TE OGH 1987/11/24 11Os100/87

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Veröffentlicht am 24.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf H*** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 12.März 1987, GZ 16 Vr 1.395/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Rudolf Mayer jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Punkt I, soweit Rudolf H*** auch für die in den Jahren 1977 bis 1982 verübten Unzuchtshandlungen schuldig gesprochen wurde, und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Rudolf H*** wird für das von der Aufhebung unberührt gebliebene, in den Jahren 1976 und 1977 begangene Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB (I), sowie das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB (II) und das Vergehen des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB (III) nach dem § 206 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 (drei) Jahren und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.April 1949 geborene Rudolf H*** wie aus dem Spruch ersichtlich schuldig erkannt und nach dem § 206 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung wurden als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen, die oftmalige Wiederholung der verschiedenen Tathandlungen durch einen langen Zeitraum und die besondere Widerwärtigkeit in Anbetracht des Alters des Kindes zu Beginn der Taten angenommen. Als mildernd wurde nur der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten gewertet.

Gegen dieses Urteil ergriff der Angeklagte die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde bereits mit dem vom Obersten Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß vom 28.Oktober 1987, GZ 11 Os 100/87-11, dem auch der wesentliche Sachverhalt zu entnehmen ist, zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Anläßlich der Beratung über diese Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings überzeugen, daß das Urteil mit dem nicht gerügten, aber von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet ist (§ 290 Abs. 1 StPO).

Nach den Urteilsfeststellungen (S 118) begann der Angeklagte im Jahr 1976, sich seiner damals siebenjährigen Stieftochter Sabine Z*** sexuell zu nähern: Er forderte das Mädchen auf, sein Glied bis zur Erregung zu streicheln und sodann an ihm einen Mundverkehr durchzuführen, wobei er in der weiteren Folge auch verlangte, daß das Kind den Samenerguß in den Mund duldete. Auch zu einem Afterverkehr zwang er die Unmündige. Etwa ab dem Jahr 1977 begann Rudolf H*** mit Beischlafshandlungen an Sabine Z***, indem er sein Glied nach jeweiligem Mundverkehr und Streicheln in die Scheide des Mädchens teilweise einzuführen trachtete. Diese den Beischlafshandlungen in den Jahren 1977 bis 1982 jeweils vorangehenden Unzuchtshandlungen subsumierte das Schöffengericht (ebenso wie die Anklagebehörde) neben dem Tatbestand des Beischlafs mit Unmündigen (§ 206 Abs. 1 StGB) auch dem der Unzucht mit Unmündigen (§ 207 Abs. 1 StGB) und erlag damit zum Nachteil des Angeklagten einem Rechtsirrtum. Den normalerweise mit dem Beischlaf verbundenen, seiner Vorbereitung dienenden (oder auch unmittelbar nachfolgenden), mit ihm geschehensablaufmäßig in ununterbrochenem Konnex stehenden anderen Unzuchtshandlungen kommt nämlich eine selbständige strafrechtliche Bedeutung nicht zu, sodaß sie nicht gesondert nach dem § 207 StGB beurteilt werden können. Die vom Erstgericht ersichtlich angenommene Idealkonkurrenz zwischen diesen Verbrechenstatbeständen liegt daher bei der gegebenen Fallkonstellation nicht vor (Leukauf-Steininger2 RN 12 zu § 206 StGB und die dort zitierte Judikatur).

Soweit die Tathandlungen ab dem Jahr 1977 also durch die Verurteilung wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB mitumfaßt sind, mußten der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB und damit auch der Strafausspruch aufgehoben werden. Im Hinblick auf die (irrig angenommene) Idealkonkurrenz war ein gesonderter Freispruch nicht erforderlich (SSt. 33/9 uva). Bei der Strafneubemessung ging der Oberste Gerichtshof zunächst von den vom Erstgericht aufgezählten Milderungsumständen aus, die aber in mehrfacher Richtung zu korrigieren waren. Durch die Teilaufhebung verringerte sich der Deliktszeitraum der (gesondert) nach dem § 207 Abs. 1 StGB zu beurteilenden Unzuchtshandlungen auf rund ein Jahr. Im übrigen ließ das Schöffengericht im Rahmen der Strafzumessung unerwähnt, daß der Berufungswerber während der polizeilichen Sachverhaltserhebungen und auch noch vor dem Untersuchungsrichter ein umfassendes und reumütiges Geständnis ablegte, das - wie im Rahmen der Beweiswürdigung breit dargelegt wurde - wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug (§ 34 Z 17 StGB). Auch ließ sich der Angeklagte - nach der neu eingeholten Strafregisterauskunft - seit Beendigung der Tathandlungen (1982) bis zur Aufdeckung (1986) nichts mehr zuschulden kommen (§ 34 Z 18 StGB). Wenngleich der Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten sehr hoch ist, bilden diese - wenn auch durch den Widerruf des Geständnisses in der Hauptverhandlung etwas

entwerteten - Milderungsumstände im Verein mit dem ungetrübten Vorleben doch ein gewichtiges Indiz dafür, daß auch mit der aus dem Spruch ersichtlichen, immer noch weit über der Strafuntergrenze von einem Jahr Freiheitsstrafe ausgemessenen Unrechtsfolge alle Strafzwecke erreicht werden können.

Durch diese Strafneubemessung wurde die Berufung des Angeklagten gegenstandlos.

Die Kostenentscheidungen und die Vorhaftanrechnung gründen sich auf die angeführten Gesetzesstellen.

Anmerkung

E14288

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00100.87.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19871124_OGH0002_0110OS00100_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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