TE OGH 1987/11/19 12Os121/87

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Veröffentlicht am 19.11.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hedwig P*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23.Juni 1987, GZ 34 b Vr 2760/86-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Hauptmann, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Franzmayr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Angeklagten wird Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe gemäß § 26 Abs 1 FinStrG in Verbindung mit § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Der Berufung des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 14.Oktober 1939 geborene Verkäuferin Hedwig P*** des Finanzvergehens nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt. Darnach hat sie in Linz vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in den Monaten Jänner, Juni, Juli, November und Dezember 1984, Jänner bis September, November und Dezember 1985 sowie Jänner und März bis Juli 1986 in der Höhe von 2,258.076 S bewirkt, wobei sie dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hielt.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte Hedwig P*** bekämpft ihren Schuldspruch mit einer nominell auf die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund sieht die Angeklagte in der Abweisung ihres (in der Hauptverhandlung gestellten - AS 168) Beweisantrags auf Beischaffung der "Grundunterlagen" bezüglich der Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner, Juni, Juli, November und Dezember 1984 verwirklicht; dies jedoch zu Unrecht: Der betreffende Antrag zielte nämlich, wie (nur) aus seinem Zusammenhang mit dem unmittelbar vorausgegangenen Beweisantrag auf Beischaffung der (ohnehin bereits unter ON 4 im Akt erliegenden) Umsatzsteuervoranmeldungen für die betreffenden Monate hervorgeht, ausschließlich auf die Überprüfung ab, ob in diesen Voranmeldungen Beträge abgezogen worden waren, auf welche die Angeklagte "gewartet" hatte (vgl AS 168). Nach seinem Wortlaut und Sinngehalt stellte er somit nur auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab. Es wurde nämlich nicht etwa behauptet und unter Beweis gestellt, daß Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Berechnung bestimmter Umsatzsteuervorabzüge zur verspäteten Umsatzsteuervoranmeldung geführt hätten, sondern vorerst nur eine Ermittlung angestrebt, ob allenfalls einer derartigen Beweisführung dienliche Indizien verfügbar wären (vgl Mayerhofer-Rieder2, § 281 Abs 1 Z 4 StPO, ENr 88 bis 90).

Daß sich aus dem Nachweis der Geltendmachung weiterer - in den vom Steuerberater verfaßten Entwürfen der Voranmeldungen noch nicht enthaltener - Vorsteuerabzüge das Fehlen jeglicher "Absicht auf eine Abgabenverkürzung" ergeben hätte, wird von der Angeklagten erst im Rahmen ihrer Beschwerdeausführungen behauptet. Dieses Vorbringen kann daher bei der Prüfung des Zwischenerkenntnisses, bei welcher stets von der für das Erstgericht gegebenen Verfahrenslage auszugehen ist (Mayerhofer-Rieder2, § 281 Abs 1 Z 4 StPO, ENr 40, 41), nicht berücksichtigt werden. Im übrigen ist es zur Verwirklichung der inneren Tatseite des § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht erforderlich, daß es dem Täter auf die Abgabenverkürzung geradezu ankommt (Absicht im Sinne des § 5 Abs 2 StGB), wohl aber, daß er eine Verkürzung der Vorauszahlungen an

Umsatzsteuer - wenigstens dem Grunde nach (SSt 53/10) - für gewiß hält (§ 5 Abs 3 StGB). Die Beschwerdeausführungen zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO betreffen sohin gar nicht den tatbildlichen Vorsatz, sondern der Sache nach nur ein Motiv für die Unterlassung rechtzeitiger Vorsteueranmeldungen. Der behauptete Beweggrund, nämlich das Bestreben der Angeklagten, weitere - in die ursprünglichen Voranmeldungsentwürfe ihres Steuerberaters noch nicht aufgenommene - Vorsteuerabzüge zu erfassen, ist zudem keineswegs unvereinbar mit der Annahme, daß die Angeklagte die Bewirkung einer Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen durch dieses Verhalten dem Grunde nach für gewiß hielt; denn ihr liegt ohnehin nur die Verkürzung um jene Umsatzsteuervorauszahlungen des Jahres 1984 zur Last, welche nach ihren eigenen Angaben in den nachträglich erstatteten Umsatzsteuervoranmeldungen selbst unter Berücksichtigung aller letztlich geltend gemachter Vorsteuerabzüge zu leisten gewesen wären (vgl die verspätet erbrachten Voranmeldungen in ON 4 des Aktes sowie die aus AS 71 in ON 4 ersichtliche, der Anklageschrift und dem Urteil zugrundegelegte Berechnung des Verkürzungsbetrages). Soweit die Angeklagte (unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO) fehlende Begründung der Urteilsfeststellung vorsätzlicher Unterlassung rechtzeitiger Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahre 1984 geltend macht, vernachlässigt sie wesentliche Urteilspassagen. Wird doch im angefochtenen Urteil in diesem Zusammenhang insbesondere auf ihre langjährige Geschäftserfahrung, ihr pflichtgemäßes Verhalten in früheren Jahren (insbesondere in Ansehung von Monaten, in denen sich auf Grund von Umsatzsteuervoranmeldungen Gutschriften ergaben) und auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Unternehmens hingewiesen (US 4 und 5). Solcherart bringt die Beschwerdeführerin aber weder den relevierten noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), derzufolge eine "vorsätzliche Abgabenverkürzung" in bezug auf das Jahr 1984 nicht in Betracht komme, weil eine um etwa zwei Monate verspätete Zahlung nur als kurzfristige Zahlungsverspätung zu beurteilen und eine Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 1984 nicht nachgewiesen sei, ist sachlich nicht begründet: Die Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer ist zufolge § 33 Abs 3 lit b FinStrG dann bewirkt, wenn diese selbst zu berechnenden Abgaben ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) worden sind. Das Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG ist demnach vollendet, wenn die betreffende Umsatzsteuervorauszahlung bis zum spätesten nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zulässigen Zeitpunkt, dh gemäß § 21 Abs 1 UStG 1972 binnen einem Kalendermonat und zehn Tage nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums, nicht entrichtet ist (siehe erneut SSt 53/10 mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung und Literatur). Daß dieser Verkürzungserfolg vom Wissen der Angeklagten umfaßt war, hat aber das Erstgericht (mit formell mängelfreier Begründung) unmißverständlich festgestellt (US 3).

