TE OGH 1987/11/12 7Ob53/87

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Veröffentlicht am 12.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** D*** Z*** W***, Wien 4,

Operngasse 20 b, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C*** V*** A*** G***, Wien 1.,

Lichtenfelsgasse 7, vertreten durch Dr. Ekardt Blahut, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 501.698,61 s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Juli 1987, GZ 4 R 60/87-11, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 4. Dezember 1986, GZ 12 Cg 72/86-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Dr. Alexander S*** hat am 29. Juni 1984 mit der Beklagten einen Ablebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von S 2 Mill. abgeschlossen. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Risikoversicherung auf den Todesfall (Lebensversicherung) Ausgabe 1975, zugrunde. § 10 dieser Bedingung enthält Regelungen für den Selbstmordfall, während die Absätze 1 und 3 des § 8 wie folgt lauten:

"(1) Hat der Versicherungsnehmer oder der Versicherte bei Abschluß, Änderung oder Wiederherstellung der Versicherung einen ihm bekannten Umstand, der für die Übernahme der Gefahr erheblich ist, verschwiegen oder falsch angegeben, so ist der Versicherer berechtigt, innerhalb eines Monates, nachdem er von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt hat, von dem Vertrag zurückzutreten. ....

(3) Das Recht des Versicherers, die Versicherung wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt."

Dr. Alexander S*** hat von der Klägerin einen Kredit erhalten. Zur Sicherung der Kreditforderung vereinbarte er mit ihr die Vinkulierung der Ablebensversicherung bis zu einem Teilbetrag von S 700.000,--. Dies wurde der Beklagten mit Vinkulierungsanzeige vom 25. Jänner 1985 angezeigt. In dieser Anzeige (Beilage A) führte die Klägerin aus, daß sie die Polizze mit der Bitte überreiche, ".... e) die Haftungseinschränkungen der §§ 8 und 10 (bei Verletzung der Anzeigepflicht und Selbstmord) für die Dauer und Höhe der Vinkulierung uns gegenüber nicht einzuwenden". Abschließend enthält das Schreiben den Satz: "Wir ersuchen Sie daher, uns dies (a bis e) durch firmenmäßige Zeichnung der beiliegenden Kopie dieses Schreibens zu bestätigen". Auf der Rückseite war folgender Vermerk abgedruckt: "Umseitige Vinkulierungsanzeige nehmen wir zur Kenntnis. Anbei retournieren wir Ihnen die/den umseitig angeführte Polizze bzw. Anhang, auf der/dem wir die Vinkulierung vermerkt haben". Die Beklagte hat den Vermerk auf der Vinkulierungsanzeige am 30. Jänner 1985 unterzeichnet und diesen, zugleich mit der Polizze und einem Nachtrag Nr. 2 (Beilage 5) an die Klägerin übersandt. In der Polizze wird die Vinkulierung vermerkt und auf den erwähnten Nachtrag verwiesen. Der Nachtrag hat folgenden Wortlaut:

"Über Antrag des Versicherungsnehmers vom 25. Jänner 1985 wird die vorliegende Versicherung zugunsten des Kreditvereins der Z*** W*** zur Sicherstellung einer Forderung derselben vinkuliert. Bis zum Betrag des beim Kreditverein aushaftenden Darlehens (maximal bis S 800.000,--) verzichtet die Versicherungsunternehmung dem Darlehensgeber gegenüber auf das im § 8 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehene Rücktrittsrecht und auf die im § 10 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbeschränkungen bzw. Haftungsausschlüsse."

Dr. S*** ist am 14. November 1985 verstorben.

