewerbetreibenden) bei derartigen Veranstaltungen vom Verbot des § 59 Abs. 2 erster Satz GewO 1994 erfasst ist und nicht unter die Ausnahmeregel des § 59 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 fällt.

Es trifft daher auch nicht zu, es komme, wie der Beschwerdeführer meint, zum ungereimten Ergebnis, dass nur die Entgegennahme von Bestellungen von einem Dritten zur Weiterleitung an den Gewerbetreibenden nach § 59 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1994 pönalisiert sei, nicht jedoch der Fall, dass der Gewerbetreibende selbst die Bestellscheine entgegennehme.

Der Verwaltungsgerichtshof folgt somit der Auffassung von Grabler/Stolzlechner/Wendel, Kommentar zur GewO, 1998, RZ 3 zu § 59, wonach die Entgegennahme von Bestellungen bei so genannten "Werbeparties" nicht gestattet ist (ebenso Wallner, Weiter Betriebsstätten und Gewerbeausübung außerhalb der Betriebsstätte, in: Rill (Hg), Gewerberecht, 1978, 376, wonach das Verbot der Entgegennahme von Bestellungen von Privatpersonen auch für eine solche anlässlich einer Werbeveranstaltung gilt; im gleichen Sinn Hanusch, Kommentar zur Gewerbeordnung, RZ 2 zu § 59).

Beim Verwaltungsgerichtshof bestehen (unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 StGG) auch keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber für die Entgegennahme von Bestellungen von Privatpersonen anlässlich einer Werbeveranstaltung besondere Regeln getroffen hat. So hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11853/1988 - unter Hinweis auf Aicher (Wettbewerbsrechtliche Einführung in das Recht der Werbung, in: Aicher (Hg), Das Recht der Werbung, 260 ff) - den psychologischen Kaufdruck "insbesondere" im Rahmen so genannter "Vertriebspartys" betont, der eine abwägende Kaufentscheidung ebenso erschwert, wie die mit derartigen Vertriebsformen regelmäßig verbundenen Erschwerung des Preis- und Qualitätsvergleichs für den Kaufinteressenten.

Im Hinblick auf das Vorgesagte begegnet es im Lichte des Beschwerdefalles beim Verwaltungsgerichtshof auch keinen Bedenken, dass das Abhalten von Werbeveranstaltungen hinsichtlich anderer als im § 57 Abs. 1 GewO 1994 (bzw. in einer Verordnung nach § 57 Abs. 2) angeführter Waren im Grunde des § 57 Abs. 3 GewO 1994 zulässig sein soll (vgl.  Grabler/Stolzlechner/Wendel, a.a.O., RZ 14 zu § 57; ebenso Hanusch, a.a.O., RZ 1.2. zu § 57), nicht aber die Entgegennahme von Bestellungen bei derartigen Werbeveranstaltungen. Anders als der Beschwerdeführer meint, führt dies zu keinem sinnwidrigen Ergebnis, sondern kann die sachliche Rechtfertigung und Adäquanz des Unterschieds in den Regelungen eben im Schutz des Konsumenten vor psychologischem Kaufzwang begründet werden.

Aus dem gleichen Grund des Schutzes der Konsumenten vor dem genannten besonderen psychologischen Kaufzwang bei Werbeveranstaltungen hat der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass des Beschwerdefalles auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Erwerbsausübungsfreiheit oder des Gleichheitsgrundsatzes, wenn in der Beschwerde dargelegt wird, es wäre "sinnwidrig", wenn das direkte Aufsuchen von Privatpersonen an deren Wohnadresse - als Haustürgeschäft die direkteste Form des Kundenkontaktes - unter der Voraussetzung des § 59 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 57 Abs. 3 GewO 1994 zulässig wäre, während die weniger direkte Form des Kundenkontaktes im Rahmen einer Werbeveranstaltung, zu der es sich der angesprochene Kunde überlegen könne, hinzugehen oder nicht, generell unzulässig wäre. Vom Beschwerdeführer wird dabei der gruppendynamische Faktor solcher Veranstaltungen übergangen, der bei einem Haustürgeschäft eben nicht gegeben ist.

Da nach dem oben Gesagten die Entgegennahme von Bestellungen bei Werbeveranstaltungen verboten ist, fehlt es dem Beschwerdevorbringen, die Werbeveranstaltung habe in jenem Verwaltungsbezirk stattgefunden, zu dem die Gemeinde des Standortes gehöre, und daher nach § 57 Abs. 3 GewO 1994 zulässig sei, an der rechtlichen Relevanz.

In seiner Verfahrensrüge bringt schließlich der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe Feststellungen "dazu unterlassen, dass die Präsentationsveranstaltung im Gasthof 'Vhof' vom von mir vertretenen Unternehmen organisiert wurde und hiezu die angesprochenen Kunden persönlich geladen wurden. Die Initiative zu dieser besonderen Form der persönlichen Kontaktaufnahme mit den präsumtiven Kunden der von mir vertriebenen Produkte ging somit von meiner Gesellschaft aus, weshalb unzweifelhaft ein 'Aufsuchen von Privatpersonen' iSd § 57 Abs. 1 GewO 1994 vorliegt." Die belangte Behörde habe die hiezu notwendigen Feststellungen unterlassen, "was ein Leichtes gewesen wäre, wenn die belangte Behörde nur die bei der gegenständlichen Werbeveranstaltung tätig gewesene Warenpräsentatorin einvernommen hätte".

Unabhängig von der Frage der Relevanz dieses Beschwerdevorbringens ist diesbezüglich der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens die Partei nicht von der Verpflichtung befreit, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Daher ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren - wie hier hinsichtlich des Gegenstandes der Beschwerderüge - untätig geblieben ist, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1959, VwSlg. Nr. 5007/A).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 9. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000040210.X00

Im RIS seit

20.01.2003

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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