Dem weiteren - sachlich auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten - Vorbringen zur Rechtsrüge, mit welchem sich die Beschwerdeführerin "zumindest" hinsichtlich der Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für das Jahr 1984 auf den (in bezug auf die späteren Verkürzungen wohl schon mangels fristgerechter Nachzahlung - vgl AS 19 - nicht mehr in Anspruch genommenen) Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) beruft, ist die Urteilsfeststellung (US 3 Ende des ersten Absatzes) entgegenzuhalten, wonach die Angeklagte jeweils erst durch zwei Mahnungen zur Voranmeldung und Vorauszahlung bewogen worden war, solcherart aber auch davon Kenntnis erhalten hatte, daß die Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlungen bereits entdeckt war. Eine diesen Mahnungen nachfolgende Selbstanzeige konnte Straffreiheit jedenfalls nicht mehr bewirken (§ 29 Abs 3 lit b FinStrG).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Hedwig P*** war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstsrafe von 400.000 S (im Fall der Uneinbringlichkeit zu vier Monaten Ersatzfreiheitsstrafe). Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend eine einschlägige finanzbehördliche Vorstrafe, die Tatbegehung durch einen langen Zeitraum und den hohen Schaden, als mildernd hingegen die (ohne strafbefreiende Wirkung erstattete) Selbstanzeige.

Mit ihren gegen diesen Strafausspruch ergriffenen Berufungen streben die Angeklagte die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht, das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz jedoch eine Straferhöhung an.

Nur der Berufung der Angeklagten kommt Berechtigung zu. Im Sinne der Berufungsargumentation der Angeklagten trifft es nämlich zunächst zu, daß die vom Erstgericht vernachlässigte Schadensgutmachung durch (für das Jahr 1984 vollständige) nachträgliche Abdeckung tatgegenständlicher Verkürzungsbeträge als weiterer (wesentlicher) Milderungsgrund hinzutritt. Dieser läßt in Verbindung damit, daß die gerichtlich bisher nicht vorbestrafte Angeklagte die in Rede stehenden (ebenso wie die der finanzbehördlichen Vorstrafe zugrunde gelegenen) Tathandlungen ausschließlich im Zusammenhang mit dem gescheiterten Unternehmen begangen und ihre Tätigkeit als selbständige Unternehmerin mit der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen am 2.Dezember 1986 beendet hat, die Gewährung der angestrebten bedingten Strafnachsicht zu. Mit Rücksicht darauf, daß die Angeklagte die objektiven Modalitäten des ihr zur Last fallenden Finanzvergehens durch Erstattung einer umfassenden Selbstanzeige von sich aus offengelegt hat, die Tathandlungen zudem im Licht eines wirtschaftlich niedergehenden Betriebes zu sehen sind und ihr Unwert schon in Anbetracht der (unabhängig von Tatdetails absolut) beträchtlichen Strafhöhe auch bei bloßer Androhung der ausgesprochenen Geldstrafe hinreichend zum Ausdruck kommt, erweist sich eine bedingte Strafnachsicht nach Lage des Falles auch aus generalpräventiver Sicht als vertretbar. Im Hinblick auf die mit dem abgeurteilten Finanzvergehen verbundene Abgabenverkürzung wird vom Erstgericht (12 Os 74/76; 9 Os 6/83) mit einer Weisung gemäß § 26 Abs 2 FinStrG vorzugehen sein.

Aus ebendenselben Erwägungen, die das Berufungsbegehren der Angeklagten stützen, muß der Berufung der Finanzstrafbehörde erster Instanz der Erfolg versagt bleiben, weshalb insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E12456

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00121.87.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19871119_OGH0002_0120OS00121_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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