Dem vorliegenden, auf Zahlung von S 501.698,61 s.A. gerichteten Begehren setzt die Beklagte die Einwendung entgegen, sie fechte den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Irreführung durch Dr. S*** an.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren in der Hauptsache mit der Begründung stattgegeben, eine Anfechtung wegen Irreführung durch den Versicherungsnehmer sei durch Verzicht der Beklagten ausgeschlossen worden.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt mit der Begründung auf, der Verzicht der Beklagten habe sich lediglich auf ihr Rücktrittsrecht nach § 8 der Versicherungsbedingungen, nicht jedoch auf das Recht, den Vertrag wegen listiger Irreführung anzufechten, bezogen. Demnach müsse die diesbezügliche Einwendung der Beklagten überprüft werden. Der von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, bei der Vinkulierung handle es sich um eine Anweisung, die von der Beklagten angenommen worden sei, weshalb die Beklagte grundsätzlich keine Einwendungen aus dem Grundverhältnis gegen die Klägerin erheben könne. Wäre dies richtig, wäre das Vorgehen der Klägerin in der Vinkulierungsanzeige unverständlich. Diesfalls hätte es nämlich gar keines Verzichtes der Beklagten auf sich aus den Versicherungsbedingungen ergebenden Rechte bedurft.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsansicht der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Selbst Schinnerer-Avancini (II3, 195) sprechen nicht davon, daß es sich bei der Vinkulierung um eine Anweisung handelt, sondern nur, daß bezüglich des Dreiparteienverhältnisses das Anweisungsrecht "entsprechend anzuwenden" sei. Dies gilt jedoch höchstens für die allgemeinen Ausführungen zum Dreiparteienverhältnis, nicht aber für spezielle, ausschließlich auf die Anweisung abgestellte Figuren. Demnach erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Ausführungen in Koziol-Welser (I7, 287) bezüglich der Annahme einer Anweisung. Insbesondere spricht aber Ehrenzweig in der im Rekurs erwähnten Stelle (Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, 198) den von der Klägerin behaupteten Rechtssatz nicht aus. Schließlich hat die Beklagte auch nichts angenommen, sondern nur die Vinkulierung zur Kenntnis genommen. In Wahrheit dient die Vinkulierung einer Sicherstellung für die Forderung desjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgen soll (JBl. 1980, 100 u.a.). Demnach müssen hier vor allem die für Sicherungen entwickelten Grundsätze beachtet werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Versicherer, falls jemand zur Sicherstellung einer Forderung die Vinkulierung der Versicherung verlangt, auf ihm eingeräumte Rechte schlechtweg verzichtet. Grundsätzlich erfährt demnach durch die Vinkulierung der Versicherungsvertrag inhaltlich keine Änderung. Natürlich entstehen durch Zurkenntnisnahme der Vinkulierung auch vertragliche Beziehungen zwischen dem Versicherer und dem aus der Vinkulierung Berechtigten. Dies bedeutet jedoch nicht das Entstehen eines abstrakten Schuldverhältnisses zwischen diesen beiden Personen. Vielmehr behält der Versicherer grundsätzlich seine ihm aus dem Versicherungsvertrag entspringenden Rechte, soweit diese nicht durch seine Vereinbarung mit dem Vinkulierungsberechtigten geändert worden sind. Liegt also eine solche Änderung nicht vor, kann der Versicherer auch gegenüber dem aus der Vinkulierung Berechtigten die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Einwendungen erheben. Der Hinweis der Klägerin auf § 5 VersVG übersieht, daß diese Bestimmung nur den Abschluß und die Änderung eines Versicherungsvertrages zum Gegenstand hat, was sich schon aus dem Hinweis auf den Versicherungsschein ergibt. Der Versicherungsschein ist jene Urkunde, die den Inhalt des Vertrages enthält (Bruck-Möller VVG8 I, 154). Die Zurkenntnisnahme einer Vinkulierung stellt weder den Abschluß noch die Änderung eines Versicherungsvertrages dar. Für sie gilt daher nicht die ausschließlich auf Versicherungsverträge abgestellte Bestimmung des § 5 VersVG.

Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, daß die Beklagte in ihrem Schreiben, in dem sie die Vinkulierung zur Kenntnis nehme auf eine allfällige Abweichung von der Bitte in der Vinkulierungsanzeige nicht ausdrücklich hingewiesen hat. Die Klägerin behauptet in Wahrheit einen Verzicht der Beklagten auf ihr zustehende Rechte. Ohne auf die Frage einzugehen, inwieweit ein Verzicht der Annahme bedarf, setzt er jedenfalls gemäß § 1444 ABGB eine Verzichtserklärung voraus. Diese Erklärung ist demnach die Grundlage für den Inhalt des Verzichtes. Dieser ist so zu verstehen, wie ihn ein redlicher Empfänger der Erklärung verstehen mußte.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in der Vinkulierungsanzeige um einen Verzicht auf die Haftungseinschränkungen der §§ 8 und 10 der Versicherungsbedingungen schlechthin gebeten. Hätte die Beklagte lediglich die Vinkulierungsanzeige unterfertigt, würde dies tatsächlich einen Verzicht auf sämtliche der Beklagten aus den §§ 8 und 10 der Versicherungsbedingungen zustehenden Rechte bedeuten. Die Beklagte hat jedoch zugleich mit der Vinkulierungsanzeige die Versicherungspolizze übersandt und in dieser deutlich auf den angeschlossenen Nachtrag Nr. 2 (Beilage 5) verwiesen. In diesem Nachtrag wird nur auf das Rücktrittsrecht des § 8 der Versicherungsbedingungen verzichtet. Daß es sich hiebei nicht um einen Verzicht auf die sich aus § 8 ergebenden Rechte schlechthin handeln konnte, ergibt sich schon daraus, daß die sich auf § 10 beziehende Verzichtserklärung diese Bestimmung schlechthin nennt, ohne ihren näheren Inhalt anzuführen. Es wäre daher nahegelegen, falls ein Verzicht auf sämtliche sich aus § 8 ergebenden Rechte beabsichtigt gewesen wäre, auch hier nur diese Bestimmung anzuführen. Entgegen dem Hinweis auf § 10 hat jedoch die Beklagte bezüglich des § 8 nur eines der dort erwähnten Rechte genannt. Daraus muß aber geschlossen werden, daß sie nur auf dieses eine Recht (Rücktritt vom Vertrag) verzichten wollte, nicht jedoch auf die anderen sich aus § 8 ergebenden Rechte. Daß ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht nicht automatisch einen Verzicht auf Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung beinhaltet, ergibt sich schon aus der Formulierung des § 8 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen, demzufolge selbst dann, wenn nach § 8 Abs. 2 der Rücktritt ausgeschlossen ist, das Recht des Versicherers auf eine derartige Anfechtung unberührt bleibt. Die Verzichtserklärung der Beklagten ist daher eindeutig und für jedermann erkennbar nur auf die Geltendmachung des Rücktrittsrechtes, nicht aber auf die Vertragsanfechtung wegen listiger Irreführung gerichtet gewesen. Mit Recht hat sohin das Berufungsgericht erkannt, daß die Einwendung der Beklagten betreffend die listige Irreführung durch den Versicherungsnehmer geprüft werden muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E12613

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00053.87.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19871112_OGH0002_0070OB00053_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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